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Eine Zeitreise Geschichte
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eBook650 Seiten9 Stunden

Eine Zeitreise Geschichte

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Über dieses E-Book

Dieser Sci-Fi Roman stellt Leser vor viele Fragen:
Was ist Wahrheit, was sind Lügen und warum werden sie geglaubt?
Ist unsere jetzige wirklich die beste aller Welten?
Wie wird es wohl weiter gehen mit dieser Welt in der Zukunft, und gibt es für die Menschen überhaupt eine?
Welche mögliche Zukunft würden die Menschen sich erträumen, welche wäre ein Alptraum?
Wie weit darf Technologie gehen und wie weit nicht? Gibt es Grenzen, die nicht überschritten werden sollten?
Was ist Demokratie und was ist es nicht? Wie wichtig ist sie uns wirklich?
Glauben wir an Menschlichkeit und an die Fähigkeit unserer Mitmenschen zu denken?
Was ist Macht und was kann sie anrichten?
Was ist Geld und wie funktioniert es?
Was ist die gefährlichste Ideologie der Welt?
Können reiche und mächtige Ideologen jemals gestoppt werden?
Ein paar wenige Antworten werden hier nur leicht angedacht, denn all diese Fragen sind viel zu komplex, für ein kleines Buch. Die Zukunft wächst aus den Gedanken der Vielen, nicht aus denen eines Einzelnen oder einer kleinen Gruppe. Sie wächst aus der Freiheit unserer Träume, der Träume von Frieden und Gerechtigkeit, die wir nicht durch unsere Angst beschneiden lassen.
Was ist Frieden? Was ist Gerechtigkeit? Was ist Freiheit?

SpracheDeutsch
HerausgeberEve Human
Erscheinungsdatum10. Nov. 2021
ISBN9781005042219
Eine Zeitreise Geschichte
Autor

Eve Human

Deutsch/English---Die Autorin hat insgesamt mehr als 25 Jahre im schönen Island gewohnt, meist in der Hauptstadt Reykjavik, wo sie dann auch großteils in der Altenpflege gearbeitet hat.Seit März 2017 lebt sie wieder in Deutschland und zwar in einer der traditionsreichsten Orte des Landes, der Stadt des Rattenfängers, Hameln.Sie ist eine politische Bloggerin und schreibt auch politische Gedichte meist auf englisch auf ihrem Gedichteblog:Eve's Rhymes in difficult times: https://evehuman2013.wordpress.com/Als Teil ihres politischen Engagements hat sie kurzzeitig auch als freiwillige Helferin und Menschenrechtsaktivistin in Palästina und ein anderes Mal in der Flüchtlingshilfe im Libanon gearbeitet.Das Buch "Eine Zeitreise Geschichte" ist vor allem als Kommentar zu einer Vielzahl von politischen und sozialen Themen gedacht, als eine Art Gegenpol zu den vielen dystopischen Visionen im Science Fiction Genre.In diesem Buch wird nicht direkt eine Utopie beschrieben, eher wird hier einfach nur der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass wir es als Menschheitsfamilie, trotz aller unser Fehler irgendwann einmal schaffen werden, uns eine friedlichere Welt aufzubauen.Es wäre eine Welt, in der die Menschheit einen beinahe Konsens darüber erreicht hat, dass das menschliche Leben heilig und schützenswert und die Würde des Menschen wirklich unantastbar ist.Es wäre vor allem eine Welt, in der der Krieg als Mittel der Politik geächtet sein würde.Das hört sich heutzutage noch sehr utopisch an, ganz ohne Frage. Aber irgendwie hat die Autorin den Glauben an die Menschen noch nicht verloren. Sie hat eben noch Hoffnung, eine Hoffnung, die sie mit ihren Lesern teilen möchte.---For altogether over 25 years the author used to live in the beautiful country of Iceland, mostly in the capital Reykjavik, working in nursing the elderly. Since March 2017 she has moved back into her birth country Germany, to the town of the Pied Piper, Hamelin.She has occasionally volunteered as a human rights activist and in refugee help in the Middle East.She is a political blogger who also writes political poems on her poetry blog:Eve's Rhymes In Difficult Timeshttps://evehuman2013.wordpress.com/"A Time-Travel Story" is a book with social and political commentary.

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    Buchvorschau

    Eine Zeitreise Geschichte - Eve Human

    Eine Zeitreise Geschichte

    von Eve Human

    revidierte Auflage

    Copyright 2021 Eve Human (Ortrud G.)

    smashword.com

    Leben ist ein göttliches Geschenk.

    Menschliches Leben ist heilig und muss deshalb immer geschützt werden.

    Jeder Mensch ist von großer Bedeutung für die gesamte Menschheit.

    Ebenso ist er von unbegrenztem Wert und besitzt eine unantastbare Würde.

    Kein Mensch ist wertvoller oder weniger wertvoll,

    oder von größerer oder geringerer Bedeutung

    als irgendein anderer Mensch auf Erden.

    DAS IST DAS ERSTE PRINZIP."

    ---

    Vorwort der Autorin

    Dies ist ein Science Fiction Roman. Und wie andere Romane dieser Gattung ist es vor allem ein politisches Buch. Und dafür bitte ich den geneigten Leser um klein wenig Geduld. Wer einen Action-Thriller mit vielen spannenden Kämpfen erwartet, der wird hier zwangsläufig enttäuscht werden.

    Oh ja, es gibt in der Geschichte zwei brutale Kriegsszenen, eine Vergewaltigung, einen Bericht über Zwangsprostitution, einen Mord und einen Sabotagefeldzug, aber das sind nicht wirklich die Hauptereignisse dieser Zeitreise Geschichte

    Stattdessen werden hier die Probleme, Befürchtungen und Hoffnungen unserer Zeit durch eine neue Linse betrachtet - und aus zwei unterschiedlichen Perspektiven, aus der eines Mannes der Gegenwart, David, und der von zwei Menschen aus einer potentiellen Zukunft, Jonathan und Hope.

    Hopes Dorf soll dabei nicht als Prototyp der zukünftigen Gesellschaft angesehen werden, sondern als ein Dorf unter vielen. In diesem Dorf tragen alle Bewohner ähnliche Kleidung, aber mit ganz individuellen Applikationen auf dieser Kleidung. Das soll symbolisch darstellen, dass Menschen zum einen soziale Wesen sind, eine Notwendigkeit für das menschliche Überleben, und darüber hinaus aber auch Individuen mit dem Drang nach Einmaligkeit und Unabhängigkeit. Jede menschliche Gesellschaft lebt, meiner Meinung nach, genau in der Spannung zwischen diesen beiden Polen.

    Und obwohl Jonathans Stadt so dystopisch ist, wie man es sich nur vorstellen kann, so ist Hopes Dorf eben nicht das genaue Gegenteil, die wirklich perfekte Utopie.

    Menschen machen Fehler. Und manchmal sind genau die Fehler, die wir uns durch scheinbar so logische Erklärungen schönreden, die Grausamsten. Das ist Teil unserer Natur und wird es wohl bleiben, solange es den Homo Sapiens auf Erden geben wird. Aber genauso können wir Menschen auch aus unseren schlimmsten Verfehlungen lernen, vielleicht aber doch nur, um gleich darauf neue Fehler zu machen. Das ist nur zu menschlich.

    Vielleicht fragt ihr euch, warum in Hopes Welt 10 Milliarden Menschen in Millionen von kleinen Dörfern statt in größeren Städten leben?

