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Hellboy 2: Eine offene Rechnung
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eBook486 Seiten6 Stunden

Hellboy 2: Eine offene Rechnung

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Über dieses E-Book

Frank Darabont, bekennender Hellboy-Fan unter Hollywoods Filmemachern, deutet das Motto des zweiten Bandes von Hellboy-Geschichten bereits im Vorwort an: Man reist nicht, um anzukommen, man reist, um unterwegs zu sein. Fast ausnahmslos große anglo-amerikanische Horror-Autoren, darunter David J. Schow, Tom Piccirilli und Ray Garton, entführen uns in Hellboys Welt. Ihnen ist es zu verdanken, dass Hellboys Sprüche so gut passen wie die "rechte Faust des Schicksals" aufs Auge der Ungeheuer ? und zwar immer und überall.
SpracheDeutsch
HerausgeberGolkonda Verlag
Erscheinungsdatum5. Juli 2018
ISBN9783944720500
Hellboy 2: Eine offene Rechnung

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    Buchvorschau

    Hellboy 2 - Golkonda Verlag

    Impressum

    Die amerikanische Erstausgabe erschien 2004 unter dem Titel Hellboy: Odder Jobs bei Dark Horse Comics, LLC

    Mike Richardson – President and Publisher

    Scott Allie – Consulting Editor

    Text and Illustrations © 2004, 2018 Mike Mignola. All other material, unless otherwise specified © 2004, 2018 Dark Horse Comics, LLC. Hellboy™, Lobster Johnson™, B.P.R.D.™, Abe Sapien™, Liz Sherman™, and all related characters are trademarks of Mike Mignola. Newford and all (non-Hellboy) associated Newford characters and settings are © and ™ Charles De Lint. Dark Horse Books® is a trademark of Dark Horse Comics, LLC. All rights reserved.

    Deutsch von

    molosovsky [Seite 15–194] und

    Verena Hacker [Seite 195–357]

    Die Einleitung übersetzte André Taggeselle

    Deutsche Erstausgabe

    © 2018 by Golkonda Verlag GmbH, München • Berlin

    Mit freundlicher Genehmigung von Dark Horse Comics, Inc.

    Alle Rechte vorbehalten.

    Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.

    Lektorat: André Taggeselle, Melanie Wylutzki

    Korrektorat: Clemens Voigt

    Innenillustrationen: Mike Mignola

    Innengestaltung (Konzept): Lani Schreibstein, Lia Ribacchi

    Gestaltung: s.BENeš [www.benswerk.wordpress.com]

    unter Verwendung eines Motivs von Mike Mignola

    E-Book-Erstellung: Hardy Kettlitz

    ISBN 978-3-942396-99-8 (Buch)

    ISBN 978-3-944720-50-0 (E-Book)

    www.golkonda-verlag.de

    Inhalt

    Impressum

    Inhalt

    EINFÜHRUNG

    Frank Darabont

    DIE BRUDERSCHAFT DES COLTS

    Frank Darabont

    DER VOR DEM ZAUBRER FLIEHT

    Peter Crowther

    VERSUNKEN IN DER FLUT

    Scott Allie

    NEWFORD-SPUK-SCHWADRON

    Charles de Lint

    WASSERMUSIK

    David J. Schow

    DAS VAMPIR-MANDAT

    James L. Cambias

    EINE OFFENE RECHNUNG

    Ed Gorman & Richard Dean Starr

    SANKT HELLBOY

    Tom Piccirilli

    SCHLAFLOS IN MANHATTAN

    Nancy Kilpatrick

    DIE WUNSCHHUNDE

    Sharyn McCrumb

    GNADENAKT

    Thomas E. Sniegoski

    DER DREIMAL BENANNTE HÜGEL

    Graham Joyce

    AUS BLUT, AUS LEHM

    James A. Moore

    EIN REICHES UND ERFÜLLTES LEBEN

    Ray Garton

    DIE GLASSTRASSE

    Tim Lebbon

    LECKERE ZÄHNE

    Guillermo del Toro & Matthew Robbins

    Autorinnen und Autoren

    Phantastik und Spannung im Golkonda Verlag

    EINFÜHRUNG

    Frank Darabont

    Jedes Ziel hat eine Reise, jede Endstation einen Ausgangspunkt. Eine offene Rechnung – von dem ich hoffe, dass es Ihnen Vergnügen bereitet, und an dem ich mit Begeisterung mitgearbeitet habe – ist das Ergebnis eines scheinbar harmlosen Gesprächs, das vor einigen Jahren in einem legendären Establishment in L. A. stattfand, welches leider nicht mehr unter uns weilt. Der Ort hieß Dave’s Laser Video im San Fernando Valley (ungefähr zehn Minuten hinter den Hollywood Hills gelegen), und dort wurde der Grundstein für diese Hellboy-Anthologie gelegt. Wenn Ihnen das Buch gefällt, behalten sie im Hinterkopf, dass Sie es einem Kerl namens Paul Prischman zu verdanken haben.

