Irgendwann muss sich jeder entscheiden: Toni der Hüttenwirt 396 – Heimatroman
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"Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser.
Es war noch kühl an diesem Morgen in den Bergen. In der Nacht hatte es ausgiebig geregnet. Die milden Sonnenstrahlen leckten die letzten Dunstschleier über den Almwiesen fort. Toni und Anna standen auf der Terrasse der Berghütte und schauten den Hüttengästen nach, die als letzte aufgebrochen waren. »So jetzt haben wir ein bisserl Ruh', Anna! Bei dem Wetter kommen die Wanderer erst später rauf. Komm, wir holen uns einen schönen Kaffee und genießen die geschenkte Zeit.« »Das machen wir. Aber schau doch erst mal nach dem Alois, Toni. Ich mache mir Sorgen. Ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Entweder schläft er noch oder es geht ihm nicht gut.« »Dem Alois geht es gut. Der ist schon früh aufgewesen. Er konnte bei dem Wind heute nacht schlecht schlafen. Da ist er aufgestanden und hat Feuer gemacht in der Küche und fing schon mal an, des Frühstück zu richten. Hättest ihn sehen sollen! Glücklich hat er ausgeschaut, der alte Alois. Ganz in seinem Element ist er gewesen. Hüttenwirt, des war sein Leben, sein ganzer Lebensinhalt.
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Buchvorschau
Irgendwann muss sich jeder entscheiden - Friederike von Buchner
Toni der Hüttenwirt
– 396 –
Irgendwann muss sich jeder entscheiden
Friederike von Buchner
Es war noch kühl an diesem Morgen in den Bergen. In der Nacht hatte es ausgiebig geregnet. Die milden Sonnenstrahlen leckten die letzten Dunstschleier über den Almwiesen fort. Toni und Anna standen auf der Terrasse der Berghütte und schauten den Hüttengästen nach, die als letzte aufgebrochen waren.
»So jetzt haben wir ein bisserl Ruh’, Anna! Bei dem Wetter kommen die Wanderer erst später rauf. Komm, wir holen uns einen schönen Kaffee und genießen die geschenkte Zeit.«
»Das machen wir. Aber schau doch erst mal nach dem Alois, Toni. Ich mache mir Sorgen. Ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Entweder schläft er noch oder es geht ihm nicht gut.«
»Dem Alois geht es gut. Der ist schon früh aufgewesen. Er konnte bei dem Wind heute nacht schlecht schlafen. Da ist er aufgestanden und hat Feuer gemacht in der Küche und fing schon mal an, des Frühstück zu richten. Hättest ihn sehen sollen! Glücklich hat er ausgeschaut, der alte Alois. Ganz in seinem Element ist er gewesen. Hüttenwirt, des war sein Leben, sein ganzer Lebensinhalt. Kurz bevor du aufgestanden bist, ist er dann doch müde geworden und hat sich wieder hingelegt. Jetzt wird er fest schlafen. Aber ich gehe mal nach ihm schauen.«
Toni lief zu Alois Kammertür. Zuerst lauschte er, dann drückte er vorsichtig die Türklinke herunter und spähte durch den Türspalt. Der alte Alois lag friedlich schlafend im Bett und lächelte im Traum. Toni schloß die Tür und ging zu Anna zurück.
»Alles in Ordnung! Es geht ihm gut!«
»Das freut mich! Ich habe den alten Alois richtig in mein Herz geschlossen. Er ist die gute Seele der Berghütte.«
»Ja, das ist er. Ich wage nicht daran zu denken, wie es sein wird, wenn er einmal nicht mehr ist.« Toni seufzte.
»Ich verstehe dich, Toni. Du kennst den Alois seit deiner Kindheit. Ich habe ihn gleich zu Beginn meines ersten Aufenthaltes in Waldkogel kennengelernt. Das werde ich nie vergessen. Du bist mit mir und Bello zur Berghütte. Auf dem Rückweg trennten wir uns, und ich begegnete auf dem Heimweg dem alten Alois. Nie zuvor hatte ich einen Menschen gesehen mit solchen gütigen, strahlend blauen Augen. Ein alter Mann war er, mit vielen Falten im Gesicht und doch so jugendlich und vital aussehend, jemand, der in seinem Herzen Kummer hatte und doch nicht mißmutig und verbittert war. Ich bin überzeugt, daß der Himmel mir damals den Alois über den Weg geschickt hat.«
»Ja, des waren bestimmt die Engel vom ›Engelssteig‹, die ihre Finger im Spiel hatten. Danach hattest du ein kleines Wunder vollbracht. Alois bekam seine Berghütte von der Gemeinde Waldkogel zurück und gab sie an unserer Hochzeit an uns weiter. Damit erfüllte sich ein Lebens-traum des alten Alois. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als seinen Lebensabend hier auf der Berghütte zu verbringen. Wir sind zwar nicht seine Kinder, aber ich bin sicher, daß er uns genauso gern hat.«
»Das denke ich auch. Schade, daß Alois mit seinen beiden Buben so entzweit ist. Sie haben keinen Kontakt mehr.«
»Am Alois liegt des bestimmt net. Des liegt am Zeitgeist. Alois Buben wollten des mühsame Leben eines Hüttenwirts net führen. Jeder Mensch muß sich für sein Leben entscheiden, denke ich. Der Alois kann auch net erwarten, daß sein Lebenssinn auch von seinen Buben so angenommen wird. Was für ihn richtig war, was ihn glücklich gemacht hat, das hätte seine Buben eben net glücklich gemacht.«
»Aber dich macht es glücklich und mich auch! Ich würde für nichts auf der Welt tauschen wollen.«
»Ich auch net, Anna! Ich habe gleich doppeltes Glück. Ich habe dich zur Frau und die Berghütte.«
»Dazu haben wir Alois, der glücklich mit uns ist und wir mit ihm, Toni.«
»Richtig! Dann hat uns der Herrgott noch die beiden Bichler Kinder geschickt. Ich vergesse oft, daß sie net unsere sind.«
»Daran denke ich auch kaum. Sie sind wirklich ein Geschenk des Himmels. Die beiden haben sich prächtig entwickelt.«
Anna schaute Toni in die Augen.
