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Das Science Fiction Jahr 2022
Das Science Fiction Jahr 2022
Das Science Fiction Jahr 2022
eBook993 Seiten9 Stunden

Das Science Fiction Jahr 2022

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Über dieses E-Book

2021 war das Jahr der privaten Raumfahrt: Jeff Bezos und Richard Branson haben bereits ihren ersten Flug hinter sich, ebenso William Shatner alias Captain Kirk. Auch Tesla-Chef Elon Musk bringt mit seinem Unternehmen Space-X erstmals vier Weltraumtouristen – ganz ohne professionelle Astronauten an Bord – ins All. Die Wirklichkeit scheint die Science Fiction einmal mehr einzuholen. Umso mehr stellt sich die Frage: Welche Rolle spielt die private Raumfahrt in der SF? Und dieser gehen wir in Beiträgen von Wolfgang Both, Bernd Flessner, Judith Vogt, Simon Spiegel und anderen mit dem Schwerpunkthema der 37. Ausgabe des Jahrbuchs auf den Grund. Doch wir wollen auch einen Blick auf einen gesellschaftsrelevanten Aspekt in der Science Fiction werfen, der nicht minder aktuell in unserer Gesellschaft ist: Hans Esselborn, Aiki Mira, Kai U. Jürgens und andere betrachten, wie das Genre mit dem Thema Kolonialismus umgeht – schließlich geht jeder Besuch eines anderen Planeten, einer anderen Gesellschaft mit einer Art der Kolonisierung einher. Darüber hinaus bietet die 37. Ausgabe des von Wolfgang Jeschke ins Leben gerufenen Almanachs einen umfangreichen Überblick über die Entwicklungen des Genres in Rezensionen und Beiträgen zu Buch, Film, Game und Serie. Abgerundet wird der Jahresrückblick mit einer Liste der Genre-Preise, mit Nachrufen sowie einer Bibliografie der Bücher, die 2021 auf Deutsch erstmals erschienen sind. Das SCIENCE FICTION JAHR erscheint seit 2019 im Hirnkost Verlag und wird von Melanie Wylutzki und Hardy Kettlitz herausgegeben.
SpracheDeutsch
HerausgeberHirnkost
Erscheinungsdatum23. Sept. 2022
ISBN9783949452703
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    Buchvorschau

    Das Science Fiction Jahr 2022 - Hirnkost

    Herausgegeben von Melanie Wylutzki und Hardy Kettlitz

    Impressum

    Das Science Fiction Jahr 2022

    Originalausgabe

    © 2022 Hirnkost KG, Lahnstraße 25, 12055 Berlin

    prverlag@hirnkost.de

    www.hirnkost.de

    Alle Rechte vorbehalten

    1. Auflage September 2022

    Vertrieb für den Buchhandel:

    Runge Verlagsauslieferung: msr@rungeva.de

    Privatkunden und Mailorder: https://shop.hirnkost.de/

    Die Rechte an den einzelnen Texten liegen bei den Autor*innen und Übersetzer*innen.

    Redaktion: Melanie Wylutzki, Hardy Kettlitz, Wolfgang Neuhaus

    Lektorat: Melanie Wylutzki

    Korrektur: Michelle Giffels

    Umschlaggestaltung: s.BENeš [https://benswerk.com]

    Titelfotos: www.nasa.gov

    Layout & Satz: Hardy Kettlitz

    ISBN:

    Buch: 978-3-949452-69-7

    E-Book: 978-3-949452-70-3

    PDF: 978-3-949452-71-0

    Dieses Buch gibt es auch als E-Book – bei allen Anbietern und für alle Formate.

    Aktuelle Infos auch unter: www.facebook.com/ScienceFictionJahr

    Das Science Fiction Jahr kann man auch abonnieren:

    https://shop.hirnkost.de/produkt/das-science-fiction-jahr-abonnement/

    Inhalt

    Editorial

    FEATURE

    Wolfgang Both

    Vision, Theorie, Realisierung

    Die Popularisierung der Weltraumfahrt durch die deutschen Raketenpioniere

    Dominik Irtenkauf

    US-Science-Fiction und Raumfahrt

    Der Aufbruch ins All und die Rolle der Zivilisation zwischen Freiheit und Kolonie

    Judith C. Vogt

    Die Menschheit soll sich im All verwurzeln

    Die Raumfahrt in Octavia E. Butlers PARABLES- und Mary Robinette Kowals LADY ASTRONAUT-Reihe

    Bernd Flessner

    Das Milliardärsmodell

    Wie die Science Fiction am Ende wieder einmal richtigliegt

    Robert Corvus

    Sternengold

    Interstellare Ökonomie

    Simon Spiegel

    Unternehmer im Weltall

    Die Vision des Kurzfilms Libra

    Uwe Neuhold

    Wer hat den längeren … Antrieb?

    Entwicklung und Zukunft der privaten Raumfahrt

    Lena Richter

    Raumschiffcrews im Wandel der Zeit

    Andrea Sczuka und Thorsten Hanisch

    Unentdeckte Welten

    Rumänische Science Fiction im Überblick

    Wolfgang Both

    Science Fiction im »Leseland DDR«

    Silke Brandt

    Post-Exotizismus

    Antoine Volodines Dystopie einer Zweiten Sowjetunion

    Hans Esselborn

    Kolonialismus in der deutschsprachigen Science Fiction

    Aiki Mira

    Die neue Space Opera im Zeitalter der kommerziellen Raumfahrt

    Von STAR WARS zu THE EXPANSE, DIE MASCHINEN bis hin zu aktueller deutscher Science Fiction

    Kai U. Jürgens

    »Sie waren emsig, ordentlich und zuverlässig.«

    Kolonialismus und Auslöschung in Thomas M. Dischs The Genocides

    Wolfgang Neuhaus

    Neokolonialismus als Groteske

    Eine Erinnerung an den »Mosaik«-Roman Morgenwelt von John Brunner

    Hartmut Kasper

    Die Menschheit und ihre Kolonien im Weltall

    Ein kurzer Blick auf das deutschsprachige Zukunftskolonialreich der 1960er-Jahre

    Peter Schimkat

    Galaktische Imperien

    Das »First Fandom« erobert ein neues Medium

    BUCH

    Science-Fiction-Literatur 2021/2022

    »Science-Fiction-Literatur 2021/2022« von Hardy Kettlitz • Becky Chambers: Die Galaxie und das Licht darin, von Melanie Wylutzki • Bethany Clift: Die Letzte macht das Licht aus, von Christian Hoffmann • Cory Doctorow: Little Brother – Sabotage, von Wolfgang Neuhaus • Meike Eggers: Cybionic. Der unabwendbare Anfang, von Dominik Irtenkauf • Dan Frey: Future – Die Zukunft gehört dir, von Christian Endres • Theresa Hannig: Pantopia, von Melanie Wylutzki • John Ironmonger: Das Jahr des Dugong, von Ralf Lorenz • N. K. Jemisin: Die Wächterinnen von New York, von Christian Endres • Micaiah Johnson: Erde 0, von Christian Endres • Amie Kaufman und Jay Kristoff: Aurora erwacht, von Christian Hoffmann • Mary Robinette Kowal: Die Berechnung der Sterne, von Christian Endres • Laura Lam: Das ferne Licht der Sterne, von Christian Endres • Ursula K. Le Guin: Grenzwelten, von Ralf Lorenz • Hervé Le Tellier: Die Anomalie, von Ralf Lorenz • Ralph Mayr: Exploit. Information ist nicht umsonst, von Dominik Irtenkauf • Kaspar Colling Nielsen: Mount Copenhagen, von Melanie Wylutzki • Michael Rapp: Kalte Berechnung. Mord im Mare Serenitas, von Dominik Irtenkauf • Dirk Rossmann & Ralf Hoppe: Der Zorn des Oktopus, von Wolfgang Both • Peter Schattschneider: The Exodus Incident. A Scientific Novel, von Karlheinz Steinmüller • Erik D. Schulz: Weltmacht ohne Menschen, von Dominik Irtenkauf • Neal Stephenson: Corvus, von Christian Endres • Arkadi & Boris Strugatzki: Stalker, von Kai U. Jürgens • Adrian Tchaikovsky: Portal der Welten, von Christian Endres • Poljak Wlassowetz: Litiotopia, von Dominik Irtenkauf • SACHBUCH • Wendy Aldiss: My Father’s Things, von Kai U. Jürgens • Xavier Dollo & Djibril Morissette-Phan: Die Geschichte der Science Fiction, von Hardy Kettlitz • Bernd Flessner/Dierk Spreen (Hrsg.): Die Raumfahrt der Gesellschaft. Wirtschaft und Kultur im New Space Age, von Peter Kempin & Wolfgang Neuhaus • Hans Frey: Optimismus und Overkill. Deutsche Science Fiction in der jungen Bundesrepublik, von Kai U. Jürgens • Kai U. Jürgens (Hrsg.): Arbeitsbuch Christopher Ecker: Aufsätze und Materialien, von Guido Sprenger • Hardy Kettlitz: Ray Bradbury – Poet des Raketenzeitalters, von Kai U. Jürgens • Jenny Kleeman: Roboterland. Wie wir morgen lieben, leben, essen und sterben werden, von Christian Endres • Tomasz Lem: Zoff wegen der Gravitation oder: Mein Vater, Stanisław Lem, von Wolfgang Neuhaus • Sascha Mamczak: Science-Fiction. 100 Seiten, von Kai U. Jürgens • Charles Platt: Die Weltenschöpfer. Kommentierte Gespräche mit Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren. Band 1, von Kai U. Jürgens • Martin Rees: Unsere Zukunft. Perspektiven für die Menschheit, von Peter Kempin & Wolfgang Neuhaus

