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Verliebt in ein Gespenst: 5 Romantic Thriller
Verliebt in ein Gespenst: 5 Romantic Thriller
Verliebt in ein Gespenst: 5 Romantic Thriller
eBook667 Seiten7 Stunden

Verliebt in ein Gespenst: 5 Romantic Thriller

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Über dieses E-Book

Verliebt in ein Gespenst: 5 Romantic Thriller

von Alfred Bekker & Ann Murdoch & Carol East







Dramatische Romantic Thriller in einem Band: Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt. Darum geht in diesen packenden romantischen Spannungsromanen.



Dieses Buch enthält folgende Romane:



Carol East: Sie tanzte für das Böse

Carol East: Ein Schlossgespenst zum Verlieben

Ann Murdoch: Steinerne Rache

Alfred Bekker: Das Phantom von Tanger

Ann Murdoch: Alptraum aus der Gruft
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum22. Aug. 2021
ISBN9783745217940
Verliebt in ein Gespenst: 5 Romantic Thriller
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Verliebt in ein Gespenst - Alfred Bekker

    Verliebt in ein Gespenst: 5 Romantic Thriller

    Alfred Bekker et al.

    Published by Alfred Bekker präsentiert, 2021.

    Inhaltsverzeichnis

    Title Page

    Verliebt in ein Gespenst: 5 Romantic Thriller

    Copyright

    Sie tanzte für das Böse

    Ein Schlossgespenst zum Verlieben

    Steinerne Rache

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    Das Phantom von Tanger

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    Alptraum aus der Gruft

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    Further Reading: 11 Gruselromane zum Fest: 1200 Seiten Spannung

    Also By Alfred Bekker

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    Also By Carol East

    About the Author

    About the Publisher

    Verliebt in ein Gespenst: 5 Romantic Thriller

    von Alfred Bekker & Ann Murdoch & Carol East

    ––––––––

    Dramatische Romantic Thriller in einem Band: Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt. Darum geht in diesen packenden romantischen Spannungsromanen.

    Dieses Buch enthält folgende  Romane:

    Carol East: Sie tanzte für das Böse

    Carol East: Ein Schlossgespenst zum Verlieben

    Ann Murdoch: Steinerne Rache

    Alfred Bekker: Das Phantom von Tanger

    Ann Murdoch: Alptraum aus der Gruft

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

    © dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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    Alles rund um Belletristik!

    Sie tanzte für das Böse

    von Carol East

    Es ist vollbracht! sagte das Gesicht draußen vor dem Fenster des fahrenden Zuges und wollte noch etwas hinzufügen, aber Jane Reed schrie entsetzt auf und - erwachte.

    Die Mitreisenden schauten sie irritiert an. Ihr war das peinlich, aber sie konnte es jetzt nicht mehr rückgängig machen.

    Anscheinend war sie eingeschlafen und hatte schlecht geträumt.

    Sehr schlecht sogar!

    Zögernd schielte sie zum Zugfenster zu ihrer Rechten. Die Nacht war hereingebrochen. In der Ferne zogen einsame Lichter vorüber. Die leisen Gespräche der Mitreisenden, die ihr Interesse an Jane wieder verloren zu haben schienen, wirkten durch das monotone Rattern der Räder auf ihren eisernen Schienen verzerrt und unwirklich.

    Bald bin ich wieder daheim, dachte Jane, um sich wieder zu beruhigen.

    Daheim?

    Ihre Unruhe und auch Angst waren nicht ganz unbegründet. Kein Wunder, wenn sie plötzlich einschlief und dabei Alpträume bekam. Viele Jahre war sie nicht mehr in ihrer Heimatstadt gewesen. Warum hätte sie ihr auch nur einmal einen Besuch abstatten sollen? Nachdem ihre Eltern nicht mehr lebten, gestorben, als Jane noch ein Kind gewesen war, und sich die Verwandten nie um sie gekümmert hatten...

    Sie war im Waisenhaus der Stadt aufgewachsen. Dort hatte sie auch ihre große Jugendliebe kennengelernt: Frederic Squad.

    Der Gedanke an ihn versetzte ihr einen Stich. Unwillkürlich verkrampfte sich ihre Hand in der Nähe des Herzens.

    Frederic, was ist eigentlich aus dir geworden, in all den Jahren? Ja, vielleicht bist du der wahre Grund, warum es mich so zu meiner Geburtsstadt zieht? Obwohl ich dort eine freudlose Kindheit verbracht habe.

    Aber du warst stets ein Lichtblick gewesen, Frederic. Wir haben uns geliebt, wirklich geliebt. Ich weiß es heute so deutlich wie nie zuvor. Aber du wirst mich wohl eher hassen als lieben - inzwischen. Weil ich dich damals verließ, sobald ich mein erstes Angebot als Tänzerin bekam.

    Du hast es nicht verstanden, obwohl du das Gegenteil behauptet hast. Ich habe den Schmerz in deinen Augen gesehen - den Schmerz, mich für längere Zeit zu verlieren. Vielleicht sogar für immer? Trotz deinem jungenhaften Lachen, sah ich den Schmerz. Ich kann diese Augen, diesen Blick, nie mehr vergessen.

    Bin ich deshalb auf dem Weg dorthin?

    Sie schüttelte verwirrt den Kopf und schaute wieder zum Fenster.

    Dieses Gesicht... Es war so real erschienen. Auf einmal war es dagewesen. Und es hatte deutlich gesagt: Es ist vollbracht!

    Was ist vollbracht?

    Sie schüttelte abermals den Kopf, daß die langen, seidig glänzenden Haare flogen.

    Die Leute schauten wieder zu ihr hin. Deshalb tat sie so, als wollte sie ihre langen Haare nur in den Nacken schütteln, und griff danach.

    Kurz legte sie sich die Hand in den Nacken. Das tat sie immer, wenn sie sich beruhigen wollte. Es wirkte.

    Nein, hatte sie wirklich geschlafen? War das wirklich ein Alptraum gewesen?

    Sie spähte hinaus, jetzt nicht mehr zögernd, sondern ganz offen. Irgendwie erwartete sie, daß dieses unheimliche Gesicht wieder auftauchte und weitersprach. Sie wollte wissen, was dieses Gesicht noch hatte sagen wollen, ehe sie es vertrieben hatte.

    Das Gesicht kam nicht mehr.