»Sollten wir niemals eigene Kinder haben, so ist das für meinen Teil gesprochen, nicht so tragisch. Franzi und Basti werden wie unsere eigenen Kinder sein und immer bleiben.«
»Ja, das denke ich auch, Anna!«
Toni legte seinen Arm um Annas Schultern. Anna rückte dicht an ihn heran. So saßen sie eine Weile still beieinander und schauten über das Tal.
»Du, Anna, schau, da kommt schon jemand! Mei, des ist ja der
Gebler Urban!«
Mit großen Schritten kam Urban über das Geröllfeld.
»Grüß Gott!« rief er.
Toni stand auf und ging ihm einige Schritte entgegen.
»Grüß Gott, Urban! Schön, dich zu sehen. Hast Urlaub und tust uns besuchen? Des freut uns.«
»Urlaub? Schön wär’s! Dienst!«
Urban schaute sich um.
»Welch ein Ausblick! Weißt was, Toni, ich laß heute fünf mal gerade sein und bleibe ein bisserl bei euch. Wenn ich schon den weiten Weg herauf machen mußte, dann kann ich ja die Pflicht mit dem Angenehmen verbinden. Hast ein Bier für mich?«
»Gern! Setz dich zur Anna! Ich hole dir ein Bier!«
Urban Gebler, der Postmeister von Waldkogel, begrüßte Anna und setzte sich. Toni kam mit zwei Bier, eines für Urban und eines für sich selbst.
»Zum Wohle!«
»Prosit, Toni!«
Die Männer tranken. Urban wischte sich den Bierschaum von der Oberlippe.
»Mei, des schmeckt!«
»Du hast da etwas gesagt von Dienst. Wie hast des gemeint?«
»Na, Post zustellen!«
»Ja, sind die auf deiner vorgesetzten Dienststelle narrisch geworden? Seit wann mußt du die Post direkt auf die Berghütte bringen? Schon immer, auch zu Alois früheren Zeiten, wurde die Post auf der Oberländer Alm abgegeben.«
»Des stimmt schon! Des bleibt auch dabei. Nur heute ist des anders. Ich hoffe, es kommen net noch mehr Briefe dieser Art.«
Toni schaute Anna beunruhigt an. Urban griff in die Innentasche seines Jacke und holte einen großen blaßgrünen Umschlag heraus und ein weißes Blatt Papier.
»Des ist ein Einschreibebrief mit besonderer Zustellungsurkunde. Der ist für den Alois. Den muß ich persönlich abliefern.«
Urban schaute sich um.
»Wo ist denn der Alois? Ist er net hier?«
»Der Alois ist noch drinnen! Doch sag mir erst mal, wer dem Alois so ein Einschreiben schickt. Der Alois ist ein alter Mann. Net, daß der sich aufregen muß. Ich will net, daß er vielleicht einen Herzkasper bekommt. Des Wohlergehen von dem Alois, des liegt der Anna und mir sehr am Herzen.«
»Hier, Toni, schau selbst!«
Urban schob den Umschlag über den Tisch, so daß Toni den Absender lesen konnte.
»Kreisbehörde! Was will die vom Alois?«
»Des weiß ich auch net! Ich habe keine Röntgenaugen, Toni. Aber mit der besonderen Zustellungsurkunde, da muß es schon etwas Wichtiges sein. Solche Briefe muß ich direkt ausliefern. Der Alois muß persönlich unterschreiben.«
Toni runzelte die Stirn.
»Urban, dann mußt du warten. Es kann Mittag werden, bis der Alois heute aufsteht. Er hat heute nacht nicht geschlafen. Der Sturm hat ihn wach gehalten. Er ist erst heute morgen ins Bett gegangen. Ich wecke ihn jetzt net. Da würd’ er ja einen Schock bekommen. Ein amtliches Schreiben – so etwas hat er noch nie bekommen. Der Alois ist Rentner. Die Berghütte gehört uns. Was soll des also? Anna, kannst du dir darauf einen Reim machen?«
»Nein! Ein wenig in Sorge bin ich auch.«
Toni drehte den Briefumschlag in seinen Händen hin und her.
Als könnte Urban Tonis Gedanken erraten, fragte er: »Hast du vom alten Alois eine Vollmacht? Es könnte ja sein, daß er dir und Anna eine Vollmacht gegeben hat, falls mal etwas mit ihm sein sollte, da sich seine Buben und deren Familien nicht um ihn kümmern.«
»Schriftlich net! Aber natürlich kümmern wir uns. Wir sind hier eine große Familie, eine Patchwork-Familie, wie des in modernem Neudeutsch heißen tut. Wir haben des ganze Vertrauen vom Alois und er von uns auch! Warum fragst du?«
»Weil ich jemanden mit Postvollmacht den Brief auch aushändigen kann.«
»Des kannst, Urban! Wir haben Postvollmacht! Gib her!«
»Grüß Gott!« erklang eine Stimme von der Tür her.
»Mei, Alois! Da bist du ja! Hast ausgeschlafen?«
»Ja! Und schön geträumt habe ich auch. Wenn man einen schönen Traum hat, dann braucht man weniger Schlaf, sage ich immer.«
»Komm her, Alois, und setz dich