    Wolfgang Neuhaus

    Grenzen der Lem-Rezeption

    Udo Klotz

    Von Solisten und Teamplayern – Deutschsprachige Science Fiction 2021

    Simon Weinert

    Zwischen Eskapismus und Katastrophe

    Das Jahr 2021 aus Sicht eines Fachbuchhändlers

    HEFTROMAN

    Stefan Pannor

    Die verflixte Vergangenheit der Zukunft

    Der Science-Fiction-Heftroman 2021

    FILM

    Thorsten Hanisch

    Film-Highlights 2021

    Ein Rückblick

    SERIEN

    Lutz Göllner

    Zeitenwende

    Eine wie immer komplett unvollständige Sichtung neuer SF-Serien

    GAME

    Johannes Hahn

    Neubeginn in der Endzeit?

    Der Jahresrückblick 2021

    FACT

    Hardy Kettlitz

    Preise

    Erik Simon

    Russische SF-Preise 2021

    Christian Hoffmann und Hardy Kettlitz

    Todesfälle

    Christian Pree

    Bibliographie

    Autor*innen und Mitarbeiter*innen

    Editorial

    Liebe Leser*innen,

    das Jahr 2021 war das Jahr der Raumfahrt, genauer gesagt der privaten Raumfahrt, denn erstmals ist es gelungen, Privatleute ins All zu schicken, ganz ohne die Unterstützung professioneller Astronauten. Den Start machte Richard Branson, gefolgt von Elon Musk. Ein Highlight für die Medien und alle Trekkies: Selbst Captain Kirk ist endlich zu Hause angekommen, Schauspieler William Shatner sichtlich gerührt nach der Landung. Und natürlich lässt auch Elon Musk die ersten Raketen seines Unternehmens SpaceX ins All starten. Wir sind einem der ältesten Motive der Science Fiction also in unserer Realität einen großen Schritt näher gekommen, auch wenn wir von Weltraumtourismus auf dem Mond, von der Kolonisierung unseres Sonnensystems oder gar ferner Planeten noch meilenweit entfernt sind. Welche Rolle die private Raumfahrt in der Science Fiction spielt, beleuchten Dominik Irtenkauf, Bernd Flessner und Wolfgang Both, während sich Uwe Neuhold damit beschäftigt, welche Möglichkeiten sich aus der Fiktion auf die Wirklichkeit haben übertragen lassen. Und Judith Vogt blickt auf die Raumfahrt in Octavia Butlers sowie Mary Robinette Kowals Romanen.

    Unweigerlich mit der Raumfahrt verbunden ist das Thema Kolonisierung. Denn mit jedem Schritt ins All machen wir auch einen Schritt auf fremde Welten zu. Und wann immer der Mensch einen Vorstoß in die Fremde wagt, wann immer er mit dem Unbekannten in Kontakt tritt, geht eine Art der Kolonisierung vor sich. Welche Folgen das menschliche Eingreifen auf andere Kulturen und Gesellschaften hatte und noch immer hat, ist grundsätzlich bekannt, doch welche Wege, welche Alternativen werden in der Science Fiction aufgezeigt? So gibt Hans Esselborn einen Überblick über den Umgang der deutschsprachigen SF mit dem Thema und Kai U. Jürgens beschäftigt sich mit Thomas Disch, während Aiki Mira auf Postkolonialismus und Privatisierung in der neuen Space Opera schaut.

    Irgendwo dazwischen lassen sich auch Lena Richters Beitrag über das Konzept der Found Family und Silke Brandts Vorstellung des Postexotizismus, den sie mit dem französischen Autor Antoine Volodine in Verbindung bringt, einordnen.

    Darüber hinaus gratulieren wir der erfolgreichsten Heftromanserie Deutschlands PERRY RHODAN zum großen Jubiläum, die von Robert Corvus und Hartmut Kasper gewürdigt wird. Auch Stefan Pannor widmet sich deutschsprachigen Heftromanen, während Peter Schimkat einen spannenden Einblick in das First Fandom gibt. Wolfgang Neuhaus blickt zudem auf John Brunners Morgenwelt. Thorsten Hanisch und Andrea Sczuka bescheren uns einen Blick über die deutsche Grenze hinaus und stellen die durchaus lebhafte rumänische Science-Fiction-Szene vor.

    Was auch in diesem Jahrbuch nicht fehlen darf, sind selbstredend die Reviews der auf Deutsch erschienen SF-relevanten Bücher, der obligatorische Blick in die Trends, die sich in der Otherland Buchhandlung Berlin abzeichnen, von Simon Weinert und die Vorstellung von Werken deutschsprachiger Autor*innen durch Udo Klotz. Für einen Überblick über die Genre-Entwicklungen in Film, Serien und Games sorgen Thorsten Hanisch, Lutz Göllner und Johannes Hahn. Abgerundet wird Das Science Fiction Jahr 2022 wie üblich mit einer Übersicht der relevanten Genrepreise, einer Würdigung derer, die von uns gegangen sind, sowie einer Bibliographie deutschsprachiger Neuerscheinungen.

    Wir freuen uns über die Vielfalt der Beiträge, mit denen die 37. Ausgabe des Jahrbuchs aufwarten kann, und möchten uns an dieser Stelle bei allen Mitwirkenden bedanken.

    Wir hoffen, dass die aus unserer Sicht sehr interessanten und aufschlussreichen Perspektiven, die unsere Autor*innen und Beitragenden auf Themen eröffnen, Sie ebenfalls so begeistern können wie uns.

    In diesem Sinne wünschen wir Ihnen, liebe Leser*innen, viel Freude bei der Lektüre.

    Herzlich,

    Melanie Wylutzki & Hardy Kettlitz

    Wolfgang Both

    Vision, Theorie, Realisierung

    Die Popularisierung der Weltraumfahrt durch die deutschen Raketenpioniere

    Wenn Dramatik und Mathematik sich nicht vertragen,

    muss leider die letztere immer nachgeben.

    (Otto Willi Gail an Walter Hohmann, 13. März 1928)

    Keine andere technische Entwicklung – von der Dampfmaschine über die Eisenbahn, das Automobil, die Elektrizität, das Radio oder die Atomkraft – brachte eine solch personelle Verquickung von Literatur und Ingenieurskunst hervor wie die Raumfahrt. Weder Benz noch Diesel, weder Edison noch Hertz sind mit literarischen Arbeiten hervorgetreten. Zudem existierte in dieser jungen Wissenschaft die theoretische Basis vor den ersten experimentellen Realisierungen. Auch das unterscheidet die Raumfahrt von (fast) allen anderen technologischen Innovationen. Bis auf Einsteins Relativitätstheorie, deren Wahrheitsgehalt wir erst mit den heutigen technischen Möglichkeiten bestätigen können, gingen alle anderen Entwicklungen von Experimenten (und Fehlversuchen) ohne eine theoretische Basis aus. Die wurde erst zur Optimierung und dem besseren Verständnis von Fehlschlägen entwickelt. Dagegen legten Konstantin Ziolkowski (1857–1935) und Hermann Oberth (1894–1989) vor den ersten Experimenten die theoretische Basis für die Raumfahrt. Und die ersten Schritte zur Eroberung des Weltraums wurden – wie die der Lüfte (Lilienthal, Gebr. Wright, Zeppelin) – von Privatpersonen vorgenommen. Erst später interessierten sich Industrie und Militär dafür.