    Paul wer, fragen Sie? Dazu komme ich gleich, aber erstmal:

    Was kann man über Dave’s sagen? Das ist, als würde man einen geliebten Freund, der verstorben ist, lobpreisen und betrauern. Es war Dave’s, Brüder und Schwestern (sagt Amen!), das Mekka für Filmliebhaber im ganzen Tal rings um L. A. Damals, in den finsteren alten Tagen, als das VHS-Format die Welt beherrschte, war Dave’s einer der wenigen Orte in dieser Stadt, die sich auf Laserdiscs spezialisiert hatten – erinnern Sie sich an diese riesigen glänzenden schallplattengroßen Vorläufer der DVDs? Vielleicht nicht – die meisten Leute bekamen sie niemals zu Gesicht, wussten nicht mal, dass es sie gab, aber Filmverrückte wie ich lebten für sie. Die Ton- und Bildqualität konnte es fast mit heutigen DVDs aufnehmen, und obwohl die Laserdisc eigentlich nie bis zu den Mainstream-Kunden durchgesickert ist (dafür hätte Ihre Omi sie dutzendweise bei Walmart kaufen und unter den Weihnachtsbaum legen müssen), hatte sie genug hingebungsvolle Anhänger, dass sie ein Jahrzehnt oder länger als Nischenprodukt gedieh. Ironischerweise war es die Ankunft des neuen Laserformats, der DVD, die den Untergang von Dave’s Laser Video herbeiführte. Als die Welt den Wechsel vollzog, gerieten Laserdiscs von heute auf morgen in Vergessenheit. Dave’s machte diesen Wechsel ins DVD-Geschäft mutig mit und hielt noch ein paar Jahre durch, aber kleinere Gewinnspannen und eine immer allgemeinere Verfügbarkeit (verdammt, plötzlich konnte man DVDs im Supermarkt kaufen) machten ihm schließlich den Garaus.

    Ich war einer der frühesten Fans von Laserdiscs und somit einer von Dave’s frühesten Kunden. Ich folgte ihnen über drei Standortwechsel und die Umstellung auf DVDs hinweg, und es verging keine Woche, in der ich nicht hinging (abgesehen von den seltenen Gelegenheiten, an denen ich verreiste, um bei einem Film Regie zu führen). Tatsächlich war ein Besuch bei Dave’s immer ein phantastischer Vorwand, um aus dem Haus zu kommen und weg von dem Abgabetermin für welches Drehbuch auch immer, das momentan an mir zehrte; eine Möglichkeit, etwas Tageslicht zu sehen und einen klaren Kopf zu bekommen. Und aufgepasst, denn jetzt folgt das, auf was es wirklich ankommt: Es ist nicht so sehr das Rausgehen und Filme kaufen, das ich vermisse (das kann ich überall tun); es ist der gesellschaftliche Aspekt davon. Dave’s war der perfekte Tante-Emma-Laden – nicht das anonyme, gigantische Megaketten-Ding wie Tower oder Virgin, sondern eher wie die Bar in Cheers. Du gingst rein, und alle kannten deinen Namen. Die Mitarbeiter waren nicht irgendwelche gepiercten und tätowierten Zombies, wie man sie in den großen Kaufhäusern trifft, sie waren wie Familie.

    Einfach ausgedrückt, jeder Besuch bei Dave’s war ein Besuch bei Freunden – man plauderte, tauschte Geschichten aus, besprach Filme oder Bücher, lachte, hing rum. Die Leute, die an diesen Ladentischen arbeiteten, waren ein besonders belesener und gastfreundlicher Haufen, und ich freute mich immer, sie zu sehen. Und fast zwangsläufig kamen andere Stammkunden von Dave’s hereingeschlendert wie die schrulligen Nachbarn in irgendeiner Sitcom – angesichts unserer hektischen Terminkalender ist es ein lustiges Detail, dass ich meinen Filmemacher-Kumpel Mick Garris öfter bei Dave’s zu sehen bekam als im täglichen Leben (sein Haus befindet sich von dort, wo Dave’s früher war, gerade die Straße hinauf, und er schaute fast jeden Tag nach seiner Laufrunde vorbei). Es war dort, dass ich zum ersten Mal Guillermo del Toro traf, mit dem ich inzwischen gut befreundet bin (du kannst dich unmöglich nicht mit Guillermo anfreunden, so umgänglich und nett, wie er ist). Eine meiner schönsten Erinnerungen an Dave’s war der Abend, an dem ich dort eine Signierstunde anlässlich der DVD-Veröffentlichung von The Green Mile gab – was zwei Stunden dauern sollte, aber es tauchten so viele Leute auf, dass ich sieben Stunden da war, und der Laden schloss nicht vor ein Uhr nachts. (Fragen Sie sich, was irgendetwas davon mit Hellboy zu tun hat? Geduld – es ist eine Reise, schon vergessen?)

