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Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman
Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman
Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman
eBook302 Seiten4 Stunden

Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman

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Über dieses E-Book

Portia Willingham hofft, in ihrer dritten Saison endlich einen angemessenen Ehemann zu finden. Nach der großen Liebe sucht sie dabei nicht unbedingt, aber die beiden lästigen Verehrer, die sie im Ballsaal relativ uncharmant umwerben, sind auf jeden Fall die Falschen – auch, weil beide mehr oder weniger bankrott sind und Portia nicht mit einer nennenswerten Mitgift rechnen kann.
Cecil Beaufort, Earl of Walsey, dessen Rückkehr in die Gesellschaft allerlei Getuschel auslöst, sucht eine zweite Ehefrau, denn er hat noch keinen Erben und fürchtet um die Zukunft seiner kleinen Tochter.
Mit ihm versteht sich Portia recht gut; sie stellen ähnliche Denkweisen und gemeinsame Interessengebiete fest und retten sich gegenseitig vor den Unternehmungen der beiden irregeleiteten Mitgiftjäger. Ein dritter dubioser Gentleman scheint sich weniger für Portia zu interessieren, steckt aber häufiger mit den anderen beiden Verfolgern Portias zusammen und wirft ihr finstere Blicke zu. Glauben diese Männer etwa fälschlicherweise, Portia habe ein Vermögen zu erwarten? An der Aufklärung des Rätsels beteiligen sich auch der Ermittler James Bournes und die unbezähmbare alte Lady Tenfield.
Schließlich kommt es zu einem Mord; Walsey und Portia beschließen, ihre Feinde vor vollendete Tatsachen zu stellen und zu heiraten. Ob sie das durchführen können, scheint zunächst fraglich…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum26. Sept. 2021
ISBN9783754900239
Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman

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    Buchvorschau

    Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman - Catherine St.John

    cover.jpg

    Imprint

    Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman

    Catherine St.John

    Published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    Copyright: © 2021 R. John 85540 Haar

    Cover: Charles Haigh Wood, Anxious Moments

    ISBN 978-3-754900-23-9

    Kapitel 1

    Schade, dass er nicht einfach weitermachen konnte wie bisher! Beaufort Hall hatte er in den letzten vier Jahren so gründlich umgestaltet und, wo nötig, modernisiert, dass er sich hier wirklich wohlfühlte. Soweit es überhaupt möglich war, hieß das freilich.

    Er und Marian.

    Marian freute sich sehr, dass ihr Papa  immer für sie Zeit hatte; er hatte ihr sogar das Lesen beigebracht und schrieb ihr immer wieder - in großen, ordentlichen Buchstaben - kleine Geschichten, zum Beispiel darüber, was ihre Katzen Mimi und Lion des Nachts alles anstellten, wenn Marian brav in ihrem Bettchen schlief.

    Fiering öffnete die Tür zur Bibliothek. „Mylord, Lady Marian…"

    „Papa!" Marian rannte auf ihn zu und kletterte sofort auf seinen Schoß.

    „Hast du schön gefrühstückt?"

    „Ja! Eier und Schinken und gleich zwei Toasts mit Marmelade!"

    „Sehr gut. Kannst du zwei schon mit den Fingern zeigen?"

    Marian hielt zwei Finger hoch und er küsste sie auf die Wange. „Mein Schatz, du bist so klug!"

    Sie rutschte wieder von seinen Knien. „Kann ich ein Bild malen, Papa?"

    „Natürlich. Auf dem Tisch dort drüben liegen Blätter und Bleistifte, auch Rötelstifte. Wenn du aber ein Aquarell malen möchtest, tust du das bitte im Schulzimmer."

    „Nö, jetzt nicht. Wegen des Wassers, nicht wahr?"

    „Richtig, Mausi!"

    Marian war sofort in ihre Zeichnung vertieft und ihr Vater versank wieder in seinen Gedanken.

    Sie war so ein reizendes Kind, hübsch, klug, brav, aber lebhaft und neugierig – und sie konnte Beaufort Hall und seinen gesamten sonstigen Besitz in und um London nicht erben, weil sie „nur" ein Mädchen war. In diesem Land lief so einiges falsch, fand er. Nicht nur er!

