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5 Romantic Carol East Thriller November 2022
5 Romantic Carol East Thriller November 2022
5 Romantic Carol East Thriller November 2022
eBook498 Seiten7 Stunden

5 Romantic Carol East Thriller November 2022

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Romantic Thriller

von Carol East:



Das verwunschene Haus

Geliebte Hexe

Annikas Schatten

Das Geheimnis der blinden Seherin

Die Braut des Geisterpiraten



Romane um Liebe, die dem Unheimlichen widersteht...





Es herrschte Windstille auf dem offenen Meer, und dennoch fegten Nebelfetzen vorbei, wie von unsichtbaren Verfolgern gejagt.

Sara Perres beobachtete sie verwirrt. Sie schüttelte ihr üppiges Blondhaar zurück, weil eine Strähne drohte, ihr ein wenig die Sicht zu nehmen, und blies die Wangen auf. Das sah ja gerade so aus, als würde es nicht mit rechten Dingen zugehen: Was trieb die Nebelfetzen eigentlich an? Und es wurden immer mehr. Dabei wuchsen sie heran, quirlten in sich, als hätten sie ein gespenstisches Eigenleben, veränderten ständig ihre Form.

Sara schaute nach rechts, von wo sie kamen, diese Nebelfetzen, die beinahe zu so etwas wie Nebelkreaturen geworden waren. Aber sie konnte zunächst nichts Bedeutsames erkennen. Irgendwo in der Ferne schien ihr Ursprung zu sein. So jedenfalls ihr erster Eindruck. Aber als sie länger in diese Richtung schaute, erkannte sie einen regelrechten Nebelberg, der allmählich aus dem Meer heranwuchs.

Auf einmal stockte ihr der Atem. Sie begann endlich zu begreifen: Nein, nicht die Nebelgebilde bewegten sich, sondern in Wahrheit... das Schiff, auf dem sie stand.
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum14. Nov. 2022
ISBN9783745225334
5 Romantic Carol East Thriller November 2022

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    Buchvorschau

    5 Romantic Carol East Thriller November 2022 - Carol East

    5 Romantic Carol East Thriller November 2022

    Carol East

    Dieser Band enthält folgende Romantic Thriller

    von Carol East:

    Das verwunschene Haus

    Geliebte Hexe

    Annikas Schatten

    Das Geheimnis der blinden Seherin

    Die Braut des Geisterpiraten

    Romane um Liebe, die dem Unheimlichen widersteht...

    Es herrschte Windstille auf dem offenen Meer, und dennoch fegten Nebelfetzen vorbei, wie von unsichtbaren Verfolgern gejagt.

    Sara Perres beobachtete sie verwirrt. Sie schüttelte ihr üppiges Blondhaar zurück, weil eine Strähne drohte, ihr ein wenig die Sicht zu nehmen, und blies die Wangen auf. Das sah ja gerade so aus, als würde es nicht mit rechten Dingen zugehen: Was trieb die Nebelfetzen eigentlich an? Und es wurden immer mehr. Dabei wuchsen sie heran, quirlten in sich, als hätten sie ein gespenstisches Eigenleben, veränderten ständig ihre Form.

    Sara schaute nach rechts, von wo sie kamen, diese Nebelfetzen, die beinahe zu so etwas wie Nebelkreaturen geworden waren. Aber sie konnte zunächst nichts Bedeutsames erkennen. Irgendwo in der Ferne schien ihr Ursprung zu sein. So jedenfalls ihr erster Eindruck. Aber als sie länger in diese Richtung schaute, erkannte sie einen regelrechten Nebelberg, der allmählich aus dem Meer heranwuchs.

    Auf einmal stockte ihr der Atem. Sie begann endlich zu begreifen: Nein, nicht die Nebelgebilde bewegten sich, sondern in Wahrheit... das Schiff, auf dem sie stand.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    COVER A.PANADERO

    © dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

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    Alles rund um Belletristik!

    Das verwunschene Haus

    Carol East

    Originaltitel: Das verwunschene Haus

    ***

    Warum sind Sie hier - aus eigenem Willen oder weil es Ihr Mann so wollte?

    Lydia Silver blinzelte irritiert. Sie schaute den Psychiater fragend an. Was soll das denn? Und spielt es überhaupt eine Rolle für Sie?

    Nein, nicht für mich, sondern für Sie, Mrs. Silver. Sehen Sie, Ihr Mann hat Sie angemeldet, wie ich dem Formular entnehme.

    Noch einmal: Welche Rolle spielt das für Sie - und lenken Sie bitte nicht ab! Es klang ärgerlich.

    Der Psychiater blieb freundlich. Er zauberte sogar ein gewinnendes Lächeln auf seine Lippen.

    Ich bin Psychiater, kein Wunderheiler. Das heißt, wenn Sie es nicht selber wollen, kann ich Ihnen auch nicht helfen.

    Na, Dr. Hackensmith, dann hat sich die Sache ja schon erledigt: Wenn Sie mir nicht helfen können, kann ich ja gleich gehen. Damit sparen wir eine Menge Zeit. Oder wieso wollen Sie mich jetzt eine Stunde lang interviewen, wenn das Ergebnis sowieso schon feststeht? Die große, schlanke Frau machte Anstalten, aufzustehen. Ihr junges, hübsches Gesicht zeigte einen deutlichen Zug von Bitterkeit um die Mundwinkel. Sie schüttelte mit einer energischen Bewegung ihr wallendes Blondhaar in den Nacken.

    Sein Lächeln blieb. Auch seine nette Freundlichkeit.

    Sie haben recht, Mrs. Silver: Unter diesen Umständen hat es wirklich keinen Zweck. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen. Selbstverständlich berechne ich Ihnen nichts. Ich war Ihnen ja auch in keiner Weise eine Hilfe. Wenn Sie mir dann bitte zum Ausgang folgen würden?