    Der Grund dafür könnte sein, dass die Menschen dieser möglichen Zukunft akzeptiert haben, was die Psychologen unserer Zeit bereits wissen: die menschliche Fähigkeit soziale Kontakte aufrechtzuerhalten ist erwiesenermaßen begrenzt, und diese Tatsache führt zur bekannten Anonymität der großen Städte, zur Vereinsamung vieler Menschen, zur sozialen Inkompetenz anderer und der allgemeinen Verrohung der Gesellschaft, die häufig mit dieser sozialen Inkompetenz einhergeht. Diese Umstände tun den meisten einzelnen Menschen psychisch und der Gesamtgesellschaft sozial nicht gut. Die Anonymität und die soziale Vereinsamung der Menschen in den großen Städten begünstigt psychopathische Gewaltexzesse sowie physische, psychische und institutionelle Grausamkeit der Menschen gegeneinander, und vor allem sind sie die Voraussetzungen für enorme Machtkonzentrationen.

    Aber warum sollten die Menschen der Zukunft den Klimaschutz so ganz anders sehen als die meisten Menschen unserer Zeit?

    Nun ja, es ist eigentlich nur 50 Jahre her, da haben unsere Leitmedien vor einer baldigen neuen Eiszeit gewarnt. Der gesellschaftliche Konsensus, auch bei wissenschaftlichen Themen, ist nie in Stein gemeißelt gewesen und scheint häufig weniger von messbaren Fakten stattdessen eher von politischen Umständen abzuhängen.

    Als Kopernikus die ersten Theorien darüber erarbeitet hatte, dass die Erde sich um die Sonne dreht, da fürchtete er sich nur davor, von der damaligen Astronomen-Zunft ausgelacht zu werden. Ein Jahrhundert später wurde Galilei für dieselben Aussagen tatsächlich verfolgt. Seine war nämlich die Zeit der Reformation und Gegenreformation. Die katholische Kirche fühlte sich unter Druck, und so konnte eine Theorie, die biblische Aussagen in Frage stellte, nicht mehr geduldet werden. Der geneigte Leser könnte sich nun fragen, ob auch unsere modernen „wissenschaftlichen Erkenntnisse" irgendwelchen politischen Agenden nützt, oder ob sie wirklich die objektiven, nach bestem Wissen und Gewissen bis heute gesammelten Fakten widerspiegeln.

    Und warum scheinen die Menschen in dieser imaginären zukünftigen Welt so viel sexuell restriktiver zu sein als in unserer heutigen? Könnte es realistisch gesehen, so einen Rückschritt wirklich geben?

    Nun ja, geschichtlich gesehen, ist das auch schon in anderen Zeitaltern passiert: Die Prüderie des 19. Jahrhunderts, zum Beispiel die des viktorianischen Englands, stand in krassem Gegensatz zu den ausschweifenderen Zeiten in England und Frankreich im Jahrhundert davor, Zeiten, die z.B. einen Marquis deSade hervorgebracht haben. Oder die christliche Moral, die sich langsam über Jahrhunderte in Europa etablierte stand im Gegensatz zu den Ausschweifungen der römischen Kaiserzeit, mit ihren Brot und Spielen für das gemeine Volk, und den ausschweifenden sexuellen und Fress-Orgien für die Reichen. Orgien gab es dann auch eine ganze Menge bei der reicheren Schicht in der Renaissance, diese Zeit wurde dann von der Reformation mit ihren puritanischen Ideen abgelöst.

    Ein zweiter Grund für diese sexuell restriktive Einstellung könnte natürlich auch sein, dass erfahrungsgemäß die Menschen in kleineren Ortschaften sexuell konservativer sind als in Großstädten. Und drittens ist es dann auch noch so, dass die meisten Leute in Hopes Welt religiös sind.

    Aber macht es denn Sinn, dass die Menschen in dieser zukünftigen Welt wirklich so traditionell religiös sein sollten, wo sich doch die meisten Menschen unserer Zeit, zumindest die in den Industrienationen, von traditionellen Religionen mehr oder weniger abgewandt haben? Sollte sich dieser Prozess nicht in der Zukunft weiter fortsetzen?

    Meine Erfahrung aus Island, wo ich viele Jahre -auch während des Totalzusammenbruchs des Finanzwesens im Jahr 2008- gelebt habe, hat mich gelehrt, dass sich in einer Krise die zuvor beinahe leeren Kirchen ganz schnell wieder gefüllt haben.

    Tradionelle Religionen bringen den Menschen ganz offensichtlich Hoffnung in schwierigen Zeiten. Sie enthalten aber auch allgemein egalitäre ethische Prinzipien, wie zum Beispiel, dass der Mensch an sich einen absoluten Wert innehat, und dass alle Menschen der Welt zur großen Menschheitsfamilie gehören. Diese Einstellung erscheint mir persönlich sehr vernünftig, wenn wir das Überleben der Menschheit auf lange Sicht hin sichern und unsere Selbszerstörung abwenden wollen. Und ich könnte mir vorstellen, dass zukünftige Generationen durch die Erfahrungen, die unser Zeitalter mit nihilistischem Gedankengut gemacht hat, dann zu ähnlichen Einstellungen kommen könnten.

    Ich selbst glaube an einen liebenden Gott und an die von ihm erschaffene Menschheitsfamilie in all ihrer Vielfalt und mit all ihren Problemen. Und ich habe die Hoffnung, dass ein im Großen und Ganzen friedliches Miteinander in dieser großen Familie trotz aller Fehler, die sie immer haben wird, doch keine unerfüllbare Utopie bleiben muss.

    Mein Anliegen mit dieser Geschichte ist es, Leser dazu anzuregen, sich selbst einmal vorzustellen, wie so eine zukünftige Welt aussehen könnte und auch, was die Menschen dieser Zukunft von den Menschen unserer Zeit wohl halten würden.

    Im dunkelsten Augenblick tiefster Sinnlosigkeit,

    als ihm nichts mehr geblieben war als Verzweiflung,

    da kam die Hoffnung.

    Sie war noch klein, vielleicht sogar winzig,

    aber eines Tages würde sie geboren werden.

    Teil 1

    Ich bin Jonathan Galt. Ich bin 20 Jahre alt, aber heute habe ich endlich erkannt, dass ich meinen Namen hasse. Im Augenblick gehe ich gerade meinen Tunnel entlang.

    Nein, eigentlich muss ich zugeben, dass dies nicht mehr wirklich mein Tunnel ist. Als ich ihn vor ein paar Wochen gegraben habe, ist er nur ein Kriechgang gewesen. Und er war damals auch sehr viel kürzer, nur ein paar Dutzend Meter lang, abgehend von der Kanalisation und dann unter der Mauer hindurch und von dort bis nach oben, zur äußeren Welt.

    Für mich und Luscinia ist es gar nicht so einfach gewesen, die Decke mit dem schlafenden Kind hindurch zu zerren. Aber jetzt können meine Begleiter und ich ganz normal aufrecht gehen.

    Und der Tunnel ist jetzt auch viel breiter als vorher... und viel länger, über 16 Kilometer ist er jetzt lang und reicht nun den ganzen Weg bis zum nächsten Dorf.

    Hunderte von Leuten haben daran gearbeitet, den Tunnel zu vergrößern. Und das war auch absolut notwendig, denn tausende sollen später mir und meinen Begleitern folgen.

    Aber genau wie ich zuvor, so mussten auch diejenigen, die den Tunnel in den letzten paar Tagen gegraben haben, die Arbeit ohne große Maschinen ausführen, denn sie mussten leise sein-- sehr, sehr leise.

    Jeder verdächtige Laut hätte jemandem auffallen können, und das wäre einer Katastrophe gleichgekommen. Wir hätten den Plan aufgeben müssen. Und dann wäre nur noch eine einzige Alternative geblieben. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter, und das ist nicht nur ein Kälteschauder.

