Uwe darf kein Heimweh haben: Sophienlust 153 – Familienroman
Von Aliza Korten
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Du magst also unseren Billy gut leiden?«, fragte Andrea von Lehn den scheuen, stillen Jungen, der das Liliputpferdchen Billy zärtlich umarmte.
Uwe Breuer nickte stumm. Er sagte selten etwas, obwohl Andrea ihn inzwischen schon ganz gut kannte. Der Junge befand sich im Kinderheim Sophienlust, das ihre Mutter, Denise von Schoenecker, leitete. Mit seinen sieben Jahren hatte er schon allerlei Bitteres erlebt.
Uwe stammte von einem Gut in der Lüneburger Heide. Im Tierheim Waldi & Co. tröstete er sich über sein Heimweh nach den zahmen Tieren auf dem Heidehof hinweg. Vor allem das Liliputpferdchen hatte es ihm angetan. Immer wieder kehrte er von den Schimpansen, der Braunbärin und den anderen Insassen des Tierheims Waldi & Co., das von Andrea gegründet worden war, zu dem winzigen Hengst zurück.
Auf dem elterlichen Gut Heidehof gab es zwei Ponys, Max und Moritz. Diese liebte Uwe ganz besonders. Auch das Kinderheim Sophienlust besaß Ponys, auf denen die Kinder nach Herzenslust reiten konnten, aber damit hatte es eine besondere Bewandtnis. Wenn Uwe die Ponys anschaute, musste er immer beinahe weinen. Doch er wollte nicht weinen, weil Tante Isi, Tante Ma, Schwester Regine und alle Kinder immer so lieb zu ihm waren und wünschten, dass er fröhlich sei. Aber wie konnte er fröhlich sein, wenn ihm das Herz so unendlich schwer war?
Hier, bei Tante Andrea von Lehn, im Tierheim Waldi & Co., war es still und gemütlich. Es roch nach Heu, Stroh und Futtermitteln. Die Schimpansenjungen Batu und Luja trieben ihre Scherze, und die Braunbärin Isabell spielte mit ihren Kindern
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Buchvorschau
Uwe darf kein Heimweh haben - Aliza Korten
Sophienlust
– 153–
Uwe darf kein Heimweh haben
Wird die kleine Gunni ihm das Lachen zurückbringen?
Aliza Korten
»Du magst also unseren Billy gut leiden?«, fragte Andrea von Lehn den scheuen, stillen Jungen, der das Liliputpferdchen Billy zärtlich umarmte.
Uwe Breuer nickte stumm. Er sagte selten etwas, obwohl Andrea ihn inzwischen schon ganz gut kannte. Der Junge befand sich im Kinderheim Sophienlust, das ihre Mutter, Denise von Schoenecker, leitete. Mit seinen sieben Jahren hatte er schon allerlei Bitteres erlebt.
Uwe stammte von einem Gut in der Lüneburger Heide. Im Tierheim Waldi & Co. tröstete er sich über sein Heimweh nach den zahmen Tieren auf dem Heidehof hinweg. Vor allem das Liliputpferdchen hatte es ihm angetan. Immer wieder kehrte er von den Schimpansen, der Braunbärin und den anderen Insassen des Tierheims Waldi & Co., das von Andrea gegründet worden war, zu dem winzigen Hengst zurück.
Auf dem elterlichen Gut Heidehof gab es zwei Ponys, Max und Moritz. Diese liebte Uwe ganz besonders. Auch das Kinderheim Sophienlust besaß Ponys, auf denen die Kinder nach Herzenslust reiten konnten, aber damit hatte es eine besondere Bewandtnis. Wenn Uwe die Ponys anschaute, musste er immer beinahe weinen. Doch er wollte nicht weinen, weil Tante Isi, Tante Ma, Schwester Regine und alle Kinder immer so lieb zu ihm waren und wünschten, dass er fröhlich sei. Aber wie konnte er fröhlich sein, wenn ihm das Herz so unendlich schwer war?
Hier, bei Tante Andrea von Lehn, im Tierheim Waldi & Co., war es still und gemütlich. Es roch nach Heu, Stroh und Futtermitteln. Die Schimpansenjungen Batu und Luja trieben ihre Scherze, und die Braunbärin Isabell spielte mit ihren Kindern Taps und Tölpel, die inzwischen schon zu beachtlicher Größe herangewachsen waren. Die zahme Dohle saß faul auf ihrer Stange und blinzelte, nur Bambi, das Reh, ließ sich wie üblich nicht sehen. Es hatte sich irgendwo im weitläufigen Freigehege des Tierheims versteckt. Billy, das Liliputpferdchen, kam dagegen immer zutraulich auf Uwe zu. Es spürte genau, dass ihm viel Liebe und aufrichtige Zuneigung von dem Jungen entgegengebracht wurden, dessen lustige Sommersprossen durchaus nicht zu seinem stets ein wenig betrübten Gesichtchen passen wollten.
