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Argo. Anderswelt: Epischer Roman
Argo. Anderswelt: Epischer Roman
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eBook1.244 Seiten18 Stunden

Argo. Anderswelt: Epischer Roman

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Über dieses E-Book

Fünfzehn Jahre nach ihrem Beginn findet Herbsts Trilogie ihren Abschluss: ein stroboskopisch halluzinierendes Panoptikum aus postapokalyptischem Cyberpunkterror mit Rückkopplung an ein Amalgam aus griechisch-keltisch-aztekischem Mythenschatz und moderner Popkultur. Von seiner Strahlkraft hat das Projekt nichts eingebüßt. – Nachdem sich die von Herbsts traditionsreichem Protagonisten Hans Erich Deters collagierte Megametropole "Buenos Aires" von ihrem Schöpfer abgenabelt und verselbständigt hat, wird sie von einem furchtbaren Anschlag erschüttert. Der Versuch, auf diese Attacke aus dem "Osten" zu reagieren und dem geheimnisvollen "zweiten Odysseus" auf die Spur zu kommen, das immer weiter voranschreitende Problem der zu Bewusstsein erwachenden programmierten Menschkopien sowie die größenwahnsinnig-messianischen Pläne des Präsidenten der "Anderswelt" – all dies kreist in seiner faszinierenden Unfasslichkeit irgendwie doch noch immer um das Café Silberstein in Berlin-Mitte: Dort gibt es zwar weiterhin gutes Sushi, allerdings hat man mittlerweile die bizarren Schweißkonstruktionen des Tacheles weggeräumt, die einst das Sitzmobiliar gebildet hatten. Immer noch sitzt Deters dort, in unserer "Realität", und beginnt allmählich daran zu zweifeln, wer eigentlich wen erdacht hat. Eine zersplitterte Wirklichkeitserfahrung, die sich über drei parallele Zeiten und Welten erstreckt, die alle für sich beanspruchen, die "echte" zu sein, lässt einen fixen Realitätsbegriff bald obsolet erscheinen.
"Argo. Anderswelt" ist der dritte Teil einer Trilogie, die Alban Nikolai Herbst 1998 mit dem ›Fantastischen Roman‹ "Thetis. Anderswelt" eröffnete und 2001 mit dem ›Kybernetischen Roman‹ "Buenos Aires. Anderswelt" fortsetzte.
SpracheDeutsch
HerausgeberElfenbein Verlag
Erscheinungsdatum12. Sept. 2018
ISBN9783941184992
Argo. Anderswelt: Epischer Roman

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    Buchvorschau

    Argo. Anderswelt - Alban Nikolai Herbst

    Inhaltsverzeichnis

    Titelseite

    Impressum

    Kapitel 1 - Nullgrund

    Kapitel 2 - Zwölfjahreshalber

    Kapitel 3 - Skamander

    Kapitel 3.1

    Kapitel 3.2

    Kapitel 3.3

    Kapitel 3.4

    Kapitel 3.5

    Kapitel 3.6

    Kapitel 3.8

    Kapitel 3.9

    Kapitel 3.10

    Kapitel 3.11

    Kapitel 3.12

    Kapitel 3.13

    Kapitel 3.14

    Kapitel 3.15

    Kapitel 3.16

    Kapitel 3.17

    Kapitel 3.18

    Kapitel 3.19

    Kapitel 3.20

    Kapitel 3.21

    Kapitel 3.22a

    Kapitel 3.22b

    Kapitel 3.23

    Kapitel 3.24

    Kapitel 3.25

    Kapitel 3.26

    Kapitel 3.27

    Kapitel 3.28

    Kapitel 3.29

    Kapitel 3.30

    Kapitel 3.31

    Kapitel 4 - Aissa der Stromer

    Kapitel 4.1

    Kapitel 4.2

    Kapitel 4.3

    Kapitel 4.4

    Kapitel 4.5

    Kapitel 4.6

    Kapitel 4.7

    Kapitel 4.8

    Kapitel 4.9

    Kapitel 4.10

    Kapitel 4.11

    Kapitel 4.12

    Kapitel 4.13

    Kapitel 4.14

    Kapitel 4.15

    Kapitel 4.16

    Kapitel 4.17

    Kapitel 4.18

    Kapitel 4.19

    Kapitel 4.20

    Kapitel 4.21a

    Kapitel 4.21b

    Kapitel 4.22

    Kapitel 4.23

    Kapitel 4.24

    Kapitel 4.25

    Kapitel 4.26

    Kapitel 4.27

    Kapitel 4.28

    Kapitel 4.29

    Kapitel 4.30

    Kapitel 4.31

    Kapitel 5 - Nebelkammer

    Kapitel 5.1

    Kapitel 5.2

    Kapitel 5.3

    Kapitel 5.4

    Kapitel 5.5

    Kapitel 5.6

    Kapitel 5.7

    Kapitel 5.8

    Kapitel 5.9

    Kapitel 5.10

    Kapitel 5.11

    Kapitel 5.12

    Kapitel 5.13

    Kapitel 5.14

    Kapitel 5.15

    Kapitel 5.16

    Kapitel 5.17

    Kapitel 5.18

    Kapitel 5.19

    Kapitel 5.20

    Kapitel 5.21

    Kapitel 5.22

    Kapitel 5.23

    Kapitel 5.24

    Kapitel 5.25

    Kapitel 5.26

    Kapitel 5.27

    Kapitel 5.28

    Kapitel 5.29

    Kapitel 5.30

    Kapitel 6 - taucht' in die Wogen des Meeres.

    Alban Nikolai Herbst

    Argo. Anderswelt

    Epischer Roman

    Elfenbein

    Von Alban Nikolai Herbsts »Anderswelt-Trilogie«

    erschienen bereits die Bände:

    »Thetis. Anderswelt« (1998)

    »Buenos Aires. Anderswelt« (2002)

    © 2013 Elfenbein Verlag, Berlin

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN 978-3-941184-99-2 (E-Book)

    ISBN 978-3-941184-24-4 (Druckausgabe)

    I. NULLGRUND

    Die Druckwelle ging von der Brücke aus. Für beinahe eine Minute schwoll sie erst hellgelb, dann orange an, das Tragegestänge glühte, wurde weißblau flüssig ballonhaft, blähte sich, aus den Rohren schossen Gase und Abwässer, aggressiv verdampft. Unten sengte ein dichter fauchender Sturm die Themse, ein Materie gewordener zischender Bug, der sie höhlte, seine gerundete Hitzefaust von kreischendem Wasser umbrodelt. Und oben, wer da ging, deflagrierte; verpufft, wer da fuhr: Lieferwagen, die Omnibusse der Flughafenlinie, Taxen, alle anderen Automobile. Was parkte, war unmittelbar mit der Brücke verschmolzen, war Supernova selbst. Und leuchtete mit. Die stand momenthaft in leise schwingender, in einer pulsenden Schönheit, ein eben geborener Stern, der, staunend über die ungewöhnliche eigene Form, kindhaft narzißtisch sein Spiegelbild unterm Europäischen Dach bewundert. Dabei macht sich die Brücke bereit – etwas in ihr, wovon sie wie der Stern nichts weiß. Wir starrten und staunten mit ihm und unseren offenen Mündern. Hatten erst nichts gehört, nur wenige sahen den Lichtblitz direkt, da waren sie blind, andere drehten sich zu spät zu ihm um, das war noch immer zu früh, sie konnten nicht einmal schreien. Schon ihre Seele Molekül.

    Dann die Druck- und bereits, da stand die Brücke noch, eine erste Hitzewelle. Die pustete jedes nahe Leben, kaum waren Hugues’ Les Halles hälftlings und sein Center for Science and Mathematics gänzlich eingestürzt und kaum war es drittels das Stadtparlament, wie mikrowellenerhitzte Schaumküsse auf. Krachend platzend, teils geborsten alles. Bis zur Charité im Nordosten klebten Ohren an den metallenen Masten, die waren, stehende, sich überhitzte Wolframfäden, gleichfalls erglüht, kurz nur, Achtelsekunden, und krümmten sich erkühlend ausgebrannte Wunderkerzen erstarrte starrende Fühler biomechanischer Tiere, an denen Flatschen Pflaumenmus klebten, schwarze Herzen und aus den Kleidern gewachsene Nieren. Lungenhaschee tropfte von Dachrinnen, die als bizarre Reste antiquierter Teleskope in den Himmel ragten; ausgeschüttelte Därme, schwernaß von Blut und Magensekret, hingen von ihnen herab.

    Westlich davon, anderthalb Kilometer entfernt, ging, um sich zu erbrechen, die Auster der Königlichen Oper auf. Reines Perlmutt, so schimmerten die Innenschalen und warfen die wallenden Gluten zurück. Die Bogenlampen auf dem Weg hatten sich zweimal wie Ähren geknickt und sangen, die sirrenden Garben, den Zorn des Peliaden. Papierene Asche schneite über der Anlage des rabenschwarz verschmauchten Rasens, der in weichen, von nun ausgedrückten Wasserspielen durchtupften Höhenbögen dies- und jenseits der Themse bis zum Bahnhof Atocha langte. Darüber zitterte Luftbrut. Ein ganzes Stück Themse, vom Schiffahrtskanal bis etwa zur Luisenbrücke, verdampfte. Hintere, vordere Wasser knallten nach, schossen gurgelnd in die Höhe. Kaskaden Tropfen zischten auf den Trümmerämtern und der Tiburtina nieder, ätzten sich in Beine, die ihre Oberkörper suchten. Nur Holomorfe schritten unbehelligt hindurch, waren entsetzt und von Sinnen, manche weinten. Sie begriffen nicht. Mochten ihr Leben, kannten nicht einmal mehr die Tranteau, nicht Die Wölfin Aissa, wußten nichts von den Schändern, noch von den Frauen des Ostens. Aus der Tiefe des Meeres will ich sie holen. Wirklich war es, als hätte sich mit ihnen Thetis verbündet. Was wollte die vom Dschihad? Aber das fragten sie nicht, die Holomorfen, und den erfaßten Menschen blieb keine Zeit. Über sie schnitt, durch sie, die zweite Welle, bis in die Rioni Bautzen Salamanca flogen Zweimeterpfeile Glases, in die das luzide Atocha-Gewölbe auseinanderplatzte. Der Shakaden des Westens hatte schon Kometenschnuppen zu den Plejaden geschickt, weißblitzend steckten sie im Europäischen Schild. Einige fielen zornig zurück, ein Hagel aus mannslangen Splittern. Um Sevilla sah es zwei Tage lang wie im Kosovo aus. Die biologischen Schönheitsprogramme kamen gegen den Ausbruch der Brücke nicht an; selbst einige Hochhausdächer La Villettes leckten Dreck von den Straßen. Des Schultes Amt – das Handelsministerium war im Volksmund so nicht genannt, weil dort ein Schulte residierte, sondern weil sein Architekt so hieß – brach in die Knie, der Minister selbst hatte die seinen verloren. Ein letzter Ruf nach Pontarlier. Seine Adlaten seine Frau die Geliebten krochen hinter den Bruchstein und unter Platten, als der Mann oberhalb des Zwerchfells in den Himmel, darunter in die Hölle fuhr, leibhaftig Organ für Organ. Seine Mitte, der Magen, blieb liegen. Es ging zu schnell, um Deckung zu suchen. Abgeprotztes schrumpfte, verkohlte; lag wie Kacke, was einmal Mensch war. Dampfte auch wie Kacke. Dabei war es warm. Tausende Leute Kohle, Parlamentäre der Bürgermeister wie Wurfschlacken flogen Senatorenextremitäten herum, die Staatssekretäre nahezu alle versuppt, auch die Kinder, auf daß du deinen Fuß in Blut badest, und die Zunge deiner Hunde von den Feinden ihr Teil habe. Es war ein Jammern über der Stadt von Geiern Metallfleisch Harpyien, den Keren des Todes. Sie rissen sich rechts die Brüste vom bioniklen Leib und schleuderten sie, Flüssigsprengstoff in den Drüsen, nach Buenos Aires’ Mitte hinab. Die Fettgewebe, weiß wie Milch, waren explodierende Biogranaten. Schrapnelle aus bissigen Würmern flogen heraus, ebenfalls milchweiß, das jagte, lebendige Missiles, nach Kohlenstoff, der atmet. Allein von diesen Kriegssatelliten rasenden Kamakiris Kuwagaten handlichen Bohrkäfern über der ganzen Economia war spinnengrau das Europäische Dach. Für lange Monate glaubten wir nachher: All das Zeug war aus dem Osten gestartet. Wir ahnten nichts von den Zweifeln. Hunderte Millionen Euro Profit wurden in Buenos Aires und wurden in der Weststadt gemacht.