    Das Zug ratterte durch ein Waldgebiet. Die Bäume schienen immer näher zusammenzurücken, wie um den Zug aufzuhalten. Die Äste und Zweige waren wie schwarze Hände, und es schien nicht der Wind zu sein, der sie peitschte, sondern sie schienen wie selbständige Wesen nach dem Zug greifen zu wollen.

    Weil Jane darin saß.

    Sie zuckte zusammen. Der Alpdruck verschwand wieder.

    Was ist bloß los mit mir? fragte sie sich bang. Werde ich allmählich verrückt?

    Ein Wunder wäre das schließlich nicht, dachte sie voller Trauer. Es blieb damals nicht bei dem Angebot für ein kleines Ballett auf einer noch kleineren Bühne irgendwo in der Provinz. Es war nur eine Zwischenstation. Ich machte Karriere. Innerhalb von nur knapp drei Jahren war ich die international meist gefeierte Primaballerina. Es war wie ein wunderschöner Traum. Ich durfte tanzen und tat eigentlich Tag für Tag überhaupt nichts anderes mehr. Bis ich Thomas traf.

    Er hatte so etwas Magisches. Er war ein Mensch, den man niemals mehr wieder vergaß, auch wenn man nur ein einziges Mal Kontakt mit ihm gehabt hatte.

    Plötzlich stand er vor mir, als ich in meine Garderobe zurückkehrte. Ich war verschwitzt und mit meinen Kräften so ziemlich am Ende und wollte einfach nur meine Ruhe haben, sonst nichts. So sehr ich den Ruhm sonst auch genießen konnte: In diesem Augenblick wollte ich nur noch allein sein.

    Aber die scharfe Anrede blieb mir sozusagen im Hals stecken. Es interessierte mich nicht mehr, wie er hier überhaupt hereingekommen war und was er sich außerdem erlaubte, hier auf mich zu warten...

    Wortlos ging ich hinter die spanische Wand und zog mich dort aus. Ich frottierte mich mit einem Badetuch kräftig ab, von Kopf bis Fuß, wie ich es nach jedem Auftritt tat. Und dann verzichtete ich ausnahmsweise auf die erfrischende Dusche. Ich zog mir einfach nur frische Sachen an, die schon bereitlagen, und trat wieder vor ihn hin.

    Er strahlte mich an: Ein schlank-muskulöser, braungebrannter Mann, sehr geschmackvoll gekleidet, mit einem gepflegten Schnurrbart und stahlblauen Augen, in denen man sich verlieren konnte.

    Ja, es war wie Magie, daß sich Jane Reed vom ersten Augenblick an so zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Oder war es eher diese verblüffende Ähnlichkeit mit Frederic gewesen, ihrer großen Jugendliebe, die sie verleugnet hatte, nur um Karriere als Tänzerin zu machen?

    Sie wußte in diesem Moment, daß sie niemals mehr von diesem Mann wieder loskommen konnte. Bis zum Lebensende. Obwohl sie ihn nicht einmal liebte.

    Was war das sonst gewesen, wenn nicht... Liebe?

    Er hatte es ihr gesagt, und sie hatte es geglaubt, vorbehaltlos: Wir sind ganz einfach füreinander bestimmt, ganz ohne Wenn und Aber!

    Er hatte sie sanft am Arm genommen und sie vor den großen Spiegel geführt.

    Da standen sie beide. Ein strahlendes Paar.

    Ja, es war Jane so erschienen, als würde sie beide eine leuchtende Aura umgeben.

    Beide waren brünett. Beide waren schlank und wirkten durchtrainiert. Jane dank des harten Trainings als Ballerina - und der Fremde?

    Siehst du, was ich meine? fragte er sie und deutete mit dem Kinn in den Spiegel. Er legte den Arm um sie und zog sie sanft an sich, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Und Jane, die jahrelang nur das Tanzen im Kopf gehabt hatte, bei Tag und auch bei Nacht, wehrte sich nicht dagegen. Sie fühlte sich wie jemand, der aus einem Traum erwachte - um einen neuen Traum zu beginnen...

    Nun, es wurde tatsächlich ein Traum, einer, wie man ihn schöner wohl niemals träumen konnte. Ein Traum wie vom Paradies auf Erden.

    Dabei hatte sie nicht einmal ja gesagt, als sie Thomas Prescoll gefragt hatte: Siehst du ein, daß wir keine andere Wahl haben, und willst du meine Frau werden? Er hatte sie dabei gar nicht direkt angesehen, sondern nur durch den Spiegel. Sie hatte den Mund geöffnet, um wenigstens eine der mindestens tausend Fragen zu stellen, die ihr schlagartig in den Sinn gekommen waren, aber kein Laut hatte ihren bebenden Mund verlassen, und all diese Fragen waren auf einmal wie weggewischt gewesen.

    Sie war Jane Prescoll geworden, ganz einfach so. Es war unglaublich schnell gegangen. Und sie war von der ersten Sekunde ihrer Begegnung an niemals mehr auch nur in die Nähe einer Bühne gekommen. Tanzen war für sie absolut tabu geworden. Selbst ihr Training war für sie sozusagen gestorben gewesen.

    Alles, für das sie mit jeder Faser ihres Körpers und ihrer Seele hatte leben wollen, war schlagartig völlig ohne Bedeutung geworden.

    Sie war von nun an nur noch Jane Prescoll gewesen, die Frau eines der reichsten Männer der Welt, eines Magnaten, der mindestens so geheimnisumwittert gewesen war wie reich.

    Der absoluten Traumhochzeit war dieses Leben wie im Paradies gefolgt. Thomas Prescoll hatte ihr auch den geringsten Wunsch von den Augen abgelesen...

    Aber sie hatte ihn niemals geliebt, niemals, keine Sekunde lang. Wenn sie mit ihm zusammengewesen war, hatte sie nicht an ihn gedacht, sondern an - Frederic.

    Oh, Frederic, kannst du mir jemals verzeihen, was ich unserer Liebe angetan habe? Vielleicht nur - ein bißchen?

    Der Zug ratterte dahin, der Wahrheit entgegen, und die Gedanken an die Vergangenheit verblaßten wieder.

    Sie war jetzt sicher, daß es ihre jahrelang unterdrückte Sehnsucht nach Frederic war, die sie zu ihrer Geburtsstadt trieb - jetzt, da ihr Mann Thomas Prescoll so überraschend gestorben war.

