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Das Grauen: Seltsame Geschichten
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eBook292 Seiten3 Stunden

Das Grauen: Seltsame Geschichten

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Über dieses E-Book

In der Reihe UNTOTE KLASSIKER präsentiert der JOJOMEDIA Verlag unentdeckte, vergessene oder vergriffene Highlights aus den Genres Horror und Unheimliche Phantastik in neuer, zeitgemäßer und hochwertiger Aufmachung. Jeder Band enthält neben eigens für die Reihe UNTOTE KLASSIKER gestalteten kunstvollen Illustrationen auch ein vertiefendes Vorwort mit ausführlichen Hintergrundinformationen zu Buch und Autor.

Mit dem nun vorliegenden ersten Band der Reihe, DAS GRAUEN, einer Sammlung von zwölf "seltsamen Geschichten" voller Gewalt, versteckter sexueller Perversion und psychopathologischer Figuren gelang dem deutschen Schriftsteller Hanns Heinz Ewers 1907 der große Durchbruch.
Ewers interessierte sich zeitlebens besonders für phantastische, makabre, abseitige und morbide Themen in der Tradition von E. A. Poe oder den "Contes Cruels" von Villiers de L'Isle Adam, deren Texte er auch ins Deutsche übersetzte. Während Ewers international schon früh als bedeutender Vertreter der phantastisch eingefärbten unheimlichen Literatur wahrgenommen wurde, galt er wegen seiner nationalsozialistischen Umtriebe insbesondere im Nachkriegsdeutschland als verfemt und wurde häufig zu Unrecht als Autor von reinen Trivialliteratur abgetan.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. Sept. 2019
ISBN9783950436280
Das Grauen: Seltsame Geschichten
Autor

H.H. Ewers

DR. HANNS HEINZ EWERS (1871 - 1943) war der erste deutsche Popstar der unheimlichen Literatur. Für Furore sorgte er nicht nur als künstlerisches Multitalent (Ewers begann seine Karriere als Dichter, Kinderbuchautor, Übersetzer und Satiriker, war Mitbegründer des ersten Berliner Kabaretts "Ueberbrettl", Stummfilmpionier der ersten Stunde und schrieb publicityträchtige Bestseller wie ALRAUNE), sondern vor allem auch durch sein exzentrisches und skandalträchtiges Privateben als bekannte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens seiner Zeit. Der studierte Jurist Ewers war schon in jungen Jahren in diverse Auseinandersetzungen verwickelt und wurde unter anderem wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften verurteilt. Er konsumierte regelmäßig Drogen und Rauschmittel aller Art, setzte sich schon früh für Nudismus und Homosexualität ein, war zweimal verheiratet und hatte zahlreiche Affären. Der ihm zur Last gelegte Selbstmord einer Geliebten sorgte international für Schlagzeilen. Als Feuilletonist reiste Ewers rund um den Globus, war während des Ersten Weltkriegs in den USA inhaftiert, und stand in Kontakt mit vielen prominenten Zeitgenossen - von Künstlerkollegen wie Gustav Klimt, Max Reinhard oder Gerhard Hauptmann bis hin zu einflussreichen gesellschaftlichen und politischen Kreisen. Aufgrund seiner opportunistischen Anbiederung an das Nazi-Regime wurde er angeblich von Adolf Hitler selbst per Handschlag in die NSDAP aufgenommen und mit der Ausarbeitung des Propagandaromans HORST WESSEL beauftragt. Dennoch fiel Ewers auch unter den Nationalsozialisten wegen seines Eintretens für das Judentum und seiner antibürgerlichen Attitüde schnell wieder in Ungnade, seine Bücher wurden als entartet verbrannt, er selbst mit Schreibverbot belegt. Ewers starb schließlich vereinsamt und vergessen 1943 in Berlin.

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    Buchvorschau

    Das Grauen - H.H. Ewers

    INHALT

    Zum Geleit:

    Untote Klassiker

    Vorwort:

    Sex, Drugs & Strange Stories

    Hanns Heinz Ewers – Der erste deutsche Popstar der unheimlichen Literatur

    Die Tomatensauce

    Die Herzen der Könige

    Das weiße Mädchen

    Das Feenland

    Die Herren Juristen

    Die Wasserleiche

    John Hamilton Llewellyns Ende

    Aus dem Tagebuche eines Orangenbaums

    Der tote Jude

    Die Topharbraut

    Die Mamaloi

    UNTOTE

    KLASSIKER

    In der Reihe UNTOTE KLASSIKER

    präsentiert der JOJOMEDIA Verlag unentdeckte,

    vergessene oder vergriffene Highlights aus den

    Bereichen Horror und Unheimliche Phantastik

    (auch als «Weird Fiction" bezeichnet)

    in neuer, hochwertiger und zeitgemäßer Aufmachung.