    In der dritten Hitzewelle verstrahlte sich die Brücke, die Hitzefaust in der Themse erlosch. Nun war das Wasser wieder frei, sammelte sich: in den siedenden Blasen garten Fische. Unterm Rundstoß sackten die restlichen Les Halles puffend zusammen. Nichts als ein Viertel Nichts, aus dem schwelende Gerüste starrten. Im Westen, endgültig, gab die Königliche Oper auf, ihr Perlmutt wurde blind. Wellington’s Monument, im Osten, war wieder schwarz, erhob sich über nur mehr zwei Beinen, die andren waren weggeschlagen, die Verdeckung gab drüber nach, rutschte lawinen, und mit Gedonner krachte, von Stein und Schindeln umtanzt, in einer Gischt aus Sand­staub die Quadriga herunter.

    Nahbei der Reichstag aber stand. Auch wenn die Kuppel abgeschnitten wurde und, ein orion gewölbter Diskus von herrlicher Durchsichtigkeit bei seinem Flug, zweihundert Meter entfernt mit allem, was drin war, in den Retiro donnerte, woraufhin die 800 Tonnen Verglasung kreischend in- und auseinanderkrachten. Treppen Menschen Eisen Glas – ein sich ringsum ergießender, knirschender, so fetter Blutbrei, daß er die Flammen löschte, in denen der Forst stand. Nun wurde der ein Areal für Quandel und Meiler, die niemand brauchte, und für die Köhler dazu und für Ratten, später, der Potsdamer Platz, Sarajevo wiedererstanden, damit das Gesocks erneut was zu hausen habe, kaum war ein Jahr vorüber, ein erneuerter Natodrahtzaun darum herum, wie früher, entsinnen wir uns? – von Waidmännern war das durchstreift gewesen: eine illegale Bürgerwehr, die mit sozialem Ausschuß Fuchsjagd spielt, kläffend immer die Meute voran, in den Halsbändern Chips, die sie steuern. So wird es wieder kommen, die Kameras, durch deren Augen unser Fernseher blickte, dehnten die Momente Stunde für Stunde, eine einzige Iris sah uns aus Hunderten an, bevor sie, wie das Wachs zerschmilzt vom Feuer, am Objektiv zerfloß, direkt drangeklatscht, das war ziemlich ekelhaft. Zwei-, dreihundert Quallenbabys aus den Höhlen gespritzt, sie hatten schon hinausfliehen wollen, doch der gallertige Glaskörper umschlang sie zu fest. Sie sollten die Trümmerhaufen der Stadt und die grause Verwüstung lange und immer weiter sehen. Endlich war es aus. Zähne prasselten in eine Ecke, den Schmerz als Fetzchen Mundfleischs an ihnen noch dran. Von Zähnen auch, die, Schwärme weichzielgerichteter Wespenschrapnells, bis köpfehoch aus den Trümmern schwirrten, oder, gefährlicher noch, weil kaum sichtbar – Einzelgeschosse, kleine, intelligente Torpedos – wurden, wo immer noch Leute zu fliehen versuchten, ganze Rücken tranchiert. Eine Handvoll knallte ins Objektiv, das zersprang. Für Sekunden war das Bild völlig schwarz, die Kamera umgestürzt und mit dem Journalisten gefallen, zu den andren in den zyklopischen Schützengraben, zu dem die Gegend sich aufgetan hatte, als ihr der Grund in die Tunnel sackte, durch die nun lange kein Zug mehr fuhr. Dreie, lasen wir später, steckten sowieso fest, sie waren voller Beamter, Ötzis den späteren Generationen. Bevor die Wasser kamen, fegten gespaltene, zweifach spitze Feuer, Schlangenzungen aus Energie, in die Schächte, flatternde Zungen von Ameisenbären in der wütenden Größe in Ufer gerammter Flugzeugträger, kaum kürzer anfangs als der vorderste Zug, ein ICE der sichersten Bauart. In Momenten unterirdisches Platzen, das tankte ihre Zungen auf, sie wurden länger, immer länger, aufglühendes Brechen: als ob einer den Arm durch Schleimwände stieße, so züngelte sich’s weiter. Das zischende Abwasser nahm Scheiße Kondome Gekotztes, von unten dreißig vierzig Meter hochjagend, zurück in explodierende Klos, Sitzbrillen barsten, die Splitter steckten in Skrotum und Gedärm, durchbohrten einen bis in den Kehlkopf. Unten folgte die Themse den Zungen auf dem Hals, durchbrach das abgestützte Erdreich, nachdem sich die Kiese und Sande aus den Betonen lösten und der Zement wie Lava zwischen die Zugräder floß, den Zungen zähe nach. Brutal donnerten die Wasser da rein, um den Zement für spätere Generationen neu zu erhärten. Deshalb blieben letztlich viel Schmuck und Gerätschaft erhalten. Geysire sprengten Löcher in die alten Rasenstücke des Themse-Bogen-Parks. Erde spritzte schleuderte Steinwerk. Drei fünf sieben Fumerolen fauchten bis über zwanzig Meter heraus. Ein wogender Meerhektar Magma, was zu spazierender Erbauung designt worden war.

    Längst hatte ein andrer Journalist die Bilder übernommen. Er stand, in Strömen schwitzend, halb brennend schon, auf einer bislang verschonten Zweiquadratmeter-Insel. Die drehte sich und drehte. Er drehte auch. Kein Held, gewiß, es gab ohnedies kein Davon. Er filmte ihm zuwinkende Hände an kunstvoll auf schmauchenden Dachpfannen voltigierenden Armen, denen bereits die Schulterkugeln fehlten: sie spritzten ein geliertes Wasserkonfetti aus Blut, das als zu Fliegenkot geronnener Schorf die noch stehenden Brandmauern des Schultesamtes besprengte. Vier Leute starben drüben wie Clowns, die sich HEREINSPAZIERT! HEREINSPAZIERT! unter brüllendem Lachen zerlegten, hierhin die Beine, dahin die Füße, die Leute guckten sich starr in den Bauch: wie stank es heraus. Zwei hielten mit jeweils beiden Händen ihr Gedärm. Wir sahen nicht mehr, waren es Frauen, waren es Männer, sie waren gewesen, punktum. Die haltenden Hände verschatteten uns sonnenfleckig Sekunden die Netzhaut. Es ist nicht falsch, daran irre zu werden. Schon tat sich der nächste neue Himmel auf. Nur denen gehört die wahre Verheißung, die auf dem Wege Thetis’ streiten, die töten und getötet werden. Grölend schüttet dieser Himmel Schreie, die er gleichzeitig würgt, auf alle jene aus, die des Thiers Malzeichen nahmen. Ist’s eine Botschaft an die Harpyien? Sind’s Steuersignale? Ein Tinnitus, dreh mal den Ton weg! uns platzt noch der Kopf!! Schon würgen Rosendüfte. Wie lang ein Zungenlappen werden kann, es ist nicht zu fassen: ein konkaves Lineal, über dessen Wölbung die Speiseröhre in ausgeleerte Freiheit rutscht, einen halben Meter, wir glauben das nicht –; glauben Sie’s? Was ist das, der Mensch? So zerstörbar, eine präparierte Brücke genügt, schon ist es vorüber mit Stromabrechnung und Liebst du mich noch. Hallo Jenny, wir sind gut angekommen. Es geht mir gut. Wir haben wunderschönes Wetter RRROMMMS! Die Musicals zerploppt und nichts mehr gehört vom AUFSCHWUNG OST! – KRACH! macht’s bloß WUMMS! Da zerdeppert’s einem die Membranen und fistet GROAAAAGH! die Paukenhöhlen. SCHNINNNG! Und hat keine Ballen mehr an den Händen, sie dagegenzudrücken. Ist auch egal. Denn die Faust hat in den Stirnlappen gefaßt, drückt sich noch zu und reißt ihn mitsamt seinem verwesten Gott aus dem Loch.

    Zwölf Bionicles zerren derweil, heruntergekommen, die Brandmauern am Schultesamt nieder. Wo ihre Brust war, die rechte, sprenkelt, in grünes Schmieröl vermengt, spackiger Treibstoff. Rasend vor lauter Selbsttortur dringen die Legoharpyien ein, suchen wittern nach Hektor, um ihn zu schleifen. Wimmernd drehen ihre Scharniere. Sie kreißen vor Wut, weil er so zeitig davonfuhr, packen seine Frau seine Kinder und kneten den verbliebenen Magen mit ihrer sauren Rotze in die dreie hinein und die Adlaten gleich noch hinzu, dann lassen sie den Teig eine irrsinnig einsame Treppe hinunter dem nächsten Zwölffingerdarm entgegenkriechen; hinauf führte die in ein ehernes Nichts. Schlagen die schartigen Maschinenflügel zur Seite, spüren zwischen Rümpfen und Etagenstümpfen nach Hodna-Generatoren, um die Holomorfen wegzubekommen, die ihnen ihre Übersicht nehmen, wenn die in ihrer programmierten Angestelltenkluft weiterhin zu all diesen Hunderten unversehrt durch das Verderben wuseln schreiend heulend Gejammer nach Eltern, die es nie gab. Eine glänzende Klaue wischt fünfe beiseite. Nicht totzukriegen ist das Zeug.