    Ich denke an Luscinia. Sie wollte mich begleiten. Aber ich habe nein gesagt. Sie wird drüben für tot gehalten, und jemand könnte sie dort vielleicht erkennen. Natürlich ist das einfach nur eine Sache der Vernunft, und außerdem hätten die anderen es ohnehin nicht erlaubt, sie mitzunehmen. Aber in diesem Augenblick wünsche ich mir die ganze Vernunft sonst wohin. Ich brauche Luscinia, ihren Trost, ihr Vertrauen, ihre Liebe. Ohne sie hätte ich niemals den Mut gefunden wegzugehen... und jetzt zurückzukehren.

    Wir haben die Kanalisation mit ihren typischen Gerüchen von Abfall und Verwesung erreicht. Im Schein unserer Taschenlampen erkenne ich eine Ratte, die unseren Pfad kreuzt. Ich sehe mich nach meinen Begleitern um.

    Mr Wang's Gesicht zeigt denselben mürrischen Ausdruck wie sonst auch. Es scheint einfach unvorstellbar, dass von all den Leuten in Spesaeterna es ausgerechnet Mr Wang ist, der diesen Plan entwickelt hat. Obwohl es eigentlich nicht wirklich überrascht, dass er damit im Gegensatz zur Meinung fast aller anderen im Dorf stand und dann, gegen jegliche Opposition, an ihm festgehalten hat. Unter seiner aufgeknöpften Jacke kann man die traditionelle Kleidung seines Dorfes erkennen. Und auf seiner Brust glitzert im schwachen Licht der Lampen das goldene Abbild seines Dharma Chakra. Ich nehme mir vor, ihn daran zu erinnern, dass er oben die Jacke auf jeden Fall zugeknöpft halten muss.

    Ich wende meinen Blick zu Ms Alba. Sie ist ebenso alt wie Mr Wang, über 10 Jahre älter als mein Vater, aber sie sieht so stark aus, physisch und auch sonst. Und ihre Bewegungen sind die einer viel jüngeren Person. Wo ich herkomme, erreichen wenige dieses Alter, und mit Sicherheit sind keine Frauen darunter. Meine Mutter war gerade einmal 47, als sie in einem Venus Projekt starb.

    Eine Welle von Schmerz und fast unkontrollierbarer Wut steigt in mir auf. Venus, die Göttin der Liebe, oder so hat man es mir einmal beigebracht; was für ein Witz, was für ein unglaublich perverser Witz. Ich atme tief durch. Ich muss ruhig bleiben. Ich darf mich nicht von meinen Emotionen leiten lassen, weder von Zorn noch von Furcht. Jede Nervosität könnte tödlich sein. Wenn der Plan gelingen soll, brauche ich eine eiskalte Rationalität. Alles hängt jetzt von mir ab.

    Ich sehe zu Ms Alba hinüber. Sie hat mir nie vertraut. Einmal hat sie mich sogar als Sohn des Teufels bezeichnet.

    Sie hält den kleinen Kasten fest in der Hand. Sicherlich, es ist eigentlich nur ein Kommunikator, aber es könnte ebenso gut der Auslöser sein. Wenn sie einmal den roten Knopf gedrückt hat, dann ist alles vorbei...für uns alle. Ein Schalter wird anderswo betätigt werden, Raketen werden starten, und dann in einem einzigen Augenblick, gibt es Nephilim City nicht mehr...aufgelöst und ausgelöscht von der Erde, zusammen mit dem Land um die Stadt herum und allem und jedem unter der Erde.

    Ms Alba hat auf diese Notmaßnahme bestanden, und die anderen haben ihr zugestimmt. Warum sie überhaupt ihre Meinung so weit geändert haben, ist mir immer noch ein Rätsel.

    Ich war so naiv, als ich mit der Aufnahme zu ihnen kam, aber sobald ich angefangen hatte sie abzuspielen, und ich die atemlose Stille um mich fühlte, da wusste ich, was die Reaktion sein würde. Sie wäre einfach nur natürlich gewesen. Und dann, ja dann haben sie plötzlich umgeschwenkt, wegen gar nichts..., wegen einer kleinen Geschichte aus der Vergangenheit.

    Und als sie diese Kehrtwende machten, weg von dem was vorher so logisch schien, da habe ich es erkannt: So sehr ich mich auch danach sehne, zu Spesaeterna zu gehören und zu den Leuten dort, so ist das einfach nicht der Fall. Ich kann sie immer noch nicht verstehen, und ich bezweifle, dass ich jemals so weit sein werde.

    Geboren und aufgewachsen in Nephilim City, kann ich meine Wurzeln nicht verleugnen, und die klare Logik meiner Stadt, eine Logik, an der es meinen Begleitern und deren ganzer Gesellschaft dort zu mangeln scheint; allen außer Ms Alba vielleicht.

    Aber zur Zeit wird auch sie weniger von ihrer Rationalität als von etwas anderem geleitet. Und doch, denke ich mit ein wenig Selbstironie, gerade jetzt handele ich ja auch unter dem Einfluss von diesem anderen, nach deren Logik und nicht nach meiner eigenen.

    Ich werfe einen Blick auf den dritten meiner Begleiter, einen Mann, der kaum jünger ist als die beiden anderen. Er war einmal derselbe David Morgan, der vor langer Zeit der beste Freund meines Vaters war. Aber für mich scheint dieser Mann der mysteriöseste von allen zu sein. Jetzt nennen sie ihn nur den Professor. Er ist Wissenschaftler und sollte eigentlich ein Mann der Vernunft sein, aber er ist auch ein Mönch. Er hat sicherlich einen Sinn für Logik, aber es ist eine, die ich nicht durchschauen kann.

    Der Professor wirft mir ein ermutigendes Lächeln zu. Der Ausdruck auf seinem Gesicht deutet an, dass er irgendwie weiß, was ich denke, fast als habe er meine Gedanken gelesen. Das ist auf der einen Seite irgendwie beunruhigend, anderseits gibt mir sein Lächeln auch Auftrieb. Ich fühle mich weniger verkrampft, und ich sehe sie wieder vor mir, das kleine Mädchen, das alles verändert hat.

    Ich konzentriere mich jetzt auf den kaum sichtbaren Weg vor mir. Endlich - der Ausstieg, wir sind an unserem ersten Ziel angekommen. Ich klettere die Leiter hinauf, öffne den Kanaldeckel und sehe mich vorsichtig um. Es ist eine ziemlich verlassene Gegend.

    Während ich meinen Fluchttunnel gebaut habe, bin ich unzählige Male diese Leiter hinauf- und hinuntergestiegen. Und genau wie damals, ist auch heute niemand da, der den Ausstieg beobachtet. Ich gebe den anderen ein Zeichen, mir zu folgen. Als sie alle oben angekommen sind, schließe ich den Deckel wieder. Und obwohl es unwahrscheinlich ist, dass Kameras oder Mikrofone an diesem Ort installiert sind, rede ich doch nur sehr leise. Mit einer vor Ironie triefenden Stimme, soweit das bei einem Flüstern überhaupt möglich ist, erkläre ich:

    Willkommen in Orange Country!"

    ***

    David Ragnarsson stand da, ganz still und allein - mit geschlossenen Augen, um die letzten Zweifel zu vertreiben. Und als er die Augen wieder öffnete, da hatte er seine Entscheidung getroffen. Er stand direkt auf dem weißen Streifen, der anzeigen sollte, wo der letzte Wagon halten würde. Vor ihm war die gelbe Linie, der Sicherheitsstreifen. Kein Fahrgast sollte diese Grenze überschreiten, bevor die Bahn zum Halt gekommen war.

    Aber David hatte nicht vor ein Fahrgast dieser Bahn zu werden, nicht jetzt... nie wieder. Er ließ den Blick nach oben schweifen. Dort hing eine digitale Uhr fast direkt über seinem Kopf. Die letzte Ziffer veränderte sich mit einem Klick. Die Uhr zeigte nun 11:56, vier Minuten vor Mitternacht in der Spesveniat U-Bahn Station.

