Zwei Kinderherzen finden sich: Sophienlust 201 – Familienroman
Von Aliza Korten
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Willst du dir die Tiere einmal richtig anschauen?«, fragte Andrea von Lehn den kleinen Buben, der sich scheu ins Gebüsch drückte.Das Kind antwortete nicht.Andrea hatte den Jungen schon am Tag zuvor und auch früher beobachtet. Er schlich sich stets um die Mittagszeit in den weitläufigen Garten und schaute sich die Tiere im Freigehege an. Nun endlich war es ihr gelungen, dem Kleinen so nahe zu kommen, dass er ihr nicht mehr entwischen konnte.»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte Andrea freundlich. »Das Tierheim ist für alle da. Im Freigehege sind nur einige Tiere. Die übrigen hausen da drüben in dem Holzbau.Der Bub sah sie an und schwieg beharrlich.»Das Tierheim ist für kranke und heimatlose Tiere bestimmt«, erzählte die junge Frau weiter, um allmählich das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. »Es heißt Waldi & Co. – das Heim der glücklichen Tiere. Diesen Namen haben sich die Kinder von Sophienlust ausgedacht. Waldi ist unser Dackel, den du vielleicht schon gesehen hast. Er war hier der Erste, und deshalb erhielt das Heim seinen Namen. Ich glaube, er bildet sich etwas darauf ein.»Ich – ich mag Hunde«, kam es leise über die Lippen des Jungen.»Das kann ich verstehen.
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Buchvorschau
Zwei Kinderherzen finden sich - Aliza Korten
Sophienlust
– 201–
Zwei Kinderherzen finden sich
Weshalb Thilo nach Sophienlust wollte
Aliza Korten
»Willst du dir die Tiere einmal richtig anschauen?«, fragte Andrea von Lehn den kleinen Buben, der sich scheu ins Gebüsch drückte.
Das Kind antwortete nicht.
Andrea hatte den Jungen schon am Tag zuvor und auch früher beobachtet. Er schlich sich stets um die Mittagszeit in den weitläufigen Garten und schaute sich die Tiere im Freigehege an. Nun endlich war es ihr gelungen, dem Kleinen so nahe zu kommen, dass er ihr nicht mehr entwischen konnte.
»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte Andrea freundlich. »Das Tierheim ist für alle da. Im Freigehege sind nur einige Tiere. Die übrigen hausen da drüben in dem Holzbau.«
Der Bub sah sie an und schwieg beharrlich.
»Das Tierheim ist für kranke und heimatlose Tiere bestimmt«, erzählte die junge Frau weiter, um allmählich das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. »Es heißt Waldi & Co. – das Heim der glücklichen Tiere. Diesen Namen haben sich die Kinder von Sophienlust ausgedacht. Waldi ist unser Dackel, den du vielleicht schon gesehen hast. Er war hier der Erste, und deshalb erhielt das Heim seinen Namen. Ich glaube, er bildet sich etwas darauf ein.«
»Ich – ich mag Hunde«, kam es leise über die Lippen des Jungen.
»Das kann ich verstehen. Ich auch. Habt ihr daheim einen Hund?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Nein, ich darf keinen haben. Tante Wilma will es nicht. Hunde sind schmutzig, sagt sie.«
Das Eis schien gebrochen.
»Na, dann komm, wir sehen uns die Tiere einmal an. Ich bin Tante Andrea. Und wie heißt du?«
Ein kurzes Zögern: »Tilo.«
»Hast du auch einen Familiennamen?«
»Tilo Börner. Mein Vati heißt auch Börner, aber Tante Wilma nicht!«
Andrea von Lehn hütete sich, Tilo sogleich weiter auszufragen. Sie wusste recht gut, dass Kinder allergisch reagierten, wenn man zu viele Fragen an sie stellte. Vielmehr führte sie Tilo zum Eingang des Tierheims und machte ihn mit dem alten Janosch bekannt, der den Jungen sofort herzlich willkommen hieß.
Andrea hielt sich nun im Hintergrund und überließ Janosch das Wort. Sie verließ sich darauf, dass der Tierpfleger mit seinen abenteuerlichen Geschichten jedes Kind bezaubern konnte. Nachdenklich kraulte sie das Fell der schwarzen Dogge Severin, die ihr fast nie von der Seite wich. Sie fragte sich, woher Tilo gekommen sein mochte. Offenbar wohnte er nicht allzu weit entfernt.