    Eine vierte Welle kommt nicht mehr nach. Was bis jetzt nicht bruzzelt, wird überleben, sofern es nicht eine der Harpyien ergreift. Doch gibt es nichts zu ergreifen. Das Echolot der bioniklen Thiere ist rein aufs Hodna aus, zu deren Generatoren noch keinerlei Verbindung von außen besteht. Wundert Sie das? Ein irres Spulen in den Predators: SUCHEN! SUCHEN! Nicht eine Lappenschleuse mehr in Funktion. Deshalb wühlte sich nicht nur im Schultesamt, sondern auch drüben, in der fundamentenen Gebäudewanne der eingestürzten Les Halles und im Pressehaus und durchs Ehrenmal schonungslose Yamadronik durch achtelintakte Untergeschosse, zerriß Schränke und Türen, prallte gegen Brandschutzstahl, schweißte sich voran. Wehe, wenn hier einer bangte, der sich glücklich verkroch: Haut sie oberhalb des Nackens und schlagt ihnen jeden Finger ab! Tobsüchtig prallte dem bioniklen Vieh plötzlich Themse entgegen, sie kam durch den leckgepreßten Wall der Wannen geschossen, den der Andruck des Wassers völlig zerlegte. Zwei grobgeflügelte Nuhvoks, deren Elektronik so viel Nässe nicht vertrug, liefen Amok, spritzten um sich, kippten, verschmauchten. Draußen schnoben zehn Morinphen in die Luft, schleuderten sich Flakgranaten zu, die sie aus ihren Flugbahnen fingen und, bevor sie detonierten, zurück auf die Panzerschützen katapultierten.

    Krieg war in der Economia. Es werden Gedenkminuten sein, ganze Stunden vergehen darüber. Trauern werden sie und klagen um die, die das Blut und die Ehre und die Heiligtümer der Ostens mißbrauchten. Das geringste, was man über diese Leute sagen kann, ist: sie waren verderbt und sind der Ungerechtigkeit gefolgt, haben den Schlachter mehr geliebt als das Opfer. Ihr seid die Speerspitze Kungírs. Das lief, ein Börsenkurs des Qitals, plötzlich als Nachrichtenband unten lang. Thetis zeigt ihnen nun ihren Zorn. Lief und lief, in der Übertragung nicht eine kurze Irritation. Wer konnte das so unversehens eingespielt haben? Für wen war das gedacht? Und ihnen sind eiserne Keulen bestimmt. Wir konnten nicht denken. Ein abgeflachter Schild fettgrauen Gewölks lastete über dem Viertel. Vom Grosvenor Place, auf dem bis heute, ein frühes Mahnmal gegen den Terror, die felshaften Sprengspuren der Siegessäule erhalten waren, bis hinunter zum Carrer del Comte d’Urgell und im Osten vor Wellington’s Monument bedeckte es meterdick das Rauchdach. Die Fernsehsender jagten aus leibdicken Schläuchen Luftsäulen hinein, damit wir Zuschauer sehen konnten. Vorbei die elysischen Felder. So müssen umkommen die Gottlosen. Wir blickten aus dem Helikopter in beiseitegewühlte, dampfend protestierende Wolken. Auch den andren Journalisten hatte der Boden verschluckt. In Scharen rückten Pioniere ein, die waren von den Wallmeistergruppen in Marsch gesetzt. Kohorten Feuerwehren folgten. Von Unter den Linden von der Rue des Invalides. Auch das waren, von oben betrachtet, kraftvolle Schwärme. Aber das waren wir. Das isolierte, rundum, rigoros das Gebiet. Die Sperrplanung ist ein integraler Bestandteil des strategischen Konzepts der Vorneverteidigung des transthetischen Paktes. Dieses deckt sich mit den Sicherheitsinteressen Europas. Nicht nur Feuerwehr und Soldaten, sondern auch die Frauen und Männer der Territorialen Verteidigungsmannschaft trugen Schutzmasken stirnabwärts bis zum Hals. Was sie den Harpyien nicht unähnlich machte. Das Ausmaß der zu erwartenden Zerstörungen bei Auslösung vorbereiteter Sperren ist soweit zu beschränken, daß Totalzerstörungen möglichst vermieden werden und nur eine taktisch unbedingt erforderliche Sperrdauer erzielt wird. Man komme, sprach der Kommentator hastig, ich kannte seine Stimme vom Fußball, nur mit Sichtgeräten voran, mit Metalldetektoren, miniaturisierten Radaranlagen. Und sieht, wie die Maschinen, rote blaue Ziffernfolgen. Die elektronischen Ziffern rasen in ihren Displays. Darüber grünlich fluoreszierende Gegend. Wir schauen durch Kathoden und sehen den eigenen Tod, als Zahlen, binär.

    Noch immer war der Präsident nicht zu erreichen, man suche ihn, hieß es, im Land. Pontarlier also schwieg. Aber Konstanz nahm Stellung. Wir sollten von den Stühlen aufstehn. Noch lief die Reportage, da forderte der höchste Polizist über die scheußlichen Bilder und die gedimmten Stimmen der Kommentatoren hinweg: »Bitte erheben Sie sich für eine Minute des Gedenkens.« Wir räusperten uns, sahen zu Inge, hier blieben wir, zu Hause, sitzen, aber draußen nicht mehr, nicht morgen, nicht eine Woche darauf. Wann immer wir eine Behörde aufsuchten oder in Eisenbahnen fuhren, standen wir für schließlich zu Stunden addierten Minuten, die Hände hinterm Rücken verschränkt, und beklagten die Toten, die wir nicht kannten. Auch den Osten kannten wir nicht, schon gar nicht seine Toten. Jetzt hatte dieser Osten zu sprechen begonnen, und er sprach laut. Die sich vorankeilenden Kommandos räumten den Nullgrund, zu dem die Economia geworden war. Mulchmäher Angledozer Mullkipper. Scraper schürften mal hier einen Handwurzelknochen aus der Schlempe, dort ein Stückchen Schädeldecke. KTVler und Soldaten wühlten in Massengräbern und Skontren, fanden verlorene Schnippel. Ohrgehänge Silbermünzen Gürtelschnallen. Leichte Artillerie sicherte den Himmel. Kam aber nicht wieder, das mythische Zeugs. Wo mit einem Mal die Hunderte Holomorfen abgeblieben waren, weiß ich nicht. Vielleicht hatte jemand anderes die Generatoren gefunden und sie endlich ausgestellt. Oder die Magnetfeldleute waren zusammengetrieben und aus der Gegend geführt. Aber wohin? Sicher nicht nach Hause, denn auch der Moabiter Werder war nichts als eine unstrukturierte Häufung qualmender Klinkerberge. Wenigstens achtzig besessene Abrißbirnen hatten da eine Orgie des Rückbaus getanzt. Ein halbes Schlachtfeld war die Ufer der Themse runtergelähnt. Die Kamera zoomte weg und schwenkte über den brackigen Fluß an den zerstörten Gebäuden der Oper und des Schultesamtes vorbei gen Atocha. Der Bahnhof war überaus unsauber aufgeklappt. In seiner Bauchwunde wrangen sich zwei ICEs umeinander, eine ungeheure Doppelhelix, das Genom der Europäischen Bahn. Ein dritter Zug hing hinten schief die Überführung hinab. Die stehengebliebenen Rundträger salutierten wie ein Luftbrückendenkmal, das magenkrank ist. Darunter nun auch wirkliche Menschen. Weinend rannten Mütter mit Tüchern abgedeckten Tragen nach. KTVler hielten sie weg von den Leichen. Wir sahen Erregung Zorn sogar Schlagstöcke wurden gehoben. Weder Buenos Aires noch seine Menschen werden von Sicherheit träumen, bevor wir diese in der osteuropäischen Liga leben. Weiter auf den skalpierten Reichstag zu. Er wurde soeben, vierfach, halbbeflaggt. Thetis ist groß, möge der Stolz mit dem Osten sein: Diese Worte hingen in unsere Trauer hinein. Wir hatten Thetis für eine Legende gehalten, kein Mensch mehr glaubt an das Meer. Bulldozer schoben hausgroße Trümmer auf Haufen, Laternenstangen Bücherregale ragten heraus. Rohrleitungen Waschbecken Töpfe. Ein Drittel Schreibtisch Edelstahl. Gefünftelte Karrosserien Fahrradschrott. Brückengeländer. Mumien aus verkrusteter Kohle, das hat mal gelebt. Entdeckelte Müllcontainer implodierte leere Screengehäuse, an manchen schnappten noch ihre lose mitgezogenen Nabelschnüre nach Luft. Dürre Kabelaale peitschten die Schaufel. Andere lappten heraus. Waren über die Drehstative von Stühlen verknotet, ihre Litze kremiert, dicke Nester Batzen Plastekoks. In natürlicher Sandkerntechnik war der zweite Journalist hälftlings diagonal zu einem transluzenten Objekt aus Keramik erstarrt, ein Kettenbagger barg den Torso aus seinem Erdspalt. Eine schwarze Schmiere lief nach, zu der die Asche auch überall sonst unterm Preßdruck der Wasserwerfer suspendiert worden war. Bis zu den Fußknöcheln stand den Männern krisseliger Mansch um die Stiefel. Man rutschte darin aus. Einer schlug sogar hin. Drei Sanitäter eilten. Schnakendes Blaulicht erreichte das Feld. Befehle bellten. Immer wieder Martinshörner. Jetzt wurde auch hier die Europäische Flagge gehißt, direkt vor die mit schiefen Zinnen besetzte Ruine des Schultesamts. Man brauchte eine Meißelmaschine, um das Loch tief genug in die Bodenplatten zu hämmern. Als der Mastbaum stand und vier das gelbgesternte Dunkelblau hißten, nicht halb, sondern ganz, salutierte der gesamte mit Front zur Fahne in Grundstellung gegangene Zug. Dann rührte er sich. Nur zweie, links und rechts, übernahmen am Fahnenmast Wache. Ihnen gegenüber verschwanden minutenlang axtbewehrte Milizionäre im schütteren Rauch, der um die kokelnden, teils noch gebäudehohen Rudimente schwebte, kamen wieder heraus, winkten ab oder schüttelten, wütend vor lauter Traurigkeit, Kopf und Helm und die schnorchlige Maske. Hier und da standen Türen in der sinnlos gewordenen Gegend, klappten bisweilen nachkippend um. Vom Rumpf des Stadtparlaments ging dumpf bereits die zweite Steinlawine nieder. Wollige Kumuli aus Staub blähten ihre Puttenbacken über viele Kubikmeter auf. Langsam ließ er sich auf ausgebrannten Autos nieder, die bis zu den Hüften in Dünen gesplitterten Glases gesunken, andere standen auf den bloßen Felgen. Zerrissene Türen weggeknickte Blechhauben aus der Karosserie geschnittene schwarzgraue Löcher, die kleinsten der leeren Schmauchspuren bloß, die verschliert das Territorium von Nord nach Süd überzogen, sowie sich Rauch und Ascheregen, Staub und in der Luft zerflockter Brandschaum verwehten. Nun sahen wir auch die enormen Gräben der unterirdischen Gleisanlagen, in die sich der Boden vom Bahnhof Atocha bis in den Retiro hineingestürzt hatte, die Stützkapitelle einiger Tragesäulen standen ganz frei. Ein langes, immer noch schmurgelndes Waggondach schimmerte hoch. Von den Seiten waren allerorten Schutt und massenhaft Gestänge in die Form einer höchst labilen Rampe hinuntergeschliddert. Am Rand dieses Abrutschs balancierten Soldaten, fünf ließen sich über die Rampe hinab. Ein Bulldozer war angefahren, über dessen Winde sich die Verseilung drehte. Ein Offizier schrie Kommandos. Die fünf kamen auf dem Zugdach an, blieben noch eingeschirrt, kletterten weiter, wir verloren sie aus dem Blick. SCHNITT. Eine weite Totale über den Nullgrund. Langsam schwenkten wir das Panorama entlang. Der Fernsehturm ragte in den Hodnahimmel, und die Tour Eiffel stand schöner denn je. Wir sahen auf das vom Steinschlag dellige, sonst unbehelligte Dach der Charité im Norden, auf den Nachbau der versunkenen Akropolis. Auf das Museumsquartier am Hang darunter, seinen leuchtenden Quader darin. Daneben die KiesingerMoschee und hinter ihr, in wundervollem Grün, den in deutlich erkennbaren Schichten ansteigenden Kalemegdan-Park. Im Westen ragten die Orgelpfeifen La Villettes in langgestreckten Pilzen aus Rauch, vierfünf helle Säulen, die sich ausdehnten gegens Europäische Dach, doch sich noch unter ihm schlossen, dunkel und gebaucht. Die herrliche Kathedrale schließlich der Sagrada Familia, im Südwesten, dahinter, fast am Horizont und über Hunderte Arkologien hinweg, die strahlenden Pfeiler des die große Westbrache teilüberführenden Ponte 25 de Abril. Monte Carlo schließlich und der silbern funkelnde Messepalast, dann schon wieder, noch vor dem gläsernen Riesenschirm des Rheinmainer Hauptbahnhofs, der Fernsehturm. Man zoomte uns auf die République, aus deren Mitte gesichtslos die gerüchteumwobene Statue zur alten Economia, fortan Nullgrund geheißen, hinübersah. Er lag nun direkt unter uns: ein über nahezu zwölf Quadratkilometer klaffender Trichter, weggeschlagene Wand, alles verwüsteter Tagebau, bis an die Sperren schäumte die grauschwarze Trümmerlagune des unreinsten Todes. Nicht eine einzige Seele, nicht mal versehrt, gab dieses schuttverschlackte Meer wieder her. Das Kameraauge sank hinab, wurde unscharf, als schliefe es ein. Das Fernsehbild verschwamm. Wurde langsam dunkel. Sehr langsam. Ein nächster Schnitt. Und Pontarlier, unter rotem Himmel das prunkend weiße Regierungsgebäude über den Bergen. Seine ewigen Rosenschütten. Daneben der Europarat, er nun schon halbmast beflaggt. In ergreifendem Piano erklang unsre Hymne. SCHNITT. Der Präsident. Ganz gefaßt. In einem schwarzen Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Überm rechten Ohr die hodnische Klappe in der Form eines Ohrs; das sahen wir nicht, aber wußten es alle. Hinter dem Mann unser Wappen in Lapislazuli, das Gold unsre Sterne. Der Präsident bewegte sich kaum.