    Lydia Silver stutzte. Sie betrachtete den Psychiater, als würde sie ihn jetzt zum ersten Mal in ihrem Leben sehen. Er saß vor ihr und machte seinerseits keinerlei Anstalten, etwa aufzustehen, um seinen Worten Taten folgen zu lassen.

    Sein Lächeln verstärkte sich.

    Irritiert, Mrs. Silver? Nun, das wundert mich in der Tat. Sie kamen hierher, ohne auch nur die geringste Absicht zu hegen, mir zu erzählen, was Sie bedrückt. Weil Sie sich sowohl von Ihrem Mann, als auch von der gesamten übrigen Menschheit unverstanden fühlen. Wieso also sollte ausgerechnet ich Verständnis für Sie haben oder Ihnen gar auch nur ein Fünkchen Glauben schenken?

    Sie sank in ihren Ledersessel zurück und wirkte dabei, als hätte sie auf einmal alle Kraft verlassen.

    Bravo, die erste Runde geht eindeutig an Sie!

    Hören Sie, Mrs. Silver, bei allem Respekt, aber dies hier ist kein Ringkampf. Ich bin niedergelassener Arzt. An der Wand hängen Diplome. Die kriegt man nicht im Supermarkt zu kaufen. Und Sie sind hier, weil Sie meine Hilfe brauchen. Allerdings kann Sie niemand dazu zwingen, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch Ihr Mann nicht. Die Entscheidung liegt einzig und allein bei Ihnen.

    Aha, daher die Frage eingangs!

    Genau, Mrs. Silver. Sie unterstellen Ihrem Mann, daß er sie für verrückt hält und deshalb zu mir schickt. Und Sie haben seinem Wunsch nur deshalb entsprochen, um Ihre Ruhe vor seinen zwar gutgemeinten, aber doch auf die Dauer ziemlich nervenden Äußerungen zu haben.

    Sind Sie Hellseher oder Psychiater?

    Nun, wenn ich ehrlich sein will: Als Psychiater muß man manchmal so etwas wie hellseherische Fähigkeiten haben, sonst kommt man nicht weiter. Vor allem, wenn man auf soviel Mißtrauen trifft.

    Sie schaute auf ihre Armbanduhr.

    Ich bin jetzt keine fünf Minuten hier drinnen - und schon haben Sie mich für sich gewonnen. Dabei kam ich eigentlich nur, um gleich wieder zu gehen. Sind Sie immer so erfolgreich?

    Erfolgreich kann man mich erst nennen, wenn es Ihnen wieder besser geht, Mrs. Silver. Ich fürchte, davon sind wir noch sehr weit entfernt.

    Na, mit Ihrer Hilfe...

    Er lachte leise, obwohl Lydia die Worte eher ironisch gemeint hatte. Sein Lachen klang ehrlich und herzlich - und auf einmal war der Psychiater Lydia Silver sympathisch. Nicht deshalb, weil sie ihm jetzt vorbehaltlos vertraute, sondern weil er so eine Art Strohhalm für sie war, nach dem bekanntlich Ertrinkende greifen, weil er ihnen Rettung verspricht, was er in der Regel gar nicht halten kann.

    Wäre es Ihnen möglich, Mrs. Silver, die Ironie einmal zu vergessen und mir zu sagen, worum es geht? Sie können völlig offen sein. Es gibt keine Geschichte, die so absurd klingen könnte, daß ich sie noch nie gehört habe.

    Glauben Sie denn... an Geister?

    Das kommt auf die Umstände an.

    Welche Umstände?

    Die Umstände, unter denen Ihnen Geister begegnen, Mrs. Silver. Kein verantwortungsbewußter Psychiater würde Ihnen auf diese Frage etwas anderes sagen. Ich will es deshalb für Sie noch präzisieren: Wenn Sie mir von einem Geist erzählen, um mich auf eine falsche Fährte zu locken, werde ich es herausbekommen. Nur wenn Sie die Wahrheit sagen, selbst wenn diese noch so subjektiv erscheinen mag, kann ich Ihnen glauben.

    Das soll heißen: Sie glauben nicht wirklich an Geister, aber sie bemühen sich, MIR zu glauben! Ja, es war eher eine Feststellung als eine Frage.

    Der Psychiater nickte nur, unentwegt lächelnd.

    Also gut, fuhr Lydia Silver fort: Es gibt zumindest einen Geist. Etwas, woran ich bis vor relativ kurzer Zeit selber nicht hätte glauben können. Für mich gibt es ihn, seit ich... dort wohne.

    Mit Ihrem Mann zusammen? Was hat es mit der Wohnung auf sich?

    Das Haus gehört dem Vater meines Mannes.

    Sie sagen das so seltsam. Warum benutzen sie nicht die Bezeichnung Schwiegervater?

    Er ist ein Fremder für mich geblieben, weil ich ihn noch nie gesehen habe. Georgs Vater - Georg ist mein Mann! - lebt in einem Pflegeheim und empfängt grundsätzlich niemanden außer seinem Sohn. Das Haus, in dem er früher wohnte, stand viele Jahre leer. Eines Tages machte er meinem Mann den Vorschlag, er könnte das Haus beziehen. Aber er sollte vorher drei Tage und drei Nächte allein darin verbringen.

    Eine ungewöhnliche Auflage, finden Sie nicht auch?

    In der Tat! Und mein Mann hielt sich nicht daran.

    Er nimmt seinen Vater nicht ernst?

    Genauso wenig wie mich! beklagte sich Lydia Silver. Das heißt, er tut es ansonsten durchaus...

    Nur wenn es um den Geist geht, von dem Sie mir erzählen werden, da kann er nicht Ihren Worten vertrauen. Hat er denn selber keinerlei Erlebnisse mit dem... nun, bleiben wir bei dem Ausdruck: Geist?

    Nein, hat er nicht. Ich weiß nicht, wieso. Das heißt, einen Verdacht habe ich schon...

    Einen Verdacht?