    Jeder Band enthält neben eigens für die Reihe

    UNTOTE KLASSIKER gestalteten kunstvollen

    Illustrationen auch ein vertiefendes Vorwort

    mit ausführlichen Hintergrundinformationen

    zu Buch und Autor.

    Die UNTOTEN KLASSIKER gibt es als

    exklusives Hardcover, als edles Paperback mit

    strukturgeprägtem Einband und als E-Book.

    Vorwort

    SEX, DRUGS

    & STRANGE

    STORIES

    Hanns Heinz Ewers

    Der erste deutsche Popstar

    der unheimlichen Literatur

    Ein so aufsehenerregendes wie umstrittenes Werk; eine charismatische und zugleich ambivalente Persönlichkeit, getragen von künstlerischem Anspruch und vordergründiger Selbstinszenierung; von den Fans verehrt, von der Kritik geschmäht, aber stets in den Schlagzeilen präsent; eine abenteuerliche Vita mit steilem Aufstieg, bizarren Windungen und tiefem Fall – diese Beschreibung einer für das moderne Showgeschäft prototypischen Erfolgsgeschichte deckt sich in vieler Hinsicht auch mit dem Porträt eines Mannes, der sich um 1900 in Deutschland anschickte, die Bretter zu erobern, die die Welt bedeuten.

    Hanns Heinz Ewers begann seine Karriere als Dichter, Kinderbuchautor, Übersetzer und Satiriker, war Mitbegründer des ersten Berliner Kabaretts »Ueberbrettl«, Stummfilmpionier der ersten Stunde, und schrieb publicityträchtige Bestseller wie »Alraune«, die Geschichte einer künstlich gezeugten Femme fatale. Dabei sorgte Ewers nicht nur als kreatives Multitalent für Furore, sondern vor allem auch durch sein exzentrisches und von Skandalen begleitetes Privatleben als Celebrity seiner Zeit.

    Geboren 1871 in Düsseldorf, wurde Hanns Heinz Ewers die Affinität zur Kunst quasi bereits in die Wiege gelegt. Der früh verstorbene Vater war Maler am herzoglichen Hof, seine Mutter Maria aus’m Werth betätigte sich ebenfalls als Schriftstellerin und Märchenerzählerin.

    Bereits in jungen Jahren war Ewers ein eifriger Leser und verfasste erste Gedichte. Zu seinen Vorbildern zählten Heinrich Heine und Friedrich Nietzsche. Am Gymnasium entwickelte Ewers eine rebellische, antiautoritäre Einstellung, hatte schulische Probleme und schaffte nur mit Schwierigkeiten das Abitur.

    Danach musste Ewers zum Militär nach Berlin, wurde aber schon kurz darauf wegen seiner Kurzsichtigkeit wieder aus dem Dienst entlassen. Anschließend begann er ein Studium der Rechtswissenschaften, trat einer Korpsverbindung bei und genoss zunächst einmal das fröhliche Studentenleben, zu dem heftige Trinkgelage und Prostituiertenbesuche ebenso gehörten wie Mensuren und Prügeleien.

    Ewers wechselte mehrmals die Universität, unter anderem studierte er in Brünn, Genf und schließlich in Bonn. Parallel dazu begann er als Übersetzer und nach dem ersten Staatsexamen als juristischer Referendar zu arbeiten. In seiner Freizeit las er Werke von Edgar Allen Poe, Oscar Wilde und den Dichtern der französischen Dekadenz wie Baudelaire, Gautier, Maupassant oder Huysmans. Ewers verkehrte nun auch verstärkt in Künstlerkreisen, machte erste Erfahrungen mit Drogen und interessierte sich immer mehr für okkulte und spiritistische Themen.