    Begann: »Porteños!« Und endigte: »Wir werden die Schuldigen finden. Ich schwöre vor der ganzen Nation: Wir werden sie aufspüren und unerbittlich jagen. Kein Mittel werden wir scheuen. Es wird Gerechtigkeit für die Opfer geben und für unser ganzes Land. Dafür stehe ich ein mit …«, verstummte, seine Eisaugen glänzten – wir warteten, denn er hatte die Stimme gehoben, bevor er so schwieg – und dann sagte er: »… meinem eigenen Leben.« Davon wurde der Bildschirm licht.

    II. ZWÖLFJAHRESHALBER

    Mögen die kleinen Namensfeuer, um die je ein historischer Halo glimmt, ihrer Orientierung einigermaßen dienlich sein: sie bleiben dann immer noch ungefähr genug, um die flüssige Unendlichkeit, die hier gemeint ist, nicht in normierter Realität erstarren zu lassen. Die Namen und ihre Geschichten sind Möglichkeiten, und keine Lesart schließt eine andere aus.

    »Buenos Aires. Anderswelt«, Wurmvorsatz.

    »Argo. Anderswelt« von 2013 folgt »Buenos Aires. Anderswelt« von 2001 wie dieses »Thetis. Anderswelt« von 1998, dem seinerseits 1993 »Wolpertinger oder Das Blau« vorausgegangen war und abermals diesem, weitere zehn Jahre vorher, »Die Verwirrung des Gemüts«; bisweilen gehen die je handelnden Personen ineinander über. Dies gilt besonders für den Anderswelt-Zyklus und seine Ich-Erzähler. Wie generell unsere Leben, so sind auch Erzählungen nicht voraussetzungslos, sondern wir springen in die der anderen fast immer mitten hinein, wenn wir an ihnen teilhaben wollen. Darum scheint es uns, zumal nicht zwei der Anderswelt-Romane in ein- und demselben Verlag erschienen sind, nötig zu sein, einiges Rekapitulieren all jenen zu Händen zu geben, deren lesendem Wohlbefinden es auf eine Übersicht ankommt, an die wir selbst allerdings längst nicht mehr glauben. Aber wir stützen uns auf den seinerzeit »Buenos Aires. Anderswelt« beigegebenen Wurmvorsatz, den wir hier um manches ergänzen und resümierend ausbauen, und zwar allein, um unseren Leser:innen solche Resümees im Roman selbst zu ersparen – eingedenk eines flotten Vorangehns der Handlung, ihrem unterdessen Primat. Daß zwischen dem Erscheinen des zweiten und dieses dritten Anderswelt-Buchs ebenso viel Zeit vergangen ist wie seit Nullgrund, will uns überdies nicht als Zufall erscheinen, sondern dahinter steckt eine Absicht, die freilich nicht die unsere ist; wir konnten uns nur beugen. So wird er, der nun dritte Roman, ab dem 11. September lieferbar sein.

    Immerhin, Sie haben die Wahl, diese zweite Abteilung des Buches flugs zu überspringen, um gleich mit »Skamander« auf Seite 59 zu beginnen; falls Sie die Fülle des ausgebreiteten Lebens allzu verwirren sollte, werden Sie jederzeit zurückschlagen können, denn anders als seinerzeit der Wurmvorsatz sind diese Seiten vorsätzlich fest eingebunden. Doch denen unter Ihnen, die direkt aus Thetis und Buenos Aires an Argos Reling treten, möge das Zwölfjahreshalber Handseil an der Gangway sein.

    Daß, übrigens, die Geister auf eine Diskette kamen, lag in den neunziger Jahren in der Zeit. Man hätte sie nach 2001 nicht ohne äußerste Gefährdung auf einen USB-Stick überspielen können – und schon gar nicht, bewahre!, hinauf in eine Cloud.

    Herbst & Deters Fiktionäre

    im April 2013

    Aapel, Urbain van den: Hans –› Deters’ ehemaliger Chef bei –› Evans Sec. Bis zu dem Attentat auf das Frankfurtmainer Representative Office hing in seinem Arbeitszimmer der Kopf eines selbstgeschossenen ­Wasserbüffels dem Mann im Rücken an der Wand.

    Achäer: »Es gab die fahrenden Sänger, die durchstreiften Eu­ro­pa und schützten vor, in den versunkenen Ardennenstädten gewesen zu sein und auf dem Thetisgrund, ja vor den Klippen des Atlas hätten sie nach Versen getaucht: Denn sie waren große Erzähler, meist fehlten ihnen Gliedmaßen, was als Beweis für durchlittene Abenteuer galt. Alle nannten sie sich Achäer.« (–› »Thetis. Anderswelt«). Da sie auf –› Porteños einen halluzinativen Einfluß haben, schiebt –› Pontarlier sie ab, wann immer ihrer habhaft werdend.

    Achillëis: Ein nachgelassenes Fragment Johnn Wolfgang von –› Goethes, das –› Erissohns Rede den Rhythmus gibt. Der Epilog setzt ihn fort.

    Adams, Douglas: Siehe –› Babbelfisch.

    Adhanari, Irene: Hauptfigur in der zuerst veröffentlichten Fassung des Romans »Meere« von 2003. In der »persischen Fassung« von 2008 in »Irene Payaam« umbenannt. Siehe auch –› Fichte.

    Adrian: Der sechsjährige Sohn eines der »Anderswelt«-Erzähler. Siehe auch –› Jascha und –› Nebelkammer.

    Aissa der Barde: Myrmidonenname Achilles –› Borkenbrods.

    Aissa der Stromer: Jason –› Hertzfeld.

    Aissa die Ratte: Jason –› Hertzfeld.

    Aissa die Wölfin: –› Deidameia.

    Allegheny-Staaten: Nach der –› Geologischen Revision zerfielen auch die USA und bildeten, neben bedeutungslosen kleineren, zwei große Nationalsysteme aus: Den Staat der –› Church of Latter-day Saints der –› Mormonen sowie eben diese Allegheny-Republik.

    Amazonen: Ein politisch autarkes, in verschiedene Städte des Ostens zusammengezogenes, ausschließlich aus Frauen bestehendes Volk. –› »Thetis. Anderswelt«: »… in vielen – weil sie noch nicht gefirmt worden waren – hatten sich Erinnerungen erhalten an irgend ein besseres Draußen. Ein Himmelslicht war in ihnen verschweißt, das nicht einmal die –› Heiligen Frauen hatten austreiben können. Allezeit schimmerte es durch ihre Haut.«

    Anastasiaa: Eine junge Amazone bei den –› Myrmidonen.

    Anderswelt: Die keltische Welt der Toten und Geister, zu der man unversehens Zutritt an –› Samhain erhält. Oft führen fehlplazierte Türen hinein oder Seen und Höhlen. Die Zeit verläuft in ihr anders: Jemand kann hineingelockt werden und dort bloß ein paar Stunden verbringen; kommt er wieder hinaus, sind in der Wirklichkeit Jahre oder Jahrzehnte vergangen. Heutzutage betritt man sie besonders oft an Schnittstellen von Cyberräumen, den so auch genannten –› Lappenschleusen. Wie –› Deters unterdessen weiß, bieten sich gleichfalls Kinos, Bahnhofstoiletten oder Striplokale als solche Lappenschleusen an.

    Andreas der Sanfte: Sohn –› Thiseas und des ersten –› Odysseus. Ein –› Orpheus ist auch er.

    Argonauten: Zusammenschluß von fünfzig ob Menschen, ob –› Holomorfen: Zivilpersonen und Kämpfer, die vor dem Ende Europas aus Europa ausziehen wollen. Sie werden von Jason –› Hertzfeld geführt.

