Blindenhund Moritz: Sophienlust 148 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Andrea, die junge Frau des Tierarztes, verkniff sich ein amüsiertes Lächeln. Es sah auch zu komisch aus, wie der wundervolle Butler des Fabrikanten Steinhoff vergeblich versuchte, einen kleinen blonden Jungen ins Auto zurückzudrängen. Der Bub, der etwa sieben Jahre alt sein mochte, schlüpfte ihm einfach zwischen den Armen durch. Flink lief er zu dem großen Schäferhund, der abwartend auf dem Weg zwischen Tierheim und Auto stand. Der Junge schlang beide Arme um den Hals des schönen Tieres und drückte seinen Kopf an das weiche beige-schwarze Fell. »Moritz soll bei mir bleiben«, jammerte er. Innig klammerte er sich an den Hund.
Man sah dem Butler in dem eleganten dunkelblauen Anzug an, dass ihm diese Szene außerordentlich peinlich war. Er beobachtete das Kind jetzt nicht mehr, sondern stolzierte, steif wie ein englischer General, auf Andrea zu, die gerade vom Einkaufen kam. Den schweren Korb hielt sie noch in der Hand. Mit der freien Rechten zog sie sich die rote Mütze mit einem raschen Griff von den dunkelbraunen Locken und schüttelte ihr volles Haar ein wenig, sodass es sich ganz von selbst in natürliche Wellen legte.
»Ich komme von Frau Steinhoff aus Maibach«, stellte sich der Butler mit korrekter Verbeugung vor.
Andrea hätte das auch so gewusst. Denn nur ein einziger in der ganzen Umgebung besaß einen schneeweißen Rolls-Royce. Der Fabrikant Steinhoff. Jeder hier wusste, dass die Steinhoffs nicht nur sehr reich waren, sondern dass sie auch den größten Wert auf ihr gesellschaftliches Ansehen legten.
»Dieser Hund hier ist uns zugelaufen.« Der Butler deutete über die Schulter
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Blindenhund Moritz - Susanne Svanberg
Sophienlust
– 148–
Blindenhund Moritz
Warum er sich ein neues Herrchen sucht ...
Susanne Svanberg
Andrea, die junge Frau des Tierarztes, verkniff sich ein amüsiertes Lächeln. Es sah auch zu komisch aus, wie der wundervolle Butler des Fabrikanten Steinhoff vergeblich versuchte, einen kleinen blonden Jungen ins Auto zurückzudrängen. Der Bub, der etwa sieben Jahre alt sein mochte, schlüpfte ihm einfach zwischen den Armen durch. Flink lief er zu dem großen Schäferhund, der abwartend auf dem Weg zwischen Tierheim und Auto stand. Der Junge schlang beide Arme um den Hals des schönen Tieres und drückte seinen Kopf an das weiche beige-schwarze Fell. »Moritz soll bei mir bleiben«, jammerte er. Innig klammerte er sich an den Hund.
Man sah dem Butler in dem eleganten dunkelblauen Anzug an, dass ihm diese Szene außerordentlich peinlich war. Er beobachtete das Kind jetzt nicht mehr, sondern stolzierte, steif wie ein englischer General, auf Andrea zu, die gerade vom Einkaufen kam. Den schweren Korb hielt sie noch in der Hand. Mit der freien Rechten zog sie sich die rote Mütze mit einem raschen Griff von den dunkelbraunen Locken und schüttelte ihr volles Haar ein wenig, sodass es sich ganz von selbst in natürliche Wellen legte.
»Ich komme von Frau Steinhoff aus Maibach«, stellte sich der Butler mit korrekter Verbeugung vor.
Andrea hätte das auch so gewusst. Denn nur ein einziger in der ganzen Umgebung besaß einen schneeweißen Rolls-Royce. Der Fabrikant Steinhoff. Jeder hier wusste, dass die Steinhoffs nicht nur sehr reich waren, sondern dass sie auch den größten Wert auf ihr gesellschaftliches Ansehen legten.
»Dieser Hund hier ist uns zugelaufen.« Der Butler deutete über die Schulter zu dem Platz, auf dem er das Tier vermutete. »Ich hoffe, Sie nehmen ihn im Tierheim auf.«
Andrea stellte ihren Korb auf die Treppe. »Eigentlich sind wir voll belegt. Doch bei einem so schönen Tier macht mein Mann sicher eine Ausnahme.« Wohlwollend sah Andrea auf den Schäferhund. Seine klugen Augen spiegelten Furcht und Unsicherheit wider.