    Woher kamen nun die Anregungen für die Ausarbeitung einer theoretischen Basis der Raumfahrt? Ihre Visionen bezogen die Raketenpioniere bereits in ihrer Kinderzeit durch die Romane von Jules Verne oder Kurd Laßwitz. So regten die Romane Von der Erde zum Mond oder Die Reise um den Mond sowohl Konstantin Ziolkowski als auch Hermann Oberth zu einer intensiveren Befassung mit Fragen der Raumfahrt an. Bei Robert Goddard war es George Herbert Wells’ Krieg der Welten mit dem Einfall einer kriegerischen Rasse vom Mars, die mit ihren Raumfahrzeugen auf der Erde aufprallte. Und der spätere Raumfahrtpublizist Willy Ley (1906–1969) ließ sich von Jules Vernes Hector Servadac’s Abenteuer auf seiner Reise durch die Sonnenwelt und den Heftromanen des LUFTPIRATEN einfangen. Eine weitere Welle der Raumfahrtbegeisterung löste 1929 der letzte große Ufa-Stummfilm Frau im Mond nach dem (Dreh-)Buch von Thea von Harbou (1888–1954) aus.

    Dass die Raketenpioniere aber auch selbst Raumfahrtgeschichten schrieben, ist weniger bekannt. Ihre Erzählungen und Romane dienten der seriösen Propagierung des Raumfahrtgedankens und hielten sich daher eng an den wissenschaftlich-technischen Erkenntnisstand ihrer Zeit. Davon soll im Folgenden die Rede sein, wenn einige Arbeiten in Auszügen vorgestellt werden.

    Bevor sie aber literarische Arbeiten ablieferten, verfassten sie erst einmal wissenschaftliche Abhandlungen über die Weltraumfahrt – angeregt durch die Lektüre ihrer Kinder- und Jugendzeit. Hermann Oberth fand 1923 in Wilhelm Oldenbourg einen Verleger für sein grundlegendes Werk Die Rakete zu den Planetenräumen. Sowohl Max Valier als auch Willy Ley ließen sich für Vorstoß in den Weltenraum (1924) und Fahrt in Weltall (1926) von populären Schriften inspirieren. Ihnen folgte 1928 Otto Willi Gail (1896–1956) mit seinem Text Mit Raketenkraft ins Weltenall. Eigentlich wollte der Regisseur Fritz Lang (1890–1976) die Weltraumidee schon in dem Film Metropolis unterbringen. Aber dort passte sie nicht hinein. Daher bat er seine Frau Thea von Harbou, ein neues Drehbuch zu verfassen. Daraus entstand dann die bereits erwähnte Frau im Mond. Um dem Rahmen der Handlung ein realistisches Umfeld zu geben, engagierte Fritz Lang Ende 1928 Hermann Oberth als wissenschaftlichen Berater. Der junge Journalist Willy Ley übernahm die Öffentlichkeitsarbeit für dieses Thema, fand also hier seinen Platz als Wissenschaftsjournalist. Die Zusammenarbeit ging dann so weit, dass Lang und die Ufa erste praktische Arbeiten einer Raketenentwicklung durch Hermann Oberth in den Ufa-Werkstätten Babelsberg finanzierten. Oberth dankte es ihm mit einer Widmung in seinem neuen Fachbuch Wege zur Raumschiffahrt (1929).

    Gleichzeitig waren sich die Raketenpioniere der Notwendigkeit einer Popularisierung ihres Raumfahrtgedankens bewusst. Sie stilisierten die Herausforderung zur »Kulturaufgabe des deutschen Volkes« und berieten Möglichkeiten, wie man an die Öffentlichkeit gehen sollte. So planten Oberth und Franz von Hoefft (1882–1954) einen gemeinsamen Roman. Letztlich wurde aber aus diesem Projekt nichts.

    Auch Konstantin Ziolkowski trat nicht nur als Wissenschaftler hervor, sondern popularisierte die Raumfahrt in der jungen Sowjetunion in mehreren Kurzgeschichten und dem Roman Außerhalb der Erde (1920). Er nutzte die literarische Form, um auch Fragen der Ernährung, der Aufbereitung der Luft- und Wasservorräte oder des Badens in der Schwerelosigkeit aufzugreifen und anschaulich zu schildern.

    Ebenso fleißig war der Astronom Max Valier (1895–1930). Er publizierte bereits 1919 einen (heute vergessenen) SF-Roman. In der Folge seiner vielen Kontakte regte er den Autor Reinhold Eichacker zu zwei Romanen an: Panik und Die Fahrt ins Nichts. Beide erschienen 1924, und unter dem Namen des Verfassers stand: »nach einer technischen Idee von Max Valier«.

    Nur ein Jahr später veröffentlichte der Autor Otto Willi Gail seinen Roman Der Schuss ins All. Auch hier stand Valier zur Seite und betreute später die Idee eines Filmprojekts auf der Grundlage des Romans. Dessen Realisierung scheiterte zwar, aber Valier konnte Gail 1927 als Mitglied für den neuen Verein für Raumschiffahrt gewinnen. Nachdem Gail von Walter Hohmanns Fachbuch Die Erreichbarkeit der Himmelskörper (1925) erfahren hatte, trat er mit ihm in brieflichen Kontakt. So schrieb er ihm über sein neues Buchprojekt, das von einer Reise zur Venus handelte:

    Während der Feiertage habe ich Ihr Buch durchgesehen – flüchtig nur, denn selbst für den mathematisch geschulten Leser bedarf es Zeit und Sammlung, um Ihren Ableitungen folgen zu können. Aber soviel [sic!] habe ich doch jetzt schon daraus entnommen, dass es sehr schade ist, dass ich Ihr Werk nicht früher vor der Abfassung meines Romans kannte. Es hätte mir mancherlei Anregung gegeben.

    In meinem neuen Roman Der Stein von Mond, der eine Fortsetzung des Romans Der Schuss ins All darstellt, habe ich nun eine Reise zur Venus ausführlich behandelt. Es war mir von größtem Interesse, dass Sie die selben [sic!] beiden Möglichkeiten wissenschaftlich behandelten, die ich dem Roman zu Grunde legte – nämlich die sich an die Venusbahn anschmiegende Ellipse, die nur Geschwindigkeitsänderungen bedingt, und die Venusbahn schneidende Ellipse, die im Treffpunkt nur Richtungsänderungen erfordert. Ich habe nun glücklich den letzteren Weg gewählt, den Sie ja als weniger günstig verwerfen. Von Wichtigkeit war mir vor allen Dingen die Fahrtdauer – und ich glaube, dass dieser kleine Fehler dem Romanschriftsteller nicht allzusehr [sic!] angekreidet werden wird. Wenn es die Dramatik der Handlung erfordert, wird die wirkliche Technik eben ein wenig zurechtgebogen.

    (Gail an Hohmann 31. Dezember 1925)

    Gail geht hier direkt auf die von Hohmann berechneten möglichen Flugbahnen für künstliche Himmelskörper ein und diskutiert die Varianten. Aber es ergibt sich für ihn ein Problem in der literarischen Darstellung:

    Ich habe inzwischen selbst an der Aufgabe herumgerechnet und bin – von der astronomischen Seite her – auf dem Wege der Schätzung – auf ziemlich gleiche Resultate gekommen. Der große Zeitunterschied zwischen tangierender Ellipse und Parabel hat mich eigentlich gar nicht überrascht. Wenn auch die Startgeschwindigkeiten nicht sehr verschieden sind (40 bzw. 42 km/sec), so doch die Endgeschwindigkeiten (13,6 bzw. 42 km/sec) – also auch die mittlere Geschwindigkeiten und damit die Flugzeiten.

    6 Jahre? Das ist zu viel. Kann ich aus dramatischen Gründen nicht brauchen und muss daher leider die unwahrscheinlichere, aber rascher ins Ziel führende Parabel wählen. Vielleicht gar eine Hyperbel! Wenn Dramatik und Mathematik sich nicht vertragen, muss leider die letztere immer nachgeben.

    (Gail an Hohmann 13. März 1928)

    Ein wunderbares Beispiel dafür, wie eng Wissenschaft und Literatur hier verbunden sind, dieses Mal muss sich die Mathematik der Dramatik beugen.

    An zwei Beispielen soll die enge Verbindung von wissenschaftlich-technischer und literarischer Betätigung der Raumfahrtpioniere gezeigt werden.

    Schwerelosigkeit

    Eine große Rolle beim Start wie beim Flug im Weltraum spielen der Andruck und die Schwerelosigkeit. Dem widmen die Autoren zahlreiche Beschreibungen. Andruck hatte man sicher schon mal bei starker Beschleunigung oder Abbremsung erlebt. Aber die Schwerelosigkeit existierte nur in der Phantasie der Autoren. Max Valier geht in seiner populären Schrift auf die Anforderungen und physischen Grenzen ein.