    Er konnte das leise Dröhnen, das die baldige Ankunft des Zuges ankündigte, bereits hören. Und im Tunnel waren auch schon ganz klein die Lichter der vorderen Scheinwerfer zu erkennen.

    Jetzt würde es nicht mehr lange dauern... nur noch ein paar Sekunden und dann zwei Schritte bis zum Ende... dem großen Vergessen, dem Frieden, den er suchte - dem einzigen Frieden, den es für ihn noch geben konnte.

    So kurz hinter dem Tunnel würde es für den Fahrer unmöglich sein, die Bahn noch rechtzeitig abzubremsen. Das Geräusch des Zuges war lauter geworden und das Scheinwerferlicht, in das er starrte, blendete ihn bereits.

    David verlagerte das Gewicht vom einen auf den anderen Fuß. Er war bereit.

    „Nein, nicht springen. DU DARFST NICHT SPRINGEN!"

    David hatte das Gefühl als hätte ihn ein Blitz getroffen. Seine Nerven, die schon zuvor zum Zerreißen gespannt gewesen waren, ließen ihn zusammenzucken. Und jetzt war es, als ob ein Donner seinen ganzen Körper durchschüttelte.

    Die Stimme war durchdringend, laut und schrill, und doch ganz eindeutig war es die Stimme eines Kindes. David drehte seinen Kopf nach links. Und ja, da war sie. Sie stand direkt neben ihm. Das Kind, ein Mädchen, starrte ihm ins Gesicht und das mit Augen von so intensivem Blau, wie er sie vorher nie anders als auf einer Kinoleinwand gesehen hatte. Verwirrt und immer noch zitternd starrte David zurück.

    Für ihn fühlte es sich an, als sei er aus einem Traum gerissen worden, einem dunklen Traum sicherlich, und doch einem, der ihm das Gefühl gab, dass er unbedingt wissen wollte, wie er endete.

    Die Bahn, mit ihrem ohrenbetäubenden Quietschen der Bremsen, riss David aus seiner Trance und brachte ihn in die Realität zurück. Er hatte seine Chance verpasst... für den Augenblick zumindest. Aber es würde andere Züge geben...auch heute Nacht noch.

    David schaute sich um. Das Mädchen schien allein zu sein. Ein paar Leute warteten am anderen Ende des Bahnsteigs, keiner von ihnen schien zu ihr zu gehören. Wo war sie hergekommen? Warum hatte er sie zuvor nicht bemerkt. Und wie zum Geier hatte sie gewusst, was er tun wollte. Konnte sie Gedanken lesen?

    Wenn es um diese Art von Phänomenen ging, dann war David immer ein unbekehrbarer Skeptiker gewesen. Nein, sie war keine Telepatin, nur eine kleine Person mit einer besonders guten Beobachtungsgabe. Manchmal wurde so etwas auch weibliche Intuition genannt.

    Die U-Bahn war endlich zum Halten gekommen, und die Türen öffneten sich. David sah das Mädchen mit einem falschen Lächeln an - einem, das unausgesprochen ausdrücken sollte: 'Ich habe zwar nicht genau gehört, was du gesagt hast, aber ich bin höflich genug um zuzugeben, dass du mit mir geredet hast, habe aber kein Interesse an einem weiteren Gespräch.'

    Dann drehte er sich um, um mit ein paar wenigen großen Schritten die letzte Tür der Bahn zu erreichen. Das Mädchen folgte ihm - oder genauer gesagt, ging sie direkt neben ihm - nur wenige Zentimeter von seinem linken Ellenbogen entfernt.

    Gemeinsam betraten sie den Wagon, und als David sich auf eine der langen Bänke fallen ließ, setzte sie sich neben ihn. Das wurde langsam störend. David fand es immer schwerer, sie einfach zu ignorieren.

    Und doch gab er sich alle Mühe, um genau das zu tun. Er starrte geradeaus vor sich hin, während die Türen sich schlossen und der Zug langsam Fahrt aufnahm, um dann den erleuchteten Bahnsteig hinter sich zu lassen und im nächsten Tunnel die Fenster wieder zu schwärzen.

    So spät am Abend waren kaum noch andere Fahrgäste im Wagon. Die meisten saßen am anderen Ende des Abteils. Keiner von ihnen schenkte David oder dem Kind auch nur die geringste Beachtung.

    „Wahrscheinlich denken sie, sie ist meine Tochter oder so was," dachte er und sah sich um.

    An ihrem Ende des Abteils und auf ihrer eigenen Bank saß nur noch ein anderer Fahrgast, ein stoppelbärtiger Afroamerikaner, der -mit geschlossenen Augen und dem Kopf nach hinten an die Wand gelehnt- rhythmische Schnarch-Geräusche von sich gab. Der Mann war wahrscheinlich betrunken, und dem schmutzigen Jackett, der abgetragenen und der an einem Knie zerrissenen Hose nach zu schließen, war er vermutlich auch noch obdachlos und hatte keinen anderen Ort zum Schlafen gefunden.

    David gegenüber saßen zwei Jugendliche, die damit beschäftigt waren herauszufinden, wer von beiden den anderen schneller von der Bank schubsen konnte, während eine Frau mittleren Alters versuchte sich so weit wie möglich von den Jungen fernzuhalten.

    Die Frau war wahrscheinlich eine Krankenschwester, die nach ihrer Spätschicht in der nahegelegenen Geburts- und Notfallklinik auf dem Weg nach Hause war.

    David dachte er hätte den Rock der Schwesterntracht erkannt, der unter ihrem kurzen Mantel gerade noch sichtbar war. Er hatte einmal eine ganze Reihe der Klinikangestellten interviewt, als staatliche Kürzungen dazu geführt hatten, dass Personal abgebaut worden war. Die daraus resultierenden verlängerten Wartezeiten hatten dann zumindest einem Kind das Leben gekostet. Das kleine Mädchen war gestorben, als es auf eine Notoperation gewartet hatte.

    Es war ein wichtiger Artikel gewesen, und er hatte zu Reaktionen geführt. Die Entrüstung der Öffentlichkeit hatte Druck auf die Stadtverwaltung ausgeübt, und die Entscheidung wurde getroffen den Etat zumindest dieser Klinik wieder auf den vorherigen Stand anzuheben.

    Aber das war eine Nachricht vom letzten Jahr. Und für einen Journalisten ist oft sogar gestern schon eine Ewigkeit her.

    Für David Ragnarsson, ehemaliger Star-Reporter der angesehensten Zeitung des Landes, ist letztes Jahr nicht einmal mehr Teil seiner Wirklichkeit. Und die Nachrichten von heute würden nicht von ihm geschrieben werden...Er würde nie wieder einen Artikel schreiben...

    „Das kannst du nicht wissen. Und selbst wenn, dann ist das trotzdem kein ausreichender Grund, um vor diese Bahn zu springen."

    Genau wie zuvor, so war auch diesmal die Stimme des Kindes zu laut und zu klar. Und sie war zutiefst aufwühlend. Es schien als ob die Kleine wirklich seine Gedanken lesen könne.

    Und diesmal hatte David keine Wahl. Vorzugeben er hätte ihre Bemerkung nicht gehört, funktionierte einfach nicht mehr, außer er würde auch noch so tun, als sei er stocktaub. David sah noch einmal zu den drei Leuten hin, die ihm gegenüber saßen. Die schienen immer noch kein Interesse an ihm oder dem Mädchen neben ihm zu haben, dann wandte er sich ihr zu.

    „Von was zum Geier redest du da eigentlich?" murmelte er leise.

    Das Kind gab sich keine Mühe die Stimme zu senken: „Ich rede davon, dass du Selbstmord begehen willst, indem du vor diese Untergrund-Bahn springst. Und ich sage dir, dass du so was nicht tun sollst."

    Leugnen war die einzig mögliche Antwort darauf: „Was für ein hirnverbrannter Schwachsinn ist dir da eingefallen? Läufst du immer herum und denkst dir Geschichten über Fremde aus, die du in der U-Bahn triffst?"