    Ich bin frei, Frederic, wieder frei. Einst entschied ich mich für den Tanz und gegen unsere Liebe. Dann entschied ich mich für das Leben im Paradies, an der Seite von Thomas Prescoll. Jetzt ist er tot, so überraschend gestorben wie für mich das Tanzen. Er legte sich abends ins Bett und wachte niemals mehr auf. Die Ärzte standen vor einem Rätsel, aber die genaue Untersuchung hat erwiesen, daß ich gegen jeden Verdacht erhaben bin.

    Und jetzt bin ich auf dem Weg zu dir, Geliebter...

    Darf ich das jemals wieder zu dir sagen: Geliebter?

    Und da erschien das Gesicht wieder. Es war wie ein Reflex, nicht viel mehr. Und es verzerrte sich zu einem grausamen Lächeln, bevor es wieder verschwand.

    * * *

    Jane erreichte ihre Heimatstadt noch am selben Abend. Keinem hatte sie gesagt, daß sie überhaupt vorhatte, hierherzureisen. Das hatte sie nicht für nötig gefunden.

    Was hielt sie noch dort, wo sie als Jane Prescoll gelebt hatte?

    Nein, sie wollte es genauso zurücklassen wie einst die Tanzerei: Sozusagen von heute auf morgen.

    Denn nachdem die Polizei ihr mitgeteilt hatte, daß sie gegen geglichen Verdacht erhaben war, hatte der feierlichen Beisetzung der sterblichen Überreste von Thomas Prescoll nichts mehr im Wege gestanden. Der Leichnam wurde freigegeben. Die ganze Zeremonie ging vorbei wie ein Alptraum, den man irgendwie hinter sich bekommt, ohne daß Einzelheiten im Gedächtnis hängenbleiben.

    Überhaupt: Wenn Jane zurückdachte an die vergangenen Jahre, erschien ihr alles irgendwie unwirklich. Wenn sie davon erzählt hätte, wäre es ihr so vorgekommen, als würde sie aus dem Leben einer anderen erzählen.

    Nein, nichts und niemand hatte sie mehr halten können.

    Und jetzt stand sie hier auf dem Bahnhof ihrer Geburtsstadt, der sich in den Jahren ihrer Abwesenheit gewaltig verändert hatte. Alles war größer und moderner geworden, aber auch sauberer, um nicht zu sagen: steriler. Dabei hatte es nämlich das gewisse Etwas verloren, das nötig war, damit man sich wirklich daheim fühlte.

    Jane kam sich ein wenig verloren vor, neben ihrem leichten Gepäck stehend. Sie war hierhergereist. Die Stadt war ihr Ziel gewesen. Und nun, wo sie hier stand, wußte sie eigentlich gar nicht mehr so recht weiter...

    Sie hatte nur das Notwendigste mitgenommen, ganz entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten. Es hatte nicht schnell genug gehen können. Außerdem: Was sollte sie mit all den Dingen aus einem ganz anderen Leben, wenn sie sozusagen wieder ganz von vorn anfangen wollte?

    Ganz von vorn anfangen? Ja, ging das denn überhaupt? Konnte man wirklich ungeschehen machen, was einst geschehen war?

    Auf einmal hatte sie große Bedenken. Die ganze Zuversicht war vergessen. Das Gefühl der Verlorenheit verstärkte sich nur noch.

    Sie schaute sich um. Es herrschte nur wenig Betrieb im Bahnhof, und es begegnete ihr kein einziges Gesicht, das ihr bekannt vorkommen konnte.

    Da trat jemand aus dem Halbdunkel des Hintergrundes genau auf sie zu.

    Jane erschrak, denn für einen Augenblick mußte sie annehmen, es sei der Geist ihres verstorbenen Mannes, aber der Fremde war viel älter und nur so ähnlich gekleidet.

    Der Fremde lächelte sie aufmunternd an. Aber das beruhigte Jane keineswegs, denn der Mann bleckte dabei leicht die schneeweißen Zähne, und irgendwie erschien es Jane wie bei einem Raubtier, das zubeißen wollte.

    Sie widerstand dem Impuls, die Flucht vor dem Fremden zu ergreifen. Dabei beruhigte sie sich mit dem Gedanken: Was könnte mir schon hier, in aller Öffentlichkeit, widerfahren?

    Willkommen in der alten Heimat, Mrs. Prescoll. Na, was sagen Sie zum Aufstieg dieses verschlafenen Nestes zu einer modernen Kleinstadt? Ich darf sagen, daß Ihr Mann daran nicht ganz unschuldig ist.

    Mein Mann? echote Jane überrascht.

    Ja, gewiß doch. Wußten Sie das denn nicht?

    Ich habe mich kaum um die Geschäfte meines Mannes gekümmert, wich sie aus.

    Meines Mannes? Diese Worte zerdehnte sie in Gedanken und lauschte ihnen nach. Irgendwie klangen sie - unecht. Ja, gewiß, sie war Jane Prescoll, geborene Reed, unleugbar, vor dem Gesetz getraut.

    Vor dem Gesetz! betonten ihre Gedanken, aber nicht vor Gott!

    Es war das erste Mal, daß es ihr überhaupt bewußt wurde.

    Sie war in einem sehr strengen Waisenhaus aufgewachsen. War das der Grund einer gewissen Flucht vor einem allzu christlichen Weltbild?

    Jetzt bedauerte sie es zutiefst. Und außerdem störte es sie, daß der Fremde von ihrem Mann sprach, als würde der noch leben.

    Sie fügte rasch hinzu: Gott habe ihn selig! und beobachtete die Reaktion des Fremden.

    Der wirkte - erschrocken. Obwohl er sich halbwegs zu beherrschen verstand.

    Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, aber kein weiteres Wort verließ seine bebenden Lippen.

    Jane lächelte jetzt. Die Furcht fiel von ihr ab wie eine Last. Es beruhigte sie, daß es ihr gelungen war, den Fremden zu verunsichern - wie auch immer.

    Sie kannten meinen Mann? - Gott habe ihn selig! Sie betonte die letzten Worte ganz besonders, und tatsächlich, sie hatte sich keineswegs geirrt. Es war die Erwähnung von Gott, schon die bloße Nennung des Begriffes, was in dem Fremden sichtliches Unbehagen erzeugte.