    Er brauchte einen Erben, daran war nicht zu rütteln.

    Also musste er wohl doch noch einmal heiraten. Leider konnte er sich das aufgeregte bis abfällige Getuschel schon vorstellen, wenn er einen Ballsaal betrat. Es war ja nicht so, dass er nie eingeladen wurde, aber bisher hatte er zumeist höflich und unter wenig originellen, aber akzeptablen Vorwänden abgesagt.

    Das musste er jetzt wohl ändern, auch um Marians willen. Ein oder zwei Brüder und sie stand nach seinem Tod nicht einfach auf der Straße…

    Reichlich pessimistische Gedanken wälzte er da, fand er. Marian war hübsch und klug und lebhaft, sie würde eine ordentliche Mitgift mitbekommen und trug immerhin einen Höflichkeitstitel, warum sollte sie also keinen guten Ehemann finden, in zwölf bis fünfzehn Jahren?

    Dann konnte er sich weiterhin hier vergraben und nur für Marian und den Besitz leben?

    Das war feige, urteilte er, streng mit sich selbst.

    Außerdem war dieses Leben doch etwas leer; einen Menschen, der ihm Zuneigung zeigte – einen erwachsenen Menschen! – brauchte er auch. Liebe… ein großes Wort. Zuneigung, wenigstens ein friedliches Zusammenleben, gute Gespräche, gemeinsames Sorgen für den Besitz und Kinder, das wäre schön… Er seufzte.

    Marian sah alarmiert auf. „Bist du traurig, Papa? Sie ließ den Stift sinken, kletterte wieder  auf seinen Schoß und umarmte ihn. „Ich hab dich lieb, Papa!

    „Ja, du hast mich lieb, antwortete er und spürte den Kloß im Hals, „und ich hab dich auch lieb, mein Schatz.

    „Warum bist du dann traurig?"

    „Hättest du nicht gerne auch eine Mama?"

    Marian, die ihr Köpfchen an seine Brust gelehnt hatte, fuhr auf und sah ihn ratlos an. „Was ist eine Mama?"

    „Sowas wie ein Papa, aber eben eine Frau. Du hattest einmal eine Mama, aber du kannst dich daran wohl kaum erinnern…"

    „Wo ist diese Mama denn jetzt?"

    Er seufzte wieder. „Im Himmel. Von da passt sie auf dich auf."

    Den Teufel würde sie tun, immerhin hatte sie ihre kleine Tochter kaltschnäuzig verlassen, um mit Sir Francis Bevenhurst zu leben.

    Nun, immerhin ehrlicher, als ihm womöglich ein Kind von Bevenhurst unterzuschieben. Wenn er es recht bedachte, war sie eigentlich arm dran gewesen – nach einem Jahr war sie im Kindbett gestorben und der kleine Sohn mit ihr. Francis hatte ihn wenigstens informiert, aber er selbst hatte ihm nur in höflichen Worten kondoliert und den Kontakt nicht weiter gepflegt.

    War das dumm gewesen?

    Ach, wollte er wirklich mit dem halben Hausstand nach London reisen, sich im Ballsaal zum Affen machen und schließlich mit einer neuen Frau nach Hause zurückkehren, die vielleicht auch nicht besser war als Lucinda… vielleicht mochte sie Marian nicht und behandelte sie schlecht? Oder fing auch etwas mit einem Nachbarn an und verließ ihn wieder?

    Jetzt begannen sich seine Gedanken schon arg im Kreis zu drehen…

    Kapitel 2

    „Es ist ja eigentlich albern, stellte Lady Hertwood fest und grinste wenig damenhaft, „sich jedes Mal wieder auf die Saison zu freuen, aber es ist schon recht lustig. Als ob ich das noch nötig hätte…

    Ihr Schwägerin, die Viscountess Lynet, lachte. „Mir geht es doch genauso. Kaum bin ich wieder in London, rieche die gute Luft hier und sehe die überfüllten Straßen, sehne ich mich nach ebenso vollgestopften Ballsälen, vollkommen geistlosen Gesprächen und bösartigem Klatsch."

    „Aber Lady Tenfield ist doch köstlich?"

