Spannende Begegnung in den Bergen: Toni der Hüttenwirt Extra 84 – Heimatroman
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Auf sehr spezielle, romantische Weise findet Toni, der Hüttenwirt seine große Liebe in einer bezaubernden Frau, die aus einer völlig anderen Umgebung stammt als der markante Mann der Berge. Sie lernt durch ihn Schönheit und Idylle seiner Heimat kennen und lieben. Gemeinsam eröffnen die beiden allen Besuchern die Werte und Besonderheiten ihres Lebens auf der Alm. Romantik, Beschaulichkeit, dramatische Spannung und feinsinnige Gespräche: Das ist die Welt von Toni, dem Hüttenwirt, der sich niemand entziehen kann.
Katja saß in der großen Wohnküche am Tisch und träumte vor sich hin. Nur die Wandlampe war eingeschaltet. Im Radio lief leise Klaviermusik. Sie hörte, wie Martin auf den Hof fuhr. Schnell stellte sie das Radio ab. Dann griff sie nach dem Korb auf der Anrichte und eilte hinaus. Martin stieg unter dem Carport aus dem Auto. »Das ist lieb von dir, dass du auf mich gewartet hast«, sagte er und gab ihr einen Kuss. »Komm, lass uns in den Garten gehen! Es ist so eine schöne, warme Nacht.« »Das ist eine famose Idee«, antwortete Martin. Er nahm Katja den Korb ab. Den anderen Arm legte er um ihre Schultern. So gingen sie in den Garten und setzten sich ganz hinten auf die Bank unter dem Obstbaum. Katja packte den Korb aus. »Magst du ein Bier oder nimmst du Kaffee?« »Kaffee! Ich bin ziemlich erschöpft«
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Spannende Begegnung in den Bergen - Friederike von Buchner
Toni der Hüttenwirt Extra
– 84 –
Spannende Begegnung in den Bergen
Unveröffentlichter Roman
Friederike von Buchner
Katja saß in der großen Wohnküche am Tisch und träumte vor sich hin. Nur die Wandlampe war eingeschaltet. Im Radio lief leise Klaviermusik. Sie hörte, wie Martin auf den Hof fuhr. Schnell stellte sie das Radio ab. Dann griff sie nach dem Korb auf der Anrichte und eilte hinaus.
Martin stieg unter dem Carport aus dem Auto. »Das ist lieb von dir, dass du auf mich gewartet hast«, sagte er und gab ihr einen Kuss.
»Komm, lass uns in den Garten gehen! Es ist so eine schöne, warme Nacht.«
»Das ist eine famose Idee«, antwortete Martin. Er nahm Katja den Korb ab. Den anderen Arm legte er um ihre Schultern. So gingen sie in den Garten und setzten sich ganz hinten auf die Bank unter dem Obstbaum.
Katja packte den Korb aus. »Magst du ein Bier oder nimmst du Kaffee?«
»Kaffee! Ich bin ziemlich erschöpft«, antwortete Martin.
»War es ein schwerer Unfall?«
»Ja und nein, die Autos waren total zertrümmert. Die Feuerwehr musste die Wracks aufschneiden, um die Insassen herauszuholen. Es ist ein Wunder, dass alle Beteiligten, außer wenigen Schrammen und Kratzern, keine ernsthaften Verletzungen hatten. Es ist kaum zu glauben. Man kann nur sagen, sie hatten gute Schutzengel. Alle wurden ins Krankenhaus nach Kirchwalden gebracht. Dort müssen sie über Nacht bleiben und werden überwacht, nur zur Sicherheit, um innere Verletzungen ausschließen zu können. Die Einlieferung war ziemlich hektisch, sage ich dir. Aber alle Mitarbeiter in der Ambulanz und die Helfer und Ärzte der Rettungswagen sind für solche Einsätze bestens geschult. Auch sie waren sehr erleichtert, dass alle so glimpflich davongekommen waren. Dem Himmel und allen Heiligen sei Dank!«, seufzte Martin. »Trotzdem bin ich noch sehr angespannt. Erst morgen Abend kann man wirklich sicher sein, dass die ersten Diagnosen richtig waren.«
Inzwischen hatte ihm Katja Kaffee eingeschenkt und reichte ihm den Becher.