    Äh, ja, sehr gut sogar, gnädige Frau. Wir waren sozusagen gute Freunde, obwohl ich bei ihm sozusagen im Sold stand. Und er hat es mir sehr ans Herz gelegt, alles zu tun, um Ihnen zu helfen, wann immer Sie der Hilfe bedürfen.

    Dann möchte ich mich in aller Form bei Ihnen bedanken - allein für die noble Absicht. Allerdings, ich benötige gottlob nicht Ihre Hilfe, wenngleich ich gern darauf zurückgreifen werde, sobald sich Bedarf anmeldet.

    Sie lächelte liebenswürdig, aber unverbindlich, nahm ihr leichtes Gepäck auf, nickte dem Fremden noch einmal grüßend zu und ging quer durch die Bahnhofsvorhalle. Ihre Schritte wirkten sicher und ließen keineswegs vermuten, daß sie im Grunde genommen immer noch nicht wußte, wohin sie sich tatsächlich wenden sollte.

    Ich bin hierhergekommen, um mit allem abzuschließen, was zwischen meinem damaligen Abschied und heute geschehen ist, dachte sie in einem Anflug von Zorn. Und jetzt begegnet mir als erstes ein solcher Vertreter genau dieser Zeit dazwischen, die ich zu vergessen trachte.

    Aber gerade dieser besondere Vertreter des zu verdrängenden Teils der Vergangenheit ließ sich ganz und gar nicht so leicht abschütteln. Er holte auf und wirkte dabei ganz aufgeregt.

    Um alles in der Welt, gnädige Frau, was habe ich denn falsch gemacht? Ich versichere Sie, daß ich völlig uneigennützig ganz und gar zu Ihren Diensten stehe. Ich war und bin ein großer Verehrer Ihres Mannes Thomas Prescoll, aber das ist nicht allein der Grund meiner Wertschätzung Ihnen gegenüber, Mrs. Prescoll. Sehen Sie es einfach als eine Art persönliche Verbundenheit. Es ist ganz sicher mehr als nur das übliche Beileid...

    Jane zeigte deutlich genug, daß sie sich absolut nicht für das interessierte, was der Fremde ihr zu sagen hatte, um ihn endlich wieder zum Verstummen zu bringen.

    Da kann ja jeder kommen! dachte sie trotzig. Mein Mann war bei vielen bekannt, und es gibt mindestens zehntausend Menschen in aller Welt, die sich ungeniert rühmen, der beste Freund von ihm zu sein. Leider ist es nicht mehr möglich, ihn um Bestätigung zu bitten. Und letztlich interessieren mich die Freunde meines verstorbenen Mannes überhaupt nicht mehr. Hier will ich wieder Jane Reed sein. Jane Prescoll will ich hinter mir lassen. Da gibt es nichts, worauf ich stolz sein könnte. Ganz im Gegenteil. Ich habe begonnen, mich eher dafür zu - schämen. Wenn ich nur an Frederic denke...

    Sie machte ein trotziges Gesicht, obwohl ihr im Moment eher zum Heulen zumute war.

    Der Fremde war nicht nur einfach lästig, sondern in ihrer Vorstellung wurde er sozusagen zur Inkarnation von all dem Negativen, das sie zur Zeit in den Geschehnissen der letzten Jahre sah.

    Jane schaute sich suchend um und entdeckte das Büro des Bahnhofsvorstehers. Dorthin wandte sie sich jetzt.

    Der Fremde folgte aufgeregt. Er suchte anscheinend wieder nach Worten, um Jane irgendwie doch noch zu beruhigen und ihre grenzenlose Ablehnung seiner Person gegenüber zu überwinden, aber seine Lippen mahlten nur hilflos. Es fiel ihm offenbar nicht das Rechte ein.

    Jane ließ vor der Eingangstür zum Büro ihr Gepäck einfach fallen und trat ein.

    Der Bahnhofsvorsteher war noch da. Er saß hinter seinem antiken Schreibtisch, vertieft in einen wahren Berg von Papieren, und schreckte hoch, als Jane so unvermittelt vor ihm erschien.

    Eigentlich war sie nur zu ihm gekommen, um sich offiziell und in aller Form über die Belästigung durch den Fremden zu beschweren. Aber: Endlich ein vertrautes Gesicht! dachte sie erfreut und lachte unwillkürlich. Es klang fast wie eine Befreiung.

    Der Bahnhofsvorsteher stutzte. Und dann erkannte auch er Jane.

    Jane Reed, unsere Primaballerina! entfuhr es ihm.

    Er schlug prompt die Hand vor den Mund, als sei ihm etwas entschlüpft, was er im nachhinein als ungebührlich empfand.

    Spontan streckte Jane ihre rechte Hand aus.

    Ich bin so froh, endlich ein vertrautes Gesicht zu sehen!

    Jetzt lachte auch er und ergriff zögernd Janes Hand.

    Mein Gott, Sie haben... haben sich ja überhaupt nicht verändert! Als wären Sie keine Minute älter geworden. Als wären Sie gerade erst abgereist und... Er schöpfte tief Atem, und dann brach es in ehrlicher Freude aus ihm hervor: Allerherzlichst willkommen - zurück in der alten Heimat, Miß Reed!

    Er erschrak.

    Oh, Verzeihung, Miß... äh... Ich muß ja jetzt sagen... äh...

    Nein, nein, das paßt schon! Hier war ich Jane Reed, und ich bin eigentlich nur deshalb zurückgekommen, um es wieder zu werden. Ich bin Ihnen also keineswegs gram, wenn Sie mich nicht Mrs. Prescoll nennen. Ganz im Gegenteil.

    Der alte Bahnhofsvorsteher drückte bewegt ihre Hand. Er schüttelte zum wiederholten Male den Kopf.

    Ich kann es einfach nicht fassen. Überhaupt nicht verändert, kein bißchen... Die ganze Stadt hat nur noch von Ihnen gesprochen, als Sie so berühmt wurden. Wir alle waren furchtbar stolz auf Sie. Aber dann... Es kam so plötzlich. Und dann stand es in allen Zeitungen. Sie haben geheiratet und gaben dafür alles andere auf. Wir waren regelrecht traurig darüber.

    Schon wieder gewann er den Eindruck, eigentlich genau das Falsche zu sagen, und rief erschrocken aus: Oh!

    Jane lachte herzlich.