    Aus dem soeben Gesagten geht hervor, daß Raketen, welche Menschen befördern sollen, gar keine Wahl in Bezug auf die Einhaltung der »günstigsten« Geschwindigkeit haben. Um nicht zu lange gegen die Erdschwere kämpfen zu müssen, wird man eben so schnell auffahren, als es die Insassen auszuhalten vermögen, ohne schwindlig oder bewußtlos zu werden. Sache des Piloten (bzw. eines selbsttätigen Reglers) wird es sein, durch entsprechende Betätigung des Gashebels den Zeiger am Beschleunigungsmesser immer auf dem »roten Strich« zu halten. Jedes Sinken unter diese höchste zulässige Zahl bedeutet Kraftvergeudung in größtem Maße, jedes Überschreiten gefährdet die Gesundheit und unter Umständen sogar das Leben der Reisenden. Da der Mensch im Ganzen, d. h. durch Erdschwere und Fahrtbeschleunigung zusammen, einen Andruck von 40 m/sec² auf die Dauer aushalten kann, so ist es sogar besser, nicht senkrecht aufzusteigen, sondern, nach Durchfahrung der untersten Luftschichten schräg von der Lotrechten abzubiegen. Dann darf nämlich die Fahrtbeschleunigung größer genommen werden, weil der durch die Erdschwere vernichtete Teil der Gesamtbeschleunigung (mit dem Sinus des Aufstiegswinkels) abnimmt.

    In der Literatur wird insbesondere die physische Belastung beim Aufstieg geschildert. Sie bietet das notwendige dramatische Moment. In seiner Kurzgeschichte »Die Fahrt ins All« beschrieb Valier den Start, den Flug um den Mond und die glückliche Heimkehr seines Raumschiffes.

    »Seid ihr bereit? In 80 Sekunden starten wir!«

    Zwei Stimmen gaben bejahende Antwort.

    »Ihr wißt schon auswendig: 16 Sekunden erst nur mit 25 Meter Beschleunigung, bis wir aus der dicken Luft allmählich draußen sind. Dann Gashebel vor auf mittlere Rast, bis wir 50.000 Meter über dem Meere eine Geschwindigkeit von 2.000 Sekundenmeter erreicht haben, 100 Sekunden nach dem Startmoment. Und dann, wenn sich die letzten Schwaden der Luft verlieren, Vollgas auf alle Düsen, was das Zeug hält, damit wir den Panzer der Erdschwere durchschlagen.«

    In wenigen Sätzen wird das ganze physikalische Vokabular eines Fluges in den Weltraum verwendet. Der Leser entwickelt zumindest eine erste Vorstellung von den zu erwartenden Belastungen. Valiers Erzählung erschien in mehreren Folgen in DIE RAKETE, dem Organ des Vereins für Raumschifffahrt, als Fortsetzungsroman in Tageszeitungen und erlebte mehrere Nachauflagen als kleine Broschüre.

    Otto Willi Gail setzt die Beschreibung (in zwei Varianten) in Schuss ins All fort:

    Vierzig Sekunden – fünfundvierzig Sekunden –

    Da bewegte sich die Hand des Führers, ein Ruck am Hebel, ein Geräusch wie ferner Donner ließ das Schiff erbeben; der Chronometer sprang auf Null zurück, die Hängematten schwankten. Die Fahrt ins All hatte begonnen. Draußen zog der Startplatz vorbei; einen Augenblick sah man Hüte und Tücher schwenken im Taumel der Begeisterung. … Korf zog das Höhensteuer, die Tragflächen stellten sich schräg. Das Schiff verließ den Boden, stieg in die Luft. … Nun gab der Führer Vollgas auf die Hauptdüse. Das Donnern des Auspuffs schwoll an, wurde zum Brüllen und Krachen, die Hölle schien losgelassen. Der Beschleunigungsanzeiger kroch über die Skala und schwankte um Strich Zwanzig. Sam ächzte in seiner Matte, eine Zentnerlast wuchtete auf ihm, schnürte ihm die Kehle zu.

    Der Andruck!

    In seiner populären Darstellung aus Mit Raketenkraft ins Weltenall ist er nicht weniger dramatisch:

    Die Mannschaften liegen in ihren Hängematten, Wehe dem, der herumsteht, wenn die Düsen anspringen! Der Führer behält den Chronometer scharf im Auge. Gleichförmig springt der Sekundenzeiger vorwärts. … Da – ein Geräusch wie ferner Donner läßt das Schiff erbeben, die Hängematten schwanken, der Chronometer springt auf Null zurück – die Fahrt ins All hat begonnen. Draußen zieht der Startplatz vorüber. Einen Augenblick sieht man durch die Luken die Menschenmenge, die Tücher und Hüte schwenkt im Taumel der Begeisterung. …

    »Vollgas!« Im selben Augenblick schwillt das Donnern der Düsen an. Der Beschleunigungsanzeiger kriecht über die Skala und schwankt über dem Strich zwanzig.

    Die Männer ächzen in den Matten. Eine unheimliche Macht hat sich auf sie herabgesenkt – der Andruck!

    Auch im Roman Frau im Mond (1929) beschreibt die Autorin Thea von Harbou eine derartige Szene:

    »Atem holen!«

    Helius schrie es mit aller Kraft seiner Lungen.

    »Tief Atem holen!!«

    Friede, im Passagierraum auf ihrer Matte liegend, las ihm die Worte vom Munde – hören konnte sie nichts. Sie hörte nur sich – und das furchtbar stöhnende Ächzen, das sich ununterdrückbar aus ihrer Kehle quälte – das schnarrende Röcheln, mit dem sie sich gegen das Sterbenmüssen wehrte. … Die Notwendigkeit, in dem lächerlichen Zeitraum von acht Minuten die Geschwindigkeit von 11200 Sekundenkilometern zu erreichen, um das Weltraumschiff von den Gesetzen der Erdschwere zu befreien und gleich einem Geschoß auf den Mond zu schleudern – die Notwendigkeit, in diesen tödlichen acht Minuten den menschlichen Organismus auf die rasende Steigerung der Vorwärtsbewegung einzustellen – das alles ließ sich errechnen und ergab in Zahlen einen Sinn.

    Aber vorstellbar war es nicht.

    Jetzt war es wirklich.

    Jetzt war er da: der Andruck.

    Diese Szene wurde von ihrem Mann Fritz Lang dann auch filmisch in Frau im Mond umgesetzt.

    Ihrem Roman stellt sie eine Widmung an Gail, Ley und Oberth voran und dankt ihnen für die wissenschaftlichen und technischen Anregungen.

    Um die Dramatik noch weiter zu steigern, erfindet Lang für die filmische Umsetzung des Drehbuchs seiner Frau das Rückwärtszählen, also den Countdown bis zum Start. Der Sekundenzeiger rückt also nicht vor, sondern man zählt die Zeit rückwärts bis zur Startsekunde – genial. Diese Idee hat Eingang in die praktische Raumfahrt gefunden (aber wie an anderer Stelle gezeigt, geht das Rückwärtszählen schon bis auf Jules Verne zurück).

    Auch die Erfahrung von Schwerelosigkeit machen die Raumfahrer in diesen Texten, hier zum Beispiel von Gail geschildert:

    Was im Schiff nicht angeschraubt war, schwebte frei in den Kajüten. Die Menschen schwammen in der Luft – wie Schwimmer mit Armen und Beinen rudernd, wenn keine Wand in Reichweite war, an der sie sich entlang greifen konnten. Der Begriff des Ruhebettes wurde sinnlos; es hätte geradezu Anstrengung erfordert, sich im Bett zu halten. Man schlief, in der Mitte des Raumes schwebend. Der Kakadu schwebte mit angezogenen Flügeln in seinem Käfig.

    Oberth flicht in sein Fachbuch eine mehrseitige Novelle ein, in der er den Flug zum Mond beschreibt. Den Übergang zur Schwerelosigkeit erlebt die Besatzung so:

    Obwohl ich einigermaßen wußte, was ich hier oben sehen und erleben würde, war ich doch bestürzt über den Anblick, der sich mir jetzt bot. Ich schwebte frei in der Mitte der Kammer, eine geringe Schwimmbewegung genügte, mich an den Ort zu bringen, wo ich hinwollte. Erst jetzt bemerkte ich eine Reihe von Lederschlingen, die allenthalben an der Wand angebracht waren. Wenn wir uns nicht daran entlang gegriffen hätten, wäre es unmöglich gewesen, einen festen Halt zu finden.

    Wie verhalten sich Flüssigkeiten im schwerelosen Zustand?