    Leugnen war die erste, Angriff die zweite Strategie: „Wo wir schon von U-Bahn sprechen, was hast du mitten in der Nacht ganz alleine in einer U-Bahn überhaupt zu suchen? Du kannst doch nicht älter als zehn oder elf sein."

    „Ich bin letzten Monat dreizehn geworden!" Jetzt klang die Stimme des Mädchens ganz schön beleidigt.

    Dreizehn.... David hätte nicht gedacht, dass sie schon ein Teenager wäre, und das nicht nur deshalb, weil sie ziemlich klein für ihr Alter war. Viel mehr lag es an der Art wie sich kleidete.

    Sie trug etwas, was man vielleicht einen Jogging Anzug hätte nennen können, aber es war keiner den er je an einem Mädchen ihres Alter gesehen hatte. Der leicht glitzernde Stoff hatte eine hell violette Farbe, und das Oberteil war mit etwa einem Dutzend unterschiedlich großer, farbiger Flicken bedeckt, die entweder angenäht oder angeklebt waren.

    Obwohl ihr Gesicht, ihre Hände und ihre dünnen Handgelenke auf eine schlanke Figur schließen ließen, zeigte ihr Outfit nichts von dieser Figur. Das Unterteil des Anzugs erinnerte an Pluderhosen mit Bündchen an den Fußgelenken. Und das Oberteil reichte von den breiten Schulterpolstern in gerader Linie direkt hinunter, bis etwa zwei handbreit über die Knie. Keinerlei weibliche Formen waren zu erkennen. Und David fragte sich, warum er eigentlich so sicher war, dass dieses Kind wirklich ein Mädchen war.

    Ihr Kopf war mit einer mit chinesischen Schriftzeichen bestickten Schirmmütze bedeckt, unter der nur ein paar dunkle Locken an der Stirn hervortraten. Ihre hellbraune Haut stand im Kontrast zu ihren strahlend blauen Augen. Sie hatte mit Sicherheit sowohl afrikanische als auch europäische Vorfahren. Und wer weiß, dachte David, als er auf ihre mocassinartigen Schuhe hinuntersah, ein paar indianische Vorfahren könnten da auch darunter gewesen sein.

    Das ganze Outfit erinnerte weniger an etwas, das junge Mädchen heutzutage trugen als an das, was man in der Kleinkind-Abteilung eines Kaufhauses sehen konnte. David hatte so ähnliche Anzüge gesehen, als er einmal mit Tina Kleidung für Mikey gekauft hatte, als dieser zwei oder drei war.

    Und es mussten die Kleider sein, die sie trug, die dem Mädchen eine Aura kindlicher Unschuld gaben, und das obwohl sie so dunkle Worte von sich gab wie 'Selbstmord'. Nicht einmal in seinen eigenen Gedanken hatte David selbst dieses Wort gebraucht. Es schien ihm nicht der richtige Begriff für das zu sein, was er vorhatte.

    „Dreizehn ist immer noch zu jung, um so spät noch draußen zu sein. Du solltest zu Hause sein, bei deinen Eltern."

    „Ich kann nicht bei ihnen sein, antwortete das Mädchen. „Mein Papa ist tot und meine Mama ist fort auf einer Kampf Mission.

    Sie war also eine dieser vorübergehenden Kriegswaisen, dachte David.

    Vor ein paar Jahren hatte er einen Artikel über alleinstehende Mütter im Militär geschrieben. Wenn diese an die Front nach Afghanistan oder in den Irak geschickt wurden, dann mussten deren Kinder bei Pflegeeltern untergebracht werden oder, wenn sie Glück hatten, konnten Verwandte sich um sie kümmern.

    „Das, was du jetzt denkst über meine Mama, ist nicht wahr." Das Mädchen hatte einen entschiedenen Ton in der Stimme.

    „Was denke ich denn?" fragte David

    „Du denkst, sie ist gerade dabei zu schießen oder Bomben abzuwerfen, um Menschen zu töten."

    „Nein, das denke ich nicht, widersprach David. „Und im Augenblick ist das auch von keinerlei Interesse für mich. Ich wollte nur wissen, wer sich um dich kümmert, und warum du nicht genau in diesem Augenblick bei diesen Leuten bist, zu Hause im Bett.

    „Während meine Mama fort ist, sind meine beiden jüngeren Geschwister bei Oma und Opa. Und ich bleibe in der Zeit bei Großonkel Professor."

    Großonkel Professor, was für ein sonderbarer Name, dachte David, aber das ging ihn natürlich nichts an. „Weiß dein Onkel, wo du gerade bist?"

    „Aber sicher, antwortete das Mädchen ohne Umschweife, „er hat mich schließlich hierher zu dir geschickt.

    Das hörte sich nun wirklich sehr sonderbar an. „Er hat dich mitten in der Nacht zu einer U-Bahn Station geschickt, um mit einem fremden Mann zu reden?"

    „Ja, das war nämlich die einzige Zeit, in der man dich erreichen konnte. Und du bist nicht wirklich ein Fremder. Und das wirst du alles verstehen, wenn du mich nur ein bisschen besser kennenlernst. Und dann erzähl ich dir, woher ich bin, und wie ich hier hergekommen bin."

    Das Ganze schien ja noch schlimmer zu sein, als das Schicksal der Kriegswaisen, über die David in seinem Artikel berichtet hatte. Das Jugendamt war anscheinend dann doch noch die bessere Alternative für solche Kinder, jedenfalls besser als bei irgend so einem zwielichtigen Verwandten untergebracht zu werden.

    „Ich habe genug gehört, erklärte David entschieden. Aber ich glaube die Polizei würde von dir sicherlich gern noch etwas über deinen Großonkel Professor hören. Da vorne ist der Schaffner gerade ins Abteil gekommen. Du bleibst hier sitzen, und ich rede mit ihm. Er wird die Polizei anrufen, und heute Nacht schläfst du an einem sauberen und sicheren Ort."

    David stand auf, und das Mädchen folgte ihm wie angeklebt.

    „Ich würde das nicht tun, wenn ich du wäre, sagte sie entschieden, „wirklich nicht.

    „Du musst keine Angst haben, versuchte David sie zu beruhigen. „Die Polizei und das Jugendamt werden dir nichts Schlimmes antun. Sie werden einfach nur mit deinem Onkel sprechen. Und dann werden sie vermutlich entscheiden, dass du lieber bei deinen Großeltern wohnen solltest, genau wie deine Geschwister.

    „Ich habe keine Angst vor der Polizei oder vor diesem Amt. Aber ich denke du solltest trotzdem nicht mit ihnen reden oder mit dem Schaffner, weil das nicht gut für dich wäre," sagte das Mädchen geheimnisvoll.

    „Für mich?" David sah sie überrascht an. Drohte sie ihm etwa? Sie sah nicht aus, als ob sie der Typ dafür wäre.

    Das Mädchen biss sich auf die Unterlippe: „Du musst das verstehen. Die werden mich nicht sehen, und deshalb werden sie dir nicht glauben."

    „Die werden dich nicht sehen?" Jetzt war David völlig verwirrt.

    „Sie können es nicht, weil ich nämlich nicht wirklich hier bin, ich meine hier in deiner Zeit an diesem Ort."

    „Was bist du nicht?" David versuchte seine Hand auf die Schulter des Mädchens zu legen, da verschwand sie plötzlich, nur um augenblicklich ein paar Zentimeter von seiner Hand entfernt wieder aufzutauchen. Noch einmal versuchte er sie an der Schulter festzuhalten, und dasselbe geschah, nur dass er diesmal das Gleichgewicht verlor und fast auf die Krankenschwester auf der gegenüberliegenden Sitzbank gefallen wäre. Der Krankenschwester schien das überhaupt nicht zu gefallen, zuerst rückte sie aus Davids Reichweite und dann stand sie auf, um mit schnellen Schritten am anderen Ende des Abteils die sichere Nähe des Schaffners und der anderen Fahrgäste dort zu suchen.