    Ja, verdammt nochmal, ich vermisse Dave’s. Los Angeles ist auch so schon unpersönlich genug, und als Dave’s pleiteging, ist das noch viel schlimmer geworden. Ich vermisse die Leute, die dort arbeiteten – Keven, Hobe, Graham (ein sagenhaft attraktiver schwuler Mann, den wir an AIDS verloren haben), Jenni, Drew (alias Moriarty auf Ain’t it Cool News, der seitdem zu einer aufkeimenden Drehbuchautoren-Karriere übergegangen ist), Carl (der übercoole und lustige schwarze Kerl, der sich immer in eine Sechziger-Jahre-Lederjacke im Black-Panther-Stil kleidete und mich an Shaft erinnerte) … also, ich werde nicht alle nennen (Entschuldigung an jene, die ich ausgelassen habe), aber der letzte Name, den ich Ihnen entgegenschleudere, ist Paul Prischman, der Typ, den ich zu Beginn dieser Einführung als Verursacher dieses Buches erwähnt habe. (Ah, jetzt aber, sehen Sie? Die Reise ergibt allmählich einen Sinn.)

    Paul ist ein Künstler, und ein verdammt guter. Eines Tages betrat ich Dave’s, nur um von Paul die aufregende Neuigkeit zu erfahren, dass er soeben das Engagement erhalten hatte, für Guillermo Storyboard-Skizzen für die Vorproduktion des ersten Hellboy-Films zu zeichnen. Da das war, bevor ich Guillermo überhaupt getroffen hatte, fragte mich Paul, ob ich je irgendeinen der Hellboy-Comics gelesen hätte. Die Unterhaltung ging etwa so:

    ICH: Nein, hab ich nicht. Sind das die mit dem riesigen roten Kerl im Trenchcoat mit der Schutzbrille auf seiner Stirn?

    PAUL (höflich): Ähm, eigentlich sind das abgesägte Hörner. Er stammt aus der Hölle.

    ICH: Oh. Ich dachte, das wär eine Schutzbrille.

    PAUL (schmerzhaft höflich): Nein. Hörner.

    ICH: Aha. Ich verstehe.

    PAUL: Du solltest sie wirklich lesen. Sie sind einfach spitze; besser erzählt heutzutage kein Comic-Künstler. Hey, ich bring einen meiner Sammelbände her – wenn du das nächste Mal da bist, kannst du ihn dir ausleihen.

    Paul hielt sein Wort – bei meinem nächsten Besuch überreichte er mir sein Exemplar von Seed of Destruction. Ich nahm es mit nach Hause, las es in jener Nacht und verliebte mich prompt in alles, was es zu lieben gibt an Hellboy und seiner Welt. Ich meine, was gibt es denn nicht zu lieben? Übernatürliche Verschwörungen mit Nazis? Eine Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen? Ein roter Riesendämon mit einem trockenen Sinn für Humor, der so coole Sprüche klopft wie Philipp Marlowe? Also, das sind bloß die einzelnen Bestandteile, aber offensichtlich ist die Summe viel größer. Mike Mignola hat etwas Einzigartiges erschaffen, das nicht nur der Kunstform der Comics zur Ehre gereicht, sondern sie oft transzendiert. Und obwohl Mike selbst weiterhin behauptet, dass er »kein richtiger Schriftsteller« ist (und das sogar zu glauben scheint), sage ich ihm weiterhin, dass er einer ist – nicht einfach ein Schriftsteller, sondern ein hammermäßiger. Hammermäßig in dem Sinne, dass er ein großartiger Geschichtenerzähler ist. Hammermäßig in dem Sinne, dass er ein Kerl ist, der mich mit der simpelsten Zeile eines Dialogs zum Lachen bringen kann und mir anschließend ganz überraschend Angst macht oder mich höllisch rührt. Und er tut all das schlicht mit Feder und Tinte und der nicht ganz so schlichten Kraft seiner Worte und Ideen. Wenn es nach mir geht, ist jeder, der eine Geschichte mit dem Humor, dem Gefühl und der klassischen Stimmung von »The Corpse« (die mich an den frühen Ray Bradbury erinnert) zustande bringt, ein großartiger Schriftsteller. Jeder, der dich mit dem Charme und der Schrulligkeit von »Pancakes« verblüffen kann – und das auf läppischen zwei Seiten! –, ist ein Geschichtenerzähler von seltener Kraft.

    Okay, eigentlich nehme ich an, dass ich Ihnen gar nicht erzählen muss, wie großartig Mignola ist – wenn Sie dieses Buch gekauft haben, renne ich offene Türen ein. Worauf es ankommt ist: Paul hat mich zu Hellboy gebracht, und ich wurde ein fanatischer Fan. Mein Büro, in dem ich schreibe, beheimatet nicht weniger als sechs Hellboy-Figuren, die mir Gesellschaft leisten, und zwar alles, von Randy Bowens großartigen Skulpturen bis zu diesem albernen Wackelkopf. Ich habe mehrere Originalseiten von Mignola erworben, die stolz bei mir zu Hause hängen. Ich habe jedes Hellboy-Buch gekauft, das es zu kaufen gab, jede Zeile gelesen, die es zu lesen gab (mehr als einmal). Und eine der wirklich erfreulichen Überraschungen auf meiner Reise in Mignolas Welt war, dass ich auf die exzellente Kurzgeschichtensammlung Odd Jobs, herausgegeben von Chris Golden, gestoßen bin.