    „Sie schon – aber erinnerst du dich noch an Selina Cuffley oder die grässliche Eloise?"

    „Huh! Hoffentlich treffen wir sie nur selten…"

    „Am besten gar nicht", murmelte die Viscountess, die sehr tatendurstig wirkte, obwohl sie ihrem Gemahl erst vor wenigen Monaten einen Erben präsentiert hatte.

    „Melinda, aber dieses Mal bist du nicht zu müde für einige Bälle, oder?, fragte sie dann. „Weißt du noch, als du mit Klein-Eddie in der Hoffnung warst?

    „Oh ja! Und du nicht verstanden hattest, dass du dich längst in Ben verliebt hattest!"

    „Eher es nicht verstehen wollte. Ich war schon recht dumm damals. Möchtest du dieses Mal ein kleines Mädchen?"

    „Das wäre nett, wir könnten sie nach eurer Schwester Christina nennen. Das ist ein hübscher Name."

    „Oder nach Mutter, antwortete Cecilia. „Sie hieß Catherine.

    „Das ist auch hübsch. Ich werde Sebastian fragen. Aber findest du nicht auch, dass man das Neugeborene erst sehen muss, um zu wissen, ob es eine Catherine oder eine Christina ist?"

    „Unbedingt! Ben hatte ja tatsächlich mit Max geliebäugelt – einem besseren Max, du verstehst? Und nach dem ersten Blick auf den Kleinen, so rot und verquollen und obendrein sehr übellaunig, sagte er: „Nein, Max passt gar nicht zu ihm. Ich wäre für James."

    „Und damit warst du einverstanden?"

    „Natürlich! Jimmy sah wirklich wie ein James aus. Ach, er ist so entzückend, er wächst und gedeiht. Hoffentlich bekommt ihm London – aber ich wollte mich nicht von ihm trennen."

    „Mit Eddie geht es mir doch genauso. Wollen wir nach ihnen sehen? Danach können wir ja überlegen, was wir morgen auf dem Ball der Prestons tragen wollen."

    „Uns geht es so wunderbar, seufzte Melinda, als sie diese Pläne umgesetzt hatten. „Wir haben die allerliebsten Ehemänner, jede einen entzückenden kleinen Sohn, ich vielleicht bald noch eine Tochter, wir können auf dem Land leben und ab und zu ein paar Bälle in London mitmachen -

    „- auf denen wir nicht mehr zu hauptsächlich fadem Weiß verurteilt sind, ergänzte Cecilia. „Mal sehen, wer morgen bei den Prestons sein wird. Lieber Himmel, hoffentlich nicht Carew – oder hat er jetzt endlich eine Frau gefunden?

    „Du glaubst nicht ernsthaft, dass ich das weiß, oder? Frag doch die grässliche Eloise, immerhin ist sie seine Schwester!"

    „Ungefälliges Weibsbild!"

    „Wie bitte?, fragte Lord Hertwood hinter ihr. „Wie sprichst du mit meiner Gemahlin, böse Schwester?

    Beide Damen kicherten. „Wir haben beide keine Lust, bei Lady Eloise Dalley nachzufragen, ob ihr unsäglicher Bruder jetzt endlich eine Frau gefunden hat", erklärte Melinda.

    „Obwohl uns die Antwort natürlich rasend interessieren würde", ergänzte Cecilia.

    „Warum eigentlich? Lord Hertwood setzte sich. „Kann es euch nicht vollkommen gleichgültig sein, ob dieser Idiot eine Dumme gefunden hat, die sich nur für den Titel einer Countess interessiert?

    „Natürlich, aber darüber zu klatschen macht doch Spaß!" Melinda lächelte ihren Mann breit an.

    „Ladys! Hertwood verdrehte die Augen zur Decke. „Was sagt denn Ben dazu?

    „Ungefähr das gleiche wie du, aber darüber, was mich amüsiert, entscheide ich schließlich immer noch selbst, nicht wahr, Seb?", fertigte Cecilia ihren Bruder ab.

    „Wir sollten Portia ein paar Mal mit auf Bälle nehmen, wechselte Melinda das Thema. „Ich glaube, Tante Margaret findet eine Saison mittlerweile doch recht anstrengend – und wir gehen doch gerne auf Bälle.

