Sie gewann die Herzen der Kinder: Mami 2061 – Familienroman
Von Jutta von Kampen
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Findet Bianca auch ihr Liebesglück? »Es ist mir ausgesprochen unan- genehm, aber ich fürchte wirklich, ich muss wegen unseres guten Na- mens ein offenes Wort mit dir spre- chen!«, sagte Gudrun Fürstin Ro- thenburg zu ihrem Gemahl, als sie sich abends in ihr Schlafzimmer zu- rückgezogen hatten. Fürstin Gudrun, geborene Prin- zessin Friedbergen, war erst neun- undzwanzig Jahre alt, aber irgend- wie wirkte sie in ihrem ganzen Ge- habe, als wäre sie neunundvierzig und unverheiratet. Sie war nicht un- hübsch und sah zweifellos sehr vor- nehm aus, wenn man darunter et- was farblos und degeneriert ver- steht, aber es fehlte ihr an Charme und Wärme. Ihre Herzlichkeit wirk- te ebenso aufgesetzt wie ihre Be- sorgnis – selbst wenn sie zu ihrem Mann oder mit ihren beiden Kin- dern sprach. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie selbst in diesen Dreien weniger die geliebten Menschen, als vielmehr die Träger eines großen Namens sah. Mochte dies auch allen auffallen, die mit ihr zu tun hatten, den Fürs- ten störte es nicht. Robert Rothen- burg vertrat nämlich genau die glei- che Einstellung. Genau wie sie hatte er sich seine Gemahlin und zukünf- tige Mutter zukünftiger Prinzen und Prinzessinnen nach dem Stamm- baum ausgesucht. Und der freilich war bei Gudrun Rothenburg-Fried- bergen über jeglichen Tadel erhaben. »Meine teuerste Gudrun, du brauchst gar nichts zu sagen – es geht mir leider nicht anders als dir. Ich möchte mich für meine Schwes- ter bei dir entschuldigen! Ihr Be- nehmen – einfach erschreckend! Leider muss ich gestehen, dass sich dies nicht nur mit dem schreckli- chen amerikanischen Einfluss ent- schuldigen und erklären lässt. Bian- ca war immer schon so – hm, reni- tent. So – so – übertrieben sozial! Ihre Ansichten über die Werte des Menschen unterscheiden sich so gänzlich von meinen …« Er seufzte zutiefst betroffen. »Mein armer Robert«
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Sie gewann die Herzen der Kinder - Jutta von Kampen
Mami
– 2061 –
Sie gewann die Herzen der Kinder
Jutta von Kampen
Sie gewann die Herzen der Kinder
Findet Bianca auch ihr Liebesglück?
Roman von Jutta von Kampen
»Es ist mir ausgesprochen unan- genehm, aber ich fürchte wirklich, ich muss wegen unseres guten Na- mens ein offenes Wort mit dir spre- chen!«, sagte Gudrun Fürstin Ro- thenburg zu ihrem Gemahl, als sie sich abends in ihr Schlafzimmer zu- rückgezogen hatten.
Fürstin Gudrun, geborene Prin- zessin Friedbergen, war erst neun- undzwanzig Jahre alt, aber irgend- wie wirkte sie in ihrem ganzen Ge- habe, als wäre sie neunundvierzig und unverheiratet. Sie war nicht un- hübsch und sah zweifellos sehr vor- nehm aus, wenn man darunter et- was farblos und degeneriert ver- steht, aber es fehlte ihr an Charme und Wärme. Ihre Herzlichkeit wirk- te ebenso aufgesetzt wie ihre Be- sorgnis – selbst wenn sie zu ihrem Mann oder mit ihren beiden Kin- dern sprach. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie selbst in diesen Dreien weniger die geliebten Menschen, als vielmehr die Träger eines großen Namens sah.