    Nicht doch! Sie haben ja so recht. Sehen Sie es einfach als Schicksal an, daß alles so gekommen ist. Und so ist es nur logisch, daß ich wieder hier vor Ihnen stehe. Sie allein sollen entscheiden, was Ihnen lieber ist: Die junge Witwe Mrs. Prescoll - oder die wiedergeborene Miß Jane Reed!

    Auch er konnte wieder lachen.

    Das ist doch überhaupt keine Frage, Miß Reed. Noch einmal: Herzlich, herzlich willkommen! Ich glaube, es gibt keinen einzigen Menschen in der ganzen Stadt, der sich nicht über Ihr Kommen freut, wenn er es erfährt.

    Jane winkte ab. Das braucht's gar nicht. Sie zögerte. Dann sagte sie irgendwie traurig: Naja, vielleicht gibt es ja doch einen, der sich absolut nicht darüber freuen kann?

    Er wußte sofort, wen sie meinte. Auch ohne Namen. War er doch dabei gewesen, damals, als Jane die Stadt verlassen hatte, hier, auf diesem Bahnhof. Niemals war sie zurückgekehrt, bis auf den heutigen Tag nicht.

    Der Fremde, der Jane bei der Ankunft offenbar schon erwartet hatte, trat vor und räusperte sich verlegen.

    Jane erinnerte sich erst jetzt wieder an ihn. Sie hatte ihn über die Wiedersehensfreude mit dem alten Bahnhofsvorsteher glatt vergessen.

    Sie fragte sich auf einmal, woher dieser Fremde überhaupt gewußt hatte, daß sie hierhergefahren war? Nein, sie war hundertprozentig sicher, daß sie es niemandem gesagt hatte. Sie war völlig überraschend aufgebrochen. Ja, sie hatte sich regelrecht davongestohlen...

    Aber dieser Mann hier - hatte sie ganz offensichtlich bereits erwartet...

    * * *

    Der alte Bahnhofsvorsteher kannte den Fremden. Das war nicht zu übersehen. Jane beobachtete genau seine Reaktionen. Erfreut war der Bahnhofsvorsteher nicht unbedingt, den Fremden hier in seinem Büro zu sehen. Aber er hatte offenbar auch nichts dagegen.

    Mr. Brooks? fragte er statt einer Begrüßung.

    Aha, der Fremde hieß also Mr. Brooks. Erst jetzt fiel Jane auf, daß der Mann sich nicht einmal vorgestellt hatte. Er hatte lediglich erwähnt, ein alter Freund ihres verstorbenen Mannes zu sein. Das war eigentlich schon alles. Also war Mißtrauen doch durchaus angebracht?

    Und wer war dieser Mr. Brooks ansonsten? Das hieß: Welche Rolle spielte er inzwischen hier, in dieser Stadt?

    Mr. Brooks nickte dem Bahnhofsvorsteher zur Begrüßung nur knapp zu und bemühte sich dabei um ein freundliches Lächeln.

    Nun, Mr. Owns, ich bin nur hier, um Mrs. Prescoll zu begrüßen und ihr meine unumschränkte Hilfe anzubieten. Ich sehe es als meine wichtigste Pflicht an, ihr sozusagen jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

    Endlich fiel Jane der komplette Name des alten Bahnhofsvorstehers wieder ein: John Owns.

    Ein etwas schwaches Versprechen, das Mr. Brooks hier gibt, wandte sie ungewollt schnippisch ein. Würde er wirklich jeden Wunsch von meinen Augen ablesen wollen, hätte er gewiß den deutlichen Wunsch nicht übersehen, daß ich ganz ohne seine Hilfe auskommen will.

    Eigentlich hätte Mr. Brooks jetzt beleidigt sein müssen. Das wäre zumindest eine einigermaßen normale Reaktion gewesen. Aber Mr. Brooks lächelte auch weiterhin freundlich und schaute dabei John Owns, den Bahnhofsvorsteher, und nicht Jane an.

    Das empfand Jane wie eine Aufforderung an den Bahnhofsvorsteher, endlich für einen guten Leumund zu sorgen.

    John Owns kam dem tatsächlich nach.

    Er räusperte sich erst in die hohle Hand. Dann sagte er: Nun, ich glaube, da liegt ein kleines Mißverständnis vor, Miss Reed. Ich nehme an, Sie kennen Mr. Brooks überhaupt nicht?

    Nein, gewiß nicht, und er hat sich mir nicht einmal vorgestellt!

    Tja, wissen Sie, Miss Reed, das tut mir ehrlich leid. Äh, nun, Mr. Brooks ist nicht nur der Haupteigentümer und Leiter des größten Hotels am Ort, sondern auch der offizielle Verwalter des Carmichael-Anwesens. Das ist hier allgemein bekannt. Soviel man sonst noch weiß, hat Ihr verstorbener Mann Thomas Prescoll dieses Anwesen vor Jahren schon erworben und total renovieren lassen. Es heißt hier, in der Stadt, daß er es ausschließlich Ihretwegen erworben hat, Miss Reed. Das bedeutet, jetzt gehört es ausschließlich Ihnen, und ich neige zu der Ansicht... Sein Blick irrte zwischen Mr. Brooks und Jane hin und her. Er atmete tief durch und fuhr fort: Ich neige zu der Ansicht, daß er Sie hier deshalb empfangen hat, um Ihnen das vielleicht mitzuteilen? Vielleicht sogar, um Ihnen das Anwesen persönlich übergeben zu können?

    Das Carmichael-Anwesen? echote Jane überrascht.

    Ja, das war der offizielle Ausdruck dafür. Im Volksmund war es allerdings geblieben, was es ursprünglich gewesen war: Schloß Carmichael, Residenz des ehrwürdigen Lord Carmichael und seiner erlauchten Familie.

    Obwohl es schon beinahe fünfzig Jahre her war, daß Lord Carmichael seinen Titel verloren hatte. Oder sollte man besser sagen: Er hatte ihn für Geld verkauft?

    Aber das war mehr ein Gerücht gewesen. Beweise hatte niemand dafür.

    Jedenfalls war es danach der Familie Carmichael nicht gerade besser ergangen. Sie waren mehr und mehr verarmt. Ein Skandal hatte am Ende den anderen gejagt. Und weil kein Geld für Arbeiten an dem Anwesen mehr übrig war, verfiel alles zusehends. Bis schließlich nur noch eine weitgehend unbewohnbare Ruine daraus geworden war.

