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Märzchen im November: Dreizehn nicht unerhebliche Erzählungen und eine nur so zum Spaß
Märzchen im November: Dreizehn nicht unerhebliche Erzählungen und eine nur so zum Spaß
Märzchen im November: Dreizehn nicht unerhebliche Erzählungen und eine nur so zum Spaß
eBook88 Seiten1 Stunde

Märzchen im November: Dreizehn nicht unerhebliche Erzählungen und eine nur so zum Spaß

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Über dieses E-Book

»Ein Ereignis hatte unser Leben durchkreuzt. Es stand unserer gemeinsamen Bahn im Weg, wie ein Glasprisma einem weißen Lichtstrahl im Physikunterricht.«
Dieses Buch handelt von Menschen in heiklen Situationen. Manche haben Glück, andere erleben persönliche Katastrophen, nichtsahnend oder sehenden Auges – in jedem Falle aber verstrickt im Netz besonderer Eigenheiten und Umstände.
Dennoch fehlt es diesen Geschichten nicht an Humor – versteckt in der Sprache, in Absurditäten oder überraschenden Wendungen, schüchtern und hintergründig.
Und hier und da, erstaunlich oft sogar, keimt ein wenig Hoffnung.
Zwei dieser vierzehn Erzählungen wurden bei Literaturwettbewerben mit Preisen ausgezeichnet.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum14. Jan. 2016
ISBN9783738655032
Märzchen im November: Dreizehn nicht unerhebliche Erzählungen und eine nur so zum Spaß
Autor

Peter Coon

Peter Coon wurde geboren. Das war schon 1967, und anschließend studierte er Elektrotechnik. Lange arbeitete er als Programmierer, heute als Tontechniker und Grafiker. Seit einigen Jahren schreibt er Erzählungen. Mehrere erschienen in Anthologien und Literaturzeitschriften, zwei von ihnen erzielten einen ersten bzw. dritten Preis bei Literaturwettbewerben. Peter Coons Geschichten geben Einblick in seine ganz persönliche Sicht der Dinge. Seine Figuren und Charaktere sind vielschichtig und nicht leicht zu durchschauen, nicht einfach gut oder böse, sie tragen von jedem etwas in sich. So sind sie ein Spiegelbild unserer komplexen und nur selten schwarz-weißen Welt.

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    Buchvorschau

    Märzchen im November - Peter Coon

    Inhaltsverzeichnis

    Titelseite

    Abgedrängt, umgelenkt, gebrochen

    Blind Date

    So viel Zeit muss sein

    Die Fremde unter Tage

    Stolze zehn Jahre

    Leben ohne Faustkeil

    Gute Unterhaltung

    Dabei sein ist alles

    Nicht einmal bis vor die Haustür

    Siebzehn

    Redegewalt

    Wer, wenn nicht ich?

    Märzchen im November

    Melanies Rat

    Über den Autor

    Impressum

    Peter Coon

    Märzchen im November

    Dreizehn

    nicht unerhebliche Erzählungen

    und eine

    nur so zum Spaß

    Abgedrängt, umgelenkt, gebrochen

    Karl erschien mir immer als blau. Wir kannten uns schon seit unserer gemeinsamen Kindergartenzeit und waren dicke Freunde, auch später auf der Grundschule und dem Gymnasium. Fast jeden Nachmittag trafen wir uns, und während all dieser Zeit kam er mir irgendwie blau vor. Ich meine damit nicht seinen Alkoholspiegel, obwohl dieser zuletzt immer öfter auch diese Art von Blau-Sein verursachte. Nein, ich meine wirklich die Farbe Blau. Natürlich war er nicht wirklich blau. Nicht, dass man hätte sehen können, wie er blau gefärbt gewesen wäre – an Händen oder Füßen oder gar im Gesicht. Vielmehr war es mein Bild von ihm, das ihn in dieser Farbe zeigte. Für mich hatte er immer etwas Blaues, in etwa so, wie die Zahl Zwei für mich weiblich und meine EC-Karten-PIN eine bestimmte Melodie ist.

    Karl hatte eine große Schwester. Anne ist ein gutes Jahr älter als er und besuchte ebenfalls unser Gymnasium. Sie drehte aber in der Acht eine Ehrenrunde, und so kamen wir in dieselbe Klasse, Anne, Karl und ich, und mogelten uns später gemeinsam durchs Abitur. Wie ihr Bruder hatte auch sie immer schon diesen Hang zum Blau. Mit den Jahren mischte sich jedoch etwas Grün hinzu, sodass sie dieses zarte Türkis umgab, in das ich mich verliebte.