Mochte dies auch allen auffallen, die mit ihr zu tun hatten, den Fürs- ten störte es nicht. Robert Rothen- burg vertrat nämlich genau die glei- che Einstellung. Genau wie sie hatte er sich seine Gemahlin und zukünf- tige Mutter zukünftiger Prinzen und Prinzessinnen nach dem Stamm- baum ausgesucht. Und der freilich war bei Gudrun Rothenburg-Fried- bergen über jeglichen Tadel erhaben.
»Meine teuerste Gudrun, du brauchst gar nichts zu sagen – es geht mir leider nicht anders als dir. Ich möchte mich für meine Schwes- ter bei dir entschuldigen! Ihr Be- nehmen – einfach erschreckend! Leider muss ich gestehen, dass sich dies nicht nur mit dem schreckli- chen amerikanischen Einfluss ent- schuldigen und erklären lässt. Bian- ca war immer schon so – hm, reni- tent. So – so – übertrieben sozial! Ihre Ansichten über die Werte des Menschen unterscheiden sich so gänzlich von meinen …« Er seufzte zutiefst betroffen.
»Mein armer Robert«, tröstete ihn Gudrun, »ganz sicher trifft dich keine Schuld.Vielleicht waren deine verehrten Eltern mit ihr zu nach- sichtig …«
»Das könnte sein.« Wieder ent- fuhr ihm ein tiefer Seufzer. »Auch meine jüngste Schwester Sandra huldigt ja diesen hypermodernen Anschauungen.«
»Nun ja, aber sie ist immerhin mit einem Grafen Wallhofen verheira- tet, der auch erfreulich wohlhabend ist.«
»Richtig! Aber dieser Umgang! Man kann doch bei ihnen auf kein Fest gehen, ohne irgendwelchen bür- gerlichen Gästen zu begegnen – Künstlern, Wissenschaftlern – alles gut und schön. Ich bin der Letzte, der die Verdienste dieser Leute nicht an- erkennt. Aber deshalb braucht man doch nicht privat mit ihnen zu ver- kehren. Sie sind nun einmal – tja …« Er suchte nach dem echten Wort.
»… anders!«, half ihm seine Ge- mahlin. »Ich bin ganz deiner Mei- nung. Trotzdem, man kann dies im- mer noch angehen lassen. Aber was Bianca da heute Abend von sich gab! Ich wusste wirklich nicht mehr, was ich sagen sollte.«
»Und nicht nur das …«, murmel- te Fürst Rothenburg und zog sich das Smokinghemd über den Kopf. Was es noch war, verstand die Fürs- tin nicht, da es im Hemd stecken blieb. Aber sie konnte es sich vor- stellen. Sie saß, bereits in einem sei-
denen Morgenmantel, vor ihrem Frisiertisch und legte die Juwelen ab, die sie zum Diner getragen hat- te.Als der Fürst aus dem Hemd auf- getaucht war, sprach sie für ihn wei- ter.
»Nein, du hast recht. Ihre Absich- ten sind nicht das Einzige, was uns als Verantwortliche für deine unver- heiratete Schwester große Sorgen machen muss – ihr Aussehen! Grau- enhaft!« Und sie schüttelte sich, als wäre ihr eine eklige Spinne über die Hand gelaufen.
»Für ihre roten Haare kann sie nichts«, glaubte der Fürst jetzt doch seine Schwester verteidigen zu müs- sen. Schon weil er selbst ein rothaa- riger Typ war, auch wenn sein schüt- teres Haar fahlblond war.
»Niemand macht ihr einen Vor- wurf daraus!«, erklärte Gudrun eil- fertig. »Aber ich bitte dich – wes- halb färbt sie es nicht zu einem de- zenten blond oder braun – wenn es schon diesen penetrant auffallenden Kastanienton hat. Dunkelrotes Haar – das – das – also, das hat man ein- fach nicht. Es sei denn, man ist ein Showgirl«, setzte sie spitz hinzu, weil der Fürst ihr dieses Mal nicht rückhaltlos zugestimmt hatte.