    »Benetzende Flüssigkeiten dagegen (z. B. Wasser) suchen an den Wänden hinaufzusteigen und die Luft in die Mitte der Flasche zu drängen«, so Oberth. Das beschrieb er dann auch in seiner Novelle:

    »Wissen Sie, Herr Müller, alles was recht ist, aber haben wir denn keine Becher?«

    »Becher?« Müller lachte: »Oh ja, sogar zwei Stück. Aber wie wollen Sie einschenken?«

    »Na, das muß ja irgendwie gehen.«

    »Bitte, hier haben Sie einen Becher, und hier – warten Sie ein wenig, der Himbeersirup ist mir für dieses Experiment zu schade, hier haben Sie eine Flasche Wasser.«

    Ich drehte die Flasche um, es kam natürlich kein Tropfen heraus. Da wurde ich ärgerlich und schlenkerte die Flasche ein wenig. Sofort kam ein Haufen Wasser hervorgeschossen, aber ach! es blieb nicht im Glas drinnen, mit dem ich es aufzufangen suchte, sondern das Wasser sprang wieder heraus, als ob es gegen eine elastische Gummiwand gestoßen wäre. Kaum, daß ein paar Tropfen im Glas haften blieben. Das übrige Wasser bildete zahlreiche kugelförmige Tropfen, die in der Kammer herumfuhren, von den Wänden zurücksprangen, wenn auch hie und da einer hängen blieb und sich weiter zerteilten. Schließlich war die ganze Beobachterkammer wie von einem Mückenschwarm von herumfliegenden Wassertropfen erfüllt, die allmählich irgendwo hängen blieben.

    Ley greift eine ähnliche Szene auch in seinem Roman auf:

    »Erstes Gebot beim Raumschiffdinner: Festhalten!«

    »Zweites Gebot: noch fester halten!« vollendet Hall. Er versuchte vergeblich, sich aus einer Flasche Wein in ein Glas zu gießen. Es fließt nicht ein Tropfen heraus und muß mit einem Strohhalm getrunken werden. Coras Siphon funktioniert zwar, dafür ist es aber schwierig, aus dem Glas zu trinken. Wenn es nicht so voll ist, daß man mit den Lippen saugend die Flüssigkeit erreichen kann, ist nichts zu machen. Man kann es ruhig umdrehen.

    In der Phantasie der Autoren werden also physikalische Sachverhalte, die bisher noch kein Mensch selbst erlebt hatte, nicht nur anschaulich, sondern auch physikalisch korrekt beschrieben. Heute können wir dies in den Berichten und Experimenten live von der internationalen Raumstation ISS verfolgen.

    Raumstation

    Im dritten Teil seines Fachbuchs Zweck und Aussichten ging Oberth auf die Perspektiven der Raumfahrt ein. Der Nutzen wäre vielfältig, so werden einst feste Raumstationen im Orbit bei der Erdbeobachtung und der Kommunikation helfen:

    Lassen wir nun aber derartige Raketen größten Maßstabes im Kreis um die Erde laufen, so stellen sie sozusagen einen kleinen Mond dar. Sie müssen auch nicht mehr zum Niedergehen eingerichtet sein. Der Verkehr zwischen ihnen und der Erde kann durch kleinere Apparate aufrecht erhalten werden, so daß diese großen Raketen (wir wollen sie Beobachtungsstationen nennen) oben immer mehr für ihren eigentlichen Zweck umgebaut werden können. Der Zweck dieser Beobachtungsstationen wäre nun folgender:

    Mit ihren scharfen Instrumenten könnten sie auf der Erde jede Kleinigkeit erkennen und könnten mit geeigneten Spiegeln nach der Erde Lichtsignale geben. Sie ermöglichen: telegraphische Verbindung mit Orten, zu denen weder Kabel noch elektrische Wellen gelangen. Da sie bei klarem Himmel nachts eine Kerze, tags einen Taschenspiegel bereits bemerken, wenn sie nur wissen, wo sie ihn suchen sollen, so können sie namentlich zur Verbindung von Expeditionen mit dem Heimatland, von weit vorgeschobenen Kolonien mit dem Mutterland, für die Schiffahrt usw. viel beitragen.

    Für Wernher von Braun (1912–1977) war dies Anregung, noch als Schüler eine kleine Geschichte über die Rettung einer Expedition in der Arktis zu schreiben.

    Dann war es Nacht über der öden Eiswüste geworden. Fröstelnd stapfte ich vor unserem kleinen Zelt hin und her, das wir uns notdürftig unter der einen Tragfläche unseres lahmen Vogels aufgeschlagen hatten. Ich hatte mich gerade wieder einmal dabei ertappt, wie ich auf dem besten Wege war, an eine Strebe des Fahrgestells gelehnt einzunicken, als ich plötzlich von einem grellen Lichtstrahl geblendet wurde.

    »Lunetta!« durchzuckte es mich. »Wir sind entdeckt!«

    Ein Raketenflugzeug nimmt sie auf und bringt sie zur Raumstation Lunetta, dem »kleinen Mond«.

    Der Kommandant zeigte uns das terrestrische Observatorium, von dem aus die Wetterlage der gesamten Erdkugel einer ständigen genauen Kontrolle unterzogen wird. Die hier verwendeten Teleskope können, wie uns erklärt wurde, mit Vergrößerungen von mehr als dem Hunderttausendfachen benutzt werden, da die auf der Erde störend wirkende Atmosphäre hier nicht von unten, sondern von oben durchblickt wird.

    Man erzählte uns ebenfalls, daß von hier aus ein verbreitetes Sicherungssystem auf der Erde dirigiert werde. »Mit unseren starken Vergrößerungen können wir von hier aus einzelne Expeditionen verfolgen. Auch Ihre verunglückte Nordpol-Reise haben wir bis zum letzten Augenblick beobachtet. Wenn wir hier nicht aufmerksam gewesen wären, dann würden sich jetzt wohl die Eisbären an Ihren Knochen erfreuen!«

    Otto Willi Gail greift einen anderen Vorschlag Oberths auf: den Sonnenspiegel.

    Letzten Endes will ich die unerschöpfliche Wärmeenergie der Sonne für die Menschheit dienstbar machen. Weit draußen im Raum, an der Schweregrenze der Erde, sollen Kraftstationen entstehen, ungeheure Sonnenlicht-Reflektoren, welche die Konzentration riesiger Energiemengen an jeden beliebigen Punkt der Erde ermöglichen, die weite Strecken der vereisten Polarländer in fruchtbare Gegenden und blühende Landstriche zu verdorrenden Landstrichen verwandeln können, die die Menschheit unabhängig machen werden von den schwindenden Kohlevorräten der Erde und jede Kriegsrüstung im Keim zu ersticken erlauben.

    Letztlich steckt in der Weltraumfahrt sogar die Hoffnung auf den Weltfrieden.

    Fazit

    Die Raumfahrtvisionen eines Jules Verne inspirierten also die Raketenpioniere zu ihren theoretischen und praktischen Arbeiten. Die Ausarbeitung der Raumfahrttheorie durch Hermann Oberth stellte eine Zäsur nicht nur für die wissenschaftliche Darstellung der Raumfahrt dar, sondern auch für die literarische Gestaltung der Zukunftsromane nach 1923 – von nun an kam kein geheimnisvoller Treibstoff mehr zum Einsatz. Ab 1931 flogen die ersten Flüssigkeitsraketen in Deutschland, die ersten Schritte von der Vision über die Theorie zur Realisierung waren unter großen persönlichen und finanziellen Entbehrungen gelungen. Bis zum ersten künstlichen Erdsatelliten und dem Start eines Menschen in den Kosmos sollte es noch drei Jahrzehnte dauern, bewohnte Raumstationen folgten, ebenso der Besuch des Mondes.

    Wie gezeigt, trugen nicht nur die wissenschaftlichen Arbeiten der Raketenpioniere zur Verbreitung des Raumfahrtgedankens bei, sondern auch ihre literarischen Arbeiten aus den Zwanzigerjahren regten damals Interesse und Phantasie an. Sie sind sowohl Zukunftsromane – frühe Science Fiction – als auch gleichzeitig ein interessantes technisch-historisches Dokument. Die Beispiele zeigen den wechselseitigen Einfluss von Raumfahrttheorie und Unterhaltungsliteratur. Den Begriff »Science Fiction« brachte übrigens Willy Ley aus Amerika nach Deutschland: Unter dem Titel »Science Fiction in U. S. A.« veröffentlichte er am 16. Juli 1930 einen entsprechenden Artikel in der Abendausgabe des SPD-Organs VORWÄRTS.