    „Ja, wenn keine von uns beiden in der Hoffnung ist!"

    „Oh, Cecilia? Habe ich da etwas verpasst?", frotzelte ihr Bruder prompt.

    „Unsinn, ich spreche von Melinda. Aber ihr scheint es ja recht gut zu gehen?"

    „Hast du mir selbst eben nicht geglaubt?" empörte sich Melinda etwas künstlich.

    „Natürlich! Du bist in so spitzbübischer Stimmung, es muss dir glänzend gehen. Wollen wir Portia morgen Abend gleich zu den Prestons mitnehmen?"

    „Ich schicke ein Brieflein zu den Arnebys", nickte Cecilia.

    Melinda wandte sich an ihren Mann: „Portia ist jetzt zwanzig und in ihrer dritten Saison. Allmählich sollte sie die Sache wohl ernsthaft angehen, nicht wahr, Sebastian?"

    „Wenn sie das möchte? Es gibt auch Damen, die gar nicht heiraten wollen", gab Sebastian zu bedenken.

    „Besser gar nicht heiraten als den falschen Mann, verkündete Cecilia kriegerisch. „Natürlich könnte man als Witwe des falschen Mannes auch recht zufrieden leben…

    „Solle ich Ben warnen, dass du ihm nach dem Leben trachtest, du alte Zynikerin?", gab Sebastian sofort zurück.

    „Versuch´s nur, er wird dich anstarren, als seiest du nicht recht bei Trost, prophezeite Cecilia. „Oh fein, der Tee!

    Cecil betrachtete sich recht unlustig im Spiegel. Sicher, der schwarze Abendfrack saß wie angegossen (auf Weston war eben Verlass), die blassgraue, silbern bestickte Weste war elegant, nach der neuesten Mode und dennoch streng in der Anmutung, das Halstuch war tadellos gelegt, die schwarzen Pantalons waren über jeden Zweifel erhaben. Nichts war zu beanstanden – und Kniehosen brauchte er gar nicht, denn heute Abend ging es nicht zu Almack´s. Aber, du lieber Himmel, hatte er keine Lust auf diesen Ball! Sicher, Michael Preston gehörte zu seinen wenigen Freunden, was die Chance verringerte, dass ihn jemand offen schnitt – aber gegen angeregtes bis aufgeregtes Getuschel war auch kein Gastgeber gefeit…

    „Stell dich nicht so an, hatte Michael einigermaßen barsch gesagt, „einmal muss es ja doch sein! Denk an die kleine Marian: Soll sie eines Tages auf die Gnade eines entfernten Verwandten angewiesen sein?

    Marian – ja, für sie nahm er das alles auf sich. Aber mussten die meisten jungen Damen gar so naiv, kindisch und geistlos sein? Bedeutete eine Ehe nicht in den meisten Fällen endlose Langeweile?

    Lucindas Konversation war auch nicht auszuhalten gewesen. Eigentlich war es die meiste Zeit nur darum gegangen, wie schön sie war, wie gut ihr die zweihundertste Robe stand, welchen Tratsch sie von ihren Freundinnen gehört hatte und welche Veranstaltungen sie als nächstes besuchen wollte. Und warum er sie schon wieder nicht begleiten wollte, ungefällig, wie er war. Wozu: Um am Rand zu stehen und zuzusehen, wie sie in die Arme immer wieder anderer Männer flog? Mit ihm wollte sie nicht tanzen, wie sie ihm klargemacht hatte: Wozu denn? Wir sind doch verheiratet!

    Für so etwas war ihm seine Zeit zu kostbar – und immer mehr Herren warfen ihm auch mitfühlende Blicke zu. Das brauchte er genauso wenig.

    Lucinda war eine kaltherzige Egoistin gewesen. Nicht einmal für ihr Kind hatte sie ein Herz gehabt. Oder wenigstens ab und einmal etwas Zeit…

    Gut, vielleicht wäre sie bei ihm geblieben, wenn er sie täglich wortreich bewundert hätte, ihre Schönheit in den delikatesten Formulierungen gelobt… er war doch kein verdammter Poet!