    Ach was, lassen Sie mich von vorn erzählen, sonst wird es zu verworren, Herr Doktor.

    Einverstanden! Schießen Sie los!

    *

    Mainheart Manners ist ein ungewöhnlicher Name, selbst für ein Haus - dachte ich, als ich ihn zum ersten Mal hörte. Das erste Mal, das war, als Georg heim kam vom Pflegeheim, wo er mal wieder seinen Vater besucht hatte. Er wirkte sonderbar verschlossen, also ganz anders als sonst. Ich hatte ihn noch nie so erlebt, in den zwei Jahren, in denen wir bereits verheiratet waren.

    Ist was mit deinem Vater? fragte ich besorgt.

    Er winkte müde ab. Jetzt dreht er völlig durch.

    Was ist denn passiert?

    Ach, passiert ist eigentlich gar nichts. Er ist verschlossen wie immer, redet mit keinem Menschen, außer mit mir... Und heute hat er mir einen ungewöhnlichen Vorschlag gemacht.

    Was für einen Vorschlag? fragte ich alarmiert.

    Er winkte abermals ab: Er heißt Mainheart Manners, dieser Vorschlag.

    Was ist das? Noch nie gehört!

    Es ist... mein Elternhaus.

    Wie bitte? Und wieso hast du es noch nie zuvor erwähnt?

    Georg winkte ein drittes Mal ab.

    Entschuldige, aber ich habe mich selber nicht mehr erinnert. Ich war noch ein Kind, als wir dort auszogen. Als ich älter geworden war, habe ich Vater mal danach gefragt. Er hat ziemlich barsch reagiert und mir gesagt, es würde mich nichts angehen. Also unterließ ich künftig Fragen danach. Innerlich hatte ich mit dem Haus sozusagen abgeschlossen. Vielleicht nahm ich auch an, meine Eltern hätten es verkauft? Ich weiß es heute nicht mehr so genau. Es ist einfach zu lange her. Und dann das heute...

    Was ist mit dem Haus?

    Er will, daß wir dort einziehen.

    Also hat er es nicht verkauft?

    Nein, es steht seit damals leer. Niemand hat sich anscheinend jemals darum gekümmert, aber mein alter Herr meint, es sei wohl sofort bewohnbar. Als würde ein Haus nach so langer Zeit nicht verfallen. Ich nehme an, es ist nur noch eine Ruine.

    Was gedenkst du nun, zu tun?

    Er faßte mich an den Schultern und schaute mich ernst an.

    Einerseits ist mir mein Vater sehr wichtig, wie du weißt. Andererseits ist mir das Haus ziemlich egal. Aber er war so eindringlich bei seinem Wunsch. Er hat mir sogar eine Art Auflage gemacht.

    Was verlangt er denn von dir?

    Ich soll erst mal sozusagen auf Probe in dem Haus wohnen, ganz allein. Für ganze drei Tage und drei Nächte.

    Aber wieso?

    Ohne besonderen Grund - angeblich.

    Und wann ziehst du ein?

    Er mußte lachen.

    Schatz, ich schlage vor, wie schauen uns das Haus erst einmal an - gemeinsam. Und dann entscheiden wir, ob überhaupt jemand einziehen kann. Für drei Tage oder auch für länger.

    Ich schürzte nachdenklich die Lippen. Bis jetzt konnten wir uns kein eigenes Haus leisten. Reizen würde es mich aber dennoch. Es kam nur darauf an, daß es auch wirklich bewohnbar war. Darin mußte ich Georg hundert Prozent rechtgeben.

    Ein Bedenken hatte ich dennoch: Was ist mit deinem Job? Wenn wir umziehen...

    Na, darüber mache ich mir Gedanken, wenn wir uns dazu entschließen sollten.

    Wann schauen wir uns dein Elternhaus an?

    Mainheart Manners hat so lange ausharren können, ohne uns, da kommt es auf ein paar Tage mehr oder weniger nicht an.

    Nächstes Wochenende? drängte ich, denn ich war natürlich neugierig auf das Anwesen.

    In Ordnung, Schatz, wie du willst.

    Und falls wir uns dafür entscheiden sollten: Wie geht es dann weiter?

    Nun, mein Vater wäre bereit, ausnahmsweise einen Notar zu empfangen. Er würde alles mit mir schriftlich machen, so daß Mainheart Manners noch zu seinen Lebzeiten mir gehören würde.

    Ich konnte das nächste Wochenende kaum erwarten. Wenn ich allerdings damals schon gewußt hätte...

    *

    Der Psychiater Dr. Hackensmith sah auf, als Lydia Silver abbrach. Er betrachtete sie. Ihr Blick erschien seltsam entrückt. Sie war bleich, und es war, als würde sie Dinge sehen, die sie zutiefst erschreckten.

    Was ist mit diesem Haus?

    Ihr Blick kehrte in die Wirklichkeit zurück. Sie blinzelte irritiert.

    Ich denke, es war eine sehr schlechte Idee, mich Ihnen anzuvertrauen. Es ist grundsätzlich eine schlechte Idee, Beweise dafür zu liefern, daß man nicht richtig im Kopf ist, nicht wahr?

    Sie stand auf.

    Auch der Psychiater erhob sich. Jetzt wirkte er zum ersten Mal unsicher, seit sie ihn kannte.

    Gehen Sie nicht! sagte er leise.

    Wie bitte?

    Gehen Sie nicht, sagte ich.

    Warum sollte ich Ihrem Wunsch folgen? Noch habe ich mich Ihnen nicht ans Messer geliefert. Wenn ich jetzt gehe, ist es noch nicht zu spät.

    Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen.

    So? Gibt es denn nicht die Möglichkeit einer Zwangseinweisung?

    Er lachte bitter.

    Aha, ich begreife: Sie trauen mir nicht. Sie meinen, wenn ich alles aus Ihrem Munde erfahre, würde ich Sie für unzurechnungsfähig... ja, vielleicht sogar für gefährlich halten.