    Und jetzt fiel es ihr tatsächlich wieder ein: Ihr Mann hatte es ihr damals mitgeteilt. Er hatte behauptet, Mitleid mit der ehemaligen Adelsfamilie zu haben und für die Schloßruine einen erheblich überhöhten Betrag zahlen zu wollen, um die Familie damit wieder einigermaßen zu sanieren. Wenn auch zu dem Preis, daß sie für immer alles verloren, was sie noch mit ihren Vorvätern verband.

    Und er hatte behauptet, dies alles eigentlich nur zu tun, um Jane eine besondere Freude zu bereiten.

    Wenn sie eines Tages in ihre Geburtsstadt zurückkehrte, sollte sie sozusagen das vollkommene Erbe derer von Carmichael antreten. Sie sollte dort residieren, wo auch der Name der ganzen Stadt herstammte: Im Carmichael-Anwesen.

    Scherzhaft hatte er noch hinzugefügt: Wer weiß, vielleicht habe ich mit dem Anwesen nicht nur die alten Machtstrukturen für dich erworben, sondern auch das Anrecht auf den Namen selbst? So darfst du dich dann eines Tages zu recht so nennen: Lady Carmichael!

    Er hatte gelacht wie über einen besonderen Witz.

    Jane hatte es ganz und gar nicht als lustig empfunden.

    Und dann hatte sie alles wieder vergessen. Ganz radikal sogar.

    Wie war das denn möglich? Wieso fiel ihr das jetzt erst wieder ein?

    Und sogar an den Namen von Mr. Brooks erinnerte sie sich jetzt wieder. Ihr Mann hatte ihr damals gesagt: Wenn es soweit ist, wende dich vertrauensvoll an Mr. Brooks. Er wird dir ein guter Freund in allen Lebenslagen sein. Jedes Wort war so wach in ihre Erinnerung zurückgekehrt, als hätte sie es soeben erst gehört.

    Und du, Thomas? hatte sie gefragt.

    Sein Gesicht hatte sich für Sekunden verfinstert. Er hatte sich von ihr abgewendet. Und dann hatte er gesagt: Ich werde zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sein.

    Wie meinst du das? hatte sie ausgerufen.

    Er hatte sich ihr wieder zugewendet und gefaßt erwidert: Gibt es nicht für uns alle einmal ein Ende? Was währt schon ewig? Und am Ende müssen wir alle unseren Preis bezahlen. Niemand bleibt je verschont.

    Seltsame Worte waren das gewesen. Er hatte sie direkt anschließend für viele Tage verlassen. So, als würde er sich vor einer Fortsetzung des Gesprächs regelrecht fürchten.

    Gewiß, er war öfter für Tage verschwunden: Immer dann, wenn er geschäftlich zu tun gehabt hatte...

    Jane hatte sich niemals dafür interessiert, welcher Art diese Geschäfte gewesen waren.

    Diesmal war es aber anders gewesen. Hatte sie es deshalb wieder vergessen? Hatte sie es regelrecht - verdrängt?

    Und jetzt hätte sie gern gewußt, welcher Art eigentlich immer die Geschäfte ihres verstorbenen Mannes gewesen waren, wenn er für Tage und zuweilen sogar für Wochen scheinbar spurlos verschwand. Wenn sie damals nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes gefragt hatte, war ihr nur ausweichend geantwortet worden. Bis sie daran jegliches Interesse verloren hatte.

    Sie hätte jetzt gern erneut gefragt, aber sie war sich ziemlich sicher, daß Mr. Brooks dafür der absolut falsche Gesprächspartner war. Selbst wenn der etwas wußte: Warum sollte er es ihr nach all dieser Zeit erklären?

    Sie mißtraute ihm nach wie vor! Und deshalb fragte sie ihn endlich: Woher hatten Sie eigentlich gewußt, daß ich ausgerechnet mit diesem Zug komme?

    Sein Lächeln wirkte auf einmal verzerrt. Aber er zögerte keineswegs mit der Antwort: Sie sind Mrs. Prescoll, vergessen Sie das nicht. Ihr Mann ist einer der reichsten Männer der Welt, ein Industriemagnat mit großem wirtschaftlichem und somit auch politischem Einfluß. Es ist wohl kaum denkbar, unter solchen Umständen, daß Sie problemlos auch nur einen Schritt machen können, ohne dabei gesehen oder gar - beobachtet zu werden.

    Jane fühlte sich daraufhin sehr unbehaglich. An solche Dinge hatte sie all die Jahre niemals gedacht.

    Da waren so viele Dinge, die sie überhaupt nie bedacht hatte, und sie betrachtete ihn und fragte sich erneut, wieso sie sich sogar an jene doch nicht unwichtige Szene niemals wieder erinnert hatte - bis heute?

    * * *

    Der alte Bahnhofsvorsteher John Owns hatte am Ende alles getan, um Janes Mißtrauen zu zerstreuen, was Mr. Brooks betraf.

    Jane hatte sich dabei wie in Trance gefühlt. Alles war so unwirklich, als hätte sie eine Droge genommen.

    Was für ein eigenartiges Leben, das hinter ihr lag... Als hätte sie alles dies nur geträumt. Vieles erschien ihr im nachhinein wie schlecht erfunden.

    Wieso hatte sie das niemals gestört? Wieso waren ihr niemals Fragen in den Sinn gekommen? Hatten sie der unermeßliche Reichtum und ihr persönlicher Nutzen daraus so sehr betäubt?

    Ja, sie konnte jetzt überhaupt nicht mehr verstehen, wieso sie das Tanzen ganz einfach aufgeben konnte, ohne fürderhin auch nur einen Gedanken mehr daran zu verschwenden?

    Sie fühlte sich auf einmal wie jemand, der sich verzweifelt bemüht, aus einem unbegreiflichen Traum zu erwachen - und das einfach nicht schaffte.

    Immer, wenn sie glaubte, sie sei eigentlich schon wach, mußte sie erschreckt feststellen, daß es nur ein neuer Traum war, der sie gefangenhielt.

    Deshalb war sie hergekommen. Das glaubte sie jetzt ganz sicher. Es war ihr so vorgekommen, als sei die Stadt Carmichael, die harte Wirklichkeit ihrer persönlichen Vergangenheit, alles dies, was sie an Leid in dieser Stadt hatte erfahren müssen... Als sei dies ihre letzte Chance.

