Blind vor Liebe: Der Bergpfarrer 345 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Es war am Sonntag nach der Messe, als Pfarrer Trenker eine dunkelgekleidete, grauhaarige Frau von zierlicher Gestalt durch die Pforte des Friedhofs schreiten sah. Der Pfarrer hatte sich einer der kleinen Menschengruppen hinzugesellt, die sich auf dem Kirchenvorplatz zusammengefunden hatten, um die neuesten Ereignisse in St. Johann und im Wachnertal zu diskutieren. Jetzt verabschiedete er sich und strebte der grauhaarigen Frau zu, die ihn auf sich zusteuern sah und anhielt. Sie war um die sechzig Jahre alt, ihr Gesicht war faltig und ihre blauen Augen blickten müde. »Grüaß di, Karoline«, rief der Pfarrer, als er sich auf drei Schritte genähert hatte. »Dich hab' ich schon eine ganze Weile nimmer in der Messe gesehen. Warst du krank?« »Ja, Hochwürden. Meine rechte Hüfte …« Sie seufzte. »Ich bräucht' schon längst eine neue, aber ich scheu' mich, ins Krankenhaus zu gehen. Man hat schon so viel gehört. Einige, die eine künstliche Hüfte bekommen haben, lamentieren. Sie können zum Teil noch schlechter gehen als vorher.« »Das kann sicher mal vorkommen, dass eine Operation net den gewünschten Erfolg bringt, Karoline«, versetzte Sebastian. »Aber die meisten können sich nach der Operation problemlos bewegen. Ich an deiner Stelle würd' mich mal an Professor Bernhardt wenden.«
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Buchvorschau
Blind vor Liebe - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 345 –
Blind vor Liebe
Wann wacht Sascha endlich auf?
Toni Waidacher
Es war am Sonntag nach der Messe, als Pfarrer Trenker eine dunkelgekleidete, grauhaarige Frau von zierlicher Gestalt durch die Pforte des Friedhofs schreiten sah. Der Pfarrer hatte sich einer der kleinen Menschengruppen hinzugesellt, die sich auf dem Kirchenvorplatz zusammengefunden hatten, um die neuesten Ereignisse in St. Johann und im Wachnertal zu diskutieren.
Jetzt verabschiedete er sich und strebte der grauhaarigen Frau zu, die ihn auf sich zusteuern sah und anhielt. Sie war um die sechzig Jahre alt, ihr Gesicht war faltig und ihre blauen Augen blickten müde.
»Grüaß di, Karoline«, rief der Pfarrer, als er sich auf drei Schritte genähert hatte. »Dich hab’ ich schon eine ganze Weile nimmer in der Messe gesehen. Warst du krank?«
»Ja, Hochwürden. Meine rechte Hüfte …« Sie seufzte. »Ich bräucht’ schon längst eine neue, aber ich scheu’ mich, ins Krankenhaus zu gehen. Man hat schon so viel gehört. Einige, die eine künstliche Hüfte bekommen haben, lamentieren. Sie können zum Teil noch schlechter gehen als vorher.«
»Das kann sicher mal vorkommen, dass eine Operation net den gewünschten Erfolg bringt, Karoline«, versetzte Sebastian. »Aber die meisten können sich nach der Operation problemlos bewegen. Ich an deiner Stelle würd’ mich mal an Professor Bernhardt wenden.«
»Na ja, im Moment sind die Schmerzen ja weg, Hochwürden«, sagte Karoline Gebert. »Schlimm ist’s immer dann, wenn das Wetter umschlägt. Aber reden wir net von mir, reden wir von Ihnen, Hochwürden. Ich hab’ schon gehört von Ihrer Heldentat am vergangenen Sonntag, als sie die junge Frau und den Winkler-Dieter gerettet haben, nachdem sie oben auf der Wintermaid von dem Schneesturm überrascht worden sind. Eigentlich müsst’ man Sie und Ihren Bruder für die Rettungsmedaille vorschlagen.«
Sebastian lachte. »Aber geh, jetzt übertreibst du aber, Karoline. Wir haben die beiden net gerettet. Mein Bruder und ich sind halt hinaufgestiegen, um zu klären, wo sie geblieben sind. Auf halbem Weg aber ist uns schon der Dieter entgegengekommen. Die beiden wären auch ohne meinen Bruder und mich gerettet worden.«
»Sie sind halt immer so bescheiden, Hochwürden. Das ganze Dorf hat über Ihre Rettungsaktion geredet.«
Sebastian winkte ab. »Wie geht’s eigentlich dem Sascha?«, wechselte er das Thema, denn er redete nicht gerne über sich. »Arbeitet er noch in Bozen? Will er denn net endlich mal den Hof übernehmen und ihn bewirtschaften?«
»Der Bub kommt einmal im Monat für ein paar Stunden zu Besuch. Er ist zum Manager eines Hotels befördert worden. Mir hat er am Telefon erzählt, dass die Tochter des Hotelbesitzers und er seit kurzem ein Paar sind. Heut’ Nachmittag kommt er wieder. Ich weiß net, was er letztendlich vorhat, ob er den Hof überhaupt jemals bewirtschaften will. Wenn ich ihn frag’, weicht er mir aus. Ich glaub’ allerdings net, dass der Sascha großes Interesse daran hat, als Landwirt sein tägliches Brot zu verdienen.« Sie zuckte mit den Schultern und fuhr fort: »Ich wurschtel’ halt weiter, so lang ich noch einigermaßen kann. Die Mareike geht mir, so weit sie Zeit hat, zur Hand. Ihr Vater und auch der Bruder helfen mir bei der Bestellung der Felder und auch bei der Ernte. Ohne meine Nachbarn wär’ ich ganz schön aufgeschmissen.«
»Das ist doch auch kein Zustand, Karoline«, murmelte der Bergpfarrer. »Hast du mit dem Sascha schon einmal Tacheles geredet? Er ist doch auch schon dreißig und muss sich mal festlegen. Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, bis du nimmer kannst. Angeschlagen bist du eh schon. Was soll denn dann aus dem Hof werden?«
»Diese Frage stell’ ich mir leider oft. Seit Generationen bewirtschaften die Geberts den Hof. Aber der Sascha hat noch nie ein besonderes Interesse an der Landwirtschaft erkennen lassen. Ganz offensichtlich war’s, als er sich entschlossen hat, Hotelkaufmann zu werden. Da hab’ ich schon schwarzgesehen.«
»Es wär’ traurig, wenn noch ein Hof aufgegeben würd’«, meinte Sebastian.