    Auch nach unserer Hochzeit verbrachten wir viel Zeit mit Karl. Wir feierten stets gemeinsam und fuhren oft zu dritt in den Urlaub. Auch im August ’88 war er dabei, als wir wieder einmal nach Ramstein fuhren. Wir alle waren verrückt nach Flugzeugen. Keiner von uns hatte einen Flugschein, doch die militärische Flugschau auf der Ramstein Air Base war für uns seit jeher ein fixer Punkt im Jahr gewesen. Bis zu diesem Tag verliefen die Strahlen unserer drei Leben so parallel wie die dreifarbigen Rauchstreifen der heranjagenden Frecce Tricolori, die zur Begrüßung über uns hinwegdonnerten. Zehn Piloten in zehn Kampfmaschinen begeisterten uns und einige tausend Gleichgesinnte mit ihren Kunstflug-Figuren, die sie in den italienischen Nationalfarben an den Himmel malten. Wir beobachteten jede Wende, jeden Looping und dann die Form eines imposanten Herzens, das sich senkrecht vor uns erhob. Gespannt erwarteten wir das Finale der Show, doch als drei der Maschinen vor unseren Augen zerschellten, genau in diesem Augenblick, tauchten wir gemeinsam ein in eine andere Zeit. Die Sekunden, in denen sich der Feuerball in die Zuschauermenge bohrte, dehnten sich nicht etwa, wie sie es in einem Kinofilm getan hätten. Statt in Zeitlupe verstrichen sie so schnell, als hätte jemand den Vorspulknopf gedrückt. Wie Pfeile rauschten sie an uns vorbei und ließen uns das Inferno nicht begreifen. Warum war der Himmel mit einem Mal leer? Warum blieb das Finale aus? Irgendetwas hatte es verschluckt und unser Erleben auf die Erde zurückgeworfen. Wie in Trance taumelten wir durch dichten Qualm über eine Art Schlachtfeld, uns fest an den Händen haltend. Wir fragten niemanden nach Hilfe und brachten auch keine. Wir suchten nur einen Ausweg aus diesem Albtraum, und als wir ihn erreicht hatten, wussten wir nicht, wie wir ihn gefunden hatten. Wir schauten uns fragend an und fielen uns heulend in die Arme. Genau in diesem Moment kehrten wir wieder in die normale Zeit zurück. Wir tauchten auf aus etwas, für das wir keinen Namen hatten. Wir waren hindurch durch etwas, für das uns die Worte fehlten. Ein Ereignis hatte unser Leben durchkreuzt. Es stand unserer gemeinsamen Bahn im Weg wie ein Glasprisma einem weißen Lichtstrahl im Physikunterricht. Wir waren eingetaucht, hatten es durchstoßen, um auf der anderen Seite wieder herauszutreten – abgedrängt, umgelenkt, gebrochen, jeder gemäß seiner Farbe. Den Aufschlag, die Flammen, den Lärm, die Schreie, die Gerüche und die verzerrten Gesichter konnten wir kaum klar erinnern, und doch hatten sie unsere Lebenswege stärker gefächert, als wir noch am Ende des Tages glaubten.

    Zunächst bemerkten wir dies an Karl. Er zog sich zunehmend zurück, kam nur noch selten zu Besuch und lud auch nicht mehr ein. Anne und ich trafen ihn nur noch sporadisch und merkten bald, dass er zu trinken begonnen hatte. Stets umgab ihn eine Fahne, immer öfter fanden wir ihn betrunken in seiner Wohnung vor. Innerhalb weniger Wochen war er zum Alkoholiker geworden. Fragten wir ihn, warum das so sein musste, antwortete er immer: »Die Träume. Es sind die Träume.«

    Unter den Träumen litten wir alle. Was wir hatten sehen müssen, quälte uns zeitweise jede Nacht und bereitete uns Schlaflosigkeit und Depression. Wir alle waren in psychologischer Betreuung, bekamen Tipps und Methoden an die Hand, die Last der Erinnerung zu ertragen. Ich war der erste von uns dreien, der auf diese Weise wieder Schlaf und damit den Weg zurück ins Leben fand. Auch Anne schreckte nachts immer seltener auf. Ich arbeitete viel, und Anne trat einen neuen Job an, als Karl seinen verlor. Als er eines Tages fast an einer Alkoholvergiftung starb, rastete ich aus.

    »Er soll sich mal zusammenreißen!«, ließ ich Anne wissen.

    »Das geht nicht so einfach«, nahm sie ihren Bruder in Schutz.

    »Bei uns ging es doch auch.«

    »Er ist eben anders als wir. Du weißt doch, wie ihn all das verfolgt.«

    »Uns hat es auch verfolgt.«

    »Aber er ist nicht wie wir. Er kann es einfach nicht überwinden.«

    »Kann-nicht ist der kleine Bruder von Will-nicht!«, ließ ich mich hinreißen und bereute es noch in derselben Sekunde. Schlagartig wurde uns beiden bewusst, wie weit auch wir uns voneinander entfernt hatten seit August. Hielt uns bisher der gemeinsame Kampf um unseren Schlaf noch beisammen, so drifteten wir jetzt umso deutlicher auseinander. Keine Entschuldigung, keine lieben Worte oder innigen Umarmungen brachten uns je wieder auf denselben Kurs.

    Etwa vier Wochen, nachdem Karl sich schließlich das Leben genommen hatte, verließ mich Anne. Bevor ich sie aus den Augen verlor, sah ich sie noch

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