    Mann, ich habe diese erste Anthologie geliebt. Da steckten jede Menge verdammt gute Geschichten drin. Ich wollte unbedingt einen Folgeband lesen, was uns zur letzten Etappe der Reise bringt:

    Kurz nachdem ich der größte Hellboy-Fan der Welt geworden war (ich weiß, Sie denken, Sie sind das, aber Sie irren sich), gelang es mir, die E-Mail-Adresse von Dark-Horse-Herausgeber Scott Allie aus Paul Prischman herauszuquetschen. Daraufhin schaffte ich es, von Scott die E-Mail-Adresse von Mike Mignola zu erbetteln und zu erschmeicheln. Daraufhin schickte ich einen schwärmerischen Fanbrief an Mike selbst, der sehr freundlich antwortete – wie sich herausstellte, findet er meine Arbeiten auch nicht uninteressant, was sich für mich großartig anfühlt. Eine E-Mail-Freundschaft folgte, die in der großen Freude gipfelte, Mike auf der letztjährigen San Diego Comic-Con persönlich zu treffen … und nur damit Sie Bescheid wissen, je besser ich den Typen kennenlerne, desto mehr mag ich ihn. Er ist ein wunderbarer und witziger Mensch, und er besitzt keinen Filter – was auch immer er denkt, neigt dazu, aus seinem Mund zu purzeln, ohne den Vorteil der Zensur, was so ziemlich jeden vor Lachen auf dem Boden herumkugeln lässt – sehr zu Mikes Verwirrung.

    Obwohl eine zweite Anthologie nach Odd Jobs nicht mein Motiv war, mit Mike Kontakt aufzunehmen, hatte ich damals mit der Idee gespielt, eine Kurzgeschichte zu schreiben, die auf einem alten Fernsehdrehbuch von mir basierte. Und je mehr ich darüber nachdachte, diese Geschichte zu erzählen, desto mehr begeisterte es mich, Hellboy darin vorkommen zu lassen. Also schickte ich Mike eines Tages eine E-Mail und fragte ihn, ob es irgendwelche Pläne gäbe, jemals einen Folgeband herauszubringen. Er erzählte mir, dass sie sich ein paar ins Leere laufende Gedanken dazu gemacht hätten, dass es jedoch bestenfalls eine entfernte Möglichkeit wäre – nichts Konkretes sei im Gange oder in absehbarer Zeit wahrscheinlich. Ich sagte ihm, dass er mir Bescheid geben solle, falls das Projekt wirklich jemals anlaufen würde, denn vielleicht könnte ich ja eine Geschichte beisteuern. Er sagte okay – und dachte wahrscheinlich, dass es sich damit erledigt hatte.

    Dann tat ich etwas Hinterhältiges – ich legte los und schrieb die Geschichte trotzdem, und mailte sie Mike zu seinem Geburtstag. Ich teilte ihm mit, er solle sie als seine erste offizielle Einsendung für das Buch betrachten, und schlug vor, dass Odder Jobs ein toller Titel sein könnte. Mike mochte meine Geschichte sehr und schickte sie weiter an Chris Golden. Chris, Mike und Scott Allie ließen ihre Köpfe gegeneinander krachen und entschieden, dass dies ein klasse Vorwand sein könnte, um am Ende doch eine zweite Anthologie ins Rollen zu bringen. Und das Wort ging hinaus nach nah und fern, und siehe!, all diese hervorragenden Schriftsteller kamen herbeigestürmt, dem Ruf zu folgen. (Chris ist der Boss, dem Dank dafür gebührt, dass die meisten dieser Leute hier sind, aber ich werde mir das Verdienst für David J. Schows schätzenswerte Präsenz anrechnen – Dave ist einer meiner besten Freunde, wie ein Bruder, also rief ich ihn an und sagte ihm mehr oder weniger, dass er keine Wahl habe. Er zeigte sich der Situation gewachsen und trat durch einen feinen Stil hervor, gesegnet sei sein dunkles und nachgiebiges kleines Herz.)

    So kam Odder Jobs zustande, vom Ausgangspunkt bis zur Endstation –, und, wie ich bereits erklärt habe, es begann alles an einem Tag in Dave’s Laser Video, weil Paul Prischman seine Fanbegeisterung für eine wirklich ungewöhnliche Schöpfung namens Hellboy mit mir teilte, von einem wirklich ungewöhnlichen Schöpfer namens Mike Mignola. Ich danke Paul, dass er mich auf etwas gebracht hat, das eine echte Freude in meinem Leben geworden ist – und ich bedanke mich noch mehr bei ihm für die Freundschaften mit Mike und Guillermo, die sich ergeben haben. Das sind echt Wahnsinns-Geschenke, Paul.

    Was meine Geschichte betrifft, »The Brotherhood of the Gun« (dt. »Die Bruderschaft des Colts«), so hat sie mir ermöglicht, die Freude am Schreiben wiederzuentdecken, vor allem am Schreiben von etwas, das nichts mit dem Druck, dem Stress und den Mega-Dollars einer Studioproduktion zu tun hat, am Schreiben aus dem puren, simplen Vergnügen am Schreiben heraus. Ich hoffe, Sie genießen das Lesen halb so sehr wie ich es genoss, die Geschichte zu Papier zu bringen, denn ich hätte nicht mehr Spaß haben können, fröhlich in Hellboys Welt zu schwelgen. Und nun – weil so viele wunderbare Autoren gewillt waren, sich zu beteiligen und sich an dieser Anthologie zu versuchen –, dürfen wir alle, meine lieben Hellboy-Fanatiker, eine Weile fröhlich in der Welt des roten Teufels schwelgen. Immer ein willkommener Ort für einen Besuch, nicht wahr?