Martin trank. »Lecker, schön süß und mit viel Sahne«, sagte er und nahm noch einen Schluck. Er streckte die Beine aus und versuchte, sich zu entspannen. »Und was hast du in der Zwischenzeit gemacht?«, fragte er.
Katja wich seinem Blick aus.
»Ich nehme an, Coco ist im Altenteil bei Walli«, fügte Martin an.
»Ja, Walli hat Coco mit zu sich hinübergenommen.«
»Coco weiß, sie soll nachts nicht bellen, wenn sie bei Walli ist. Sie hat einen leichten Schlaf und wenn sie mal wach ist, schläft sie schlecht wieder ein.« Martin trank wieder einen Schluck Kaffee. »Der schmeckt besser als der Kaffee aus dem Automaten im Krankenhaus. Das war ein übles Gebräu, sage ich dir. Ich hatte mir einen Becher geholt, einen Schluck getrunken, den Rest aber gleich weggeschüttet.« Er lächelte Katja an. »Entschuldige, ich rede und rede. Jetzt bist du dran.«
Katja legte den Kopf an Martins Schulter. »Ich hatte eine gute Zeit. Sebastian kam auf dem Rückweg von München vorbei. Er blieb ziemlich lange. Walli setzte sich dazu und wir kamen ins Plaudern.«
»War er gekommen, weil er mit mir über Sophie sprechen wollte?«
»Nein, Sophie geht es gut. Das Kinderzimmer ist fertig. Sie ist auch nicht allein, wenn Sebastian im Hotel in München ist. Entweder ist Alois bei ihr, meistens mit Addi zusammen, oder Wendy leistet ihr Gesellschaft. Außerdem schaut Meta oft nach ihr. Es ist alles in Ordnung.«
Martin schmunzelte. »Katja, ich werde das Gefühl nicht los, dass doch nicht alles in Ordnung ist.«
»Wie kommst du darauf?«
»Du kommst mir irgendwie angespannt vor.«
»So, wirklich? Ich bin aber entspannt.«
»Katja, du kannst mir nichts vormachen. Ich kenne dich gut.«
»Okay, okay, … ich habe mich entschlossen, Patentante zu sein«, antwortete Katja.
»Bei Sophies und Sebastians Kind?«
Katja schüttelte den Kopf. »Nein, der Bub ist schon größer. Okay, vielleicht hätte ich die Sache zuerst mit dir bereden sollen, aber es war mir ein Herzensbedürfnis. Ich konnte nicht warten, bis du zurückkommst.«
Martin lachte laut und zog Katja liebevoll an sich. »Lass mich raten. Es geht um Eric, richtig?«
»Ja, es geht um Eric«, gestand Katja. Sie atmete tief ein. »Die ganze Geschichte, wie es dazu kam und welche Unterstützung ich von Pfarrer Zandler bekam, erzähle ich dir morgen. Als Patentante gehört es sich, dass man sein Patenkind einlädt. Das habe ich getan. Es war höchste Zeit, dass etwas geschieht! Jedenfalls konnte Eric das Waisenhaus verlassen. Sebastian hat ihn abgeholt und mit nach Waldkogel gebracht.«
Martins lachte. »Ah, jetzt verstehe ich. Deshalb brennt in einem der Gästezimmer Licht.«
»So ist es. Eric ist unser Gast, er liest noch ein wenig. Er wird bis zum Ende der Sommerferien bei uns bleiben. Danach wird er im Internat aufgenommen. Das heißt, er geht die letzten Tage bis zum Ferienanfang hier in die Schule. Pfarrer Zandler kommt morgen früh und begleitet mich, wenn ich Eric zur Schule bringe. Mit Oberin Justina ist alles besprochen. Eric kann morgen etwas später zum Unterricht kommen, dann hat Oberin Justina Zeit, vorher mit Erics Lehrern und Mitschülern zu sprechen.« Katja erzählte von ihrem Einkauf bei Veronika Boller. Mit leuchtenden Augen schilderte sie, wie Eric Wackelpudding gegessen hatte. »Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er sich im Gästezimmer umsah. Mei, er ist so ein herziger Bub.«
Martin schwieg. Er rieb sich das Kinn und dachte nach. »Vielleicht wird seine Behandlung leichter, wenn er bei uns ist. Sobald alle medizinischen Unterlagen hier sind, werde ich eine Sitzung einberufen, mit allen, die zu seiner Genesung beitragen können. Weißt du, ob Magnus schon die Vormundschaft bestätigt bekommen hat?«