    Zitierte Bücher:

    von Braun, Wernher: »Lunetta«; in: LEBEN UND ARBEIT, Heft 2/3, 1930/1931, S. 88–92

    Gail, Willi: Der Schuß ins All, Bergstadt Verlag Breslau, 1925

    Gail, Willi: Mit Raketenkraft ins Weltenall, K. Thienemanns Verlag Stuttgart, 1928

    Harbou, Thea von: Frau im Mond, Scherl-Verlag Berlin, 1928

    Ley, Willy: Die Fahrt ins Weltall, Hachmeister & Thal Leipzig, 1926/29

    Ley, Willy (Hrsg.): Die Möglichkeit der Weltraumfahrt, Hachmeister & Thal Leipzig, 1928

    Ley, Willy: Die Starfield Company, Shayol Berlin, 2011

    Oberth, Hermann: Wege zur Raumschiffahrt, Oldenbourg Verlag München, 1929

    Valier, Max: Der Vorstoss in den Weltenraum, Oldenbourg Verlag München, 1924

    Valier, Max: »Die Fahrt ins All«; in: DIE RAKETE, Breslau, 1927

    Dominik Irtenkauf

    US-Science-Fiction und Raumfahrt

    Der Aufbruch ins All und die Rolle der Zivilisation zwischen Freiheit und Kolonie

    Private Raumfahrt besitzt heute einen hohen Medienwert: Wenn einer der Tech-Milliardäre eine neue Rakete ins All schickt und dann Schauspieler aus der Science-Fiction-Welt wie William Shatner mitnimmt, der völlig gerührt nach der Rückkehr zur Erde von diesem Erlebnis spricht, schließt sich ein Kreis, der bereits in der frühen US-SF-Literatur begonnen hat.

    Die US-Science Fiction beteiligte sich damals am sogenannten Space Race zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion. Wer sollte das Rennen um den ersten Menschen im All und später dann den Flug zum Mond gewinnen? Nicht von ungefähr hört ein Roman Jack Williamsons auf den Titel Die Mondkinder (Original: The Moon Children, 1972). Das Veröffentlichungsdatum legt eine Inspiration des US-amerikanischen Autors durch die Mondlandung im Jahr 1969 nahe. Auf dem Erdtrabanten wurde im Roman inzwischen eine Mondstation errichtet, und es ließe sich vermuten, dass Williamson die Untätigkeit der NASA im Anschluss an die Mondlandung kritisierte beziehungsweise eine Vision darstellen wollte, wie die weitere Erschließung des Mondes vonstatten gehen könnte. Drei der Astronauten bekommen nach ihrer Rückkehr Kinder, Nick, Kylie und Guy, die über eine übernatürliche Eigenschaft verfügen.

    Williamson lässt der Phantasie viel Raum, so auch für unterschiedliche außerirdische Wesen auf den anderen Planeten unseres Sonnensystems und geheimnisvollen künstlichen Tunneln auf dem Merkur. Vergleicht man diesen Roman aus den Siebzigerjahren mit aktuellen SF-Romanen mit Weltraumbezug, so fällt auf, dass der damalige Erfolg der Mondlandung durch die NASA die Phantasie beflügelt hat. Während Autoren wie Andy Weir und Neal Stephenson in ihren Romanen heute auf eine hohe Wahrscheinlichkeit in ihren Plots achten, häufig auch in Kontakt mit Astronauten sind, schöpft Williamson aus einer phantastischen Idee. Weil die Astronauten bei ihrem Aufenthalt auf dem Mond in Kontakt mit einer besonderen Art von Mondgestein gekommen sind, überträgt sich das auf ihre Kinder. Auch wirken die Charaktere mancher der Astronauten nicht so professionell wie heute, in dem Sinne, dass mancher der männlichen Astronauten unausgeglichen und häufig wütend ist.

    In Williamsons Roman geht die Beobachtung vor allem mit einer Raumfahrtbehörde namens COSMOS einher, die auf dem Mond eine Station eingerichtet haben. COSMOS ist der NASA nachempfunden: Der Autor entwirft die Raumfahrtbehörde in seinem Roman als eine Organisation von Zivilisten, bei der verschiedene Nationalitäten zusammenarbeiten, trotz der damals herrschenden Konkurrenz zwischen den Blöcken und Weltsystemen. Diese utopische Qualität durchzieht auch die anderen hier untersuchten Texte: Beflügelt von den Erfolgen in der realen Raumfahrt klinken sich die US-Autoren in das Narrativ des Weltraumflugs und der -siedlungen ein. Die Kolonisierung wird auch in Heinleins Romanen in konfrontativen, wenn nicht häufig kriegerischen Auseinandersetzungen geschildert. Das Wort »Kolonie« besitzt einen unterdrückerischen Gestus – Kolonie bedeutet: Abhängigkeit von der Zentralmacht. Mehr noch: Kolonialismus bedeutete in der irdischen Geschichte Ausbeutung der Rohstoffe wie auch der Menschen, die Unterdrückung eines Selbstbestimmungsrechts der unterdrückten Nationen oder Ethnien, eine entwürdigende Existenz mit einer entsprechenden Willkür der Herrscher beziehungsweise Autoritäten. Science Fiction nimmt sich nicht aus der Zeit aus, in der sie entsteht. Sie »saugt« gewissermaßen das Zeit- und Lokalkolorit auf, aber einige Meister emanzipieren sich durch Störtechniken von ihrer Gegenwart und katapultieren uns in eine ferne Zeit oder auch in Bezug auf die private Raumfahrt an einen fernen Ort. Dort wären andere Verhältnisse möglich. Dort könnten entsprechend in sich ruhende Menschen mit der nötigen Umsicht und Empathie eine andere Welt erbauen. Die Frage ist nur: War die Science Fiction Ende der Sechziger und in den Siebzigern hierzu schon fähig?

    In Robert A. Heinleins Farmer im All (1950) etwa wird die Absicht der expandierenden Menschheit klar im Titel genannt: im Weltall Landwirtschaft zu betreiben und damit die Grundnahrung für eine menschliche Siedlung sicherzustellen. Das Ziel der Farmer in Heinleins Roman ist der Jupitermond Ganymed. Heinlein schildert die Reise dorthin wenig beschönigend als langweilig und unbequem, was der Realität ziemlich entsprechen mag: »Endlich waren wir aber an der Reihe und wurden in der Jitterbug zusammengedrängt. Es war schrecklich. Die Decks waren nicht viel größer als Regale – sie waren einen knappen Meter hoch. Die Luft roch abgestanden, und man hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Abteile zu säubern. Es gab keine Einzelliegen. Wir wurden einfach Schulter an Schulter auf lange Matten gepackt – und Fuß an Kopf, um es genau zu sagen.« (S. 94) Ähnlich souverän beschreibt Heinlein das »zweite« Leben des Schauspielers Lorenzo Smythe in Ein Doppelleben im Kosmos, der nach dem Treffen mit einem Raumfahrer dessen Double wird. Diese Aufgabe ist bald viel mehr als nur ein Auftrag. Heinlein schildert die Verstrickungen mit viel Humor und Finesse.

    Der Ton unterscheidet sich doch deutlich von zeitgenössischen Romanen von Neal Stephenson, Andy Weir oder John Scalzi: Letztere greifen tatsächliche Vorgänge in der Raumfahrt, existierende Technologien und das über Jahrzehnte erworbene Wissen um naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf. Sie bieten hiermit eine konkrete Vision, noch unerforschte Planeten mit einer bemannten Mission zu erkunden beziehungsweise sich über den Rohstoffabbau im All Gedanken zu machen.

    Hamilton, Heinlein, Williamson entwerfen noch eine andere Zukunft der Raumfahrt. Die Erkenntnisse in den Fünfzigern und späten Sechzigern sind aufgrund mangelnder Erfahrungen mit bemannter Raumfahrt noch begrenzt. Andererseits war der Anspruch der Science-Fiction-Literatur zu jener Zeit sicher ein anderer als heute: Der Weltraum musste erst noch vermessen werden. Vieles war noch möglich, warum nicht auch baldige Auseinandersetzungen mit außerirdischen Zivilisationen in Erdnähe? Jack Williamson spielt einen solchen Kontakt in seinem Roman Die Mondkinder durch. Nicht nur, dass eine außerirdische Zivilisation auf dem Mond lauert; sie verfügt zudem über außergewöhnliche Intelligenz. Damit spricht Williamson mehrere Diskurse an:

    - Die Fremdheit, entweder durch parapsychologische Kräfte oder durch die Kinderwelten in einer Handlung von Erwachsenen verursacht.

    - Eine Weiterführung der US-Raumfahrtprogramme in dem Sinne, dass in Romanform darüber spekuliert wird, welche neuen Erkenntnisse noch gefunden werden könnten und welche nächsten Schritte nach der erfolgten Mondlandung anstünden.

