Die schreckliche Gräfin: Der kleine Fürst 223 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Es war ein wunderbarer Ball, Frau von Lengden«, sagte Hans Hauschild, als sich die letzten Gäste allmählich verabschiedeten. »Ich danke Ihnen vielmals dafür, dass Sie mich eingeladen haben, diesen Abend werde ich nie vergessen.« Amalia von Lengden lächelte vergnügt. Dass sie vor nicht allzu langer Zeit einen Schlaganfall erlitten hatte, sah man ihr so wenig an wie ihre achtzig Jahre. Sie hatte in dieser Nacht vielleicht nicht ganz so viel getanzt wie sonst, aber das war der einzige Hinweis darauf gewesen, dass sie noch nicht wieder voll und ganz bei Kräften war. Hans Hauschild war Physiotherapeut, er hatte sie in der Klinik betreut, in der sie sich von ihrem Schlaganfall erholt hatte, und sie nicht geschont. Genau das war für sie die beste Therapie gewesen, und so waren sie mit der Zeit beinahe Freunde geworden. Dabei hatte sie ihn oft zornig beschimpft. »Nie sind Sie zufrieden! Immer soll ich mich noch mehr anstrengen. Eines Tages werde ich einfach umfallen, weil Sie nicht merken, wann Sie aufhören müssen.« Er hatte sich wenig beeindruckt gezeigt, im Gegenteil, und irgendwann hatte sie ihn als ›Chef‹ akzeptiert und seine Anweisungen beinahe klaglos befolgt. Darüber war sie jetzt froh, denn sie wusste, dass sie ohne ihn in so kurzer Zeit niemals so weit gekommen wäre. Die Einladung zu ihrem Ball hatte sie auch als Dankeschön gemeint. »Das will ich auch hoffen, dass Sie diesen Abend nie vergessen«, erwiderte Amalia, die zwar müde, vor allem aber zufrieden aussah. »Mir hat der Ball auch großen Spaß gemacht, glauben Sie mir. Nur schade, dass Bruno so früh gehen müsste.« »Was war eigentlich mit ihm los?
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Buchvorschau
Die schreckliche Gräfin - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 223–
Die schreckliche Gräfin
Und das soll die schöne Ines sein?
Viola Maybach
»Es war ein wunderbarer Ball, Frau von Lengden«, sagte Hans Hauschild, als sich die letzten Gäste allmählich verabschiedeten. »Ich danke Ihnen vielmals dafür, dass Sie mich eingeladen haben, diesen Abend werde ich nie vergessen.«
Amalia von Lengden lächelte vergnügt. Dass sie vor nicht allzu langer Zeit einen Schlaganfall erlitten hatte, sah man ihr so wenig an wie ihre achtzig Jahre. Sie hatte in dieser Nacht vielleicht nicht ganz so viel getanzt wie sonst, aber das war der einzige Hinweis darauf gewesen, dass sie noch nicht wieder voll und ganz bei Kräften war.
Hans Hauschild war Physiotherapeut, er hatte sie in der Klinik betreut, in der sie sich von ihrem Schlaganfall erholt hatte, und sie nicht geschont. Genau das war für sie die beste Therapie gewesen, und so waren sie mit der Zeit beinahe Freunde geworden. Dabei hatte sie ihn oft zornig beschimpft. »Nie sind Sie zufrieden! Immer soll ich mich noch mehr anstrengen. Eines Tages werde ich einfach umfallen, weil Sie nicht merken, wann Sie aufhören müssen.«
Er hatte sich wenig beeindruckt gezeigt, im Gegenteil, und irgendwann hatte sie ihn als ›Chef‹ akzeptiert und seine Anweisungen beinahe klaglos befolgt. Darüber war sie jetzt froh, denn sie wusste, dass sie ohne ihn in so kurzer Zeit niemals so weit gekommen wäre. Die Einladung zu ihrem Ball hatte sie auch als Dankeschön gemeint.
»Das will ich auch hoffen, dass Sie diesen Abend nie vergessen«, erwiderte Amalia, die zwar müde, vor allem aber zufrieden aussah. »Mir hat der Ball auch großen Spaß gemacht, glauben Sie mir. Nur schade, dass Bruno so früh gehen müsste.«
»Was war eigentlich mit ihm los? Er ist so plötzlich verschwunden, dass ich ihn gar nicht mehr gesehen habe.«
»Er war plötzlich ganz grün im Gesicht und hat gesagt, ihm sei schrecklich übel. Deshalb ist er gegangen.« Jetzt war Amalias Gesicht besorgt. »Ich hoffe, er hat sich nicht ernsthaft den Magen verdorben oder sich eine Infektion geholt.«
»Ich hätte gern etwas ausführlicher mit ihm geredet«, sagte Hans. »Er ist ein sehr angenehmer Mensch, finde ich, er strahlt Ruhe und Gelassenheit aus.«
Amalia strahlte ihn an. »Mein Lieblingsenkel, wenn Sie es genau wissen wollen. Er und ich, wir haben uns schon immer verstanden.« Das Strahlen verschwand, als sie hinzusetzte: »Was man vom Rest der Familie nicht gerade behaupten kann.«
»Dieses war bestimmt nicht der letzte Ball, den Sie gegeben haben. Beim nächsten wird er bis zum Schluss bleiben, dann haben Sie mehr von ihm.«
»Sie auch, wenn ich Sie noch einmal einlade.« Bei diesen Worten grinste die alte Dame wie ein Schuljunge, der einen dreckigen Witz gemacht hat.