»Mündlich hat er die Zusage, die schriftliche Bestätigung wird er die Tage bekommen. Er ist natürlich informiert. Erics Aufenthalt bei uns konnte mit Hilfe des Bischofs in München geregelt werden. Offiziell ist es ein Ferienaufenthalt. Ich bekomme noch eine Bestätigung, dass Eric bis zum Ende der Ferien bei uns sein darf. Es sind sieben Wochen, bis nach den Sommerferien wieder die Schule beginnt und Eric ins Internat übersiedelt. Mache dir bitte um die Formalitäten keine Gedanken, Martin! Und wer weiß, was bis dahin alles geschehen kann.«
»Du hoffst, dass Eric wieder zu sprechen anfängt.«
»Ich habe vor dem Altar der Engel des ›Engelssteigs‹ so viele Kerzen angezündet, dass Pfarrer Zandler beunruhigt war. Er meinte, die Hitzeentwicklung der Kerzen könnte die Heiligenfiguren und die Oberfläche des Tafelbildes am Altar in Flammen setzen. Er schaute gleich nach, aber es nahm keinen Schaden. Jedenfalls haben mich die Engel erhört und Eric ist jetzt hier. Damit ist er der Gefahr entgangen, dauerhaft in eine Spezialeinrichtung für chronisch kranke Kinder und Jugendliche abgeschoben zu werden. Die Schule in München hat in dieser Beziehung Druck gemacht. Dabei ist Eric hochbegabt. Er hat mehrere Schulklassen übersprungen, wie dir bekannt ist. Dass er nicht spricht, hat andere Ursachen. Das weiß jeder. Statt ihn abzustempeln, sollte man sich liebevoll um ihn kümmern. Ich konnte nicht mehr zusehen, wie mit ihm umgegangen wird. Außerdem war eh klar, dass er danach nach Waldkogel kommt. Ich habe die Sache nur beschleunigt. Kannst du mich verstehen, Martin? Ich musste handeln. Es war mir eine Herzensangelegenheit.« Katja warf ihrem Mann einen Seitenblick zu. »Mei, Martin, jetzt sage schon etwas!«, sagte sie ungeduldig.
Martin zog sie eng an sich und gab ihr einen liebevollen Kuss. »Es ist gut so, Katja. Du bist der Stimme deines Herzens gefolgt. Der inneren Stimme zu folgen, ist immer richtig. Das Wohlergehen des Buben liegt mir genauso am Herzen wie dir. Er ist so ein lieber Bursche. Nach dem Unfall seiner Eltern hat man sicher im Krankenhaus und später, während der verschiedenen Kuraufenthalte, alles für ihn getan, soweit ich es nach Telefonaten mit den behandelnden Ärzten und Psychologen sagen kann. Die Einzelheiten kann ich nur der Krankenakte entnehmen. Aber über eines bin ich mir sicher, er wurde als ›Fall‹ betrachtet – therapiert und behandelt. Nach meiner Meinung braucht er etwas Anderes, als alle bisherigen Therapien. Er benötigt Liebe und Verständnis für seine Trauer. Der Bub ist schwer traumatisiert. Er musste den Unfalltod seiner Eltern miterleben. Mit dem Tod seiner Eltern hat er die Sicherheit verloren, die ein liebevolles Elternhaus bietet. Mich würde interessieren, ob Eric richtig geweint hat. Oder ob er wütend gegen den Herrgott war. Es kann auch sein, dass er sich schuldig fühlt. Katja, du hast es richtig gemacht. Ich werde auch gerne Pate. Der Junge braucht Liebe. Er benötigt dringend Zuwendung. Die Idee, ihn als Ferienkind bei uns aufzunehmen, war genial. So ist er raus aus dem Kinderheim und der Schule, in der die Lehrer so wenig Einfühlungsvermögen und Mitgefühl für ihn haben. Wir haben ihn vor weiterem Leid bewahrt. Sieben Wochen sind eine lange Zeit. In den nächsten Tagen kommen seine medizinischen Unterlagen. Danach werden wir uns alle etwas einfallen lassen, was ihm hoffentlich helfen wird. Wir haben schon darüber gesprochen: Reittherapie, Wanderungen mit Sebastian, Aufenthalte auf der Kuhalm, der Ziegenalm und auf der Berghütte.«
»Ja, die Kühe haben es ihm angetan. Ich habe zwei Stofftiere bei Veronika ausgesucht, eine Kuh und ein kleines Kalb. Ich hatte sie ihm auf den Nachttisch gestellt. Als er sie sah, hat er sie gleich an sich genommen.«
»Schade, dass ich nicht dabei war«, murmelte Martin.