    Die »Mondkinder« stellen auch ein Versprechen für die Zukunft dar – aber wie wird diese aussehen? Sie irritieren durch ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten, die den Umgang mit ihnen teilweise gefährlich machen. So wird Guy als halb tierisch geschildert, als Junge mit dichtem Haarbewuchs, der einem Fell gleicht. Williamson spricht hier auch die Frage nach dem Umgang mit Mutanten an. Was sich durch die Art der Handlung und durch das Personal, mit dem der US-Autor frühe Raumfahrt entwirft, als klar zeitgebunden erweist, kann dennoch als ein Versuch gewertet werden, sich in einer erweiterten Welt zurechtzufinden.

    Heinlein geht noch weiter und entwirft in seinem Roman Farmer im All (Original 1950, Übersetzung erst 1970 bei Heyne) eine Besiedlungsgeschichte unseres Sonnensystems. Die Menschheit hat etwa die Jupitermonde bereits erreicht. Heinlein schildert das aufwendige Auswahlverfahren, die Gefahren auf dem Flug durch das All, die Anstrengungen zur Transformation des fremden Mondes zu irdischen Verhältnissen, die sozialen Herausforderungen einer solchen Besiedelung. Um tatsächlich Landwirtschaft im All betreiben zu können, benötigt es nicht nur entsprechend geräumige Raumschiffe, sondern auch Konzepte von planetarem Denken, eher noch: intergalaktischer Koordination. Vielleicht ist das mitunter ein Grund, warum vergleichsweise viele SF-Autoren über Sternenimperien schrieben und noch immer schreiben: Wer es auf den Jupitermond schafft, dem ist ein Mond nicht genug, der möchte auch weitere Himmelskörper besetzen. Heinlein schildert die Handlung aus der Perspektive eines Jungen, der als Pfadfinder nach Ganymed kommt. Er wächst zu einem jungen Mann heran und ist Teil der Pioniergeneration im All. Tatsächlich sollte es noch mehr als 20 Jahre dauern, bis die Pioneer 10- und Pioneer 11-Sonden Ganymed erreichten und erste Fotos übermittelten. 1950, als Heinlein seinen Roman veröffentlichte, war die Weltraumforschung vor allem auf Fortschritte in der Raketenentwicklung fokussiert. Der Wettbewerb zwischen zwei politischen Systemen – der USA und der Sowjetunion – war in vollem Gange. Einen Menschen auf den erdnahen Mond zu bringen, besaß hohe Priorität. Heute mehren sich die Stimmen, dass nach 1969 relativ bald der Schwung der Mondlandung verebbte. Warum wurden damals nicht die Weichen für eine Besiedelung des Mondes gelegt? Fragt sich etwa der Autor und Systemingenieur Dr. Florian M. Nebel, der beim Landwirtschaftsverlag Münster ein Buch über dieses Thema veröffentlichte. Williamson denkt in seinem Roman Mondkinder die Mondlandung als bereits vollzogen und sinniert über mögliche Auswirkungen eines kontinuierlichen Mondkontakts. In Farmer im All dekliniert Heinlein hingegen das Leben auf dem Jupitermond Ganymed durch; er beschreibt etwa den Tages-/Nachtrhythmus im Gegensatz zur Erde (auf S. 105 ff.). Heinlein verwendet viel Energie auf ein umfangreiches Worldbuilding. Die Möglichkeiten einer extraterrestrischen Siedlung und Zivilisation werden deutlich, aber auch die Herausforderungen, die damit verbunden sind: Wie wandelt man etwa einen lebensfeindlichen Mond zu einer bewohnbaren Oberfläche um? Wie ernähren sich die Menschen auf diesem Mond oder Planeten, der nicht für das Leben, wie wir es kennen, geeignet scheint? Zu guter Letzt: Nehmen wir die Probleme unserer Erde mit? Werden nicht auch auf der Mond- und Marskolonie die Streitereien zunehmen, sobald wir unser Überleben gesichert haben? Die private Raumfahrt, die Tech-Milliardäre konsultieren die SF-Werke, wie etwa Heinleins Mars-Romane, laden Schauspieler aus TV-Serien wie STAR TREK in ihre Raumschiffe ein und engagieren Autoren wie Neal Stephenson, um Konzepte für das private Raumfahrtprogramm ihrer Unternehmen zu entwickeln.

    In der frühen US-Science-Fiction wird der Schwung, der sich durch das »Space Race« entwickelt, in entsprechend ambitionierten Szenarien aufgefangen: Der bemannte Flug zu den Sternen scheint regelmäßig möglich zu sein – was zu den Veröffentlichungsjahren der behandelten Romane sehr unwahrscheinlich schien. Anders formuliert: Damals war es noch ein weiter Weg zu solchen Möglichkeiten. Aber was wäre die Science Fiction ohne den sense of wonder? Der erste bemannte Flug zum Mars soll voraussichtlich in den 2030er- bis 2040er-Jahren stattfinden. Einige Unwägbarkeiten bestehen noch immer, und ein wesentliches Problem ist, wenn nicht nur das Sonnensystem, sondern auch benachbarte Sterne erreicht werden sollen, der Antrieb. In einer aktuellen Publikation des Raumfahrthistorikers Eugen Reichl, der auch lange Zeit in der Industrie arbeitete, wird zum Beispiel die Angst vor Kernfusionsantrieben genommen. Sonstige Entwicklungen gehen auch in Richtung Wasserstoffantrieb. Unterm Strich sind die aktuell verwendeten Antriebe aber für einen interstellaren Aufbruch für lange Strecken zu ineffizient, wenn Menschen mitreisen. In der frühen SF sind Menschen stets im Fokus der Handlung: Welche Chancen und Risiken eröffnen sich durch die Möglichkeit der (privaten) Raumfahrt? Wie erweitern wir die menschliche Zivilisation auf fremden Planeten?

    Prägend für die frühe US-amerikanische Science Fiction ist hierbei die Methodik, ihre bekannten Verhältnisse in fremden Umgebungen zu importieren und aus der Differenz das Lesevergnügen für SF-Leser:innen zu gewinnen. Ein Paradebeispiel hierfür wären Ray Bradburys Die Mars-Chroniken (1950), die schildern, wie eine US-Expedition auf dem Mars ankommt und Verhältnisse wie im mittleren Westen der Vereinigten Staaten vorfindet. Die Menschen scheinen immer das zu finden, was sie selbst sehnlich herbeiwünschen und suchen. Auch finden sich kaum detaillierte Beschreibungen der Raumschiffe und ihrer Funktionsweise. Das sollten erst später Autoren in der sogenannten Hard-SF umsetzen. In zeitgenössischen SF-Romanen zur Weltraumfahrt wie Der Marsianer von Andy Weir oder Amalthea von Neal Stephenson nehmen technologische Prozesse genau wie die psychische und physische Belastung der Astronauten eine wichtige Rolle in den Plots ein. Die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Marslandung hat trotz oder gerade wegen der realistischen Möglichkeit im ›real life‹ satirisches Potenzial. Vielleicht müsste man im Rückblick auf die Raumfahrtliteratur in der Science Fiction auch zwischen bewusster und unfreiwilliger Komik unterscheiden? Ein Meister des Stils wie Bradbury setzt die komischen Szenen sicher bewusst ein. Andere Werke wirken durch einseitige, möglicherweise auf Action fokussierte Szenarien unfreiwillig komisch, weil allzu irdische Vorstellungen in die »Kolonisierung« des Weltalls gelegt werden. Formal-technisch könnte eine Kolonie eine von der Erde abhängige Siedlung im Weltall bezeichnen, aber in der irdischen Geschichte stand das Streben nach Kolonien für eine ausbeuterische Unternehmung in ökonomischer, ökologischer, kultureller und politischer Sicht. Im aktuellen Diskurs der privaten Raumfahrt wird die Nachhaltigkeit vor allem auf weniger energieintensive Raketentreibstoffe gelegt, auch der 3-D-Druck ermöglicht eine möglichst passgenaue Fabrikation von Einzelteilen, ohne knappe Ressourcen verschwenden zu müssen. Inwiefern Nachhaltigkeit auch Ungerechtigkeiten zwischen den raumfahrenden und nicht-raumfahrenden Nationen ausräumen kann, steht auf einem anderen Blatt.