Andrea von Lehn hockte sich zu Uwe auf den Boden. Sie strich sanft über das etwas strubbelige Haar des Buben. »Eigentlich wollte ich mit Billy immer eine Zucht beginnen«, erzählte sie. »Aber es ist nie etwas daraus geworden, weil mir die Zeit fehlte, mich um die Beschaffung weiterer kleiner Pferde zu kümmern.«
»Hm, du hast ja auch genug anderes zu tun.« Uwe nickte. Er sah in diesem Moment aus wie ein kleiner Erwachsener, der alles verstand. »Du bist verheiratet und hilfst deinem Mann in der Tierarztpraxis, und du hast das Peterle, das viel Arbeit macht. Außerdem ist das Tierheim da. Alles kann Helmut Koster hier schließlich auch nicht machen. Ich weiß von meiner Mutti, dass man sich selber um eine Sache kümmern muss, wenn sie klappen soll.«
»Stimmt, Uwe. Du weißt gut Bescheid.« Es war geradezu erstaunlich, dass Uwe auf einmal so viel gesagt hatte. Andrea war froh darüber, denn ihre Mutter und Frau Rennert, die bewährte Heimleiterin in Sophienlust, machten sich Sorgen um den stillen, in sich gekehrten Jungen, der allzu viel von den Ehestreitigkeiten zwischen seinen Eltern mitbekommen hatte. Durch die Vermittlung von Freunden seiner Mutter war der Junge nun seit einiger Zeit in Sophienlust. Er sollte sich erholen und ein wenig von dem vergessen, was er mit angesehen und mitgehört hatte. All das war durchaus nicht für ein Kind geeignet gewesen und hatte sein junges, zartes Gemüt belastet.
»Vielleicht schaffst du es später einmal mit der Zucht von Liliputpferdchen. Es müsste gehen, und man brauchte gar nicht allzu viel Platz für die Pferdchen, weil sie so klein sind«, erklärte Uwe nachdenklich.
»Ich habe Billy seinerzeit einem Pferdezüchter abgehandelt«, erzählte die junge Frau lächelnd. »Unser kleiner Freund stammt aus Amerika, und zwar aus Texas.«
»Toll«, staunte Uwe. »Wirklich toll.«
Er nickte und streichelte das Tierchen. In diesem Augenblick rief jemand: »Uwe, kommst du mit zurück nach Sophienlust?«
Es war Andreas jüngster Bruder Henrik, der herbeieilte. Uwe und Henrik waren auf Fahrrädern vom Kinderheim nach Bachenau gekommen, um Andrea und das Tierheim zu besuchen. Nun hatte sich Henrik an dem berühmten Apfelkuchen seiner Schwester gründlich sattgegessen und wollte wieder zurück, denn auf seiner Seele lasteten noch ein paar Schulaufgaben, die erledigt sein wollten.
»Ja, ich komme, Henrik.«
Henrik war das einzige Kind, an das Uwe sich ein wenig angeschlossen hatte. So war es kein Wunder, dass Henrik, der seine Rolle als Betreuer neuer Heimkinder äußerst wichtig nahm, für seine Schulaufgaben nicht immer die nötige Ruhe fand. Erstens wohnte er nicht in Sophienlust, sondern auf dem Nachbargut Schoeneich bei seinen Eltern. Zweitens hatte er eine Menge anderer Interessen. Er ritt für sein Leben gern und beschäftigte sich im Übrigen mit Begeisterung mit den Belangen der Landwirtschaft, die die Güter Sophienlust und Schoeneich betrafen. Sein Vater, Alexander von Schoenecker, leitete beide Güter. Manchmal wunderte sich Henrik, wie viel seine Eltern leisteten. Denise von Schoenecker, seine über alles geliebte Mutti, war Gutsherrin, Leiterin des Kinderheims Sophienlust und zärtliche Familienmutter in einer Person. Immer fand sie Zeit für denjenigen, der ihren Beistand gerade am nötigsten brauchte. Sie besprach den wöchentlichen Küchenzettel mit Magda, der Köchin von Sophienlust, und sie tat das Gleiche in der großen Gutsküche von Schoeneich mit Martha. Sie tröstete kranke und weinende Kinder, sie las Geschichten vor, sie half auch einmal bei einer schweren Schulaufgabe, und sie redete mit fremden Besuchern, die ab und zu kamen. Es gab eigentlich nichts in Sophienlust oder Schoeneich, wofür seine Mutti nicht in irgendeiner Weise zuständig gewesen wäre. Und sein Vati betreute als Landwirt gleich zwei große Güter, während die meisten Gutsherrn schon mit dem Betrieb eines Gutes mehr als genug zu tun hatten.