    Im Zuge einer Betrugsaffäre rund um seine Rolle als vermeintliches Medium in obskuren Séancen wurde Ewers 1896 zu vier Wochen Festungshaft verurteilt. In der Folge kam es zu seiner Entlassung aus dem Staatsdienst, dennoch konnte Ewers sein Studium als »Dr. jur.« abschließen – den Doktortitel benützte er später noch gerne aus Prestigegründen, ohne aber jemals wieder in diesem Bereich beruflich tätig zu werden.

    Ab 1898 veröffentlichte Ewers in verschiedenen Literaturzeitschriften diverse Übersetzungen sowie eigene Gedichte, Erzählungen und Fabeln. Sein Lebenswandel war zu dieser Zeit bereits geprägt von zahlreichen Verhältnissen – aus einer dieser Beziehungen ging eine uneheliche Tochter hervor, die sofort in ein Pflegeheim gegeben wurde und zu der Ewers auch später nie Kontakt hatte. Die kurze Liebschaft zur Kindesmutter, einer gewissen Katharina Kreis, gestaltete sich für Ewers auch anderweitig folgenreich. Sie hatte ihn zu dem erotischen Gedichtzyklus »Von der goldenen Kätie« inspiriert, für den er wegen »Verbreitung unzüchtiger Schriften« verurteilt wurde. Für die damalige Zeit höchst anstößig war auch eine Erzählung über eine unglückliche homoerotische Beziehung, die Ewers in der Zeitschrift »Der Eigene« publizierte. Ein Kollege dort war Theodor Etzel, mit dem er gemeinsam eine Serie von lustigen Tierfabeln schrieb. Außerdem schloss Ewers im Umfeld der Zeitschrift einschlägige Freundschaften in der Schwulenszene, zum Beispiel mit dem Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld.

    Das Jahr 1901 wurde zu einem frühen Meilenstein in Ewers‘ künstlerischer Karriere. Er erhielt das Angebot, beim gerade neu gegründeten ersten deutschen Kabarett »Ueberbrettl« in Berlin mitzuwirken. Der Anspruch des »Ueberbrettl« war es, zwischen dem Varieté und der Volksbühne auf der einen sowie dem bürgerlichen Staatstheater auf der anderen Seite eine avantgardistische, anspruchsvolle Zwischenform zu bilden. Neuartige Elemente wie der Auftritt eines Conférenciers oder satirische Couplets machten das »Ueberbrettl« sofort zu einem Hit. Ewers‘ Fabeln wurde von ihm selbst vorgetragen zu Gassenhauern: »Der Mistkäfer«, »Das Fräulein und der Spulwurm«, und vor allem »Im Karpfenteiche schwamm einmal eine bläulich bleiche und schleimig weiche Wasserleiche …«

    Aufgrund dieses Triumphs erhielt Ewers die Möglichkeit, einen ersten Sammelband mit Erzählungen und Gedichten sowie gemeinsam mit Etzel »Ein Fabelbuch« zu veröffentlichen, das ebenso umgehend zum Bestseller geriet.

    Privat hielt das Jahr ebenfalls einen Höhepunkt für Ewers bereit – er heiratete die Malerin und Illustratorin Ilna Wunderwald, mit der er bereits seit einigen Jahren liiert war, und die später auch eine Reihe seiner Bücher gestalten sollte.

    Mit dem schnellen Erfolg kultivierte Ewers seine Manierismen zur Star-Allüre. Er trug Monokel, ausgefallene Kleidung mit exotischen Accessoires, machte mit Fans und Freunden an seinem Künstlerstammtisch im Berliner Café »Größenwahn« die Nacht zum Tag und genoss die Huldigungen der Schickeria.

    Im Überschwang nützte Ewers die erste Gelegenheit, um seinem bisherigen Ensemble den Rücken zu kehren und sein eigenes »Ueberbrettl« aufzuziehen, mit dem er auf Tournee in die Nachbarländer ging. Doch der Boom ebbte rasch ab, und ein Jahr später war das Projekt auch schon wieder Geschichte. Ewers zog sich mit seiner Gattin auf die italienische Insel Capri zurück, wo er mit mehreren Unterbrechungen bis 1904 blieb. Er versuchte sich an Theaterstücken und neuen Grotesken, die von der Kritik allerdings verrissen wurden. Kleine Verkaufserfolge erzielte er zwischenzeitlich mit einigen Märchenbüchern.