»Irgendwann wird er es mir schon sagen, was er vorhat«, erwiderte die Bäuerin. »Vielleicht besinnt er sich doch noch und kehrt nach St. Johann zurück.«
»Ich wünsch’ es dir, Karoline. Aber wenn er im Hotelgewerbe bleiben will, wirst du’s auch akzeptieren müssen. Zwingen, den Hof zu bewirtschaften, wirst du ihn net können. Es würd’ auch zu nix führen. Ein Hund, der auf die Jagd getragen werden muss, wird nie ein guter Jagdhund sein. Ich will damit sagen, dass ein Bauer, der net mit Herz und Seele dabei ist, kein glücklicher Bauer ist.«
»Die Zeit wird’s weisen, was aus dem Hof wird, Hochwürden. Solang’ ich noch kann, bewirtschaft’ ich ihn. Und dann wird sich schon zeigen, was der Sascha vorhat.«
»Dann wünsch’ ich dir noch einen schönen Sonntag, Karoline«, verabschiedete sich der Pfarrer. »Und schon’ dich, damit du gesund bleibst. Pfüat di Gott.«
»Pfüat Ihnen, Hochwürden.«
Während Karoline Gebert in Richtung Straße davonging, strebte der Bergpfarrer dem Pfarrhaus zu, wo Sophie Tappert schon das Frühstück für ihn bereitet hatte.
Sebastian wusste, dass Karoline alles andere als glücklich darüber war, dass ihr Sohn scheinbar kein Interesse an der Landwirtschaft hatte. Heute hatte sie ganz besonders verhärmt und irgendwie verloren auf ihn gewirkt. Karoline war zwar erst zweiundsechzig Jahre alt, aber deutlich vorgealtert. Ihr war ein Leben lang nichts geschenkt worden. Und als dann vor fünf Jahren ihr Mann verstarb, war alles, was auf dem Hof anfiel, an ihr hängen geblieben; schon fünf harte Jahre lang, die bei ihr an die Substanz gegangen waren und Spuren hinterlassen hatten.
*
Karoline Gebert stand am Fenster in der Küche, als der Wagen mit der italienischen Zulassungsnummer in den Hof rollte. Sie ging zur Haustür.
Sascha umarmte seine Mutter, küsste sie auf die Wange und fragte: »Wie geht’s dir denn, Mama? Als wir das letzte Mal telefoniert haben, hast du über arge Schmerzen in der Hüfte geklagt. Ist’s besser geworden? Warst du wenigstens beim Arzt?«
»Es geht schon wieder. Nein, beim Arzt war ich net. Der würd’ mich eh nur ins Krankenhaus schicken, wo s’ mich operieren täten. Und das will ich net. Ich hoff’, dir geht’s gut, Sascha. Warum hast du denn deine neue Freundin net mitgebracht? Ich hätt’ sie gern’ kennengelernt.«
»Alles zu seiner Zeit, Mama. Ich stell’ dir die Saskia schon noch vor. Du wirst von ihr begeistert sein.«
»Das will ich auch hoffen. Aber gehen wir doch ins Wohnzimmer. Ich koch’ uns Kaffee. Die Mareike hat einen Kuchen gebacken. Vielleicht kommt sie später auch auf einen Sprung herüber. Wenn ich das Madel net hätt’, dann wär’ ich ganz schön aufgeschmissen. Genauer gesagt, bin ich auf die ganze Forster-Familie angewiesen. Wenn mir der Gustav und der Benjamin net immer wieder zur Hand gehen würden, hätt’ ich sicherlich schon lang aufgeben müssen.«
Sascha ließ sich nicht anmerken, ob ihn dieser Seitenhieb auf ihn, der sich auf dem Hof rar machte, getroffen hatte.
Sie gingen ins Wohnzimmer und Sascha ließ sich in einen der Sessel fallen. »Das ist ein Zustand«, sagte er dann, »den ich net länger zulassen kann. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich heut’ heimgekommen bin. Wir müssen wegen