    Arkologie: Nach William –› Gibson ortsgroße Haus-Architekturen mit innerer stadtähnlicher Infrastruktur. –› »Thetis. Anderswelt«: »Eine jede Arkologie faßte tausend Wohnungen und mehr. Fahrstühle liefen nicht nur in der Vertikalen, es waren Straßenbahnen Schnellbahnen Busse, die die Türen innerhalb der Hauskolosse miteinander verbanden. Jedes Gebäude ein Ort mit eigener Infrastruktur, mit Ladenketten Vergnügungsvierteln Varietés voll Balladen.«

    Aurel: Ein als Bäuerchen verstellter –› holomorfer –› Myrmidone.

    AWG: –› EWG.

    Babek: Kindername des ersten –› Odysseus.

    Babbelfisch: Ein von Douglas –› Adams gezüchtetes Meereslebewesen, das einen, ins Ohr gesteckt, jede Sprache verstehen läßt.

    Balat, György Freiherr v.: Prokurist der Macardbanken. –› »Thetis. Anderswelt«: »Seit Monaten schleimte er bei –› Korbblut um ein Konto des –› Scheichs. Korbblut legte auf. ›Banker sind Nutten‹, sagte er mit dem Hochmut des nach Umsatz bezahlten Risikoverwalters gegenüber jedem festangestellten Kontoführer. Und hatte selbstverständlich recht.«

    Balmer, Klaus: Vormals führender Mitarbeiter der –› EWG in den –› Alle­gheny-Staaten, unterdessen der, nach ihrem Verschwinden, Nachfolger –› Elena Goltz’. –› »Buenos Aires. Anderswelt«: »Die –› Goltz hatte den ihr ergebenen Klaus Balmer hinübergeschickt, der seine schwierige Aufgabe zwar nicht gänzlich ohne Reibereien mit –› Allegheny’s großen Versicherern, aber letztlich erfolgreich anzupacken wußte, und zwar so sehr angemessen ihren eigenen Vorstellungen von produktiver Energie, daß sie zweidreimal mit dem Gedanken einer auch persönlichen Verbindung gespielt hatte; sie wußte ja, wie Balmer sie verehrte.«

    Balthus, Helmut: Siehe –› Möller.

    Begin, Manfred: Transvestit. Kellner im –› Boudoir. Seine Freunde nennen ihn »Jimmie«.

    Berlin: Eine Stadt in Deutschland. Hier falteten sich die Anderswelten auf, und hier schließen sie sich wieder.

    Beutlin, Karol: Programmierer und Sprecher der auch mit kybernetischen Experimenten befaßten –› Siemens/Esa in –› Buenos Aires. –› »Thetis. Anderswelt«: »Ein mutiger Mann war er niemals gewesen; ein dummer war er sowieso nicht.«

    Birkengeist: Als ein solcher wird in dem Roman –› »Wolpertinger oder Das Blau« Professor Wilfried Murnau bezeichnet, der für die europäischen Geister einen ihnen unbeliebten Zukunftsweg vertrat. Dazu, damals eben dort, Hans –› Deters: »Folgt ihm in die Automaten, in die Maschinen, die Raketen, Hubschrauber, folgt ihm in die Städte, nistet euch den Bauplätzen ein und den Werkzeugen, den Straßen- und Untergrundbahnen und Tiefgaragen, hackt in den Großen Datenanlagen herum, knuspert an den Fabrikmauern, durchfahrt die Kanäle und Badewannen, fräst Eure Gesichter den Glasbauten ein, kippt Mischmaschinen um, bringt Leben in die Einkaufszentren. Nur dann bekommt die Natur eine Chance.«

    Blumenfeldner: Chefprokurist der Beelitzer –› Cybergen, Garrafff.

    Böhm, Klaus Major: Sicherheitsoffizier für –› Ungefuggers Lichtdom.

    Bones, Bill: Der alte Bukanier aus Robert Louis Stevensons »Treasury Island«. Ein Beiname Kalle –› Kühnes.

    Borkenbrod, Achilles: Der »Chill« und »Aissa der Barde« genannte Graffito-Poet ist der Vater Jason –› Hertzfelds und kam, verkleidet als die fünfzigste Frau, mit –› Deidameia aus dem Osten. Davor hat er, mit Lykomedite –› Zollstein, Niam –› Goldenhaar gezeugt. Vor Zeiten aus einem Ei geschlüpft, träumt er von der paradiesischen Insel –› Leuke. –› »Buenos Aires. Anderswelt«: »Er hatte nur Einfälle, sah er alte – materielle – Fassaden; die besprühte er wie zur Erinnerung, denen gab er das Leben zurück, das ihnen genommen. Dabei liebte er es, wenn seine Schriften verblaßten, er liebte den Wind, der die Gegenstände wusch; ein Gedicht, glaubte er, habe nur Wert, wenn es vergehen könne.«

    Boudoir: Striplokal in –› Colón, –› Buenos Aires, Calle dels –› Escudellers. Einige weitere, bisher bekannte Eingänge: –› Wilhelm-Leuschner-Straße 13, Martin-Luther-Straße 18, Rue Saint Denis/vers Place de Caire, Wadour St/Soho W1 – quasi überall dort, wo Hans –› Deters einmal eine Stripshow besuchte. In den Hinterräumen befindet sich eine der Zentralen der –› Myrmidonen. –› »Thetis. Anderswelt«: »Die vierfüntelschwule Kulturszene hatte sich zu vollen acht Sechsteln zusammengefunden und den Plüsch sehr fest im Griff. Wer noch einen Platz dazwischen finden wollte, mußte sich schon bücken.«

    Boygle, Myun de: Karpfenköpfiger Synthetik-Musiker der Synthi-Welle. Er hat in –› Buenos Aires die Love Parade ins Leben gerufen und leitet zusammen mit –› Lasse die –› Lasse & Boygle Productions.

    Bräustädt, Elke: Sekretärin. Ehemals rechte Hand Stefan –› Korbbluts bei –› Evans Sec.

    Brander, Andreas: Ein Lehrer, der zum ersten Mal im –› Wolpertinger auftrat. –› »Wolpertinger oder Das Blau«: »Der mit dem Krokodil auf dem Herzen erzählt gerne Witze.«

    Brem: Retirierter Söldner. Ein Falludsche von der Oda, der auch »Gelbes Messer« genannt wird. Ehemals die Rechte Hand des Emirs –› Skamander.

    Bremen, Freie und Hansestadt: Die Stadt im Deutschland der wirklichen Welt, in der 1981 alles begonnen hat. »Die –› Verwirrung des Gemüts«: »Im Bahnhof träumt die Stadt inwärts gekehrt.« So lautet der erste Satz der gesamten Romanserie.

    Broglier, John: Ehemaliger Lebemann und Cicisbeo. Kurzzeitig, wie auch Hans –› Deters, ein Gespiele Corinna –› Frie­lings. Nachdem er sich in die Klonin Dorata –› Spinnen verliebt, geht er in –› Garrafff verloren. –› »Buenos Aires. Anderswelt«: »Wie so oft hatte er seinen Tag verbummelt, hatte sich lockere Gedanken über Doratas und seine Zukunft gemacht; daß sie ihn aushielt – etwas, woran er von Frauen mehr als gewöhnt, schließlich war das seine Lebensgrundlage gewesen –, gefiel ihm schon einige Wochen nicht mehr, bloß konnte er sich nicht vorstellen, wie einer wie er das ändern sollte. Ihm behagte die Vorstellung nicht, sich täglich an einen kybernetischen Arbeitsplatz zu begeben, wo man sich stundenlang in leerer Routine und Disziplin verlor. Er fand das unmenschlich, war kein Mann fürs Einerlei, das hatte seine ungewöhnliche Berufswahl befördert. Sonst eine Ausbildung hatte er nicht, zwar so etwas wie ein studium generale absolviert, aber imgrunde auch da nur gelernt, charmant zu sein. Ebendas liebten die Frauen an ihm. Und er liebte sie, liebte das Leben in jeder, sogar in seiner datischen Form, war im –› Orgasmatron der virtuoseste Spieler.«

    Buenos Aires: Die Zentralstadt in Anderswelt. Der Name wird häufig auch für das ganze Europa der –› Anderswelt verwendet, was aber nicht korrekt ist. –› »Thetis. Anderswelt«: »Hier gediehen Bildung Intelligenz Geschäft. […] Buenos Aires war das Zentrum der Banken, der Versicherungen und Makler. Die dienten im New Work, wie die Allgemeine Hausarbeit der Angestellten hieß. Hier auch gediehen Physik Chemie Medizin. Man matchte Squash und Soziologie. Am laufenden Band wurden Gesellschaftsspiele erfunden, solitäre und solche, die die Spieler von Karlsruhe bis Bamberg vernetzten, eine Art später Amateurinformatik. Man lallte auf den Keyboards die ewigen Laute, Alephs und Oms, aber niemand erkannte sie mehr. Ein Regreß, der Hunderte von Jahren voranwies.«

    Buenos Aires. Anderswelt: Der zweite, 2001 erschienene Anderswelt-Roman, der Hans –› Deters’ Aufenthalt in der von ihm erfundenen Stadt erzählt, nachdem er in –› »Thetis. Anderswelt« vor Markus –› Goltz fliehen mußte. Siehe auch –› Porteños.

    Buster, Dolly: Porno-Filmstar in der wirklichen Welt. Quasi ein jeder Mann hat ihr Geschlecht gesehen, was ihre objektiv ganz ungeheure Lebensleistung ist.

    Centaurus A: »Intervallo« des Romans –› »Thetis. Anderswelt«. Während eines von der –› Siemens/Esa durchgeführten infonautischen Experimentes, das eine kosmische Reise simuliert, verwandeln sich die Versuchspersonen innert 15 Minuten in ungestalte aggressive Wesen, die man, um sie loszuwerden, überm Osten abwirft. –› »Thetis. Anderswelt«: »Und immer noch erst die Hälfte der Reisezeit überschritten, noch immer so fern der Kentaur, nichts, einfach nichts, was ablenken würde, nichts, was die Ödnis unterbricht, triste Ruhe steht in den Gängen, schmale Stille, weiterhin blinken Batterien von Lämpchen, surrt es in Schatten, oszilliert Elektrik in Kabelergüssen. 49 Kosmonauten und in den Laboratorien genetische Proben von Weizen Gerste Tomaten Bohnen, im Stockwerk darunter einer jeden Tierart DNS, auch Krieg und Frieden mit hinübergenommen, Clausewitz und Edgar Poe und alle die andern, es soll dir nichts mangeln. Die Zeit, die es braucht, die verbleibende Strecke zu durchmessen, ist genug, um alle Leben, die nötig waren, die Bände der großen Bibliotheken von Alexandria zu schreiben und von Babylon, ein zweites Mal zu leben, genug, jedes Bauwerk auf Erden erneut zu bauen, abzureißen und abermals errichten zu lassen und jeden Baum noch einmal zu pflanzen, das Surren, das Blinken, im Kernbrennwerk des Schiffes brannte Wasserstoff zu Helium und Helium zu –› Hodna. Einmal pro Monat putzten Putzroboter die Brücke, putzten den Schlafsaal, die Armaturen putzten sich selbst.«

    Chagadiel, Thorsten: Staatspräsident in –› Garrafff.