    Aber auch von Capri aus bleib Ewers in Deutschland im Gespräch. In Essays und Artikeln für Zeitschriften setzte er sich – seinerzeit skandalös! – offen für Nudismus und Homosexualität ein, startete Angriffe auf den deutschen Reichskanzler von Bülow oder zog über die Literaturikone Lessing her. Ein öffentlicher Aufschrei der Empörung war die Folge. Daneben konsumierte Ewers auf Capri nun zur kreativen Inspiration regelmäßig verschiedenste Drogen, außerdem trank und rauchte er exzessiv. Das künstlerische Ergebnis war ein programmatisches Manifest unter dem Titel »Rausch und Kunst«, das nie fertiggestellt wurde, Ewers aber lange als theoretische Grundlage für sein Schaffen diente.

    Als Ewers wieder nach Berlin zurückkehrte, war er verschuldet und musste zunächst mit Vorträgen und redaktionellen Auftragsarbeiten sein Auskommen finden. Schon bald hatte er allerdings eine Idee, wie er zu Geld kommen und damit auch seine Reiselust finanzieren konnte. Im Gegenzug für wohlwollende PR-Berichte unternahm er auf Kosten von Reedereien gemeinsam mit seiner Frau ausgedehnte Kreuzfahrten – zunächst nach Spanien, schließlich nach Mittelamerika und in die Karibik. Daneben blieb auf diesen Reisen auch genug Zeit für andere schriftstellerische Tätigkeiten. Er arbeitete an Übersetzungen und schrieb Essays, unter anderem eine Würdigung seines großen Idols Edgar Allen Poe. Weiters nahm Ewers seinen ersten Roman in Angriff und verfasste neue Erzählungen, die ihm wenig später den endgültigen schriftstellerischen Durchbruch bescheren sollten.

    Wieder zurück, trat Ewers 1907 in Wien nochmals als Kabarettist auf, wo er sich mit berühmten Künstlern wie dem Maler Gustav Klimt oder den Kaffeehausliteraten Roda Roda und Peter Altenberg anfreundete. Letzterer begann mit seiner Frau Ilna eine Affäre, was zur endgültigen Zerrüttung der ersten Ehe von Ewers beitrug, in der es schon seit längerem Spannungen gab.

    Im Herbst erschien dann im Georg Müller Verlag die vorliegende Sammlung von Erzählungen unter dem Titel »Das Grauen – Seltsame Geschichten«. Ewers selbst berief sich bei der Bewerbung im Vorfeld der Veröffentlichung auf die makabre, abseitige und unheimliche Thematik der Geschichten in der Tradition von Poe, Gautier oder den »Contes Cruels« von Villiers d l’Isle-Adam, die er auch ins Deutsche übersetzt hatte. Tatsächlich ist »Das Grauen« eine Sammlung von elf »seltsamen Geschichten« voller Gewalt, versteckter sexueller Perversion und psychopathologischer Figuren, in denen Ewers auch seine Reiseerlebnisse aufgriff.

    »Die Tomatensauce« wurde von Ewers während seines Spanien-Aufenthalts geschrieben und handelt von einem tödlichen Zweikampf Mann gegen Mann im Rahmen eines geheimen Wettzirkels in Andalusien. Aufgrund der drastischen Gewaltdarstellung wird »Die Tomatensauce« heute gerne auch als eine der ersten »Splatter«-Stories etikettiert. Der geschilderte Voyeurismus, die Schaulust an Blutvergießen und Grausamkeit, verleihen der Geschichte darüber hinaus durchaus aktuelle medienkritische Bezüge.

    In »Die Herzen der Könige« geht es um einen Maler, der die zu Pulver vermahlenen Herzen ehemaliger französischer Könige in seine Malfarben mischt und als Schnupftabak gebraucht – hier wird die pervertierte Beseelung toter Dinge und die Macht der Ahnen zum Quell des Schreckens.

    Eine schockierende rituelle Inszenierung im Rahmen einer privaten Performance bietet »Das weiße Mädchen«, eine Allegorie, in der sich Werte wie Unschuld oder Reinheit in ihr Gegenteil verkehren.

    Dass Ekel relativ ist, führt Ewers in dem kurzen, auf Haiti geschriebenen grellen Schnappschuss »Das Feenland« vor, in dem er den Leser körperliche Missbildungen mit den Augen eines naiven Kindes sehen lässt.

    »Die Herren Juristen« wiederum, die sich im Plauderton über die Todesstrafe unterhalten, diskutieren vor allem über die menschlichste aller Ängste, die Angst vor der eigenen Sterblichkeit, die es zu bannen gilt.