»Ja, schade, aber es hat sich einfach alles so ergeben, Martin. Da war ein innerer Antrieb, das Drama nicht mehr länger tatenlos mit anzusehen, ich konnte nicht anders, ich musste handeln.«
»Du hast das gut gemacht, Katja. Wir werden ihm viel Freiheit lassen. Der Bub muss sich zuerst eingewöhnen. Klar werde ich mich als Arzt um ihn kümmern. Aber es wird keinen starren Therapieplan geben. Das Beste ist, ihn erst einmal gewähren zu lassen. Vielleicht kommt er dann mehr aus sich heraus. Weißt du, ich hatte oft Teenager als Patienten, die schmollten. Sie redeten nicht. Sie stülpten sich Kopfhörer über die Ohren und zogen sich in ihre Welt zurück. Die Ansprüche der Eltern sind oft zu hoch. Dabei machen die Kinder in dem Alter viel durch. Die körperlichen und damit einhergehenden geistigen Veränderungen sind anstrengend. Oft ist es Kindern zu viel. Sie klagen über Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Müdigkeit und viele andere Symptome. Ich rate den Eltern, die Kinder einfach in Ruhe zu lassen. So werden wir es mit Eric auch halten. Wir werden ihn in unser tägliches Leben einbeziehen und behandeln wie ein Ferienkind. Wir werden ihn nicht drängen, uns auf Fragen zu antworten, denn wir werden ihm keine Fragen stellen. Statt zu fragen, ob er mitkommen will, wenn ich mit Coco Gassi gehe, werde ich sagen: ›Wenn du mitkommen willst, kannst du gern mitkommen. Nimm ein paar Leckerli für Coco aus der Dose und stecke sie ein!‹ Wir werden sehen, ob er Leckerli aus der Dose nimmt. Das ist nämlich auch eine Antwort.«
»Das ist eine gute Idee, Martin. Ich werde sagen: ›Ich fahre zum Einkaufen, wenn du mitkommen willst, hole deine Jacke.‹ Die ersten Tage wird es etwas anstrengend sein, alles umzuformulieren. Aber es wird schon werden. Klar neigt man dazu, ihn zu fragen, was er will.«
»Das führt aber in die falsche Richtung, Katja. Wir fragen nicht, was er essen will. Wir stellen alles auf den Tisch und erklären, dass er sich nehmen kann, was er will.«
»Ja, das machen wir so. Morgen sage ich ihm, dass er sich jederzeit aus dem Kühlschrank und der Speisekammer bedienen kann. Er soll sich fühlen, als sei er hier zu Hause. Er soll ein normales Familienleben erfahren.«
»Eine Arztfamilie ist leider keine normale Familie«, lachte Martin. »Immer kann ein Notfall geschehen. Oh, da fällt mir ein, wir müssen das morgen früh gleich mit Sascha bereden und mit Walli und mit allen, die hier ein- und ausgehen. Eric sage ich, dass es gelegentlich aufregend bei uns zugeht. Wenn ihm die Leute zu viel werden, könne er in sein Zimmer gehen oder sonst wohin, in den Garten oder in die Werkstatt. Er darf tun, was er will, weil er dazu gehört.«
»Ja, er soll spüren, dass er dazu gehört.«
Sie schwiegen eine Weile. Martin trank den Kaffee aus.
Arm in Arm gingen sie zurück ins Haus.
Leise schlichen sie hinauf. Die Tür von Erics Zimmer stand offen. Eric lag im Bett. Das aufgeschlagene Buch lag neben dem Kopfkissen.