    Was hatte der arme Bevenhurst wohl mit ihr auszustehen gehabt, bevor sie gestorben war?

    Andererseits: de mortuis nil nisi bene, warum also so abfällig an die arme Lucy denken, sie war ja schließlich tot? Und er musste dringend eine neue Frau finden, für Marian und für einen Erben. Und vielleicht auch ein wenig für sich selbst… war er nicht doch etwas einsam?

    Nein, er hatte doch Marian. Sie war wirklich reizend, so aufgeweckt für ihre sechs Jahre!

    Aber sie brauchte auf die Dauer auch eine Mutter, nicht nur ihre Nanny oder  eine Gouvernante wie Miss Sheffield. Mutter war ihr im Moment noch eine ganz fremde Rolle, denn Lucy – nein, Schluss damit!

    „Sehr schön, Mylord, wenn ich das bemerken darf, lobte Grin, sein Kammerdiener. Cecil lächelte kurz. „Als ob du sonst um Erlaubnis bitten würdest! Aber ich bin auch recht zufrieden – streng, aber elegant.

    Grin machte seinem Namen alle Ehre und verneigte sich dann. „Mit einem undefinierbaren Hauch von Halbtrauer?"

    „Sehr gut beobachtet. Nun, ich bin gespannt, ob ich den Ball bei den Prestons genießen werde…"

    „Aber gewiss doch, Mylord. Und – wenn ich das bemerken darf: Das Haus braucht wieder eine Herrin."

    „Das weiß ich selbst, Grin. Du brauchst übrigens nicht aufzubleiben!"

    „Danke, Mylord."

    Kapitel 3

    Cecil schlenderte die Treppen hinunter und durch die Halle, ein Diener reichte ihm Zylinder und Umhang, der Butler pfiff nach draußen, woraufhin der Wagen vorfuhr. Ich bin der Earl of Walsey, verdammt, sagte sich Cecil und stieg in die Kutsche. Sie werden mich nicht schneiden – und für diesen klatschsüchtigen, nutzlosen Haufen gibt es doch jeden Tag eine neue Sensation. Was haben diese armen Tröpfe denn sonst zu tun?

    In wenigen Minuten standen sie vor dem Haus der Prestons; einer der Lakaien sprang von seinem Platz hinten auf dem Wagen und klappte den Tritt aus, bevor er die Tür des Wagens öffnete.

    Cecil stieg herab, sah sich selbstbewusster um, als er sich fühlte, und schritt die Stufen zum Portal hinauf. Drinnen herrschte bereits ein gewaltiges Gedränge, wie es für einen gelungenen Ball offenbar zwingend erforderlich war, aber es gelang ihm, die geschwungene Treppe auszumachen, auf deren erstem Absatz Sir Michael und Lady Preston standen und die Gäste mit sorgsam abgestufter Herzlichkeit begrüßten.

    Ein alleinstehender Herr vor ihm zum Beispiel empfing ein sehr kühles Lächeln und Lady Preston zog eine Miene, als fragte sie sich, ob sie diesen Gentleman tatsächlich eingeladen hatte. Sofort begann Cecil zu überlegen, wer das wohl sein mochte – doch jedenfalls jemand, der gar nicht mehr wohlgelitten war – aber mit Recht?

    Er selbst wurde schließlich auch nicht immer begeistert begrüßt…

    „Cecil! Na endlich sieht man dich mal wieder! Michael umarmte ihn und klopfte ihm auf die Schulter; Cecil erwiderte die Umarmung noch etwas ungeschickt, schielte kurz zur Seite und beugte sich dann über die Hand der strahlend lächelnden Laura Preston. „Michael hat recht, du hast dich viel zu lange nicht mehr blicken lassen! Wenn dies hier dein erster Ball der Saison ist, fühlen wir uns sehr geehrt.

    „Das ist er tatsächlich, antwortete Cecil und erwiderte das Lächeln: Er hatte seine Freunde wirklich zu lange vernachlässigt. „Ich wusste eben nicht, ob - Er brach ab.

    „Ob wir den idiotischen Gerüchten glauben? Cecil, wofür hältst du uns denn? Nun, auf jeden Fall wünschen wir dir viel Vergnügen!"