    Was denn sonst?

    Aber das ist doch absurd, Mrs. Silver. Wir leben im dritten Jahrtausend unserer Zeitrechnung, nicht im Mittelalter zur Zeit der Inquisition. Was Sie mir zu schildern haben, sind subjektive Erlebnisse.

    Da haben wir es ja: Subjektive Erlebnisse! Ist das die Umschreibung von Bewußtseinsstörungen im fortgeschrittenen Stadium oder was? Sie müssen entschuldigen, aber ich hätte mich vor dieser Begegnung sachkundig machen müssen, was Geisteskrankheiten betrifft. Leider bin ich ein Laie darin. Allerdings könnte sich das ändern. Sagt man nicht 'leiden macht lernen'? Vielleicht bin ich am Ende sogar eine wahre Expertin in Sachen Zwangsvorstellungen, Verfolgungswahn, Halluzinationen und dergleichen?

    Alle Erlebnisse, über die Menschen berichten, sind gewissermaßen subjektive Erlebnisse. Entschuldigen Sie, Mrs. Silver, aber das nennt man halt so. Kennen Sie denn nicht das Beispiel von den zehn Menschen, die ein und demselben Verkehrsunfall beiwohnen, aber danach zehn verschiedene Geschichten darüber erzählen? - Bitte, setzen Sie sich wieder - und hören Sie ausnahmsweise einmal mir zu.

    Ihnen zuhören?

    Ja, normalerweise ist es bei Sitzungen eher umgekehrt, und das ist nicht nur ein Vorurteil. Aber ein verantwortungsbewußter Psychiater ist ein Arzt, und wenn eine Patientin kommt, ist jeder Arzt zur Hilfe verpflichtet.

    Nein, mein Lieber, so nicht: Ich habe Ihnen noch keine Beweise geliefert. Also können Sie mich nicht gegen meinen Willen festhalten.

    Das kann ich sowieso nicht. Weder in Ihrem Fall noch in einem beliebigen anderen. Ich bin weder Richter noch Polizist. Ich bin Arzt. Und genau das will ich Ihnen erklären. Ich habe nämlich den Eindruck, Sie haben da völlig falsche Vorstellungen, wieso auch immer.

    Sie irritieren mich, Dr. Hackensmith: Wieso können Sie es nicht akzeptieren, daß ich Sie ablehne als Arzt? Wir leben in einem freien Land. Falls ich der Hilfe bedarf, kann ich mir ja wohl selber aussuchen, an wen ich mich wende. Aber wenn nur Sie meinen, daß ich der Hilfe bedarf...

    Sie brauchen Hilfe, Mrs. Silver, aber nicht, weil Sie krank sind. Jedenfalls sind Sie es NOCH nicht!

    Was soll das denn nun heißen?

    Falls Sie die Güte hätten, sich hinzusetzen, würde ich es Ihnen gern erklären.

    Sie zögerte, aber dann setzte sie sich tatsächlich.

    Dr. Hackensmith wirkte sichtlich erleichtert. Er setzte sich ebenfalls, aber so, als sei er auf dem Sprung.

    Es ist mir sehr wichtig, daß Sie bleiben und weitererzählen, Mrs. Silver. Nicht, um sie als krank abzustempeln, sondern ganz im Gegenteil: Sie sind gesund, kerngesund sogar. Sowohl geistig, als auch - wie ich annehme - körperlich. Aber es sind Dinge vorgefallen, die Sie nicht auf Dauer verarbeiten können. Eine ungeheure Belastung für Ihre Psyche. Glauben Sie mir eines: Jeder Gesunde kann auch zum Kranken werden.

    Sie schüttelte den Kopf.

    So habe ich das noch gar nicht gesehen, Doktor. Sie meinem, ich sei gesund, aber glauben gleichzeitig, daß ich... krank werden könnte?

    Exakt, Mrs. Silver. Darum meine Eindringlichkeit. Soll ich denn zusehen, wie ein gesunder Mensch zum Kranken wird? Glauben Sie denn, ein Arzt sei nur dazu da, Kranke zu kurieren - oder zumindest die Gesundung nach Kräften zu unterstützen? Nein, ich sehe das anders: Ich bin in der Pflicht. Ich muß gemeinsam mit Ihnen die Ursache Ihrer Not ergründen - und bekämpfen. Sehen Sie mich als eine Art Assistent bei dieser Bekämpfung an, denn psychische Probleme müssen anders gelöst werden als körperliche. Da kann ein Arzt eben nur assistieren. Die Gesundung muß von dem Betroffenen selbst betrieben werden - und auch die Verhinderung einer Krankheit.

    Das war ein langer Vortrag.

    In der Hoffnung, Sie überzeugen zu können, Mrs. Silver!

    Sie lehnte sich zurück und betrachtete ihn aufmerksam.

    Ich glaube Ihnen, Dr. Hackensmith. Wissen Sie eigentlich, daß sie ein besonders ungewöhnlicher Arzt sind? Ich meine, ein anderer Psychiater wäre weit weniger geduldig mit mir.

    Auch das ist sicher nur ein Vorurteil, Mrs. Silver.

    Das sagen Sie!

    Nun, wie viele Psychiater kennen Sie denn bislang?

    Sie mußte lachen. Da haben Sie recht: Ich kann Sie nicht mit anderen vergleichen, weil ich keine anderen kenne. Bislang war es auch nicht nötig, einen Psychiater persönlich... kennenzulernen.

    Er entspannte sich jetzt und lehnte sich gleichermaßen zurück. Seine Hände falteten sich, als wollte er beten. Dann spreizte er sie ab, so daß sich nur noch die Finger berührten, zu einem spitzen Dach. Er schaute darüber hinweg, als wäre dies eine Art Zieleinheit.

    Um mich zu treffen? durchfuhr es Lydia unwillkürlich.