»Du kannst kommen, sooft du willst«, sagte Janosch nach einer Weile zu seinem kleinen Besucher. »Was meinst du, wie oft die Kinder aus Sophienlust hier sind? Dann geht es sehr vergnügt bei uns zu.«
»Wo ist Sophienlust, Janosch?« Groß und fragend waren Tilos Augen auf den alten Mann gerichtet.
»Das weißt du nicht? Sophienlust ist gar nicht weit von hier. Es ist ein Heim für Kinder, die kein Zuhause mehr haben. Sehr schön ist es dort.«
Andrea legte die Hand leicht auf Tilos Schulter. »Sophienlust wird von den Kindern ›das Haus der glücklichen Kinder‹ genannt.«
Tilo verstand. »Deshalb heißt Waldi & Co. das Heim der glücklichen Tiere, nicht wahr?«
»Stimmt, Tilo. Sag, willst du ein Glas Saft im Haus trinken? Du bist gewiss durstig.«
Tilo nickte dankbar. »Saft trinke ich schrecklich gern, Tante Andrea«, gestand er aufseufzend.
Andrea und Janosch tauschten einen Blick des Einverständnisses. Auch der alte Tierpfleger hatte Tilo schon an den beiden vergangenen Tagen beobachtet.
»Du wohnst wohl noch nicht lange hier?«, fragte Andrea auf dem Weg zum Wohnhaus, in dem sich auch die Praxis ihres Mannes, des Tierarztes Dr. Hans-Joachim von Lehn, befand. Die prächtige schwarze Dogge folgte ihr auf dem Fuße, während der Dackel Waldi sich in einiger Entfernung hielt, als müsste er den kleinen Fremden erst einmal genau überprüfen.
Im Hause war es kühl und still. Marianne, das Mädchen, brachte ein Glas Saft für Tilo. Auf unsicheren Füßchen folgte ihr ein entzückender Bub, der nun von Andrea auf die Arme gehoben wurde.
»Dies ist unser Peterle, Tilo«, stellte Andrea den Winzling förmlich vor. »Hast du auch einen kleinen Bruder oder eine Schwester?«
»Nein, ich bin allein.« Das Kindergesicht wirkte traurig und ernst, was ganz und gar nicht zu der lustigen Nase des Buben passen wollte.
»Ich kann dich im Auto nach Hause bringen, wenn du willst«, erbot sich Andrea, die herausfinden wollte, wohin der Junge gehörte. Ihr stets wacher Instinkt signalisierte ihr, dass Tilo vereinsamt sei. Vor allem fragte sie sich, wer Tante Wilma sei. Dass besagte Dame etwas gegen Hunde hatte, nahm die tierliebende Andrea sofort gegen Tante Wilma ein.
»Wir sind im Gasthof in Wildmoos – Tante Wilma und ich. Weil ich nämlich lange krank war und mich erholen soll. Aber es ist furchtbar langweilig. Immer nur spazieren gehen mit Tante Wilma, und sonst gar nichts.«
»Du, das ist aber ein ganz hübscher Weg vom Gasthof Wildmoos bis zu uns.«
Tilo lächelte verschmitzt. »Tante Wilma schläft immer nach dem Mittagessen. Ich habe die Tiere gesehen, als wir hier vorbeifuhren. Natürlich wollte ich sie mir richtig anschauen. Da bin ich mittags heimlich weggelaufen.«
»Dass du das Tierheim gefunden hast! Wie alt bist du denn?«
»Fünf Jahre.«
Er war klein für sein Alter. Immerhin bedeutete es eine beachtliche Leistung, dass er den Weg gefunden hatte.