    Viel Spaß mit den Geschichten.

    Frank Darabont

    Los Angeles, California

    DIE BRUDERSCHAFT DES COLTS

    Frank Darabont

    Sie erschienen wie ein Trugbild in der Hochofenhitze, schimmernd und sich in den Blick schlängelnd wie ein fieberhafter Traum. Die zwei Reiter trotteten über die weitläufigen Ödlande der Hochwüste, bei jedem Schritt geschlagen von einer Sonne, die an einem wolkenlosen, von Farben scheinbar leergesogenen Himmel stand, während ein Geschworenengericht wachsamer Bussarde hoch oben auf den Aufwinden segelte.

    An der Spitze ritt Billy Quintaine, die Augen auf den Horizont vor ihnen gerichtet. Er war kein Mann, der jemals über viel gelacht hatte, und das zeigte sich in seinem Gesicht. Zwei Zwillings-Frontier-Colts, abgewetzt, aber von ihrem Besitzer mit der Hingabe eines Meisteruhrmachers gepflegt, gingen in einem zusammengehörigen Paar geölter Halfter an seinen Hüften.

    Die Nachhut bildete Harley Tyrell, dessen Pferd gut vier Meter hinter Billys am Ende eines Seiles folgte. Harley schwankte im Sattel und hielt sich eine eiternde, ein paar Tage alte Schussverletzung an seinem Bauch. Geronnenes Blut hatte, braun wie ein alter Scheunenanstrich, die Vorderseite seines Hemds steif werden lassen. Er schien darauf hinabzustarren, wobei ihm das Kinn auf der Brust wippte. Eine Handvoll Fliegen summten und krabbelten dort, aber Harley bemerkte sie nicht. Er hatte in den letzten paar Tagen nicht viel mitbekommen.

    Sein Kopf hob sich mit einem Ruck. Er starrte zur Sonne hinauf, sein Geist zwischen Schärfe und Unschärfe changierend, seine Stimme das Geräusch von trockenen Nesseln im heißen Wind: »Billy? Billy, biste da?«

    Billy sah sich nicht um: »Jepp, Harley. Immer noch.«

    »Die dürfen uns nicht kriegen, Billy!«

    »Wir haben das Aufgebot vor drei Tagen abgehängt. Wahrscheinlich jagen sie noch Staubteufel in den Territorien.«

    Harley stieß einen Schrei aus, riss den Kopf herum und erblickte Phantome. »Pass auf, Billy! Sie sind uns auf den Fersen! Ich höre Hufschläge! Ich sehe Staub am Horizont! Schau doch, dort!«

    Billy wandte sich nicht um. Er wusste, wenn er es tat, würde er nichts als Wüste und noch mehr gottverdammte Wüste sehen. Harleys Verstand glitt wieder davon, sein Kinn sackte ihm wieder auf die Brust. Es war eine Gnade für beide Männer.

    Sie waren noch keine hundert Meter weitergeritten, als Billy Harley aus dem Sattel rutschen und seinen Körper auf den harten Boden aufschlagen hörte. Billy blickte zurück, ließ sein Pferd anhalten. Stieg ab und ging dorthin zurück, wo Harley am Boden lag, Arme und Beine von sich gestreckt. Er starrte fieberhaft in den Himmel, sah jedoch fast nichts.

    Er starb. Sinnlos, des Guten zu viel zu tun, dachte Billy. Ein Mann, der so übel in den Bauch getroffen worden war wie Harley Tyrell, hatte sowieso nie wirklich eine Chance gehabt. Billy hatte den sterbenden Mann weniger aus der Hoffnung mitgenommen, einen Arzt zu finden, sondern vielmehr aus schlichter Loyalität, wie um der alten Zeiten willen. Man ließ einen verletzten Mann nicht zurück, solange er noch im Sattel sitzen konnte, wenigstens nicht, wenn es sich vermeiden ließ – so sah Billy die Sache. Aber es war an der Zeit einzusehen, dass Harleys Tage als Reiter gezählt waren. Ein kurzes Aufflackern des Bedauerns huschte über Billys Gesicht.

    »O Herr im Himmel, Maria und Jesus«, flüsterte Harley, wobei ihm die Worte von den aufgeplatzten Lippen liefen. »Es tut weh. Es tut sooo furchtbar weeeeehh. Wie Feeeeeuuuueeer …«

    Mit einem Knarzen von Leder zog Billy einen Colt aus seinem Halfter. Er zielte mit der Waffe nach unten zwischen Harleys Augen und spannte den Hahn mit einem weichen, öligen Klicken. Irgendwo über sich hörte er einen Bussard kreischen.