    Cham: Ort im Osteuropa der –› An­derswelt. Von hier aus brach –› Borken­brod nach Westen auf. –› »Thetis. Anderswelt«: »Krähen schrien auf die Hüt­ten nieder. In die Siedlung war Bewegung gekommen. Überall krochen Leute aus dreckigem Schlaf. Als hätte man Maden übereinandergeschaufelt, und die zuckten nun. An einer Perlonschnur hing Borkenbrod vor der Hüfte ein Plastikschlauch. Er zog den Stöpsel trank spülte. Von dem einen kriegt man Verstopfung, vom anderen Dünnschiß, dachte er. So gleicht sich alles aus auf der Welt.«

    Chelsea: Ein Stadtteil von Buenos Aires, –› Anderswelt. –› »Thetis. Anderswelt«: »Rote Backsteinvillen hinter gepflegten Rabatten mit Stiefmütterchen und Hecken aus Sanddorn, der Haus­eingang stets ein halbes Stockwerk erhoben, paar Stufen führen zur polierten Kirschholztür hinauf.«

    Church of Latter-day Saints: Siehe –› Mormonen.

    Claus, Udo: Ehemaliger Kollege von –› Deters bei –› Evans Sec.

    Claußen, Robert: Ehemaliger Arbeitskollege Herrn –› Drehmanns.

    Colón: Ein Stadtteil in Buenos Aires, Anderswelt. Hier befindet sich das –› Boudoir. Siehe auch Calle dels –› Escudellers.

    Cordes, Eckhard: Einer der Ich-Erzähler des Argo-Romans. Andere Ich-Erzähler sind Alban –› Herbst und Hans Erich –› Deters. Zum ersten Mal taucht Eckhard Cordes am Ende des –› »Wolpertinger«-Romans auf.

    Coupole: Ein Café in Buenos Aires. –› »Buenos Aires. Anderswelt«: »Nur deshalb fühlte sich der Vorhang, den die Tür des Cafés vorstellte, derartig schwer an. Bleistoff Stoff aus Sand. Immer noch hielt Deters die Glastür an der Klinke gerafft, hielt sie über sich, ja bückte sich, wie um darunter durchzuschlüpfen, bückte sich viel zu tief, vielleicht des Hutes wegen, den er drinnen erst abnahm. Hinter ihm schwang sich die Tür zurück in ihr Schloß. Seit wann, übrigens, trug er Hüte? Ob man noch oder bereits geöffnet habe? fragte er ziellos in den Raum. Der Kellner antwortete nicht, sondern schoß aufgezogen zwischen den Tischen herum. Plötzlich blieb er stehen, sah auf, sah zu dem neuen Gast hinüber, indem er furchtbar langsam den Kopf drehte. ›Guten Morgen, Herr Deters.‹ Woher kannte er den? Schnurrte schon wieder von Tisch zu Tisch. Er hatte etwas von einem Karussellpferd, das immer an derselben Stelle nickt.«

    Cybergen: Multinationales Technologie-Unternehmen mit Sitz in –› Garrafff. Hier sind –› Herbst, –› Mensching und –› Zeuner tätig, sowie Dr. –› Lerche.

    DaPo: Abkürzung für die allgemeine Datenpolizei in –› Buenos Aires und –› Weststadt.

    Deidameia: Auch –› Aissa die Wölfin genannt. Die Hetäre aus –› Landshut wird als Ellie –› Hertzfeld zur Führerin der –› Myrmidonen und vereinigt den –› holomorfen mit dem humanoiden Widerstand. Aus der Sicht –› Pontarliers ist sie eine führende Vertreterin des –› Terrorismus. Eigentlich müßte sie Ellie –› Greinert heißen. –› »Buenos Aires. Anderswelt«: »Deidameia trug, obwohl es recht kalt war, einen weitoffenen, dreiviertellangen leichten Trench und darunter ein elegantes Kostüm, das sie indes mit Turnschuhen kombinierte. Auf ihrem Flammenhaar saß schräg ein kleiner blauer Hut, von welchem eine Feder wippte. An der linken Seite schwang eine Kunstledertasche, aber vielleicht war das Nappa auch echt und bloß so giftgrün eingefärbt.«

    Deters, Hans Erich: Er brach einst zu einem Spaziergang durch Berlin auf. Während er im Berliner Café –› Silberstein auf eine Frau wartet, mit der er sich in der U-Bahn verabredet hat, fantasiert er eine aus verschiedenen europäischen Großstädten zusammengesetzte Megametropole, die aus den drei großen ­Bereichen –› Oststadt, Zentralstadt (–› Bue­nos Aires) und –› Weststadt bestehende –› Anderswelt, in welcher er selbst sich schließlich verirrt.

    Devadasi: Ethnischer Name der rasenden –› Heiligen Frauen.

    Diskette: Ein unterdessen überkommenes Speichermedium, das noch zu Anfang der drei »Anderswelt«-Bücher dem technologischen Standard entsprach, unterdessen aber den Charakter einer ge­bundenen magischen Handschrift hat, die kaum noch jemand entziffern kann. Das ist auch besser so. Insofern wird von einer Übertragung auf moderne Speichermedien dringend abgeraten. Hans Erich –› Deters brachte sie, quasi als Erbe, vom –› »Wolpertinger« mit.

    Djerbi, Seyfried: Ein Freund von Godehard –› Lutz.

    Doradin, Frau: Ehemals Herrn –› Drehmanns Sekretärin.

    Drehmann, Herr: Ein holomorfer Myrmidone. Als –› Maultier für –› Dr. Jaspers, den Vater Elena –› Goltz’, ehemals ein leitender Beamter der Mauerbaubehörde. Er war mit der Familie Jaspers so eng vertraut, daß sie ihn den Onkel Elenas nannte. Von Markus –› Goltz gelöscht, ist er von –› Deidameia in die –› Anderswelt zurückgeholt worden. »Thetis. Anderswelt«: »Den ganzen Tag über hatte es in dem untersetzten Maultier herumrumort. Maultier, so waren spöttisch die –› Holomorfen genannt. Manchmal nannte Herr Drehmann sich selber so. Doch derart ironisch war er nur selten. Heute war er es gar nicht. Dabei war ihm nichts widerfahren, das seine Wirschheit gerechtfertigt hätte. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn Holomorfe verschwinden. Daß andere Holomorfe es merken, aber schon. Um so kräftiger quälte es ihn heute, in einem Büro arbeiten zu müssen. Kein Mensch tat das mehr. Nur die Beamten sollten schwitzen. Was eine Tortur! Herr Drehmann verstand seinen Reiter. Aber er hätte sich niemals beklagt. Er war ein bequemer Mann. Auf Bequemlichkeit programmiert.«

    Dunckerstraße 68, Q3: –› Deters Wohnung im Berlin der Anderswelt. Tatsächlich wohnt dort aber auch der tatsächliche Autor der »Anderswelt«-Bücher.

    Eidelbeck, Rikbert v.: Generalleutnant des Europäischen Heeres, Chef der Heerespolizei. Ein Gegenspieler Markus –› Goltz’.

    Eintagekriege: ­Revolutionäre Er­he­bungen des Ostens gegen den Westen. Beide wurden niedergeschlagen. Der erste, von dem ersten –› Odysseus geführte, fand an einem 17. Juni statt.

    Elena: Siehe Elena –› Goltz.

    Els: Siehe Gunhild –› Siddal.

    Else: Eine Freundin eines der »Anderswelt«-Erzähler, mit der er sich über Quentin Tarantino streitet. Eingeweihte vermuten, es handle sich um Else Buschheuer, eine bekannte Fernsehmoderatorin und Schriftstellerin.

    Emir: Ein Beiname –› Skamanders.

    Eris: Ein –› Achäer. Er wurde von dem Vorgänger des jetzigen Präsidenten gefangengehalten und prophezeite Niam –› Goldenhaar. –› »Thetis. Anderswelt«: »Zu hellen Zeiten empfing er den Präsidenten sogar wie zu Hause und gerne als einen lieben Freundesbesuch, allerdings blieb der immer auf seiner Seite der Scheibe; gemeinsam spielte man Schach, und waren die Abende fortgeschritten, dann ließ der Präsident sich erzählen, daß, als Eris übers –› Thetis-Meer gefahren, er Zeuge geworden sei, wie eine Riesenschlange sich mit einem anderen Seemann verbunden habe; den habe sie einfach so aus einer Jolle gepflückt und sich schwängern lassen von ihm. Das habe Eris freilich anfangs nicht gewußt, aber geahnt, daß dies die Midgardschlange gewesen sei. Sie habe sich in ihrer höchsten Lust – ja: Lust! – ihrem Opfer zu erkennen gegeben und Thetis Jörmungrand genannt.«

    Erissohn: Seinem Namen nach ist er des –› Eris Sohn. Siehe aber auch –› Achillëis.

    Escudellers, Calle dels: Eine Straße in –› Colón, –› Buenos Aires. Dort befindet sich, je nach Perspektive, einer der Vorder- oder Hintereingänge zum –› Boudoir. In der wirklichen Welt eine Straße in Barcelona, welches in der Anderswelt wiederum der Stadtteil ist, zu dem –› Colón gehört, in der wirklichen Welt ein Stadtteil Barcelonas. Tatsächlich wurde hier der Striptease erfunden.

    Evans Sec.: Brokerhaus. Hans –› Deters ehemalige Arbeitsstelle.

    Europa (Anderswelt): Nach der Geologischen Revision aus drei streng voneinander abgegrenzten Teilen bestehend: dem rein-simulativen Westen, der Dienstleistungs- und Produktionsstadt –› Buenos Aires, sowie dem verelendeten Osten. Dieses Gesamt­europa ist von einer riesigen Mauer umgeben, die es vor dem –› Thetismeer schützt.

    Europäisches Dach: –› Hodna.

    EWG: Die von –› Ungefugger gegründete Europäische Wirtschaftsgesellschaft betreibt Finanzdienstleistungen im weitesten Sinn, vor allem aber die soziale Absicherung der –› Porteños. Nach Art jedes Strukturvertriebs paramilitärisch organisiert, wird die in ihrem Marktgebaren sehr aggressive Firma nach dem Verschwinden Elena –› Goltz’ von Klaus –› Balmer geleitet. (In »Buenos Aires. Anderswelt« aufgrund eines Fehlers als »AWG« bezeichnet.)

    Faktotum: Siehe –› Schulze.

    Falbin, Claus: Aus ihm und –› Ulf Laupeyßer synthetisierte sich, unter Verwendung eines falschen Passes, Hans Erich –› Deters.

    Faure, Ulrich: Ein Freund Hans –› Deters’, der die –› Diskette einen »Virenzoo« nennt.