»Merkt es deine Tante denn nicht, wenn du wegbleibst?«
»Nein, gestern jedenfalls nicht. Und am ersten Tag auch nicht. Sie liest in einem dicken Buch. Roman heißt das. Dabei merkt sie es nicht, wenn ziemlich viel Zeit vergeht. Aber wenn sie doch schimpft, macht es auch nichts. Sie schimpft sowieso meistens.«
»Du wohnst also sonst woanders?«
»Ja, in Heidenheim. Mein Vati konnte nicht mit mir verreisen. Er hat immer sehr viel zu tun. In der Fabrik, weißt du?«
Andrea begann zu ahnen, dass Tilo keine Mutter hatte. Mitleid überflutete ihr Herz. »Ich werde dich zurückfahren und mit deiner Tante reden, Tilo. Wenn wir sie schön bitten, erlaubt sie vielleicht, dass du öfters zu uns kommst. Hättest du auch Lust, manchmal mit den Kindern von Sophienlust zu spielen, damit du nicht so allein bist?«
»Das möchte ich schon, Tante Andrea, aber Tante Wilma will es bestimmt nicht. Sie sagt meistens nein, wenn man sie fragt.«
»Nun, warten wir es ab, Tilo. Ich muss nur das Peterle wieder zu Marianne bringen und meinen Wagenschlüssel holen.«
Tilo wagte es, die mächtige Dogge behutsam zu streicheln. Das kluge Tier ließ es sich gern gefallen. Peterle protestierte ein bisschen, weil er seinen Lieblingsplatz auf dem Arm der Mutter aufgeben sollte, doch schließlich wanderten Andrea und Tilo zur Garage, um ins Auto einzusteigen.
»Mein Vati hat auch ein Auto. Es ist größer als dein Auto«, stellte Tilo fest. »Er hat uns nach Wildmoos gefahren. Vielleicht kommt er uns besuchen, wenn er einmal Zeit hat.«
»Hoffentlich, Tilo«, antwortete Andrea munter. »Da, steig ein.«
Tilo kletterte gehorsam auf den Rücksitz, und schwungvoll, wie es ihre Art war, lenkte Andrea ihren Wagen aus der Einfahrt des weitläufigen Grundstücks. Die Fahrt nach Wildmoos, der angrenzenden Gemeinde, war nicht weit.
Im Gasthof wartete eine Dame von zirka vierzig Jahren mit allen Zeichen der Ungeduld auf Tilo. Kein Zweifel, dies war Tante Wilma. Sie trug eine unkleidsame Frisur.
Tante Wilma schenkte Andrea zunächst keine Beachtung, sondern fuhr wütend auf Tilo los: »Wo hast du gesteckt, Tilo? Was fällt dir ein, heimlich wegzulaufen und in einem fremden Auto mitzufahren? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du bist wirklich alt genug, um einmal ein Stündchen allein zu spielen, wenn du schon nicht schlafen willst am Mittag.«
Tilo wich zurück, weil die Tante die Hand zum Schlag erhoben hatte. Offenbar war er daran gewöhnt, solche Strafe zu empfangen.
Andrea trat entschlossen zwischen die aufgebrachte Dame und den Jungen. »Ich bin Andrea von Lehn«, stellte sie sich mit klingender Stimme vor. »Tilo war bei uns auf dem Grundstück, um sich unsere Tiere anzuschauen. Ich fürchtete schon, dass man sich um ihn sorgen würde, deshalb bringe ich ihn zurück.«
Tante Wilma betrachtete Andrea wie ein lästiges Insekt. »Wilma Gerlach«, sagte sie würdevoll. »Tilo ist ein sehr ungehorsames, schwieriges Kind. Sie sollten seine Eigenmächtigkeiten nicht auch noch unterstützen, Frau von Lehn.«
Andrea verbarg ein Lächeln. »Tilo ist ein Tiernarr. Und mein Mann ist Tierarzt. Deshalb haben wir ja das Tierheim eingerichtet, an dem Tilo so brennend interessiert ist.«
»Seit dem Tod meiner armen Schwester vertrete ich an Tilo Mutterstelle.« Wilma seufzte. »Aber es ist eine schwere Aufgabe. Mein Schwager hat kaum Zeit für das Kind. Er besitzt in Heidenheim eine große Fabrik. Jetzt soll Tilo sich hier in der guten Waldluft von seiner Krankheit erholen.«
»Ja, gute Luft haben wir hier«, bestätigte Andrea. »Aber für Tilo wird es im Gasthof ein bisschen langweilig sein, fürchte ich.«
Wilma Gerlach runzelte die Stirn. »Ich gehe zweimal mit ihm spazieren. Spielzeug hat er auch mit. Er sollte dankbar sein, dass ich mich seinetwegen in dieses Nest gesetzt habe. Mein Schwager