    „Sie kann mich nicht sehen, und die dort drüben können es auch nicht," behauptete das Mädchen und deutete auf die beiden Jugendlichen.

    Die hatten ihr Schubs-Spiel zeitweise unterbrochen und flüsterten einander grinsend etwas zu, wobei sie David von der Seite anstarrten.

    „Die denken, dass du dich komisch benimmst. Du redest mit dir selber und versuchst die Luft einzufangen," erklärte sie.

    David ließ sich wieder auf die Sitzbank zurückfallen. Er fühlte sich geschlagen, erschöpft und leer. Der Zug war gerade dabei, für die nächste Haltestelle zu bremsen. Und als die Türen sich öffneten, stiegen einige der Fahrgäste vom anderen Ende aus, unter ihnen die Krankenschwester. Die beiden Jugendlichen blieben im Abteil. Sie hatten das Interesse an David verloren. Der Zug fuhr wieder an.

    David war nichts davon mehr wichtig. Er saß da und hatte nur einen einzigen Gedanken: „Ich bin verrückt, ich habe endgültig meinen Verstand verloren, gestört ...durchgeknallt...wahnsinnig."

    „Nein, das bist du nicht, sagte die Stimme. „Du bist nicht verrückt, DU BIST ES NICHT!

    David wollte nicht mehr zuhören. Eine Stimme in seinem Kopf, die ihm sagte, dass er nicht verrückt sei, war nicht gerade eine besonders zuverlässige Zeugin, dachte er.

    In den letzten paar Monaten hatte David angefangen zu trinken, und das nicht nur zu gesellschaftlichen Anlässen. Um genau zu sein, hatte er überhaupt nicht mehr in Gesellschaft getrunken, sondern ausschließlich alleine in seiner Ein-Zimmer Kellerwohnung. Er hatte praktisch kaum noch irgendjemanden getroffen. Sein häufigster Außenkontakt war der Verkäufer im Alkoholladen gewesen. Und David hatte viel getrunken. Und doch hätte er nicht gedacht, dass er schon so weit abgerutscht war.

    Sie nennen es Delirium Tremens oder so was ähnliches, dachte David. Er betrachtete die Hände in seinem Schoß. Er hob sie leicht an. Sie zitterten nicht. Aber vielleicht kamen die Halluzinationen auch schon vor dem Zittern, die weißen Mäuse und die rosa Elefanten.

    „Ich bin kein Elefant und auch keine Maus!" Die Halluzination redete mit David und zwar so laut, dass er Kopfschmerzen im Anzug fühlte.

    „Und ich bin auch keine Halluzination. Ich bin Hope, Hope Morgan und ich komme aus der Zukunft."

    „Aber sicher, stimmte David der Halluzination zu. „Und außerdem bist du ein formwandelndes Alien vom Planeten Zorax. Und du bist gekommen, um meinen Körper zu übernehmen, oder ihn vielleicht auch nur in dein Raumschiff zu teleportieren, um ihn da aufzuschneiden und irgendwelche Sender einzusetzen oder sonstige Experimente damit anzustellen.

    Die Jungen von der gegenüber liegenden Sitzbank schienen das gehört zu haben, denn sie hatten wieder angefangen zu lachen und David Seitenblicke zuzuwerfen. Aber als er ihnen dann direkt in die Augen sah, standen sie auf und bewegten sich ziemlich schnell in Richtung Tür, um dort auf die nächste Haltestelle zu warten.

    Jetzt bin ich ein Kinderschreck geworden; sogar große Kinder haben Angst vor mir, dachte David. Wahnsinnige Leute sind angsteinflößend, sie könnten jeden Moment gewalttätig werden.

    Die Stimme in Davids Kopf widersprach: „Du bist nicht wahnsinnig. Auch wenn ich in dieser Zeit und an diesem Ort nur in deinem Kopf bin, so bin ich doch wirklich. Ich existiere, nur nicht in deiner Zeit."

    David antwortete nicht, und er versuchte auch nicht zu denken. Er starrte einfach nur gebannt aus dem dunklen Fenster und konzentrierte sich auf das monotone Geräusch des Zuges, das nur vom Quietschen der Bremsen unterbrochen wurde, ebenso wie die Dunkelheit des Tunnels vom Licht einer weiteren U-Bahnstation abgelöst wurde. Die Stimme hatte aufgehört zu reden, aber aus den Augenwinkeln konnte David erkennen, dass das halluzinierte Kind immer noch da war.

    Noch eine Haltestelle und er würde aussteigen. Von dort wären es dann nur noch fünf Minuten bis zu seiner von Kakerlaken geplagten Wohnung.

    Ich mag Kakerlaken, dachte David. Die sind normal, die sind nicht verrückt. Die haben zwar kein besonders großes Gehirn, dafür können sie aber einen Atomangriff überleben.

    Wieder bremste der Zug ab und blieb dann am Bahnsteig stehen. Die Türen öffneten sich und David stand auf. Seine Beine fühlten sich so schwach an, dass sie kaum noch sein Gewicht tragen konnten. Raus aus der Tür, rüber zur Treppe und dann der langsame Aufstieg... Er musste sich am Geländer festhalten, um aufrecht stehen zu können. Er sah die Halluzination neben sich nicht an, obwohl er ihre Gegenwart bei jedem Schritt spürte. Und er schaute auch nicht zum Zug zurück.

    Er würde es heute Nacht nicht tun... nicht während sie da war und ihn beobachtete. Sie war vielleicht nur eine Halluzination - natürlich war sie das - aber trotzdem... sie sah nun einmal aus wie ein Kind. Er konnte es einfach nicht vor einem Kind tun.

    Oben angekommen begrüßte ihn die dunkle Kühle der Nacht. Natürlich war es nicht wirklich dunkel. Dies war New York, die South Bronx, die Ecke von der 149. Straße und der Grand Sacrecors, eine Einkaufsstraße. Die Lichter hier leuchteten die ganze Nacht, auch wenn die Geschäfte geschlossen und die Gitter heruntergelassen waren. Ich sollte von hier nach Süden zum Krankenhaus an der nächsten Ecke gehen, dachte David. 'Kennedy Medical and Mental Health Center' hieß es, und deren psychiatrische Abteilung würde ihn in seinem Zustand sicherlich aufnehmen. Aber andererseits war David sich ziemlich sicher, dass seine Krankenversicherung ausgelaufen war, und so wandte er sich stattdessen in Richtung Homines Community College.

    Da brannten auch noch Lichter, ein paar Studenten vielleicht, die noch bis spät in die Nacht studierten oder auch deren Lehrer? Aber wahrscheinlich waren es eher die Putzkräfte. Aber wenn er die Nachbarschaft hier bedachte, wäre David auch nicht besonders überrascht, wenn da drin Leute wären, die überhaupt keine legitime Berechtigung hatten dort zu sein

    David hatte noch nicht sehr lange in dieser Gegend gewohnt. Erst seit Tina aus ihrem gemeinsamen Manhattan Apartment ausgezogen war und Mikey mitgenommen hatte. Und als dann die Miete für den nächsten Monat fällig war, da musste David natürlich ausziehen. Manhattan Mieten gingen weit über die Verhältnisse eines arbeitslosen Reporters hinaus. Aber jetzt würde auch bald die South Bronx über Davids Verhältnisse gehen.