    Einen sehr persönlichen Ton schlägt die autobiografische Geschichte »Die Wasserleiche« mit ihrer bitteren Pointe an, in der Ewers seine eigene Tätigkeit als Kabarettist und Witzerzähler relativiert.

    In »John Hamilton Llewellyns Ende« steht die nekrophile Begierde eines Mannes nach der in einen Eisblock eingeschlossenen Leiche einer schönen Frau im Mittelpunkt. Zugleich geht es um den Gegensatz zwischen Schönheit und menschlicher Vergänglichkeit.

    »Aus dem Tagebuch eines Orangenbaums« beschreibt den Niedergang eines jungen Offiziers, der einer geheimnisvollen Frau verfällt und schließlich glaubt, von ihr in einen Orangenbaum verwandelt worden zu sein.

    In »Der tote Jude« steht erneut die Konfrontation mit der menschlichen Endlichkeit im Vordergrund, personifiziert durch die titelgebende Figur, die eine betrunkene Studentengruppe das Fürchten lehrt.

    Eine weitere Paraphrase auf die Ambivalenz von jugendlicher Lebensfreude und der Unausweichlichkeit des Todes bietet »Die Topharbraut«, in der der mysteriöse Nachbar des Erzählers dessen Freundin ermordet und einbalsamiert.

    Die letzte Geschichte der Sammlung schließlich, »Die Mamaloi«, spielt wieder auf Haiti und taucht tief ein in die Welt des Vaudoux- oder Voodoo-Kults. Sie zeigt mit deutlich rassistischem Unterton einen deutschen Kolonialherrn, der in den Bann von sexuellen Orgien, archaischen Ritualen und Kannibalismus gerät.

    Die Pressemeinungen zu »Das Grauen« fielen entsprechend zwiespältig aus. Während Karl Hans Strobl, ebenfalls ein renommierter Autor von phantastischen Geschichten, Ewers eine grandiose Gestaltungskraft bescheinigte, sprachen ihm andere Kritiker literarische Tiefgründigkeit ab und geißelten ihn für seine angeblich sensationslüsterne Effekthascherei. Der berühmte Herausgeber der »Fackel«, Karl Kraus, wollte das Buch nicht einmal rezensieren. Nichtsdestotrotz erreichte »Das Grauen« in den nächsten Jahren bis 1920 die außerordentlich hohe Zahl von 54 Auflagen.

    In der Folge ging Ewers wieder auf Reisen, zunächst nach Südamerika und Frankreich, dann nach Indien. Nun erschienen kurz hintereinander »Die Besessenen«, der ebenfalls sehr erfolgreiche Nachfolgeband zu seiner ersten Story-Sammlung mit Ewers vielleicht bekanntester Geschichte »Die Spinne«, sein erster Roman »Der Zauberlehrling oder die Teufelsjäger« und schließlich der Megaseller »Alraune«, der ihn endgültig auch international berühmt machte.

    Ewers war jetzt so populär wie nie. Er schrieb Reisekolportagen (»Indien und ich«), Theater- und Zirkusstücke (»Das Wundermädchen von Berlin«, »Der unsichtbare Mensch«) und sogar Opernlibrettos. Daneben hielt er gutbesuchte Vorträge über »Die Religion des Satans« oder seine Indien-Reise und beschäftigte sich immer mehr mit dem eben aufkommenden Medium Film. Gemeinsam mit dem Schauspieler Paul Wegener drehte er »Der Student von Prag«, der heute als erster deutscher Kunstfilm überhaupt gilt, sowie eine Reihe weiterer Stummfilme, für die er die Drehbücher schrieb und bei denen er auch Regie führte.

    Das Privatleben von Ewers blieb ebenfalls bewegt. Nachdem die Ehe mit Ilna Wunderwald zerbrochen war, geriet eine Affäre mit der Wiener Industriellentochter Maria Munk zum nächsten gesellschaftlichen Skandal. Die junge Frau erschoss sich, als Ewers sein Eheversprechen nicht einhielt – und wurde posthum im Auftrag ihrer Mutter von Ewers‘ Freund Klimt in dem Gemälde »Ria Munk auf dem Totenbett« porträtiert. Ewers wiederum war etwas später schon wieder mit einer neuen Liaison, der französischen Malerin Marie Laurencin, beschäftigt, und wurde danach bei einem Wettbewerb sogar als »schönster Mann Berlins« ausgezeichnet.