    Sie spürte eine Art Beklemmung in sich aufsteigen. Dieser Dr. Hackensmith erschien ihr in der einen Sekunde wie eine Art Rettungsanker, aber in der anderen Sekunde wiederum erschien er ihr irgendwie... dubios. Als würde er etwas im Schilde führen, von dem sie keine Ahnung hatte. War es denn wirklich wahr, daß ein Psychiater nicht einfach jemanden in eine Anstalt einliefern konnte? Aber hatte man das denn nicht schon in diversen Filmen anders gesehen oder in Romanen gelesen?

    Es verwirrte sie zunehmend.

    Andererseits: Ging sie wirklich ein Risiko ein, wenn sie sich dem Doktor anvertraute?

    Sie hatte eine wahrlich verrückte Eingebung: Wenn der mich einliefern wollte, bräuchte er gar nicht zu warten, bis ich alles erzählt habe. Er braucht nur etwas zu erfinden. Also: Welches Risiko gehe ich überhaupt ein?

    Dann dachte sie: Warum sollte er denn überhaupt so etwas Böses mir antun wollen? Er kennt mich doch überhaupt nicht. Ich bin eine Patientin unter vielen - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn er es darauf anlegen würde, Patienten in eine Anstalt zu bringen, wäre irgendwann seine Praxis leer, nicht wahr?

    Letztlich war das ausschlaggebend dafür, daß sie sich wieder mehr öffnete.

    Also gut, versprach sie, ich werde weiter erzählen...

    *

    Mainheart Manners liegt weit außerhalb der Stadt. Unterwegs dachte ich: Ohne Auto ist man da draußen aufgeschmissen - im wahrsten Sinne des Wortes! Aber es ist nicht völlig einsam, denn es gibt ein paar Nachbarn. Doch die Grundstücke um jedes Gebäude sind so groß, daß man sich schwerlich ins Gehege kommt. Ein Glück, wenn man sich jemals begegnet - so mein zweiter Gedanke, als wir endlich anlangten.

    Es war Sonntag. So lange hatte ich leider meine Neugierde zügeln müssen. Das hohe und großzügig breite Tor zur Einfahrt war reichlich angerostet, aber ansonsten scheinbar voll funktionsfähig. Georg stieg aus und spähte hindurch.

    Einmal abgesehen davon, daß alles vom Unkraut so sehr überwuchert wurde, um jeglichen Blick zum Hauptgebäude zu verhindern, scheint ja noch alles okay zu sein, sagte er, mehr zu sich selbst gewendet als an meine Adresse gerichtet.

    Ich hatte die Scheibe auf der Beifahrerseite nach unten gehen lassen und streckte den Kopf hinaus.

    Kann man das Tor überhaupt noch öffnen?

    Georg antwortete nicht, sondern probierte an der Klinke.

    Nicht abgeschlossen! murmelte er mürrisch und drückte die Pforte nach innen auf. Nur der eine Flügel gab nach. Den anderen mußte er separat öffnen. Zwar kreischte es unwillig in den Angeln, aber ansonsten gab es keine Probleme bei der Öffnung.

    Ungewöhnlich!, schoß es mir durch den Kopf. So lange hat niemand diese Pforte geöffnet... Wie lange eigentlich?

    Ich beobachtete, was weiter geschah. Georg schaute sich erst mal mißtrauisch um, ehe er zum Wagen zurück kam.

    Er klemmte sich hinter das Steuer und murmelte: Der Weg hat zwar ein paar Unkrautgewächse inzwischen, aber er ist anscheinend gefahrlos passierbar.

    Nachdem er den Motor gestartet hatte, rollten wir langsam durch das Tor auf den Innenweg. Er hatte recht. Zwar hatte Unkraut versucht, den Weg für die Natur zurück zu gewinnen, aber mit wenig Erfolg. Der Weg wand sich zweimal und mündete schließlich in eine Art Vorhof.

    Es knirschte unter den Rädern. Alles war mit Schlacke ausgelegt, aber diese war längst fast so dicht wie Beton geworden. Darum war auch der Vorhof nur spärlich bewachsen. Es würde eine Kleinigkeit sein, die wenigen Gewächse auszurupfen, um alles wieder sauber zu haben.

    Doch das interessierte mich im Moment herzlich wenig, denn viel interessanter war das Haus selbst.

    Überall waren die Blendläden geschlossen. Das Haus machte den Eindruck, als wäre ein neuer Anstrich überfällig, aber ansonsten... Das war die eigentliche Überraschung: Das Haus machte keineswegs einen verfallenen Eindruck. Es hatte die Jahre in tadellosem Zustand überstanden. Keine Kinder, die hier gespielt hatten, um das Anwesen allmählich in eine Ruine zu verwandeln. Kein Zahn der Zeit, der aus den Brettern und Balken morsches Werk produzierte. Nichts und niemand schien diesem trutzigen Bauwerk etwas anhaben zu können.

    Auch Georg war mehr als erstaunt.

    Es ist alles so, wie wir es verlassen haben. Ich war damals noch ein kleines Kind. Es ist also gewissermaßen Jahrzehnte her, aber ich kann mich noch so genau erinnern, als sei es gestern gewesen. Vater machte die Blendläden zu. Wir standen neben dem Möbeltransporter und warfen gemeinsam einen letzten Blick zurück. Ja, das Haus ist älter geworden, aber weit weniger, als man es nach all den Jahren vermuten könnte. Es ist, als wären höchstens ein paar Wochen vergangen.

    Oder als hätte das Haus den neuen Anstrich nur nötig gemacht, um sich dafür zu rächen, weil man es so lange im Stich gelassen hat.

    Wie bitte? fragte er mich.

    Ein Scherz! antwortete ich und versuchte ein Lächeln. Es mißlang kläglich. Nicht wegen dem Haus, sondern wegen dem Gesichtsausdruck von Georg. Was war los mit ihm?