    Harley schien genau in diesem Augenblick zu Verstand zu kommen, vorübergehend jedenfalls. Sein Blick fand Billys, und er schenkte ihm ein kindliches, vertrauensvolles Lächeln.

    »Billy?«

    Billy spürte, wie sich der Colt in seiner Hand aufbäumte, hörte den Donnerschlag in seinen Ohren, und für einen kurzen Moment war die ganze Welt eine weiße Flamme.

    Sie fanden das Grab ein paar Stunden später, gerade als die Sonne den Horizont küsste und der Wüste die Farbe von Blut verlieh. Viel zu sehen gab es nicht, nur einen rechteckigen Haufen Felsen, auf dem ein Schwarm Bussarde sich kabbelte und ärgerte und neugierig die Felsen beäugte. Die Markierung selbst war nicht mehr als ein in den Boden gerammter Stock, von dem ein verwitterter Waffengurt hing. Die Kugeln waren aus ihren Schlaufen entfernt worden, aber die Feuerwaffe – ein zerkratzter Navy Colt mit angeschlagenem hölzernem Griff – steckte immer noch im Halfter.

    McMurdo feuerte aus seinem Sattel und verwandelte den Kopf eines Bussards zu Brei. Der plumpste in einem Geysir aus Federn vornüber, purzelte vom Grab und jagte seine Kollegen schreiend und in verdrießlichem Zorn himmelwärts. McMurdo stieg von seinem Pferd und schritt voran, das Winchester-Repetiergewehr in seine Armbeuge geschmiegt, sein Staubmantel hinter ihm emporwogend wie schwarze Flügel. Die Luft kühlte bereits ab, obwohl er immer noch die Hitze des schwindenden Tages spürte, die aus dem öden, rissigen Boden hervorströmte. Er war langgliedrig mit einer Neigung zur Hagerkeit, sein Gesicht so dünn und ausgehöhlt wie Trockenfleisch, sein Haar zurückgebunden zu einem Pferdeschwanz. Er trug Stiefel mit silbernen Spitzen und mexikanischen Sporen, eine Halskette aus Würfelknochen und das Abzeichen eines Texas Rangers über dem Herzen.

    Er fegte sich den Hut vom Kopf und hockte sich ans Grab; nichts entging seinen scharfen Augen. Wie er da hockte, erinnerte er die anderen Männer an eine Spinne. Dürr und knochig wie er war, schien es unmöglich, dieses Bild nicht vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen.

    Scorby stieg ab und tauchte hinter ihm auf, wartete in einem respektvollen Abstand. Bei McMurdo blieb man immer in einem respektvollen Abstand, nicht weil es jemals verlangt wurde, sondern aus schlichtem Instinkt heraus.

    »Harley Tyrell, in Frieden hier ruhe«, murmelte McMurdo, »der, gerade aus dem Leben geschieden, direkt in die Hölle fuhr.« Er warf Scorby einen Blick zu und kicherte. »Na, verdammt soll ich sein, wenn ich kein Dichter bin.«

    Scorby verzog keine Miene. McMurdo machte ständig kleine Scherze und Reime wie diese, aber aus irgendeinem Grund schienen sie bei ihm nie besonders komisch zu sein.

    »Woher weißte, dass er es ist?«

    McMurdos Blick glitt zurück zum Grab. »Die Initialen auf der Knarre. Da am Griff. Buddel ihn aus, wenn du mir nicht glaubst.«

    McMurdo spürte etwas Unausgesprochenes. Er sah erneut hoch zu Scorbys Gesicht und erkannte einen Ausdruck darin, der ihm nicht besonders behagte. »Hast du etwas zu sagen? Dann sag es.«

    »Also, Mr McMurdo … die Sache ist die … wir sind jetzt über eine Woche dabei. Die Jungs sind hundemüde. Überlegen umzukehren.«

    McMurdo wog dies ab, blickte zu den anderen. Etwa zwei Dutzend gute Männer saßen rittlings auf ihren erschöpften Pferden, beobachteten ihn, warteten auf eine Reaktion. Er spuckte aus, mehr um den Staub aus seinem Hals zu kriegen als aus Verachtung, aber er wusste, sie würden es als Verachtung auffassen, und das war gut so.

    »Dieses Grab ist erst Stunden alt. Ihr Übrigen könnt aufgeben, wenn ihr wollt. Was mich angeht, ich folge Quintaine.«

    McMurdo erhob sich und eilte an Scorby vorbei. Stieg auf und gab seinem Pferd die Sporen, sich nur allzu bewusst, dass die Blicke der Männer auf ihn geheftet waren.

    Am nächsten Tag entdeckte Billy einen kleinen Friedhof auf dem Gipfel eines niedrigen Hügels. Nichts Besonderes, nur ein Stiefelhügel, aber er war umgeben von einem kleinen Lattenzaun und das einzige Anzeichen von Zivilisation, das er gesehen hatte, seit er und Harley vor zehn Tagen übereilt aus Danielsville losgeritten waren, wobei die Kugeln an ihren Ohren vorbeipfiffen wie Wespen. Er ließ sein Pferd langsam den Hügel hinaufgaloppieren, und in seiner Kehle brannte zum ersten Mal seit Tagen ein winziger Hauch von Hoffnung. Harleys reiterloses Pferd lief an der Leine hinterher ihm her.