    Und Frederic?

    Was war mit ihrer einzigen großen Liebe?

    Sie hatte sie aufgegeben, dem Tanzen zuliebe. Um hernach das Tanzen so aufzugeben, als habe es überhaupt niemals eine Bedeutung für sie gehabt?

    Jane hätte schreien mögen, voller Schmerz und vor allem: voller Furcht.

    Aber sie tat nichts dergleichen. Sie lenkte sich ab davon mit den Gedanken: Wo soll ich mich eigentlich jetzt noch hinwenden? Was soll ich noch tun, wo ich doch weiß, daß es eigentlich keinerlei Entrinnen mehr für mich gibt?

    Sie war sozusagen aufs Geratewohl losgefahren und hatte überhaupt nichts geplant. Eine sehr unüberlegte Flucht, die einfach hatte schiefgehen müssen.

    Und jetzt war es Abend.

    Wohin hätte sie sich wenden sollen?

    Vielleicht an das Waisenhaus, in dem sie eine so freudlose Kindheit verbracht hatte? Wäre das die Chance gewesen, die sie sich erhoffte?

    Nein, niemals wieder dorthin! antwortete sie sich selbst.

    Egal, wie man sie dort empfangen hätte: Es hätte ihrer Meinung nach eigentlich nur verlogen sein können.

    Oder sollte sie vielleicht - Frederic anrufen und ihn um Hilfe bitten?

    Vor diesem Gedanken erschrak sie regelrecht. Nein, das war sicher die schlechteste aller Lösungen. Dafür hatte sie viel zuviel Angst, daß er ihr einen Korb gab.

    Was war denn überhaupt inzwischen aus ihm geworden? Lebte er noch hier, in dieser kleinen, unbedeutenden Stadt namens Carmichael? Was war ihm inzwischen widerfahren?

    Vielleicht ist er sogar verheiratet und hat mich längst vergessen? fragte sie sich bang. Und falls er sich dann doch an mich erinnern sollte... Vielleicht tat er es voller Zorn oder sogar... mit Haß in seinem Herzen - dort, wo er einst Liebe verspürt hatte?

    Sie hätte es verstehen können.

    Und sie wagte nicht einmal, Mr. Owns oder gar Mr. Brooks nach ihm zu fragen. Weil sie die Antwort zu sehr fürchtete.

    Die konnte doch nur negativ ausfallen. Oder?

    Da erschien es ihr nun wirklich als das kleinere Übel, sich letztlich doch diesem Mr. Brooks anzuschließen und seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch wenn sie das noch Minuten zuvor als völlig undenkbar erachtet hätte.

    Es ist ja nur vorübergehend! redete sie sich ein.

    Bitte zum Hotel! bat sie sich allerdings aus. Es mag ja sein, daß Thomas mir mit dem Carmichael-Anwesen eine ganz besondere Freude hat machen wollen, aber das interessiert mich jetzt nicht mehr im geringsten. Ich bin auch dessentwegen überhaupt nicht hier.

    Mr. Brooks zupfte die buschigen Augenbrauen nach oben und fragte erstaunt: Weswegen denn sonst?

    Jane blieb ihm die Antwort schuldig. Was hätte sie denn auch sagen sollen? Die Wahrheit?

    Als ob sie die selber so genau gekannt hätte...

    Ja, sie fuhr mit ihm zum Hotel. Wenn sie all dem Gesagten wenigstens einigermaßen vertrauen konnte, war sie jetzt, nach dem Tode ihres Mannes, sogar Miteigentümerin des Hotels. Auch wenn dieser Mr. Brooks die Anteilsmehrheit besaß.

    Dennoch hatte Jane keineswegs vor, dort länger als nur eine Nacht zu bleiben.

    Im Grunde genommen bereute sie es inzwischen bitter, daß sie überhaupt in ihre alte Heimatstadt Carmichael gekommen war. Es war in der Tat keine gute Idee gewesen und vor allem überhaupt keine Lösung.

    Nein, hier würde sie sicherlich keine Antwort auf die tausend Fragen finden, die sie jahrelang verdrängt hatte und die inzwischen mit einer Wucht auf sie eindrangen, als wollten sie sie zerschmettern.

    Nur, sie fühlte sich im Moment wirklich außerstande, sich einfach in den nächsten Zug zu setzen und die Rückreise anzutreten.

    Aber morgen! nahm sie sich fest vor. Erst einmal muß ich ein paar Stunden schlafen. Dann fühle ich mich wieder fit. Dann kann ich auch wieder klarer denken. Und dann ist immer noch Zeit, eine endgültige Entscheidung zu fällen.

    Nur, daß sie das Carmichael-Anwesen nicht haben wollte, das wußte sie auch jetzt schon. Daran würde nichts etwas ändern können. Davon war sie überzeugt.

    Denn wenn sie dort einzog... Das wäre für sie so gewesen, als würde sie der altehrwürdigen Familie Carmichael etwas streitig machen, was untrennbar mit ihr und mit der ganzen Geschichte dieser Stadt, ja, der ganzen Umgebung, zusammenhing.

    Sie begann sogar, mit dem Gedanken zu spielen, das Anwesen an die Familie wieder zurückzugeben. Als so eine Art Kulturschenkung. Auch wenn diese Familie inzwischen längst in alle Winde zerstreut war.

    Vielleicht war sie das der Stadt und ihren Bewohnern sogar noch eher schuldig als der Familie Carmichael? Vielleicht würde es die Bürger der Stadt Carmichael wieder dazu bringen, die eigene Vergangenheit nicht länger zu verdrängen und wieder stolz darauf sein zu können?

    Was das betraf, war allerdings längst noch nichts entschieden. Jane nahm sich vor, sich dabei Zeit zu lassen.

    Falls sie es überhaupt sobald in Angriff nahm.

    Denn vordringlich erschien ihr im Moment, so schnell wie möglich dieser Stadt wieder den Rücken zu kehren. Dann sah man weiter.

    Gleich morgen schon...

    * * *

    Frederic Squad war gerade im Begriff, zu Bett zu gehen, als das Telefon klingelte. Mißmutig hob er ab.

    Es war der Bahnhofsvorsteher John Owns. Frederic erkannte ihn an seiner Stimme, denn Mr. Owns sagte nur einen einzigen Satz: Sie ist wieder da! Das genügte.