Und neben ihm – lag Coco! Eric hatte den Arm um sie gelegt. Coco hob den Kopf und sah Martin und Katja an. Sie ließ den Kopf aber gleich wieder auf das Kissen fallen. Sie wedelte leicht und sagte damit, dass alles in bester Ordnung sei.
Martin und Katja schlichen hinaus.
Erst als sie die Schlafzimmertür am anderen Ende des langen Flurs geschlossen hatten, sprachen sie darüber.
»Coco muss Walli ausgebüxt sein«, sagte Katja. »Ich wusste nicht, wie Eric auf den Hund reagieren würde, und hatte sie ins Wohnzimmer getan. Später nahm Walli sie mit hinüber zu sich. Wie sie es zu Eric geschafft hat, ist mir rätselhaft.«
»Es wäre nicht das erste Mal, dass Coco durch ein offenes Fenster gesprungen ist«, sagte Martin. »Sie ist eine kluge Hündin. Sie hat mitbekommen, dass Besuch gekommen ist. Aber es ist ja alles gut gegangen. Eric und Coco scheinen sich zu verstehen. Morgen sehen wir weiter. Jetzt sollten wir sehen, dass wir noch etwas Schlaf bekommen. Ich werde mir den Wecker stellen. Sascha hat morgen Frühdienst in der Praxis. Du kannst noch weiterschlafen.«
»Schmarrn!«, antwortete Katja. »Ich stehe mit dir auf! Außerdem rechne ich damit, dass Eric früh aufwacht. Coco geht immer kurz nach sechs Uhr raus.«
»Stimmt! Wir lassen die Schlafzimmertür weit offen, damit wir wach werden, wenn etwas sein sollte«, sagte Martin. Dann schmunzelte er und sagte: »Wir benehmen uns schon wie besorgte Eltern.«
»Ja, so ist es«, antwortete Katja und lächelte dabei.
Sie legten sich schlafen.
*
Justina sandte an alle Lehrkräfte der Klasse, in die Eric kommen sollte, eine E-Mail und bat sie, in einer halben Stunde in das Lehrerzimmer der Schule zu kommen.
Die Nonnen des Klosters bereiteten eine späte Brotzeit vor, falls jemand am Abendessen gehindert worden war.
Oberin Justina wartete schon, als die Lehrkräfte nach und nach eintrafen.
Sie entschuldigte sich für die außergewöhnliche Konferenz. »Aber Sie werden gleich verstehen, dass ich damit nicht bis morgen warten konnte. Es ist so: Nach den Sommerferien werden wir einen besonderen Internatsschüler haben. Er ist bald elf Jahre alt, aber eher zierlich und schmächtig. Er heißt Eric Reichel und ist seit einem halben Jahr Vollwaise. Seine Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben. Eric saß mit im Auto. Äußerlich blieb er unverletzt. Aber er musste miterleben, wie seine Eltern starben. Er hat ein schweres Trauma erlitten und war danach im Krankenhaus und in verschiedenen Therapiezentren. Seit dem Unfall spricht er nicht. Er sagt kein einziges Wort. Er nickt auch nicht oder schüttelt den Kopf. Alle Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass er körperlich völlig gesund ist. Die Schule, die er in München besuchte, drängte darauf, dass er in ein Heim kommt, in dem normalerweise Kinder und Jugendliche mit angeborenen geistigen oder körperlichen Schwierigkeiten untergebracht sind. Eric wäre dort fehl am Platz. Er ist überdurchschnittlich intelligent und hat mehrere Klassen übersprungen. Die schriftlichen Leistungen sind überragend. Er hat sich nur in seine stille Welt zurückgezogen. Meine Freundin arbeitet in der Münchner Stadtverwaltung und ist mit dem Fall betraut und wandte sich an mich. Wir müssen helfen. Durch Vermittlung unseres hochgeschätzten Herrn Bischofs konnte Eric schon vor Beginn der Sommerferien nach Waldkogel kommen. Im Augenblick ist er bei Doktor Martin Engler und seiner Frau Katja als Ferienkind untergekommen. Dort wird er die Sommerferien verbringen. Es sind nur noch wenige Tage, bis die Ferien beginnen. Während dieser Tage wird er unsere Schule besuchen. Ich hoffe,