    In zeitgenössischen Raumfahrt-Romanen wie Amalthea von Neal Stephenson wird laut darüber nachgedacht, wer bei einer kosmischen Katastrophe von der Erde evakuiert werden kann. Und wieder einmal haben Milliardäre ein wichtiges Wort mitzureden. Dierk Spreen und Bernd Flessner untersuchen die Bedeutung der Finanzwelt für privat-raumfahrt-technologische Unternehmungen. Spreen stellt fest, dass in der Raumfahrt die Strukturen der großen Tech-Moderne des Silicon Valleys eingeführt werden. Unter anderem natürlich auch aus dem schlichten Grund, dass mehrere Tech-Milliardäre wie Jeff Bezos und Elon Musk aktiv die private Raumfahrt vorantreiben. Ihre Visionen wurden bereits in der frühen US-Science Fiction entworfen. Aber es geht hier nicht um das gängige Missverständnis, Science-Fiction-Literatur oder mehr noch die SF-Filme seien Zukunftsprognosen. Blaupausen wäre der passende Begriff; Eröffnung von Möglichkeitsräumen – und dennoch sollte die Frage nach dem kulturellen Impakt von SF-Literatur gestellt werden. Bereiten uns die Szenarien für ein Leben, mehr noch: ein Überleben im All vor? Ein Buch von Williamson hat den Titel Überleben (1984). Dort haben Menschen auf der Flucht von einer zerstörten Erde die Oort’sche Wolke erreicht und machen dort eine seltsame Entdeckung. Die Oort’sche Wolke besteht nach heutiger Auffassung aus Gesteins-, Staub- und Eiskörpern unterschiedlicher Größe, die bei der Entstehung des Sonnensystems und dem Zusammenschluss zu Planeten übrig geblieben sind. (Diese Formulierung stammt aus dem Wikipedia-Eintrag, und besser kann man es nicht zusammenfassen.) In dieser kosmischen Ansammlung von Ur-Teilchen lokalisiert Williamson in den Achtzigerjahren intelligente Wesen. Die flüchtenden Menschen werden mit neuen Herausforderungen konfrontiert, und nur wenn sie diese meistern, können sie so weit weg von ihrem Heimatplaneten überleben. Für ein SF-Szenario ist das selbstverständlich möglich. Die Space Opera brilliert nach wie vor, man denke an James Coreys Romanserie THE EXPANSE, die auch ziemlich erfolgreich als TV-Serie verfilmt wurde. Andere Autoren sind häufig mit Astronauten oder Astrophysikern beziehungsweise Raumfahrtingenieuren befreundet und legen daher darauf Wert, sich an den Diskussionen und Entwicklungen ihrer Freunde auf aktuellem Stand zu beteiligen. Und wäre es nicht reizvoll, mit dem Phantasiereichtum einer Schriftstellerin wie Mary Robinette Kowal, die gerade in der LADY ASTRONAUT-Romanreihe zu Astronautinnen ein nach wie vor aktuelles Problem der Raumfahrt anspricht, dieses mit spannenden Fragen zur Expansion unserer Horizonte verbindet, weiter zu fragen, ob wir wirklich schon so weit sind, in den Weltraum vorzustoßen? Geht das wie im Western, dass sich ausreichend draufgängerische Männer zusammenschließen und nun eben mit Hightech ausgerüstet in die Weiten des Universums vorstoßen? Die gute Version wäre dann, Pfadfinder ins All zu schießen. Aktuell haben sich zum Beispiel der Westen und Russland aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine entzweit, auch was die Raumfahrt angeht. Eine internationale Zusammenarbeit scheint dadurch derzeit erschwert. Wie weit können die Phantasien der frühen US-Science-Fiction realisiert werden?

    Edmond Hamilton, der vor allem für seine CAPTAIN FUTURE-Romane bekannt wurde, schrieb in den Fünfzigerjahren mehrere Romane, die als STAR KINGS-Reihe bezeichnet werden. Sie gelten als eine der ersten Space Operas, und die Faszination für die unendlichen Weiten des Weltraums durchzieht alle Romane der Reihe. Interessant ist der Ausgangspunkt des ersten Romans von Hamilton: Der Leser wird Zeuge, wie der US-Amerikaner John Gordon nach dem 2. Weltkrieg als Bomberpilot ins zivile Leben nach New York zurückkehrt, aber eine ungewisse Leere in sich verspürt, weil ihm das Adrenalin des Krieges fehlt. Bis er in den Nächten eine unbekannte Stimme hört. Er denkt zunächst, er sei verrückt geworden – angesichts des Krieges gar nicht so unwahrscheinlich –, doch Zarth-Arn, Prinz des Mid-Galactic Empires, belehrt ihn eines Besseren. Die Space Opera wurde bereits als wieder wichtiges Genre genannt. Klar ist, dass dieses Sub-Genre nicht eine möglichst realistische Spekulation zukünftiger Raumfahrtunternehmungen anstrebt, sondern das Fantasy-Genre mit dem Gedanken an weitreichende Imperien, Adelshäuser, Dynastien und Intrigen in das Weltall transportiert. Sicher kann solche Phantasie den Mut zum Aufbruch in einer Kapsel auf einer Trägerrakete beflügeln oder mögliche Gesellschaftsmodelle für Mond- und Marssiedlungen inspirieren, aber erst nach den letzten Apollomissionen sollte die SF-Literatur beginnen, realistischere Plots zu entwickeln.

    Der bereits erwähnte Williamson schrieb in den Achtzigern noch weiter an dem Thema, und 2015 erschienen bei Heyne seine Werke nochmals im E-Book-Format. Sein Roman Überleben thematisiert Probleme, die nach wie vor aktuell sind: Wer fliegt weiter als bis zum Mond und wer verhält sich wie im All, und vor allem, wer nimmt sich was? Der Blick wandert längst bis zum Orbit und weit darüber hinaus. »Betrachtet man das Space Age tatsächlich als langfristig wirksamen Transformationsprozess, so eröffnen, wie bereits erläutert, Vernes Mondromane diesen Megatrend, der zu einer historischen Kontinuität geworden ist und nicht 1972 endet, sondern sich einfach nur permanent wandelt und dabei andere kulturelle und soziale Facetten zeigt. Wir leben immer noch und auch weiterhin im Space Age, technologisch und ökonomisch, aber auch kulturell und gesellschaftlich.« (Flessner 2022: 159)

    LITERATUR

    Bradbury 1974 = Ray Bradbury: Die Mars-Chroniken, München: Heyne Verlag.

    Flessner 2022 = Bernd Flessner: »Destination Moon. Die Privatisierung der Raumfahrt in Science-Fiction und Realität«. In: Dierk Spreen und Bernd Flessner (Hg.): Die Raumfahrt der Gesellschaft. Wirtschaft und Kultur in New Space Age, Bielefeld: transcript [= Kulturen der Gesellschaft; Bd. 50], S. 125–177.

    Hamilton, Edmond: Star Kings (1949), Renaissance E Books 2010.

    Hamilton, Edmond: SOS – die Erde erkaltet (1972), Rastatt 1973: Erich Pabel Verlag.

    Heinlein, Robert: Farmer im All (1950), München 1970: Heyne Verlag.

    Heinlein, Robert: Ein Doppelleben im Kosmos (1956), München 1965: Heyne Verlag.

    Nebel, Florian M.: Die Besiedlung des Mondes. Technisch machbar. Finanziell profitabel. Logisch sinnvoll. (2017), Münster: Landwirtschaftsverlag Münster.

    Reichl, Eugen: Raumfahrt Geschichte. Die 100 wichtigsten Ereignisse, Stuttgart 2021: Motorbuch Verlag.

    Spreen, Dierk: »Raumfahrer-Ökonomien. Nutzen, Gewinn und Nachhaltigkeit in der Weltraumfahrt«. In: Dierk Spreen und Bernd Flessner (Hg.): Die Raumfahrt der Gesellschaft. Wirtschaft und Kultur in New Space Age, Bielefeld: transcript [= Kulturen der Gesellschaft; Bd. 50], S. 35–124.

    Williamson 1981 = Jack Williamson: Die Mondkinder (1972), München: Heyne Verlag.

    Williamson 2015 = Jack Williamson: Überleben (1984), München: Heyne Verlag.

    Judith C. Vogt

    Die Menschheit soll sich im All verwurzeln

    Die Raumfahrt in Octavia E. Butlers PARABLES- und Mary Robinette Kowals LADY ASTRONAUT-Reihe

    Unter welchen Umständen kann sich die Menschheit Raumfahrt »leisten«? Ist es ein Luxus, das All nicht nur mit Teleskopen, sondern mit Astronaut*innen zu erforschen, eine Notwendigkeit angesichts einer globalen Katastrophe oder beides? Sowohl Mary Robinette Kowals LADY ASTRONAUT-Reihe als auch Octavia E. Butlers zweiteilige PARABLE-Reihe (die auf weitere, auf einem anderen Planeten spielende Teile angelegt war) führen uns vor Augen, was dem Aufbruch ins All im Weg steht – und wie er trotzdem gelingen kann. Nicht für einzelne Nationen, nicht für einzelne Männer – sondern für die Menschheit.

    Nicht weil es einfach ist, sondern weil es schwer ist

    Eine Gemeinsamkeit beider Reihen ist, dass der Aufbruch ins All nicht nur ein Akt ist, bei dem unterschiedliche technologische, naturwissenschaftliche Disziplinen

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