    Sein Herz machte einen leichten Satz, als er die Steigung erklomm. Da war eine Stadt auf der anderen Seite, fast in Rufweite. Sie bot keinen tollen Anblick, ein hoffnungslos aussehender Ort, von Staub und Hitze erdrückt. Wenn Gott in die Wüste kackte, würde das wahrscheinlich ziemlich genau so aussehen. Aber, verflucht nochmal, wenn das nicht die Rettung war! Billy blickte auf den winzigen Friedhof und erlaubte sich ein müdes Lächeln. »Macht euch nichts draus, Jungs, gammelt einfach weiter vor euch hin. Noch ist’s nicht meine Zeit.« Er stieß seinem Pferd die Absätze in die Rippen und hielt auf die Stadt zu.

    Ein träges, metallisches Klank-Klank-Klank begrüßte ihn, als er die einzige Durchgangsstraße der Stadt heraufkam. Jemand, der ein Hufeisen bearbeitete. Von den Gebäuden auf beiden Seiten der Straße trafen ihn die starrenden Blicke vereinzelter Stadtbewohner, die zusahen, wie Billy angeritten kam. Ein alter Mann, der im Schatten eines Friseurladens in einem Schaukelstuhl saß, nickte ihm zu. Einige Kinder, die lustlos im Dreck spielten, hielten inne, um zu gaffen. Ein knochiger alter Hund hockte sich mitten auf der Straße hin und begrüßte ihn mit einem Spritzer Pisse, nur der Förmlichkeit halber.

    Er folgte dem müden Klirren zur Schmiede und stieg ab. Das Geräusch verstummte, und der Schmied spähte nach draußen, blinzelte ins Tageslicht.

    »Verpflegung und Wasser für eine Nacht«, sagte Billy.

    Der Mann nickte und wischte sich die Hände ab. Billy grub eine Münze aus seiner Tasche und schnippte sie ihm zu. Der Schmied prüfte sie mit einem Grunzen, war anscheinend zufrieden, warf dann den Pferden einen leeren Blick zu. »Was ist mit dem anderen Reiter passiert?«

    Billy setzte eine Miene auf, die dem Mann das Mark gefrieren ließ. Der Schmied schrak zurück – er hatte zu spät begriffen, dass man die Nase nicht in die Angelegenheiten eines Fremden steckte. »Na, mir solls egal sein«, murmelte er. »Ich werde mich gut um Ihre Tiere kümmern, das werd ich bestimmt.«

    Billy ließ ihn kommentarlos stehen und stapfte über die Straße zum Saloon. Er betrat den Bohlenweg und war ein paar Schritte davon entfernt einzutreten, als eine Stimme ihn mitten im Schritt erstarren ließ.

    »Billy! Billy Quintaine!«

    Billy wandte sich um. Ein Mann so dürr wie eine Peitsche stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite, im kargen Schatten eines Gebäudes an die Wand gelehnt. Er trug Stiefel mit silbernen Spitzen und eine Kette aus Würfelknochen um den Hals. Sie standen für lange Sekunden da und sahen einander unter schweren Lidern hervor an. Sie waren beide vom selben Schlag und wussten das auf einen Blick, ohne Worte. Es würde kein Parlieren zwischen ihnen geben, keine Frage von Verhaftung oder Aufgabe, nichts von diesem höflichen Gewäsch. Der dünne Mann löste sich von der Wand und bewegte sich auf die Straße, den Staubmantel zurückgeschlagen und in der Brise flatternd, die Hand über dem Halfter schwebend.

    »Ich fordere dich heraus, Quintaine!«

    Billy trat von den Bohlen herunter und schritt im Halbkreis auf die Straße, bezog Stellung. Die Sonne schien direkt über ihren Köpfen und keinem der Männer in die Augen, er wusste also, dass die Voraussetzungen für beide weitgehend gleich waren. Er behielt seinen Widersacher im Auge, aber aus den Augenwinkeln stellte er fest, dass die Stadtbewohner in Deckung hasteten.

    »Du hast mich also verfolgt?«

    »Quer durch den Staat.«

    »Was ein Mann alles auf sich nimmt, um sich umbringen zu lassen.« Billy blieb stehen, stand dem anderen in einer Entfernung von etwa vierzig Schritten gegenüber.

    »Hast du einen Namen?«

    »McMurdo.«

    »McMurdo.« Billy kannte den Namen, hatte Respekt vor ihm. »Mit Vornamen Tom, nicht wahr? Texas Ranger. Hab gehört, du bist der Beste, den es gibt.«

    McMurdo holte langsam Luft. »Muss dich mitnehmen, Billy. Du entscheidest, wie.«

    Billy nickte, spreizte die Füße ein wenig, fand seine Haltung. Die Finger gekrümmt, nah an seinen Colts.

    »Na dann, Ranger … zieh.«

    Die Revolverhelden standen so starr wie Statuen da, und ganze Äonen vergingen im Zeitraum bloßer Herzschläge. Ein heißer Wind aus der Hochwüste blies Staub um ihre Stiefel. Ein Steppenläufer rollte vorüber.