Andrea hatte alle Tiere gern. Es machte ihr nichts aus, ihre Freizeit der Pflege ausgesetzter Katzen und Hunde oder kranker Esel oder Ponys zu widmen. Mit viel Geschick und Einfühlungsvermögen assistierte sie ihrem Mann. Sie brachte dem Beruf des Tierarztes ebenso viel Verständnis und Liebe entgegen wie er selbst. Doch nicht nur in dieser Beziehung verstand und ergänzte sich das junge Paar ausgezeichnet. Andrea und Dr. Hans-Joachim von Lehn führten eine außerordentlich glückliche Ehe. Der ganze Stolz der beiden war das Söhnchen, das zärtlich Peterle genannt wurde.
»Nein«, schrie der blonde Junge. Seine dunklen Kinderaugen blitzten kämpferisch auf. »Nein, Moritz soll nicht hierbleiben. Ich will ihn wieder mit nach Hause nehmen!« Er ballte die Fäuste. Fast sah es aus, als wollte er sich wütend auf den Butler stürzen.
Hoheitsvoll wandte sich der Herr mit den weißen Schläfen um und erwiderte gemessen: »Die Großmama erlaubt es nicht. Das weißt du doch, Anton.«
»Sie muss es erlauben!« Der Junge stapfte zornig mit dem Fuß auf. Dieses Benehmen passte absolut nicht zu seinem vornehmen Samtanzug und dem weißen Spitzenhemd.
Heimlich bedauerte Andrea dieses Kind, das in Luxus und Überfluss aufwuchs. Eine lebendige Puppe hatte man aus ihm gemacht. Ein Spielzeug, an dem sich die Erwachsenen freuten, das aber bedingungslos gehorchen musste und sich niemals gegen den Zwang im Hause der Großeltern auflehnen durfte. Wie gut konnte Andrea den Wunsch des Jungen nach einem Spielgefährten verstehen. Aus den Berichten von Bekannten wusste sie, dass es kaum ein Spielzeug gab, das Anton Steinhoff nicht besaß. Aber er lebte in einem goldenen Käfig. Nie durfte er mit anderen Kindern spielen, nie durfte er ausgelassen über Wiesen und Felder laufen. Er wurde von einer englischen Gouvernante erzogen und von einem Hauslehrer unterrichtet. Immer war er unter Erwachsenen, stets musste er sittsam und vernünftig sein. Doch jetzt brach er aus, überstieg die Schranke, die ihn bisher von allem Kindlichen getrennt hatte.
Der Butler sah ratlos auf den Enkel seiner Herrschaft. So ungezogen hatte er Anton noch nie erlebt. Dass sich der Kleine einer Anordnung der Großmama widersetzte, das war so neu, so überwältigend, dass der würdige Diener nach Luft schnappte. »Anton«, sagte er mahnend und versuchte dabei den Tonfall seiner Herrin nachzuahmen.
Aber auch das machte keinerlei Eindruck auf das enttäuschte Kind. »Ich gebe Moritz nicht her!«, brüllte es aus Leibeskräften.
Moritz schien recht gut zu begreifen, worum es hier ging. Sofort fühlte er sich als Beschützer des Jungen. Er bellte kräftig, als wollte er damit die Richtigkeit der kindlichen Aussage bestätigen.
»Wenn Großmama das gewusst hätte, hätte sie dir niemals erlaubt mitzufahren.« Der Butler war seit dreißig Jahren gewohnt, dass bei den Steinhoffs alles genau nach Plan lief. Der große Haushalt funktionierte wie ein Uhrwerk. Doch nun schien Sand ins Getriebe gekommen zu sein. Zum ersten Mal erlebte es der Butler, dass sich jemand den Befehlen Gertraude Steinhoffs widersetzte. Bedingungsloser Gehorsam war in der Villa des Fabrikanten oberstes Gebot. Was nun?
»Moritz muss bei mir bleiben!«, erklärte Anton erneut leidenschaftlich. Stürmisch presste er sich an den Körper des Tieres.
Auch der große Hund, den Anton kurzerhand ›Moritz‹ getauft hatte, schien von einer Trennung nichts wissen zu wollen. Sobald der Butler auch nur Anstalten machte, auf ihn zuzugehen, zeigte er die Zähne und knurrte böse.
»Kann Herr Dr. von Lehn ihn denn nicht betäuben?«, fragte der Butler.