    Obwohl sich Ewers Bücher verkauften wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln, hatte er aufgrund von Schwierigkeiten mit seinem Verleger Müller nach wie vor Geldprobleme. So beschloss er im Jahre 1914, erneut nach Südamerika zu reisen. Als er unterwegs die Nachricht vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs erhielt, fuhr Ewers weiter nach New York. Da es kriegsbedingt keine Rückkehrmöglichkeit nach Deutschland gab, musste Ewers sechs Jahre lang in den USA bleiben, unterbrochen nur von mehreren Aufenthalten in Mexiko und Spanien.

    In Amerika stellte sich Ewers, finanziell unterstützt von einer weiteren langjährigen Freundin, der Millionärsgattin Adele Guggenheimer-Lewisohn, in den Dienst der deutschen Propaganda, und machte dabei die Bekanntschaft von so unterschiedlichen Zeitgenossen wie dem Sektierer Aleister Crowley oder dem Geschäftsmann Ernst Hanfstingl, einem späteren Financier und Berater von Hitler. Vor allem aber lernte er in New York seine spätere zweite Frau Josephine Bumiller kennen.

    1918 wurden Ewers und andere Deutsche aufgrund ihrer Agitationstätigkeit in einem Lager interniert, aus dem er erst ein Jahr später entlassen wurde. Erst Mitte 1920 erhielt er schließlich die Erlaubnis zur Heimkehr nach Deutschland.

    Wieder in Berlin fand Ewers eine einigermaßen prekäre Situation vor. Der Empfang des »verlorenen Sohnes« in den Medien war nicht unbedingt freundlich, seine Wohnung war geplündert, und sein Verlag hielt weiterhin große Summen an Tantiemen zurück. Dennoch erschien noch 1920 sein im Exil geschriebener dritter Roman »Vampir«, in dem es um die mysteriöse Krankheit eines Deutschen geht, die nur durch das Trinken von Blut seiner jüdischen Geliebten geheilt werden kann. Umgehend war Ewers wieder in den Schlagzeilen, neben zahlreichen, meist negativen Kritiken erschien ein Jahr später sogar eine ebenfalls erfolgreiche Parodie auf das Buch.

    Ewers, der inzwischen Josephine Bumiller geheiratet hatte, veröffentlichte danach seine nächste Sammlung mit unheimlichen Erzählungen unter dem Titel »Nachtmahr« und eine Fortsetzung von Friedrich Schillers unvollendetem Werk »Der Geisterseher«, womit er wiederum zahlreiche Verrisse erntete. Darüber hinaus nahm Ewers seine Vortragsreisen wieder auf, schrieb ein Sachbuch über Ameisen und schuf mit dem »Mädchen von Alaska« das erste deutsche Musical, das allerdings nicht zur Aufführung kam.

    Nach langwierigen Streitigkeiten mit seinem bisherigen Verlag konnte Ewers schließlich eine Einigung erzielen und wechselte 1928 zum Sieben Stäbe Verlag, wo als erstes eine Sammlung von Reisenovellen (»Von sieben Meeren«) sowie eine Ausgabe seiner gesammelten Werke erschienen. Das nächste Buch war wieder ein kalkulierter Tabubruch – der Roman »Fundvogel«, in dem es um eine Geschlechtsumwandlung geht, und für den Ewers sogar an einem eigenen Werbefilm arbeitete.

    Ewers war nun wieder fest in der gesellschaftlichen Szene verankert und pflegte Bekanntschaften mit vielen zeitgenössischen Prominenten – von Schriftstellerkollegen wie dem Nobelpreisträger Gerhard Hauptmann über die Besitzer seiner Lieblingsferieninsel Brioni, die Familie Kupelwieser, bis hin zu dem Magier Hanussen und einflussreichen politischen Kreisen. Obwohl er jeglichem Antisemitismus ablehnend gegenüber stand (Ewers war mit vielen Juden befreundet und hielt diese sogar für die als einzige der deutschen Rasse ebenbürtige!), hatte er im Lauf der Jahre eine ausgeprägt deutschnationale Einstellung entwickelt.