Hans lachte. »Dann muss ich mich ja anstrengen, damit ich es mir mit Ihnen nicht verderbe. Jedenfalls, meine Liebe: Hut ab, dass Sie so gut durchgehalten haben.«
Schlagartig wurde ihr Gesicht ernst, beinahe grimmig. »Viele der hier Anwesenden hatten mich schon abgeschrieben«, sagte sie. »Denen wollte ich es zeigen, und das habe ich getan.«
»Allerdings, das haben Sie. Wer Sie heute Abend erlebt hat, wird nicht mehr glauben, dass Ihr Leben sich dem Ende zuneigt.«
»Ha!«, rief sie. »Ich habe noch viel vor, jetzt erst recht.«
»Was denn?«, fragte Hans neugierig.
»Reisen«, antwortete sie. »Natürlich nichts Beschwerliches mehr, aber es stehen noch einige europäische Ziele auf meiner Liste. Zum Beispiel, Sie werden es nicht glauben, war ich noch nie in Rom. Ich kann unmöglich sterben, ohne in Rom gewesen zu sein, das müssen Sie zugeben.«
»Ich gebe es zu.«
»Und dann Schottland. Da war ich einmal in meiner Jugend, danach nie wieder. Nach Schottland will ich unbedingt noch einmal, und zwar im Sommer, sonst ist das Wetter dort zu garstig.« Amalias Augen leuchteten. »Und eine Nordlandreise mit dem Postschiff, die will ich auch noch machen.«
»Sie haben ja noch einiges vor«, stellte Hans amüsiert fest.
»Ja, habe ich. Und wie ist es mit Ihnen?«
»Mit mir? Was meinen Sie?«
»Welche Pläne haben Sie für die nächsten Jahre?«
»Wenn ich eine Frau finde, die mich erträgt, würde ich gern eine Familie gründen. Und wenn ich mich traue, mache ich mich vielleicht selbstständig als Physiotherapeut. Reisen steht bei mir erst einmal nicht ganz vorne auf der Wunschliste, das muss warten.«
»Sie sind ja noch jung, Sie haben Zeit. Das unterscheidet uns«, stellte Amalia sachlich fest.
Hans kam nicht dazu etwas zu erwidern, denn Amalia murmelte: »Oh nein, die schreckliche Gräfin kommt, um sich zu verabschieden?«
»Die schreckliche Gräfin?«
»Ich erkläre es Ihnen, wenn sie und ihr Mann gegangen sind.«
Hans folgte ihrem Blick. Eine sehr schöne Frau mit einem untersetzten, etwas bullig wirkenden Mann an ihrer Seite kam direkt auf sie zu. Sie trug ein Kleid, das übersät war mit golden glitzernden Steinen und war ihm bereits vorher aufgefallen – nicht nur wegen ihres Kleides, sondern auch, weil sie und ihr Begleiter sich auffallend ungeniert benahmen. Er kannte sich mit den Regeln, die an einem solchen Ballabend galten, nicht aus, aber die Art und Weise, wie die beiden vor aller Augen Zärtlichkeiten ausgetauscht hatten, war ihm reichlich unpassend erschienen. Das golden schimmernde Kleid hatte einen sehr tiefen Ausschnitt, in den sich die Hand des bulligen Mannes gelegentlich verirrt hatte, was vor allem die älteren Ballgäste mit fassungslosen Blicken quittiert hatten, die Hans nicht entgangen waren. Zu dem Kleid trug die junge Frau eine ebenfalls goldene Tasche und goldene Schuhe. An ihren Ohrläppchen hingen Diamanten.
Von allem zu viel, dachte Hans. Sie ist eine schöne Frau, aber sie hat keinen Stil.
»Wir möchten uns verabschieden, Frau von Lengden«, sagte der Mann.
Amalia wandte sich an Hans. »Hans, das sind Gräfin und Graf von Cavenitz. Darf ich Ihnen Hans Hauschild vorstellen? Er ist ein lieber Freund von mir.«
Der Blick der jungen Gräfin ließ deutlich erkennen, was sie von nicht standesgemäßen ›lieben Freunden‹ hielt, sie begnügte sich mit einem knappen Kopfnicken in Hans’ Richtung, während ihm der Graf kumpelhaft auf die Schulter schlug. »Toller Ball, was?«, fragte er. »Hoffentlich haben Sie sich ordentlich amüsiert.«
»Das habe ich«, versicherte Hans
»Wir auch«, fuhr der Graf fort. »Sie müssen bei Gelegenheit auch mal wieder zu uns kommen, Frau von Lengden, Sie wissen ja, da ist immer was los. Schön jedenfalls, dass Sie wieder so gut in Form sind. Wir dachten schon, das war’s bei Ihnen, als wir von Ihrem Schlaganfall hörten, aber Sie sind ja dem Tod noch mal von der Schippe gesprungen, wie’s aussieht. Na ja, aber irgendwann trifft es jeden von uns, nicht? Bis bald mal wieder.«
Er schielte begehrlich auf den Ausschnitt seiner Frau. »Komm, meine Liebe, wir fahren nach Hause.« Mit einem Augenzwinkern in Amalias Richtung setzte er hinzu: »So ein Ball bringt uns immer richtig in Fahrt.«
»Auf Wiedersehen, Frau von Lengden«, hauchte die Gräfin und beugte sich vor, um Amalia die Hand zu reichen. So gewährte sie noch tiefere Einblicke.