    Feix, Lothar: Ein stiller Widerständler aus dem –› Torpedokäfer des wirklichen Berlin. Immer saß er, den Rücken zum Fenster, auf seinem angestammten Platz an der schmalen Seite der Theke und trank, bis er starb. Er gab die »Sklaven«, eine Untergrundzeitung, mit heraus, die mit den –› Myrmidonen sympathisierte.

    FEMA (Federal Emergency Management Agency): Von Pontarlier zur Untersuchung von Nullgrund zusammengerufener »Förderaler Ermittlungs- und Material-Ausschuß«.

    Fensterreform: Der Mieter kann sich nach Wunsch wechselnde Ausblicke aus seinen Fenstern erzeugen lassen. Eine der für –› Porteños folgenreichsten Inventionen der neueren kybernetischen Architektur.

    Fichte: Ein Objektkünstler. Der Ich-Erzähler in Alban Nikolai Herbsts Roman »Meere«.

    Fischer, Joschka: Europas Außenminister in –› Ungefuggers erster und zweiter Legislaturperiode.

    Frankfurt am Main: Eine Stadt in der wirklichen Welt, deren Entsprechung in der Anderswelt »Rheinmain« heißt. Es ist die dritte Station von Hans –› Deters phantastischer Reise seit seinem Ausbruch aus Bremen. In Frankfurt am Main wird er Broker. Siehe auch –› Evans Sec.

    Frieling, Corinna: Eine Krankenschwester. Kurzzeitig –› Brogliers und –› Deters Geliebte. –› »Thetis. Anderswelt«: »Sie war sechsunddreißig, hübsch, alleinstehend aus Prinzip, eine kleine Brünette mit Wespentaille und einem erstaunlich breiten Nacken, in den hinunter ein dichter, wenn auch schmaler Haarstrang wuchs, oben in ihrem Schlafzimmer lag noch immer ihr neuer Freund.«

    Garrafff: Eine der Anderswelten, in die es John –› Broglier verschlug. Lange fand er nicht mehr heraus. In Garrafff befindet sich das Beelitzer Unternehmen –› Cybergen, für das u. a. Alban –› Herbst, Dr. –› Lerche und Sabine –› Zeuner arbeiten.

    Geologische Revision: Eine globale Naturkatastrophe, die sowohl die Polkappen schmelzen, als auch den atmosphärischen Schutzschild nahezu restlos zusammenbrechen und das –› Thetismeer ansteigen ließ, was zum Bau der Europäischen –› Mauer führte. Siehe auch –› Hodna.

    Gerling, Klaus: Ehemals Europas Sicherheitschef, Begründer der –› SZK, der vor Zeiten den kleinen Jens –› Jensen betreute und später zum Mentor Markus –› Goltz’ wurde. –› »Thetis. Anderswelt«: »Und nicht nur, weil er wegen seines Spitzbartes dem Plessis so ähnlich sah, wurde von ihm bisweilen als einem Richelieu geflüstert. Er selbst soll sich das nicht ungern angehört haben und hinterließ jetzt folgerichtig in Markus Goltz den Mazarin.«

    Gibson, William: Mit –› Kollhoff, –› Kotani, –› Schultes, –› Sombart, –› Toufeklis und –› Woods der erste der sieben stilgebenden Architekten Buenos Aires’ und der Weststadt.

    Gleiter: Flugbefähigte Personenfahrzeuge in –› Buenos Aires.

    Goethe, Johann Wolfgang von: Ein klassischer Dichter der wirklichen Welt. Er spielt in diesem Roman eine rhythmisch entscheidende Rolle. Siehe –› Achillëis.

    Goldenhaar, Niam: Chill –› Borkenbrods und Lykomedite –› Zollsteins Tochter. Es wird aber gesagt, daß sie die Tochter der –› Thetis sei. Genannt auch Niamh of the Golden Hair oder Die Lamia, ist sie als Mutantin aus einer Figur H. R. Gigers entstanden bzw. gehört sie in die keltische Mythologie: Niam Chinnoír, ›Goldhaar‹, ist jene Andersweltfürstin, die sich in –› Oisìn verliebt und ihn nach –› Tir na nOg holt. Wie alle Erlöser ist sie monströs. –› »Thetis. Anderswelt«: »Immer wieder sah sie eine riesige Woge über sich zusammenbrechen, die den Stein, worauf sie aufklatschte, in Millionen Partikel zerschmetterte. Zwar blieb sie, Niam, jedesmal unbeschädigt, doch ein furchtbarer Schrecken kühlte ihr erwachtes Inneres aus. Und einmal sprach sie ein Frauenkopf an, der auf dem Hals eines samtigen Drachenkörpers saß, Wassertropfen glitzten auf den Schuppen: ›Meine Tochter! Höre mich! Ich warte auf dich!‹ Und tauchte wieder unter im Meer.«

    Goltz, Elena: Gattin –› Markus Goltz’ und geborene –› Jaspers. Mitarbeiterin und glühende Verehrerin –› Ungefuggers zu dessen Firmenzeiten. Nachdem er europäischer Staatspräsident wurde, übernahm sie die –› EWG. –› »Buenos Aires. Anderswelt«: »Die Cessna landete, die ausgesprochen verärgerte Frau stieg aus und in einen blütenweißen Wagen um, eine achtsitzige Limousine, am Elfenbeinsteuer ein kleinwüchsiger, in seinem Konfirmationsanzug schwimmender Thai, der die abgedunkelte, schußsichere Scheibe im Rücken hatte, welche die Chauffeurskabine vom Passagierraum trennte, worin Elena Goltz genügend Platz fand, die eleganten Mulatinnenbeine hochzulegen und mit den Pumps zu wippen, die sie bewunderte und bewundernd drehte, den Knöchel nach links, den Knöchel nach rechts.«

    Goltz, Markus: Leiter der Sicherheitszentrale Koblenz (–› SZK), nach Privatisierung der Exekutive Chef der Europäischen Polizei. Ehemann der –› Elena Goltz. In –› »Buenos Aires. Anderswelt« schließt er mit –› Deidameia einen Pakt. –› »Thetis. Anderswelt«: »Und saß jetzt neben dem in sich eingesunkenen Jubilar. Daß er erregt war, ließ sich nur aus dem leichten Geruch nach Buttermilch schließen. Es gebe, dachte er, für Erregungen gar keinen Grund. Seine Recherchen waren beschlossen, und was zu tun war, würde getan. Keine Bewegung in seinem Jungengesicht. Nicht einmal Mißbilligung darüber, daß –› Gerling eingeschlafen war neben ihm. So sah das nämlich aus. Markus Goltz, den Tee von sich schiebend, stieß ihn zweidreimal leicht mit dem Ellenbogen an, um zu verhindern, daß der alte Mann aus lauter Kraftlosigkeit seitlich vom Stuhl rutschte. Dabei ekelte er sich davor, andere zu berühren, und sowieso: berührt zu werden.«

    Gottesfleisch: –› Panaeolus papilonoaceus.

    Grassmuck, Volker: Sozial- und Medienwissenschaftler in Buenos Aires; als solcher ein Sachverständiger für den Europarat. In der wirklichen Welt gibt es diesen Mann auch.

    Gregor: –› Lethen.

    Greinert, Ellie: –› Deidameia.

    Grosau-Benathen, Frau: Gesundheitsministerin in –› Ungefuggers zweiter Legislaturperiode.

    Grünauer, Delf: Ein Student, der als Nachtwächter im Spectrum des Berliner Technikmuseums jobbt. Siehe auch –› Nebelkammer.

    Häusler, Anna: Eine junge Dichterin in dem Roman –› »Wolpertinger oder Das Blau«, deren andres Selbst eine Verkörperung –› Titanias ist.

    Hannoversch Münden: Die zweite, in –› »Wolpertinger oder Das Blau« erzählte Station der phantastischen Reise, die Hans –› Deters unternimmt. Siehe auch Aldona v. –› Hüon.

    Harines: Auch ›Huri‹. Die Hetären der –› Landshuter –› Amazonen.

    Harlte, Frau: Ulf –› Laupeyßers, bzw. Claus –› Falbins Nachbarin in –› Bremen.

    Hausmann Herr: Ein ehemaliger Arbeitskollege Herrn –› Drehmanns, der für die –› Myrmidonen tätig ist.

    Hediger, Judith: Eine Geliebte Hans Erich –› Deters, die im Café –› Silberstein als Alternative zu Niam –› Goldenhaar auftritt. Sie will die aus dem –› Wolpertinger mitgebrachte alte –› Diskette analysieren.

    Heilige Frauen: Beiname der –› Devadasi. Als Anhängerinnen –› Yellamas sind sie grausam und kannibalisch, aber, so heißt es, der Thetis’ Botinnen. Meist finden sie sich in der Nähe der –› Schänderpriester, die ihnen völlig ergeben sind. –› »Thetis. Anderswelt«: »Die ersten Devadasi kamen zur Welt. Es hieß, ein Adler trage sie nach ihrem Tod zum Himmel hinauf: – zum Olymp, meinten die einen, – ins Nirvana, die andren, – nach Eden, schließlich die dritten. Gen –› Kungír aber, so meinten sie selbst. Und waren unberührbar. Sie könnten, sagten die Leute, sogar übers Wasser gehen, denn Thetis selbst lege ihnen die Hände unter die Sohlen.«

    Herbst, Alban: Programmierer bei der Beelitzer –› Cybergen in –› Garrafff.

    Hertzfeld, Ellie: –› Deidameia.

    Hertzfeld, Jason: Der auch »Jason Greinert« und »Neoptolemos« genannte Sohn –› Deidameias und –› Borkenbrods. –› »Buenos Aires. Anderswelt«: »Jason war kein guter Schüler, und sowieso haßte er, wenn er’s herausbekam, alles, was nicht real war, haßte die um ihn entstehenden Schimären, die falschen Leoparden und Elefanten, die falschen Schiffe, das falsche Meer. Der kräftige Bursche bewegte sich gern, das unterschied ihn von seinen Mitschülern sehr, die durch die Bank mit sieben kurzsichtig waren und trotz der ausgewogenen Pillenernährung, dafür löffelweise Quellstoffe eingestopft, kaum mehr funktionsfähige Sehnen hatten.« Nachdem er zu –› »Aissa die Ratte« geworden, führt er als –› »Aissa der Stromer« die –› Argonauten an.

    Hodna: Die wichtigste Energieform in Buenos Aires. Erst sie hat die Entwicklung der –› Holomorfen ermöglicht. Bis auf den Osten liegt ganz Europa unter einem Hodnaschirm, nachdem im Gefolge der Großen –› Geologischen Revision jeder natürliche Atmosphärenfilter zerstört ist. Hodnawerke finden sich gehäuft am Rheingraben, einige auch außerhalb des andersweltlichen Europas, vor allem aber auf dem –› Zweitmond. –› »Thetis. Anderswelt«: »Unter dem –› Schirm baute Europa sein Dach. Das hielt die Strahlungen ab. Draußen zersetzten Klimamaschinen das Wasser in Salze Mineralien Wasserstoff und Sauerstoff. Jenen pumpte man in Reaktoren, diesen unter die Kuppel.«

    Holomorfe: Eine Art computergene­rierter Roboter mit ­Selbstbewußtsein. Bei den täuschend ­menschenähnlichen Geschöpfen handelt sich um ­gescannte FeldPhotonenEmissions­ho­lo­grafien im –› ­hodnagravitätischen Raum, worin sich ­elektromagnetische und energetische Felder als synthetische Materie bilden. Siehe –› Maultier und –› Reiter.