    Er ließ das Community College hinter sich und bog in die Veriton Avenue ein. David warf der stillen Gestalt des Mädchens neben ihm, die immer noch sichtbar war, na ja zumindest für ihn noch sichtbar, einen verstohlenen Blick zu. Wenn er nicht vorher schon gewusst hätte, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung war, dann wüsste er es spätestens jetzt. Das Mädchen leuchtete in der Dunkelheit. Es war nicht so, als ob sie ihre Umgebung erleuchtete, es sah eher aus, als ob das Licht völlig in ihr gefangen wäre.

    David hatte genug. Er blieb stehen und drehte sich ihr direkt zu: „Warum sagst du nichts mehr?"

    Das Mädchen zuckte die Achseln: „Du hast nicht zugehört. Du warst viel zu sehr damit beschäftigt, dir selbst einzureden, dass du verrückt bist. Und außerdem bin ich nur hierher geschickt worden, um dich daran zu hindern, dich selbst umzubringen. Und das machst du ja gerade nicht. Dann muss ich auch nichts sagen."

    „Was geht es dich eigentlich an, Mädchen aus der Zukunft, ob ich mich umbringe oder nicht? fragte David verärgert. „Es ist mein Leben. Warum kann ich damit nicht tun, was ich will... es loswerden, wenn ich das will?

    „Weil es eine Sünde ist, war die überraschende Antwort, „eine sehr schwere Sünde!

    Eine Sünde? David öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Eine Halluzination war normalerweise eine Projektion des eigenen Unterbewusstseins. Aber David war nicht religiös. Er war ein überzeugter Atheist und das schon mindestens, seit er 14 war. Und in all der Zeit seither hatte er nie eine religiöse Person getroffen, ganz besonders keine christliche, die er ernst genug genommen hätte, dass ihre Ansichten ein Teil seines Unterbewusstseins hätten werden können. Aber da war sie, sie stand direkt vor ihm, eine religiöse Halluzination.

    Es hatte nur eine Person in seinem Leben gegeben, die mit ihm über Gott gesprochen und ihm sogar ein paar Gebete beigebracht hatte, das war seine isländische Großmutter gewesen. Sie war gestorben, als er erst zehn Jahre alt gewesen war.

    Hatte sie mit ihm über Sünde gesprochen? Das musste sie wohl getan haben. Und jetzt aus den Erinnerungen seiner Kindheit, aus den Tiefen seines Unterbewusstseins, hier war die Stimme seiner Amma.

    „Eigentlich, sagte die Stimme, die überhaupt nicht klang, wie die seiner Amma, „eigentlich bin ich nicht die Stimme deiner Großmutter. Du könntest eher sagen, ich bin die Stimme deiner Ur-ur-ur-, sie begann an den Fingern zu zählen, „-ur-ur-enkelin."

    „Du bist meine... du behauptest ich bin dein was?!" David konnte das mit seinem Verstand noch nicht ganz erfassen.

    „Ja, du bist mein Ur-ur-ur-ur-ur-großvater. Und das ist der Grund, warum ich herkommen konnte. Anders wäre das nicht möglich gewesen."

    „Warum nicht?" David beschloss so zu tun als ob. Vielleicht konnte er ja damit sein Unterbewusstsein so weit beruhigen, dass es ihn dann in Ruhe ließ.

    „Wenn du eine Bewusstseins-Zeitreise machst, dann musst du zuerst ein Bewusstsein finden, dessen Gehirn dieselben Deltawellen produziert wie dein eigenes, und das ist nur bei sehr nahen Verwandten der Fall."

    „Aha, so ist das," sagte David ohne große Überzeugung.

    „Du glaubst mir immer noch nicht," beschuldigte ihn seine Ur-ur-irgendwas-Enkelin.

    „Es hört sich ein bisschen weit hergeholt an, gab David zu, „Deltawellen und so was...

    „Ich weiß, dass es kompliziert ist," gab das Mädchen zu, gerade als ihnen zwei junge Männer in dunklen Hoodies entgegen kamen, die offensichtlich etwas Härteres als Alkohol intus hatten und David mit ziemlich aggressiven Blicken beäugten.

    Das unsichtbare Mädchen schien das auch bemerkt zu haben und fuhr deshalb fort: „Aber komm, gehen wir zuerst nach Hause zu dir und dann erklär ich dir das..."

    „In Ordnung," David nickte und setzte seinen Heimweg fort. Schweigend gingen sie die Veriton Avenue hinauf, bis sie vor dem am meisten heruntergekommenen Gebäude der ganzen Straße haltmachten. Genau wie die umliegenden Häuser war es ein Backsteingebäude. Es war teilweise rot verputzt, teilweise, weil mehr als die Hälfte des Putzes abgebröckelt war. Eine Außentreppe führte zur Eingangstür im ersten Stock hinauf, ein Teil der Farbe und des Betons der Stufen fehlte.

    David ging nicht die Treppe hinauf. Sein Eingang war links unter der Treppe. Er schloss die Tür auf und betrat etwas, was man nur mit viel Fantasie ein Wohnzimmer nennen konnte oder auch ein Schlafzimmer, denn die Klappcouch diente ihm als Bett. In der rechten Ecke führte eine geöffnete Tür in die Küche, die so klein war, dass wenn man die Tür schloss, zwei Leute darin kaum Platz hätten. Neben der Küche war ein Badezimmer mit Dusche, Toilette und Miniwaschbecken auf einem einzigen Quadratmeter.

    Die Wohnung war eigentlich ziemlich sauber; keine Pizzaschachteln auf dem Tisch und auch keine leeren Cola-Dosen oder Whiskey-Flaschen darunter, oder schmutzige Kleider auf dem Fußboden oder der Couch. David hatte am Morgen saubergemacht, wahrscheinlich das erste Mal in drei Monaten, in der Annahme, dass die Polizei oder zumindest sein Vermieter bald auftauchen würden, und man wollte doch nicht als letzten Eindruck hinterlassen, dass man durch und durch schlampig war, oder so was ähnliches hatte David am Morgen gedacht.

    Und jetzt, nachdem er das Licht angeschaltet hatte, war David eigentlich ganz froh, dass es bei ihm einiger Maßen sauber war, denn immerhin hatte er ja doch eine Besucherin, obwohl sie weder von der Polizei, noch ganz real war.

    Aber als er sich dann auf sein Sofa fallen gelassen hatte, fühlte David wie völlige Erschöpfung sein Bewusstsein und seinen Körper überflutete. Es war wirklich ein langer Tag gewesen, ein sehr langer Tag.

    Er hatte damit begonnen, dass David aufgewacht war und festgestellt hatte, dass ihm sowohl der Whiskey als auch die Aspirin ausgegangen waren. Der Gedanke, ein weiteres Mal zum Alkoholladen zu schlurfen, hatte ihn ebenso deprimiert, wie der Gedanke an einen anderen sinnlosen Tag…einen Tag ohne die Arbeit, die er so sehr geliebt hatte, einen Tag ohne Tina und am allermeisten, einen Tag ohne Mikey.

    Er erinnerte sich noch genau an die Zeit, wo er Tag und Nacht gearbeitet hatte, ohne sich Zeit für Tina oder Mikey zu nehmen. Sicher, Tina war mit der Situation eigentlich ganz zufrieden gewesen. Sie hatte mit ihrer eigenen Karriere selbst mehr als genug zu tun gehabt. Und sie war ebenso ehrgeizig, wie er es damals gewesen war.

    Aber Mikey, oh Mikey...

    Sie hatten eine gute Nanny für ihn angeheuert, und die hatte sehr gute Arbeit geleistet. Aber David war kein guter Vater gewesen, obwohl er es damals immer verdrängt hatte. Und jetzt war das einzige, wonach er sich noch sehnte, noch einmal eine Chance zu bekommen, nur noch eine Chance ein guter Dad zu sein.

    Aber die würde er nicht bekommen. Er hatte das Besuchsrecht für Mikey verloren. Und es gab sogar eine gerichtliche Verfügung, die besagte, dass er sich Tina und Mikey in keinster Weise nähern durfte. Und seit letzter Woche lag der gesamte Kontinent zwischen ihnen.