Henrik liebte seine Eltern und war stolz auf sie. Leider konnte er jedoch darüber mit einem Buben wie Uwe nicht reden. Er wusste von Nick, seinem älteren Bruder, dass irgendetwas in der Ehe der Eltern Breuer nicht stimmte. Genaueres hatte er nicht erfahren, aber er kannte sich in diesen Dingen ganz gut aus. Die meisten Kinder in Sophienlust waren entweder Waisen, oder es herrschten Schwierigkeiten zu Hause bei ihnen. Natürlich gab es auch Ausnahmen, wie zum Beispiel bei Irmela, die in Deutschland das Abitur machen wollte, während ihre Eltern in Indien lebten, wo ihr Vater Arzt war.
Andrea begleitete die beiden Jungen bis zum Einfahrtstor des Lehnschen Grundstücks. Ihr Mann, Dr. Hans-Joachim von Lehn, hatte die ausgedehnte tierärztliche Praxis von seinem Vater übernommen. Wohnhaus und Praxis befanden sich im gleichen Gebäude. Auf dem Grundstück gab es außerdem das Tierheim Waldi & Co. mit dem dazugehörigen Freigehege sowie einen herrlichen Garten. Dem Tierheim war eine kleine Wohnung für den ehemaligen Zirkusangehörigen Helmut Koster angefügt, der die Tiere sachkundig und liebevoll betreute.
»Wiedersehen, Andrea«, rief Henrik fröhlich. »Bleib zurück, Waldi, wir können dich nicht mitnehmen«, schalt er den Dackel Waldi, Chef und Namenspatron des Tierheims, der kläffend hinter den Fahrrädern herraste, während sich seine Familie ausnahmsweise zurückhielt. Für gewöhnlich befand sich die Dackeline Hexe samt den jungen Dackeln Pucki und Purzel ständig im Gefolge des Familienoberhauptes. Auch die riesige schwarze Dogge Severin, Andreas treuer Begleiter, war zu würdevoll, um hinter den Rädern dreinzubellen. Severin hielt sich dicht an Andreas Seite und leckte sich mit der mächtigen Zunge die Nase.
Langsam kehrte Andrea ins Haus zurück, um nach ihrem Söhnchen Peterle zu sehen, das unter der Obhut einer netten Frau aus Bachenau eifrig mit einigen Stofftieren spielte.
Indessen radelten Henrik und Uwe heimwärts. Wie gewöhnlich sprach Uwe kein Wort. Henrik fand das ausgesprochen langweilig. »Kennst du eigentlich inzwischen die Geschichte von Sophienlust?«, fragte er aufs Geratewohl.
»Nein, nicht richtig, Henrik.«
»Soll ich sie dir erzählen?«, erbot sich Henrik.
»Hm, wenn du Lust hast.« Sonderlich groß war Uwes Interesse nicht. Aber daran hatte sich Henrik im Laufe der Zeit schon gewöhnt. Uwe war nun einmal so.
»Früher hat Sophienlust Nicks Urgroßmutter gehört. Sie ist nur seine Urgroßmutter, aber nicht meine oder die von Andrea und Sascha, weil wir eine verwickelte Familie sind.«
»Eine verwickelte Familie? Was ist das?« Uwe warf dem Freund einen kurzen Blick zu.
»Na ja – es ist schon alles in Ordnung und sehr prima bei uns. Nicht das, was du jetzt vielleicht denkst! Vati war früher schon einmal verheiratet, aber seine erste Frau ist gestorben. Sascha und Andrea kommen aus dieser Ehe. Mutti war auch schon einmal verheiratet. Nicks Vati hieß Dietmar von Wellentin, und Nicks Urgroßmutter war Sophie von Wellentin.«
»Hm, das ist wirklich etwas verwickelt. Wohin gehörst du denn?«
Henrik war entzückt, dass Uwe ihm so viel Aufmerksamkeit schenkte. Es war sonst gar nicht so leicht, ihn für eine Sache zu erwärmen.
»Ganz einfach, Uwe. Meine Mutti kam mit Nick, der damals erst fünf Jahre alt war, nach Sophienlust. Sophie von Wellentin hatte nämlich ein Testament gemacht und ihren gesamten Besitz Nick vermacht. Vorher waren Mutti und Nick ziemlich arm gewesen, glaube ich. Dann aber waren sie plötzlich ganz reiche Leute. Sophienlust war früher ein Gutshaus. Aber Nicks Urgroßmutter hat bestimmt, dass daraus ein Kinderheim werden solle. Das hat meine Mutti auch gleich in Angriff genommen. Dann hatte sie