    Frederic legte sofort wieder auf. Er drückte den Hörer so fest auf die Gabel, als hätte er Angst, er könnte sich selbständig erheben und die Stimme des Bahnhofsvorstehers wieder zu ihm dringen lassen. Damit der ihm mehr sagen konnte. Vielleicht Dinge, die Frederic nicht hören wollte?

    Eine Weile starrte er auf das Telefon wie auf einen bösen Feind.

    Der Bahnhofsvorsteher meldete sich nicht mehr. Erst als Frederic das begriffen hatte, entspannte er sich ein wenig. Er nahm die Hände vom Telefonhörer und krampfte sie ineinander.

    Er starrte durch den Raum, ohne ihn zu sehen. Sein Blick war in ferne, inzwischen vergessen geglaubte Vergangenheit gerichtet. Er sah - sie!

    Jane tanzte. Sie lachte dabei ihr glockenhelles Lachen. Sie sah ihn an, als würde sie nur für einen tanzen - für ihn.

    Jane bewegte sich leicht wie eine Feder. Die Gesetze der Schwerkraft schienen für alle Menschen zu gelten, außer für sie.

    Ihr durchtrainierter Körper war beweglich, als hätte Jane nicht Knochen und Gelenke wie jeder normale Mensch. Sie tanzte. Es war nicht der Tanz einer Königin, sondern es war sogar noch mehr. Es war der Tanz einer - Göttin des Tanzes. Sie verzauberte alle mit ihrem Tanz. Selbst Leute, die normalerweise überhaupt kein Interesse am Ballett fanden... Sie ließen sich verzaubern. Sie waren unfähig, ihre Blicke von ihr zu lösen, von ihren anmutigen Bewegungen, wenn sie scheinbar über das Parkett schwebte, schwerelos, biegsam und dennoch - für eine Frau ungewöhnlich kraftvoll.

    Frederic stöhnte laut vor Schmerz, der sich tief in seine Brust fraß, und sprang auf. Er ballte seine Hände zu Fäusten und wollte sie wie drohend erheben, aber sie schienen Zentner zu wiegen und sanken kraftlos herab.

    Das Bild der tanzenden Jane verblaßte.

    Sie hat alles aufgegeben, murmelte er tonlos vor sich hin. "Erst gab sie mich auf, dann sogar das Tanzen. Sie wurde Mrs. Prescoll, die kalte, unnahbare, völlig zurückgezogen lebende Frau des superreichen Magnaten Prescoll, dieses geheimnisumwitterten Mannes...

    Was hat sie so werden lassen?"

    Das war eine Frage, die er sich immer wieder gestellt hatte, all die Jahre hindurch.

    Und immer wieder hatte er sich dabei ertappt, daß er den Telefonhörer aufgenommen hatte, um anzurufen...

    Wen und wieso? Jane? Die Jane, wie er sie gekannt hatte?

    Nein, seine Jane war tot. Sie war einer Person gewichen, die kalt und leblos erschien. Ja, eine Art lebende Tote, die nur so aussah wie Jane, aber nichts, überhaupt nichts, mit dieser gemeinsam hatte.

    Jane hatte nicht nur getanzt, weil es ihr Freude gemacht hatte. Jane war sozusagen die Inkarnation des Tanzes gewesen. Jane und das Tanzen, das waren sozusagen eine untrennbare Einheit gewesen.

    Jane hatte immer getanzt. Im Waisenhaus hatte man es ihr verboten. Sie war immer wieder hart bestraft worden, weil sie dieses Verbot so schmählich mißachtet hatte.

    Für die Nonnen im Waisenhaus war jeglicher Ausdruck von Freude ein Ausdruck der Sünde gewesen. Sie trugen das Bild vom demütig leidenden Gläubigen in ihren Herzen, von der Sorte von Gläubigen eben, die nur die demütige Ehrfurcht vor dem Allmächtigen kannten und alle Kräfte auf gottgefällige Arbeit verwendeten. Tanzen, das war für sie die Ausgeburt der Hölle. Tanzen, das war die Verschwendung von Arbeitskraft im Dienste des Herrn. Tanzen, das mußte verboten, jegliche Anwandlung dahingehend im Keim erstickt werden.

    Trotz aller Härte war es ihnen bei Jane nicht gelungen. Nein, sie hatten Jane nicht brechen können, weder als Kind, noch als Heranwachsende.

    Bis zu ihrer Flucht aus Carmichael.

    Ja, gewiß, später hatte Frederic das immer denken müssen: Jane ist nicht einfach nur abgereist, sondern sie ist - vor dieser kalten Härte geflohen. Nicht vor mir und unserer Liebe. Unsere Liebe war zwar groß gewesen, aber nicht groß genug, um diesen unstillbaren Durst zu überwiegen, den Jane empfunden haben mußte. Sie, der man alles verboten hatte, was ihr eigentliches Leben bedeutete, hatte einen so immensen Nachholbedarf, daß sie letztlich nur noch eines hatte tun können: Tanzen und nur noch tanzen!

    Umso unverständlicher war schließlich für jedermann die plötzliche Heirat mit diesem Thomas Prescoll und die damit verbundene völlige Abkehr von allem gewesen, was ihr stets am wichtigsten gewesen war.

    Jetzt hatte sie eigentlich genauso gelebt, wie es im Sinne ihrer Erziehung im Waisenhaus von Carmichael gewesen war. Oder?

    Frederic hatte es bis heute versäumt, die Nonnen des Waisenhauses dahingehend um ihre Meinung zu fragen. Deren Meinung interessierte ihn nämlich schon lange nicht mehr.

    Schließlich war auch er von ihnen erzogen worden. Er hatte seine Eltern genauso früh verloren wie Jane. Und auch ihm war widerfahren, daß sich keine Verwandten um sein Schicksal geschert hatten. Sie waren erst später wieder aufgetaucht, wie aus dem Nichts: als er das Waisenhaus längst hinter sich gebracht hatte und zu einem angesehenen Bürger der Stadt avanciert war.

    Aber dann hatte er umgekehrt sie nicht mehr kennen wollen.

    Denn wenn er etwas verabscheute, dann waren es Leute, die nur für ihren Vorteil lebten. Selbst wenn diese Leute eigentlich die eigenen Verwandten waren.

    Er pflegte in diesem Zusammenhang sogar

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