»Ihr Aussehen, nun ja, darüber kann man streiten. Das ist Ge- schmacksache – aber ihre Kleidung!« Die Fürstin stieß einen schrillen
Schrei aus.
»Erinnere mich nicht daran! Das war ja peinlich! Selbst wenn man
bedenkt, dass außer uns nur das Per- sonal sie in dieser – Aufmachung ge- sehen hat.«
»Tja, das Kleid.« Robert Rothen- burg schüttelte fast verlegen den Kopf. »Ich glaube, ich werde morgen ein ernstes Wort mit ihr sprechen.«
»Wenn es dir als ihrem Bruder unangenehm ist, Liebster«, das Ko- sewort klang gekünstelt, »bin ich gern bereit, dir diese unangenehme Aufgabe abzunehmen.«
»Das ist sehr lieb von dir, Gud- run. Aber ich finde doch, dass es meine Aufgabe als Chef des Hauses Rothenburg ist, sie auf ihre Pflichten ihrem Stand und vor allem ihrer Fa- milie gegenüber hinzuweisen. Au- ßerdem …«, der wievielte abgrund- tiefe Seufzer war es, den der junge Fürst – er war erst Anfang dreißig – an diesem Abend ausstieß? – »Au- ßerdem möchte ich auch wegen des Berufes mit ihr sprechen, den sie nun mal leider mit Zustimmung meiner verehrten verstorbenen El- tern erwählt hat. Was sie in New York in den vergangenen zwei Jah- ren getrieben hat, ist mehr oder we- niger ihre Sache. Aber dass sie in München bei der Zeitschrift ›Die elegante Welt‹ als Modezeichnerin arbeiten will – es mag ja gut bezahlt werden …«
»Aber der Umgang!«, rief die
Fürstin in klagendem Ton.
»Eben. Wo Bianca so anfällig für das schlechte Betragen dieser Art Menschen ist.«
»Und stell dir vor – sie bleibt an so jemandem hängen! Sie heiratet einen Journalisten oder Modemen- schen – oder Fotografen – wie die gute Maggie – die weiß Gott ein ab- schreckendes Beispiel wäre. Hat sie sich nicht damit ihr ganzes Leben verdorben?!«
Gudrun fand die Vorstellung, ei- nen bürgerlichen Schwager zu ha- ben, grässlich.
»Ja, ja, auch darüber werde ich mit ihr ein ernstes Wort reden. Und dann müssen wir sehen, dass wir sie mit netten jungen Leuten zusam- menbringen.«
»So jung ja nun auch wieder nicht!«, warf Gudrun schnell eine neuerliche Spitze hin. »Sie ist be- reits achtundzwanzig. In dem Alter habe ich bereits mein zweites Kind gehabt. Und schließlich hat auch die liebe Sandra schon vor zwei Jahren geheiratet, und dabei ist sie doch die jüngere deiner Schwestern.«
»Wie dem auch sei – wir werden uns nach passenden Männern umse- hen.«
»Wie wäre es mit Gustav-Wil- helm?« Das war Gudruns Bruder, freilich nicht der Erbe des Fürstenti- tels und Besitzes Friedbergen. Den hätte Gudrun ihrer Schwägerin nicht gegönnt. Aber den zweiten Sohn, der »nur« Prinz war, aber immer noch recht gut gestellt, besonders, wenn er dazu noch Biancas Mitgift erhielt, der wäre doch passend – und alles bliebe in der Familie.
»Ja … Unbedingt! Auch Karl-Au- gust!« Das wäre der ältere Bruder und Erbe. »Oder Graf Gernot Gumppingen. Oder Graf Friedhelm Weihern. Ach, da gibt es eine ganze Reihe, die infrage kämen.«
»Von uns aus gesehen – sicher. Nur, ob von ihnen jeder bereit ist, eine aufmüpfige Frau zu heiraten, die einen ausgesprochenen Drang nach unten hat