    Georg ist ein liebenswerter Mensch - und nicht nur für mich etwas ganz Besonderes. Zwar ist er einige Jahre älter als ich, aber in seinem Herzen hat er sich eine Jugend bewahrt, die ewig währt. Ich habe keine einzige Sekunde mit ihm jemals bereut. Er ist und bleibt mein wahrer Traummann. Auch wenn Mainheart Manners... Aber ich will nicht vorgreifen:

    Die hohe, durchtrainierte Gestalt von Georg erschien vor dem Hintergrund des Hauses beinahe wie ein Scherenschnitt. Nur weil sich unerwartet eine düstere Wolke vor die Sonne geschoben hatte? Irgendwie hatte das Bild etwas Bedrohliches. Dabei war ich sicher, daß diese Bedrohung keineswegs von meinem geliebten Mann ausging, sondern... von dem Haus.

    Ja, es war mehr als eigenartig, daß dieses Haus nach all der langen Zeit in einem so tadellosen Zustand geblieben war. Dieser Eindruck verstärkte sich sogar noch, als wir zur Tür gingen und Georg die Schlüssel hervor kramte. Bevor er jedoch aufschloß, zögerte er und probierte an der Türklinke.

    Es ließ sich problemlos öffnen!

    Verdammt, da hat überhaupt niemand abgeschlossen!

    Er runzelte die Stirn und grübelte nach.

    Dabei bin ich ziemlich sicher, daß Vater als Letzter das Haus verließ und den Schlüssel im Schloß drehte. Das weiß ich deshalb noch, weil diese Geste etwas Endgültiges hatte.

    Vielleicht war er doch noch einmal hier?

    Unmöglich! antwortete Georg - ungewohnt und auch eigentlich völlig unpassend barsch.

    Ich meine: Wer sonst hatte einen Schlüssel?

    Niemand. Auch Mutter nicht. Nur er. Und er hat die Schüssel gehegt wie sein sprichwörtlicher Augapfel.

    Wer sonst hätte...?

    Ich brach unwillkürlich ab, denn seine Haltung versteifte sich.

    Niemand! blaffte er, ohne mich dabei anzusehen.

    Was war denn auf einmal mit ihm los?

    Mit einer fast wütend anmutenden Gebärde stieß er die große Eingangstür ganz auf und trat ein.

    Die Blendläden ließen nur wenig Licht zu, aber es reichte, um erkennen zu lassen, daß noch Möbel hier standen. Jemand hatte sie mit Tüchern abgedeckt. Die Möbel waren nicht vollständig.

    Wir haben damals nur einen Teil mitnehmen können. Alles andere blieb hier, erläuterte Georg, ehe ich ihn danach fragen konnte. Jetzt klang seine Stimme wieder so sanft wie sonst.

    Ich dachte: Anscheinend sind die Erinnerungen so überwältigend für ihn, daß er sich vorhin zu einem solch barschen Tonfall hat hinreißen lassen.

    Und schon hatte ich den Vorfall wieder vergessen. Ich war nicht nachtragend, weil ich Verständnis für ihn hatte.

    Gemeinsam gingen wir zur Mitte der großzügigen Eingangshalle.

    Das ist kein Haus, sondern fast so etwas wie ein... Schloß! Anders konnte ich es nicht beschreiben.

    Ja, gewiß, sagte Georg nachdenklich. Mainheart Manners ist schon etwas Besonderes. Ich kann nur nicht begreifen, wieso Vater das Haus nie verkaufen wollte. Er berief sich immer darauf, daß es alter Familienbesitz sei.

    Und du? Hast du denn den Wunsch, dieses Haus zu veräußern

    Er schaute mich regelrecht erschrocken an. Nie im Leben! versicherte er viel zu heftig.

    Ich fuhr unwillkürlich einen Schritt zurück.

    Was verbindet denn die Familie Silver so sehr mit Mainheart Manners? fragte ich - und als ich diesen Worten nachlauschte, erschienen sie mir wie schiere Ketzerei in einer solchen Situation.

    Aber Georg hatte sich offenbar wieder gefangen.

    Es ist die Erinnerung. Schon wieder klang seine Stimme völlig normal. Das ist mehr als nur dumme Tradition. Unsere Vorfahren waren bettelarm und geächtet - dort, woher sie kamen. Hier, in Amerika, erging es ihnen nicht gerade besser. Es war eine schreckliche Zeit. Mord und Totschlag waren an der Tagesordnung, aber die Familie Silver überlebte nicht nur, sondern... siegte! Sie wurde eine sehr angesehene Familie. Dieses Haus hier war sozusagen die Manifestation ihres Ansehens. Sie zeigte aller Welt: Die Silver sind jetzt wer!

    Sein Tonfall wurde schwärmerisch. Ich hielt mich wohlweislich zurück mit irgendwelchen Kommentaren.

    Georg breitete die Arme aus, als wollte er das ganze Gebäude umfassen.

    Es ist nicht einfach nur die Heimstätte der Familie Silver, sondern es ist selber die Familie!

    Und wieso steht dann dieses Haus so lange schon... leer?

    Nein, das hatte ich mir nicht verkneifen können. Ganz und gar nicht. Georg war daran gewöhnt, daß ich nicht den Mund hielt, wenn ich es für mich angebracht erschien, meine Meinung zu sagen. In dieser Situation befürchtete ich allerdings eine ungewohnt heftige Reaktion.

    Nichts dergleichen.

    Sein Blick suchte den meinigen und klammerte sich regelrecht daran fest. Sein Stimme klang irgendwie... brüchig, als er sagte: Wenn ich das wüßte, Liebes, wäre mir um vieles wohler! Er riß sich sichtlich zusammen und klatschte in die Hände, wie von neuem Tatendrang erfüllt. Egal wie, jetzt sind erst einmal wir am Zuge. Die Familie Silver ist eine starke Familie - und du bist meine Frau - eine sehr starke Frau. Keine andere Frau auf dieser Welt würde besser in diese Familie passen als du. Also liegt es an uns, Versöhnung zu feiern mit unserem traditionellen Familiensitz!