    Huehuetlotl: Ein Götze der –› Schänder. –› »Thetis. Anderswelt«: »Es galt für fast so heilig wie die Frauen, und wie die –› Hundsgötter genoß es jedermanns Ehrfurcht, wenngleich es völlig lebensunfähig war und getragen und mit vorgekauter Nahrung gefüttert werden mußte. Denn es hatte keine Muskeln, hatte auch kein Rückgrat; aber die Schänder hatten ihm eines gebaut, dahinein war es geschnallt; um es zu reinigen, holten sie es jeden Tag heraus. Das Kerlchen diente für nichts, war nur böse. Es gewährte nicht einmal, wie die Hundsgötter, Schutz. Und gab keinen Rat wie –› Odysseus, den man hier Orpheus nannte. Huehuetlotl war ein Gegenstand der Furcht: giftiger Luxus, den man sich leistete als Stamm.«

    Hüon, Aldona v.: Hans –› Deters’ Alda genannte Gegenspielerin, zugleich Sympathisantin in –› »Wolpertinger oder Das Blau«: »Bevor wir uns trennten, legte mir Alda die Handflächen auf die Schultern, zog mich an sich und gab mir einen flüchtigen Kuß auf die linke Wange. ›Schlafen Sie wohl, Hans. Und träumen Sie ein bißchen von mir.‹ Sie lachte hell und huschte die Treppe hoch. Ihre Absätze schlugen durch das Rascheln des wadenlangen Sommerkleids wie auf Porzellan.«

    Hugues, Robert: Zeitungszar. Unsterblicher Chef der T&T mit Wohnsitz in den Ardennen. Einer der erbittertsten politischen Gegner –› Ungefuggers.

    Hunch: Eine Designer-Droge in der Anderswelt.

    Hundsgott: Kreuzung aus gegen die –› Schänder eingesetzten Kampfhunden und –› Heiligen Frauen. –› »Thetis. Anderswelt«: »Auch der Hundsgott setzte sich, aber –› Huehuetlotl zur Seite, und er schob seine Kapuze zurück, so daß man den herrischen Haarbusch auf der Stirn sehen konnte. Er entsprang knapp der Dellung, aus welcher des Hundsgotts Schnauze wuchs. Immerhin schloß er die eng danebenstehenden Augen. Seine Physiognomie ließ an die von Affen denken.«

    Hünel: Undercover-Polizist der –› SZK. Von Markus –› Goltz zur Beobachtung Jason –› Hertzfelds in –› Kehl eingesetzt.

    Hürlimann: Ein Konkurrent –› Ungefuggers.

    Hygienisierungskampagne: Schon während seiner ersten Legislaturperiode ein fundamentaler moralischer Feldzug Präsident –› Ungefuggers.

    IMZ: Das Institut für militärische Zweckforschung in Stuttgart, Anderswelt.

    Infomat: Siehe –› Infoskop.

    Infoskop: Ein videoakustischer Ganzkörper-Projektor, der direkt mit dem Gehirn verbunden wird und »reale« Erlebnisse simuliert; ein Unterschied zu tatsächlichen Eindrücken ist subjektiv nicht feststellbar. Das Gerät wird auch zum Unterrichten verwendet; für die meisten –› Porteños ist es vor allem Arbeitsplatz. Als erotische Spezialprojektoren heißen Infoskope –› Orgasmatrone.

    Ingolstadt: Ein dem –› Laserzaun sehr nahe gelegener Stadtteil von –› Buenos Aires, ehemals Zentrum der –› Myrmidonen. Siehe auch Miriam –› Tranteau.

    In New York. Manhattan-Roman: Ein im Jahr 2000 erschienener Roman, der eine Verbindung in die –› Anderswelt herstellt.

    Irritanten: So werden die Wanderer zwischen den möglichen Welten genannt, sofern sie in deren Prozesse eingreifen können; erstmals von –› Deidameia in Bezug auf Hans Erich –› Deters verwendet.

    Jannis: Der nach dem Dichter Jannis –› Ritsos benannte Sohn –› Dei­dameias und –› Kumanis.

    Jascha: Sohn –› Katangas und Freund des kleinen Sohnes eines der Erzähler dieses Romans.

    Jason: Siehe Jason –› Hertzfeld.

    Jaspers, Dr. Kurt: Mauerrat. Elena –› Goltz’ Vater. –› »Thetis. Anderswelt«: »Dr. Jaspers hatte schon lange keine Lust mehr gehabt auf den ständigen Ärger im Amt. Daß man überhaupt dort hingehen mußte, derweil sich die anderen Berufe längst aufs New Work umstrukturierten, war ihm ein Anlaß ständigen Klagens. Zudem war er von allen immer nur gedrängt worden, Karriere zu machen. Ihn interessierte ein beruflicher Aufstieg aber nicht; daß der bislang so reibungslos und musterhaft verlaufen war, hatte weniger an ihm, als am Großmut seiner Vorgesetzten gelegen.«

    Jaspers, Elena: Siehe Elena –› Goltz.

    Jaspers, Gisela: Elena –› Goltz’ Stiefmutter, geborene Schaper. Sie hat ihren Mann wegen seines von ihr erhofften gesellschaftlichen Aufstiegs geheiratet und liegt mit der Stieftochter in währendem Zwist.

    Jefferson, Martha: Siehe –› Mata Hari.

    Jensen, »der alte«: Der Ochsenköpfige. Ehemals Berater –› Toni Ungefuggers. Er wurde von Niam –› Goldenhaar gerissen. Mit einer von den –› Heiligen Frauen befreiten Asiatin zeugte er Jens –› Jensen. –› »Thetis. Anderswelt«: »Je datischer sich der Westen organisierte und je technischer Buenos Aires, desto begieriger war Jensen senior auf Schlamme Steine Pilze. Zentralstadt und Westen wirkten fieberhaft daran, die Fortpflanzung nicht nur zu regeln, sondern zu hygienisieren; aber Jensen schien besessen von direktem körperlichem Kontakt. Man sagte ihm diesbezüglich viel Unappetitliches nach. Auch hielt er nicht hinterm Berg, daß er, so gut dies ging, die Pil­lennahrung mied. Er rauchte sogar, beging das Delikt öffentlich, selbst in Verwaltungsgebäuden. Dreimal strengte man darum Prozesse gegen ihn an. Einmal mußte er für eine Woche in Verwahrung. Das störte ihn nicht, er machte sich ein Gaudi daraus.«

    Jensen, Jens, »der junge«: Sohn des alten –› Jensen und als Berater –› Ungefuggers dessen Nachfolger. –› »Thetis. Anderswelt«: »Des Sohnes – also Jens Jensens – Gesicht hatte nicht nur wegen der hohen Wangenknochen etwas Asiatisches. Sondern ein gewisses, unter einem sehr bestimmten Winkel einfallendes Licht ließ Jensens Augen oft knallrot aufblitzen, so daß man sich an einen Albino erinnert fühlte. Er habe dies, so hatte ihm Ungefugger erzählt, von seiner Mutter geerbt, die bei seiner Geburt verstorben sei.«

    Jessin, Sheik: Korrekt »Sheik Ahmad ibn Rashid al Jessin«, auch kurz »der Scheich« genannt. Man vermutet in ihm den Drahtzieher des –› Dschihad-Terrorismus. Er hält sich meist in den –› UNDA auf, läßt aber in großem Stil Liegenschaften im Osten Europas erwerben. Seine Konten verwaltet unter anderem Stefan –› Korbblut. Auch –› Balthus ist für ihn tätig.

    Dschihad!: »Heiliger Krieg!« Eine wahrscheinlich von Sheik –› Jessin geführte –› terroristische Glaubensbewegung und zugleich der Kampfruf der –› Schänder.

    Josie: Helmut –› Balthus’ Frau.

    Kali: Eine Amazone aus –› Dei­dameias Ost-Truppe.

    Karlstein: Ein Adjutant Generalleutnant v. –› Eidelbecks.

    Karpov, Otto: Immobilienzar. Konkurrent –› Ungefuggers.

    Katanga: Mitbewohner eines der Erzähler dieses Romans. Siehe auch –› Jascha.

    Kehl: Ein so hochgeschützter –› Kiez in –› Buenos Aires, weil er als einer der Übergänge von –› Buenos Aires in die –› Weststadt fungiert.

    Kiez: In manchen Gebieten –› Buenos Aires’ ein Begriff für »Stadtteil«. Andere Begriffe sind »Quartier« und »Rione«.

    Kignčrs, Cord-Polor: Ehemaliger Söldner, der eine Zeitlang in –› Brems Truppe diente.

    Kitzlerpulver: »Es war ein verbotenes Geschäft aufgeblüht mit den Ostfabriken, man schmuggelte die getrockneten zerstoßenen Kitzler über den Laserzaun hinweg. Riesige Summen wurden auf dem Schwarzmarkt geboten; es lagen sogar Bestellungen von Sanatorien vor. Das hatte sich –› Leinsam, der Verwandtschaft an der Grenze hatte, zunutze gemacht.« (–› »Thetis. Anderswelt«). Siehe auch –› Panaeolus papilonoaceus.

    Klipp: Polizist von SA2, Kollege –› Schwanleins.

    Kollhoff, Hans: Mit –› Gibson, –› Kotani, –› Schultes, –› Sombart, –› Toufeklis und –› Woods der zweite der sieben stilgebenden Architekten Buenos Aires’ und der Weststadt.

    Korbblut, Stefan: Ehemaliger Brokerkollege von –› Deters bei –› Evans Sec. Er unterhält Geschäftsverbindungen mit Sheik –› Jessin. –› »Thetis. Anderswelt«: »Korbblut gehörte zu den wenigen Brokern des Unternehmens, die nicht weisungsverpflichtet waren, sondern discretionary handeln, also sich für Trades auf Rechnung des Kunden souverän entscheiden konnten.«

    Kotani, Eishiro: Mit –› Gibson, –› Kollhoff, –› Schultes, –› Sombart, –› Toufeklis und –› Woods der dritte der sieben stilgebenden Architekten Buenos Aires’ und der Weststadt.

    Kroll, Herr: Herrn –› Drehmanns Nachfolger im Maueramt.

    Kühne, Kalle: Ein Taxifahrer, der auch »Bruce Kalle Kühne« genannt wird, weil er in –› »Thetis. Anderswelt« als Bruce Willis herumfuhr. Wir erkennen ihn immer sofort an seinem Dialekt.

    Kumani: Ein junger –› Holomorfer, der mit –› Pan dealt und erst spät

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