    Daraus resultierte 1931 der umstrittene präfaschistische Roman »Reiter in deutscher Nacht«, dessen Handlung im Umfeld der Auseinandersetzungen und Straßen kämpfe zwischen nationalistischem Freikorps und Kommunisten angesiedelt ist, wobei auch homosexuelle Beziehungen thematisiert werden – für konservative Hardliner natürlich ein neuerliches »No-Go«, das für heftige Diskussionen sorgte. Wegen seiner diesbezüglichen Kontakte, unter anderem zum hochrangigen SA-Führer Ernst Röhm, kursierten zudem Gerüchte, Ewers – mittlerweile auch von seiner zweiten Frau getrennt und gesundheitlich angeschlagen –, sei ebenfalls homo- bzw. bisexuell.

    Trotzdem kam Ewers aufgrund seiner opportunistischen Anbiederung an das Nazi-Regime über Personen wie Röhm, Hanfstingl oder Goebbels zu einer persönlichen Audienz bei Adolf Hitler, wobei er von diesem angeblich per Handschlag in die NSDAP aufgenommen und mit der Ausarbeitung eines Propagandaromans über Horst Wessel beauftragt wurde. Der kurz zuvor ermordete SA-Kämpfer sollte zu einem Märtyrer der NS-Bewegung hochstilisiert werden.

    Nachdem Ewers es aber auch diesmal nicht lassen konnte, im »Horst Wessel«-Buch gewisse anrüchige Episoden aus dessen Biografie – unter anderem Wessels mutmaßlichen Background als kleiner Zuhälter – zu thematisieren, und sich auch weiterhin antisemitischer Hetze verweigerte, fiel er auch bei den Nationalsozialisten schnell wieder in Ungnade.

    Der Versuch, sein eigenes Buch zu verfilmen, geriet ebenfalls zum Fiasko.

    Nach dem sogenannten »Röhm-Putsch«, bei dem führende SA-Proponenten und unliebsame Parteigänger aus deren Umfeld von der konkurrierenden SS beseitigt wurden, stand Ewers zunächst gar selbst auf einer geheimen Todesliste, konnte aber rechtzeitig untertauchen, bis die unmittelbare Gefahr vorbei war.

    Dennoch war der Untergang seines Sterns als Autor und Persönlichkeit des öffentlichen Lebens damit besiegelt. Seine Bücher wurden wie viele seiner ehemaligen Kritiker verboten und als »entartet« verbrannt, er selbst mit Schreibverbot belegt, das erst kurz vor seinem Tod teilweise wieder aufgehoben wurde. Ewers starb schließlich verarmt, vereinsamt und vergessen 1943 in Berlin.

    Was bleibt von Hanns Heinz Ewers, dem kreativen Chamäleon und schillernden deutschen Popstar des frühen 20. Jahrhunderts? Während Ewers international schon früh als bedeutender Vertreter der phantastisch eingefärbten unheimlichen Literatur wahrgenommen wurde, galt er wegen seiner nationalsozialistischen Umtriebe insbesondere im Nachkriegs-Deutschland als verfemt und wurde als Autor von reiner Trivialliteratur abgetan.

    Das wird Ewers trotz seines Hangs zu Eitelkeit und affektierter Selbstdarstellung sowie seines egomanischen Buhlens um gesellschaftlichen und künstlerischen Status sicher nicht gerecht. Ewers sah sich selbst zeitlebens als antibürgerlich eingestellten Individualisten und wollte mit seinen ambitionierten, zum Teil auch autobiografisch geprägten Texten keine eskapistischen Wohlfühloasen schaffen, sondern im Gegenteil sein Publikum auch intellektuell herausfordern.

    Vielleicht gebührt Hanns Heinz Ewers mit seinem eigenwilligen Stil und seiner sensationslüsternen Attitüde tatsächlich keine Auszeichnung wie der Literatur-Nobelpreis, den er in einem Anflug von Größenwahn ernsthaft verdient zu haben glaubte, aber insbesondere Romane wie »Alraune« und seine besten Geschichten, die zum Teil in »Das Grauen« versammelt sind, bilden ein auch heute noch äußerst lesenswertes Vermächtnis, das es wie ich meine mehr als rechtfertigt, ihn als Ersten in die Reihe der UNTOTEN KLASSIKER aufzunehmen.

    Der Herausgeber

    Wien, Mai 2019

    DIE

    TOMATENSAUCE

    Wer weit verreist, wird oftmals Dinge schauen,

    Fernab von allem, was er sonst gedacht.

    Erzählt er dann, so wird ihm

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