    Sehr theatralisch, wie ich fand. Und äußerst übertrieben sowieso, denn was meinte Georg mit der Familie Silver? Einen Vater, der nur noch mit seinem Sohn reden wollte und mit sonst niemandem auf der ganzen Welt? Einen Sohn, der zwar verheiratet war, aber bislang keine Kinder haben wollte - aus beruflichen Gründen, wie er immer behauptete? Was war DAS denn für eine... Familie?

    Eigentlich gar keine!, entschied ich respektlos, wohlweislich aber nur in Gedanken. Es war kaum anzunehmen, daß Georg solch ketzerische Worte aus meinem Munde damals so einfach hingenommen hätte.

    Aber eine einzige weitere Bemerkung wollte ich mir trotzdem nicht verkneifen: War damals deine Mutter noch bei euch gewesen - ich meine, als ihr ausgezogen seid?

    Sein Kopf flog herum wie der eines Habichts, der ein Opfer erspähte. Aber seine Stimme blieb sanft wie immer - und auch sein Gesicht war das des liebenswerten Georg, wie ich ihn kennen und lieben gelernt hatte.

    Ja, Lydia, das war sie. Aber das habe ich dir doch schon erzählt.

    Nein, denn du hast ja auch nichts von diesem Haus hier erzählt, falls ich dich erinnern darf. Das wiederum war meines Erachtens eine ketzerische Bemerkung zuviel - jedenfalls weit mehr, als ich ursprünglich beschlossen hatte.

    Er jedoch... mußte jetzt sogar lachen.

    Gut bemerkt, Liebes. In der Tat: Mutter war damals noch bei uns. Sie hat uns erst später verlassen, als wir längst in der Stadt wohnten.

    Und jetzt kam es über meine Lippen, auch wenn ich mich noch so sehr dagegen sträubte, es zu sagen. Ich konnte einfach nicht anders: Aber wenn das Haus für dich und deine Familie so immens wichtig ist: Wieso hast du es dann niemals erwähnt - und sogar... vergessen?

    Er stutzte jetzt und betrachtete mich forschend. Dann lachte er ein zweites Mal.

    Aber, Lydia, wie lange kennen wir uns denn jetzt schon? Das vorhin, das war doch bloß ein Spaß gewesen. Sieh dich um. Ein altes Haus, das zwar ungewöhnlich gut erhalten blieb über all die Jahre, aber dennoch ein altes Haus. Wir werden einiges investieren müssen, daß wir es zur Gänze bewohnen können. Dabei sollten wir es uns wirklich reiflich überlegen, ob wir uns das auch echt antun sollen. Ich meine, zwar leben wir derzeit noch in relativ bescheidenen Verhältnissen, gemessen an dem hier, aber dafür können wir es uns wenigstens leisten. Wer weiß, was mit dem Haus noch für Kosten auf uns zukommen?

    Nur ein Scherz? Ja, wenn das so war, konnte ich es endlich nachvollziehen. Und ich glaubte ihm sogar - zu diesem Zeitpunkt wenigstens! Ja, er hatte nur einen Scherz gemacht. Daran klammerte ich mich fest. Nur ich war plötzlich seltsam, nicht er.

    Ich schaute mich um und lauschte dabei in mich hinein. Da war etwas, was ich mir nicht erklären konnte. Ein unbestimmtes Mißtrauen etwa? Oder so etwas wie Angst? Aber wovor? Nur weil das diffuse Licht feinen Staub aufwirbeln ließ, der seltsame Figuren in die Luft malte, als wollten sich dort eine Art... Geister manifestieren?

    Ich ging zum nächsten Blendladen und riß ihn auf. Das bereitete keinerlei Mühe.

    Mit dem Tageslicht, das nun herein flutete, verflog auch die seltsame Spannung, die sich in mir breit gemacht hatte. Zwar waren die Scheiben ziemlich verdreckt und dadurch halb blind, aber die Helligkeit ließ mich dennoch blinzeln.

    Ich drehte dem Fenster den Rücken zu und schaute mich in der Halle um.

    Überall lag fingerdick der Staub. Aber ich sah keine Beschädigung.

    Komm, rief Georg fröhlich, schauen wir uns im ganzen Haus um.

    Ich folgte ihm zögernd.

    Bevor wir die Treppe betraten, die nach oben auf die Empore führte, prüfte sie Georg mit dem Fuß. Das tat er bei jeder weiteren Stufe, aber die Treppe war stabil wie eh und je.

    Trotzdem, sagte er unterwegs, ich werde einen Gutachter bestellen, der sich alles mit fachmännischen Augen anschauen soll, ehe wir hier einziehen. Er wandte sich an mich. Vorausgesetzt, das willst du überhaupt - hier einziehen...

    Warum nicht? wich ich der Frage aus.

    Georg war damit zufrieden, und wir gingen weiter.

    Oben besichtigten wir sämtliche Räume. Überall öffnete Georg die Blendläden, damit wir im Tageslicht alles besser sehen konnten.

    Es gab so viele Möbel in dem Haus, daß wir eigentlich schon gleich hätten einziehen können. Es wäre noch nicht einmal ein Umzug nötig gewesen.

    So kam es keineswegs überraschend für mich, als Georg sagte: Weißt du was, Liebes: Wir können doch hier sozusagen zur Probe wohnen? Ich meine, das Haus ist sowieso viel zu groß für uns. Möbel gibt es genug. Wir machen erst mal klar Schiff in einem kleinen Teil, den wir dann nutzen können. Die Wohnung in der Stadt behalten wir vorerst.

    Aber die Kosten! gab ich zu bedenken.