Andreas tiefblaue Augen blitzten belustigt auf. »Das wird nicht nötig sein«, meinte sie lächelnd. »Anton wird Moritz in seine Box bringen.«
Der Junge zögerte. Eigentlich fiel es ihm recht schwer, der freundlichen jungen Frau zu widersprechen. Doch dann brummte er laut und deutlich: »Nein!«
»Du kannst Moritz jeden Tag besuchen. Und wenn du magst, darfst du sogar mit ihm spazieren gehen«, erwiderte Andrea gewinnend. »Komm, wir wollen Moritz gleich sein Fressen geben. Er ist sicher hungrig.«
Ohne zu zögern fasste Andrea nach der kleinen Hand des Jungen. Sofort spürte Anton, dass hier jemand war, der es gut mit ihm meinte. Jemand, der ihn nicht nur ständig kritisierte wie die Gouvernante oder die Großmama. Diese junge Frau mit den hübschen braunen Locken verstand ihn. Sie wusste, wie schlimm es für einen kleinen Jungen war, sich von einem Freund trennen zu müssen, den man lieb gewonnen hatte, obwohl man ihn erst seit Stunden kannte.
Anton war alt genug, um zu begreifen, dass es ihm nichts nützen würde, sich länger gegen die Anordnung der Großmama aufzulehnen. Traurig, mit gesenktem Köpfchen, ließ er sich von Andrea zu den Boxen führen. Dicht an seiner Seite ging Moritz. Das kluge Tier stupste seine feuchte Schnauze immer wieder in Antons Händchen. So, als wollte er das Kind trösten.
»Weißt du eigentlich, wie unser Tierheim heißt?«, fragte Andrea, während sie mit Anton an den Boxen entlangging. »Es heißt ›Waldi & Co‹.«
»Das hört sich aber lustig an«, murmelte Anton, verzog aber keine Miene.
»Waldi ist unser Dackel. Er ist der Chef hier und sehr darauf bedacht, dass ihn alle Tiere anerkennen. Manchmal macht er sich richtig wichtig. Dann läuft er auf den Zehenspitzen, um größer auszusehen.« Andrea schmunzelte. Mit den Tieren gab es täglich neue, lustige Erlebnisse.
»Bei Moritz wird er das gar nicht versuchen, weil er sofort sehen wird, dass Moritz der allerschlauste Hund ist, den es gibt.«
Andrea nickte ernsthaft. »Dein Moritz ist ein Prachtexemplar«, lobte sie. Gleichzeitig wandte sie sich an den Tierpfleger Helmut Koster und bat ihn, eine Box zu räumen.
Anton, der begriff, dass nun unweigerlich der Abschied kam, umarmte seinen vierbeinigen Freund. Weinend schmiegte er sich an ihn. »Wir beide gehören zusammen«, wisperte er dem Hund ins Ohr.
*
Völlig außer Atem stürmte Henrik zu der Gruppe Kinder, die am Gitter der Pony-Weide beisammenstand. Es waren Buben und Mädchen verschiedenen Alters. Da die Witterung schon recht kühl war, trugen sie warme Wollsachen und feste Stiefel.
Es waren die Kinder von Sophienlust, die sich hier eifrig unterhielten. Sie waren Waisen oder kamen aus zerrütteten Familienverhältnissen. Alle hatten sie in dem von Denise von Schoenecker eingerichteten Kinderheim eine neue Heimat gefunden. Es war kein Zufall, dass das einstige herrschaftliche Gut überall nur ›das Haus der glücklichen Kinder‹ genannt wurde. Denn hier waren die Kinder wirklich glücklich, sorglos und zufrieden.
»Im Tierheim ist ein neuer Schäferhund«, berichtete Henrik keuchend, da er vom raschen Laufen noch nach Luft schnappte.
»Störe uns nicht!«, wies ihn sein älterer Bruder Dominik zu Recht. »Wir haben eine wichtige Besprechung.«
Dominik von Wellentin-Schoenecker, im Allgemeinen nur Nick gerufen, stammte aus der ersten Ehe Denise von Schoeneckers. Da ihr Mann, Dietmar von Wellentin, noch vor der Geburt seines Sohnes tödlich verunglückt war, hatte Denise später den Witwer Alexander von Schoenecker geheiratet. Zu dessen beiden Kindern Sascha und Andrea hatte sie rasch ein herzliches Verhältnis gefunden. Dass dann noch das Nesthäkchen Henrik hinzugekommen war, hatte das Glück der Familie vollkommen gemacht.
»Onkel Hans-Joachim sagt, dass es ein ganz wertvolles Tier ist und dass er sich nicht erklären kann, wieso es herrenlos herumläuft«, verkündete Henrik mit heller Stimme seine Neuigkeit.
»Ein Schäferhund