    Wenn Tina Mikey nicht so völlig aus Davids Leben genommen hätte, dann hätte seine eigene Existenz noch eine Bedeutung. Was auch immer falsch lief mit der Welt und mit ihm, da wäre immer noch Mikey. Mikey war das, was gut war auf dieser Welt. Aber David hatte seine Arbeit verloren und jede Chance, irgendwann einmal wieder von einer respektablen Zeitung oder einem Nachrichtenmagazin angestellt zu werden, und er hatte Mikey verloren. Was blieb ihm da noch?

    Und so war David zu dem Schluss gekommen, dass es nichts mehr gab, für das es sich zu leben lohnte. Er hatte seine Wohnung aufgeräumt und war dann den Rest des Tages ziellos durch die Stadt geschlurft. Dann hatte er die U-Bahn Nummer 4 genommen von Norden nach Süden und wieder zurück. Und das hatte ihn auf die Idee gebracht, dass die U-Bahn genau der Ort war, um es zu tun. Und so um vier Minuten vor Mitternacht war David an der Spesveniat Haltestelle auf dem Bahnsteig gestanden und hatte auf den Zug nach Süden gewartet.

    Der Zug hatte sechs Minuten Verspätung gehabt, während das Mädchen, das behauptete seine Ur-ur-ur-ur-ur-Enkelin zu sein, gerade rechtzeitig da war. Rechtzeitig wofür, darüber war David sich nicht ganz im Klaren.

    Er sah sie noch einmal an, diese sonderbare Vision, die schweigend zurückstarrte, wie sie ihm so auf dem einzigen Stuhl im Zimmer gegenüber saß.

    Zu erschöpft um noch einen klaren Gedanken fassen zu können, wollte David heute Abend nichts mehr hören.

    „Du hast mir gesagt, die Sache mit den Deltawellen sei kompliziert. Können wir die Erklärungen bitte auf morgen verschieben? Außer, du musst heute Nacht bereits wieder verschwinden."

    „Nein, ich bleibe eine Weile," versprach das Mädchen, und David war sich nicht ganz sicher, ob das nicht eher eine Drohung war.

    „Ich vermute, dass ich dir nichts zu essen anbieten kann, da du ja nicht wirklich hier bist, und du deshalb auch keinen wirklichen Mund oder Magen hast."

    Das Mädchen nickte zustimmend.

    „Dann gute Nacht," sagte David einfach, als er sich auf der Couch ausstreckte und sich in den Teppich wickelte, der zuvor die abgeschabten Polster bedeckt hatte, ohne sich auch nur die Zeit zu nehmen, sich auszuziehen. Die Zeit, das Licht auszuschalten, nahm er sich auch nicht, - er wollte es nicht unbedingt riskieren, mitten in der Nacht einem leuchtenden Gespenst gegenüber aufzuwachen.

    Er schloss die Augen und schlief fast sofort ein.

    Sonderbare Visionen bevölkerten seine Träume: Ein dröhnender Zug verfolgte ihn. Dann schwebte ein leuchtendes Kind auf einer Wolke heran. Es streckte die Hand nach ihm aus und zog ihn hoch auf die Wolke. Mikey saß auch dort auf der Wolkenbank, mit einem breiten Lächeln auf seinem kleinen Gesicht und die Beine vergnügt schaukelnd. Aber als David sich ihm nähern wollte, stand Mikey auf, drehte sich um und hüpfte auf eine andere Wolke. David wollte ihm folgen, aber er konnte seine Füße nicht bewegen. Mikey's Wolke verschwand am Horizont. Und dann war David nicht mehr in den Wolken sondern wieder auf der Erde. Über ihm flogen Bomberjets, und neben ihm explodierte etwas. Um sich herum konnte er das Rattern von Maschinengewehren hören. Und wohin er auch blickte, sah er tote oder verwundete Kinder liegen, und die verängstigte Stimme eines Kindes schrie: „Nein, nicht zu den dunklen Zeiten... den dunklen Zeiten, den dunklen Zeiten..."

    ***

    Professor Morgan und Mr Wang haben mit den in ihren Armbandkontrollern eingebauten Scannern die Gasse ausgekundschaftet. Es gibt hier wirklich keine Überwachungskameras oder versteckte Mikrofone. Es ist hier auch keine einzige lebende Seele zu sehen.

    Nur wenige Fenster der umliegenden Häuser lassen einen Blick auf die Gasse zu, keins davon ist ebenerdig. Es ist immer noch früh am Morgen und deshalb unwahrscheinlich, dass die Bewohner dieser heruntergekommenen Gegend bereits wach oder auch nur klar genug sind, um sich für die kleine Gruppe von Leuten zu interessieren, die hier um einen Gullideckel herumstehen.

    Ja, ich kann mir gratulieren, ich habe wirklich den passendsten Ort für den Eingang zu meinem Fluchttunnel gewählt.

    Der Professor öffnet wieder den Kanaldeckel und klopft leicht auf seinen Armbandkontroller. Ein dunkelhäutiger Mann von etwa Mitte zwanzig, der bereits auf der Leiter gewartet hat, steigt jetzt von unten herauf. Gekleidet ist er in schwarze Jeans und eine offene Jacke aus demselben Stoff über einem leuchtend roten T-Shirt. Auf seinem Rücken trägt er einen riesigen grauen Rucksack, gefüllt mit schwerem Gerät.

    Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen, aber er scheint den Professor und Mr Wang zu kennen, würdigt deren Anwesenheit jedoch nur mit einem schwachen Kopfnicken, bevor er sich hinunterbeugt, um mehrere ähnliche Taschen, die ihm von unten hoch gereicht werden, an die Oberfläche zu hieven.

    Danach steigen neun weitere Männer aus dem Kanal, deren Kleidung sich nur in der Farbe ihrer T-Shirts vom ersten Mann unterscheiden.

    Mit einem kaum gemurmelten Gruß machen die Freiwilligen sich sofort ans Werk, die Gegend abzusichern.

    Ich weiß natürlich, was sie da tun. Sie installieren die gesamte Gasse entlang elektronische Abschirmprojektoren, um die nachfolgenden Freiwilligen, ebenso wie die später erwarteten Flüchtlinge, vor einem potentiellen Angriff zu schützen. Die Abschirmprojektoren reflektieren das Licht auf eine so geniale Weise, dass es den ganzen Ort und jeden Menschen darin für alle unsichtbar macht, die sich nicht in dem abgeschirmten Bereich aufhalten.

    Die Arbeit ist schon weit fortgeschritten, als der erste Mann sich endlich dazu bequemt sich vorzustellen. Er dreht sich zu mir mit den Worten um:

    Oh übrigens, ich bin Darryl Kenneth. Sie sind Jonathan Galt, stimmt's?"

    Ich nicke einfach nur.

    Darryl Kenneth deutet auf sein Team: „Dies sind Tom Parshon, Jim Lavon, Jess Porter und Vance Drake. Sie sind wie ich aus dem Dorf 'Roads End' und da drüben sind Cass Dakota und Brent Spanner aus 'Desert Spring' und Patrick Covat, Derrick Kelly und Antonio Fernandez sind aus 'DeSoto Southwestcorner'."

    Stolz fügt er dann hinzu: „Wir sind alle aus der Nation Texas. Und die Teams aus unseren Dörfern und fünfzehn weiteren, die noch im Kanal unterwegs sind, waren die ersten, die sich freiwillig gemeldet haben, gleich als wir von dem Problem gehört haben."

    'Problem' ist wahrscheinlich die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich weiß nicht Recht, wie ich darauf antworten soll. Deshalb sage ich einfach: „Ihre Leute scheinen gut vorbereitet zu sein."

    Nach dem, was ich gehört habe, wurden die Texaner und ein paar andere

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