    Nun, es kommt ganz darauf an, was darüber der Gutachter sagt. Wenn es bei Kleinigkeiten bleibt, was wir reparieren oder restaurieren müssen, steht dem nichts mehr im Wege. Und wenn wir hier mal erst wohnen, können wir nach und nach den Rest besorgen. Bis das Haus im alten Glanz erstrahlt. Zeit genug lassen wir uns dabei. Selbst wenn darüber Jahre ins Land gehen sollten. Und erst wenn wir wirklich hundertprozentig sicher sind, ja, dann geben wir unsere bisherige Wohnung ganz auf.

    Er nahm mich in seine starken und doch so zärtlichen Arme, drückte mich fest an sich. Oh, das tat unendlich gut, ihn so zu spüren.

    Du hast mich ein paarmal danach gefragt, wann wir ein Kind haben könnten, flüsterte er zärtlich in mein Ohr. Unsere gegenwärtige Wohnung ist kaum dafür geeignet, aber ein solches Haus...?

    Ich stieß ihn auf halbe Armlänge von mir weg, um sein Gesicht studieren zu können.

    Das Licht, das hell von draußen herein strahlte, untermalte sein schönstes Lächeln.

    Ist das dein Ernst?

    Er lachte. Ja, natürlich ist es das, Liebes! Oder meinst du, damit würde ich Scherze machen?

    Er nahm mich erneut in die Arme - und ich war in diesem Moment die glücklichste Frau der ganzen Welt.

    Auch wenn irgendwo ein Gefühl sich eingenistet hatte, das alles Glück zerstören wollte. Es tut mir leid, aber ich kann es nicht anders sagen: Es war, als hätte das Haus persönlich etwas dagegen. Schlimmer noch: Es war, als sei das Haus persönlich... gegen mich!

    Georg spürte davon nichts. Bis heute nicht. Wie auch? ER ist schließlich ein echter Silver...

    *

    Der Psychiater schürzte nachdenklich die Lippen. Aber auch Ihr Schwiegervater ist ein echter Silver, wie Sie es auszudrücken belieben.

    Lydia schreckte wie aus einem Traum.

    Was sagen Sie da?

    Er schüttelte den Kopf.

    Nun, Sie haben mir erzählt, daß dieses Haus all die Jahre unbewohnt geblieben ist. Niemand wollte dort mehr seinen Fuß hinein setzen. Vor allem wohl Ihr Schwiegervater nicht. Er wolle es andererseits auch nicht verkaufen. Aus welchem Grund?

    Lydia wirkte reichlich verwirrt.

    Denken Sie denn, Georgs Vater hatte ein ähnlich negatives Gefühl in diesem Haus?

    Warum hätte er sonst ausziehen sollen, um in wesentlich bescheideneren Umständen in der Stadt zu wohnen, wie ich mal vermuten will?

    Ich weiß nicht, unter welchen Umständen er in der Stadt gewohnt hat - danach. Jedenfalls bescheidener als auf Mainheart Manners, wie Sie gewiß richtig vermuten.

    Wie Sie es wiedergeben, erfolgte der Auszug ja beinahe... fluchtähnlich. Ich meine, wer läßt schon den größten Teil seiner Möbel zurück, wenn er irgendwo auszieht? Zumal ich keinen Grund für einen Auszug sehe.

    Ich auch nicht, bekannte Lydia nachdenklich. Auch Georg ist es nicht klar. Ich nehme an, er hat all die Jahre das Haus einfach aus seinem Gedächtnis verbannt, weil ihn der Auszug damals unendlich enttäuscht hat. Für ihn war das beinahe wie eine Vergewaltigung gewesen.

    Und seine Mutter?

    Lydia schaute den Arzt überrascht an.

    Sie haben recht: Georgs Mutter hat die Familie erst nach dem Auszug verlassen!

    Vielleicht hing es damit zusammen, weil sein Vater so dringend auszog? Vielleicht hatte er damit seine Ehe retten wollen?

    Aber dann hätte Georgs Vater doch anschließend wieder einziehen können! gab Lydia zu bedenken.

    Nicht unbedingt, denn es mag sein, daß er an seiner Frau so sehr hing, daß er alles vermeiden wollte, was an sie erinnerte - einschließlich das Haus. Und jetzt hat er mit allem endlich abgeschlossen und findet, daß er das Haus seinem einzigen Sohn nicht länger vorenthalten darf.

    Das ist sehr einleuchtend. Beziehungsweise: Es WÄRE einleuchtend.

    Und wieso ist es das nicht?

    Es wäre eine rationale Erklärung, sozusagen. Doch es erklärt in keiner Weise die Dinge, die ich in diesem Haus erleben mußte!

    Welche Dinge, Mrs. Silver?

    Lydia wich seinem forschenden Blick aus. Ihr Gesicht wirkte auf einmal ungewöhnlich blaß.

    Es - es ist kein gewöhnliches Haus. Es überstand die Jahre, weil es...

    Weil es... was?

    Es - es lebt, Herr Doktor!

    Ein Haus, das... lebt?

    Sie ballte die Hände zu zitternden Fäusten und schaute ihn an, als wollte sie am liebsten auf ihn einprügeln.

    Zumindest ein Teil von diesem Haus... lebt! Ich habe einfach keine andere Bezeichnung dafür. Sie mag falsch sein, aber vielleicht bin ich hier, damit Sie mir die richtige Bezeichnung beibringen? Vielleicht auch noch bevor Sie mich in irgendeine geschlossene Anstalt einliefern?

    Bitte, Mrs. Silver, jetzt nicht melodramatisch werden! Das hatten wir doch schon zur Genüge, oder?

    Er hatte den richtigen Ton getroffen. Lydia entspannte sich sogleich wieder.

    Ruhig fuhr der Psychiater fort: Niemand würde jemals einen gesunden Menschen in eine Anstalt einweisen. Aber gestatten Sie mir eine Frage: Wenn das Haus Sie so sehr haßt, wieso ziehen sie nicht einfach wieder aus? Oder hat Ihr Mann die Stadtwohnung inzwischen doch aufgegeben?

    "Nein, die besteht nach wie vor - und meine meisten

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