    Sie griffen nach ihren Revolvern, beide Männer zogen wie geölte Blitze.

    Billy spürte, wie sich der Colt in seiner Hand aufbäumte, hörte den Donnerschlag in seinen Ohren, und für einen kurzen Moment war die ganze Welt eine weiße Flamme.

    Billy betrat den Saloon, und der Nachhall der Revolverschüsse klang ihm noch in den Ohren. Ihm war schwindlig, und er fühlte sich seltsam, ohne Zweifel die Folge der vielen Tage in der Hitze. Er bewegte den Kiefer, um sein Gehör freizubekommen, und wartete darauf, dass seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnten. Der Ort war düster, sah man von dem trüben Tageslicht ab, das durch die schmutzigen Fenster hereindrang. Dutzende schemenhafter Gestalten tranken und spielten Karten, um kleine runde Holztische geschart, die sich nach hinten in die schummrigen Tiefen des Raumes erstreckten. Billy war überrascht, so viele Stammkunden vorzufinden, und fragte sich, ob dies nicht die Männer sein mochten, die mit McMurdo geritten waren. Nun, dachte er, wenn sie es waren, waren sie sicherlich eingeschüchtert, wenn sie erfuhren, dass ihr Anführer mausetot draußen in der Mittagssonne lag, mit einem sprachlosen Ausdruck auf dem Gesicht.

    Billy ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Falls das hier tatsächlich McMurdos Männer waren, dann war Flucht sehr wahrscheinlich keine Lösung. Eingeschüchterte Männer können in Sekundenschnelle Mut schöpfen. Wahrscheinlich würden sie hinter ihm her sein wie Wölfe und ihn zur Strecke bringen. Besser, den Stier bei den Hörnern zu packen und die Sache gleich hier im Saloon zu beenden. Mit gespielter Unbekümmertheit wandte er sich der Bar zu, bereit, jedem Kerl, der den Finger gegen ihn erhob, eine Kugel zu verpassen.

    Er ging bis an die Theke und wandte dem Raum den Rücken zu. Ihm standen die Nackenhaare zu Berge, doch er hörte keine einzige schnelle Bewegung. Weit und breit war kein Wirt zu sehen, also nahm sich Billy eine Flasche Roggenwhiskey, schenkte sich ein Glas ein und kippte es hinunter. Immer noch wurde die Stille im Saloon von nichts anderem als dem sanften Kartenrascheln der Pokerspieler und dem müden Surren der Fliegen unterbrochen.

    Als Billy sich ein zweites Glas einschenkte, weckte das beherzte Ablegen einer Karte seine Aufmerksamkeit. Er richtete den Blick auf einen Mann, der allein an einem Tisch Solitaire spielte und dabei eine Flasche Rum niedermachte. Das im Halbdunkel verborgene Gesicht des Mannes konnte er nicht erkennen, aber es war klar, dass der Fremde ihn beobachtete.

    »Sie sehen aus wie jemand, der gern Karten spielt«, beendete eine kultivierte, umgängliche Stimme das Schweigen.

    Billy nahm die Whiskeyflasche und das Schnapsglas und schlenderte zum Tisch des Mannes. Er achtete genau darauf, ob einer der Anwesenden eine feindselige Bewegung machte, doch niemand rührte sich. Stattdessen spürte er, wie der Whiskey seine Eingeweide wärmte und er sich entspannte. Langsam setzte er sich hin und ließ den Mann vor sich nicht aus den Augen. »Gut möglich, solange ehrlich ausgeteilt wird.«

    Der Fremde neigte sich ins Licht und stupste sich zum Gruß mit dem Finger gegen die Melone. Er war klein, mit blutunterlaufenen Augen, trug ein Drahtgestell auf der roten Nase und einen abnehmbaren Kragen, der sich jeden Augenblick davonzumachen drohte. Sein Anzug war abgewetzt und zerschlissen, genau wie der Mann, der darin steckte. Seine Hände jedoch … die waren von einem ganz anderen Kaliber. Sie waren nicht bloß geschickt, sondern unfassbar schnell und bewegten sich mit der Präzision begnadeter Chirurgenhände. Mit einer einzigen Bewegung fächerte er die Karten mit dem Wert nach oben auf dem Tisch aus. Ein gewöhnliches Deck. Eine Wischbewegung später lagen die Karten wieder in den Händen des Fremden, wo sie von wieselflinken Fingern gemischt wurden. Mit der Rückseite nach oben verteilte er je fünf Karten an Billy und sich selbst.

    »Sie haben geschickte Hände«, sagte Billy.

    »So wie Sie, Partner, so wie Sie«, antwortete der Mann mit einem Blick auf Billys Colts.

    Billy nahm seine Karten, fächerte sie auseinander … und erstarrte. Die Karten waren identisch. Fünfmal Pik-Ass. Finster spähte Billy über seine Karten, dann knallte er sie mit der Bildseite nach unten auf den Tisch. »Was versuchen Sie hier durchzuziehen, Partner?«

    »Gar nichts, werter

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