    Er trat zur Seite, denn hinter ihm wurden die nächsten Gäste gewiss langsam ungeduldig, und stieg die Stufen zum Ballsaal hinauf.

    Immerhin hatte er den ungeliebten Gast eben erkannt – Carew. Kein Wunder, dass die Prestons so kühl reagiert hatten: Carew hatte doch vor vielleicht zwei Jahren versucht, sich durch die Entführung einer Erbin zu sanieren? Cecilia Herrion? Viel besser schien es ihm heute auch noch nicht zu gehen, jedenfalls wirkte sein Abendanzug reichlich abgetragen.

    Dafür schien er aber deutlich an Gewicht zugelegt zu haben, zumindest spannte der Frack am Rücken unübersehbar.

    Wer interessierte sich schon für Carew? Bedauernswerter Tölpel.

    Der Ballsaal war bereits gut gefüllt und er schlenderte langsam am Parkett vorbei zu den Erfrischungen, wo er seine Freunde Adam Prentice und Ben de Lys stehen sah. Im Näherkommen breitete er die Arme schon in einer demütigen Geste aus und sagte, als er vor ihnen stand: „Ich weiß, ich weiß, ich war dumm, mich so lange fernzuhalten, Michael hat es auch schon gesagt. Aber mein Ruf – naja."

    „Dummkopf, antwortete Adam freundlich, „was interessiert uns denn der Ruf unter diesem Volk hier? Er deutete weitausholend einmal rund um den Ballsaal, was ihm einige pikierte Blicke eintrug. Ben und Cecil lachten. Nun wurde auch Cecil fixiert – und Ben, um den es ja vor längerer Zeit auch üble, wenn auch genauso unberechtigte Gerüchte gegeben hatte.

    Sie stießen mit Champagner darauf an, dass Cecil in die Öffentlichkeit zurückgefunden hatte. „Und was hat dich nun hergetrieben?, fragte Ben. „Geschäfte?

    „Das wohl auch. Aber ich fürchte, ich muss wieder heiraten, schon wegen Marian. Wenn sie keine Brüder bekommt, steht sie nach meinem Tod doch vor dem Nichts!"

    „Ist dein momentaner Erbe so herzlos?"

    „Wahrscheinlich ja – und ohne Mitgift findet auch eine Lady Marian nicht so leicht einen guten Mann. Ich brauche einen Erben, das steht fest."

    „Oder zwei", murmelte Adam.

    „Ach ja – ihr beide seid ja schon versorgt, nicht wahr? Erzählt!"

    Adam lächelte. „Charles ist zwei und Lizzie fast ein Jahr alt. Helen und ich sind sehr glücklich mit unserem Pärchen."

    „Unser Jimmy ist erst vier Monate alt, aber quietschfidel und gesund – und das ist das Wichtigste, nicht wahr?" Ben strahlte ebenfalls vor Vaterstolz.

    Cecil erwiderte das Lächeln. „Marian ist jetzt sechs. Und sie kann schon lesen und zählen! Ist das nicht wunderbar?"

    Das Orchester begann die Instrumente zu stimmen und Ben stellte sein Glas ab. „Ich werde mich zu Cecilia gesellen." Adam tat es ihm gleich und Cecil begann wieder herumzuschlendern. Kichernde Debütantinnen, streng dreinsehende Mütter, pfiffige und steife alte Damen, dazwischen einige Gesellschafterinnen oder andere noch junge Frauen, die aber eindeutig nicht mehr auf dem Heiratsmarkt waren.

    Wäre das vielleicht eine Option? Nein, beschloss er, so nüchtern wollte er die Sache auch nicht angehen.

    Er sah sich unauffällig um, während er scheinbar blicklos noch einmal an der Tanzfläche vorbei schritt. Diese Blonde in dem blassblauen Kleid, vielleicht? Sie sah ernst und vernünftig drein und fast so, als rechne sie nicht damit, überhaupt aufgefordert zu werden.

    Das Orchester intonierte probehalber einen Ländler und Cecil straffte sich. Er verbeugte sich vor der ältlichen Begleitung der Blondine und stellte sich vor. Sie nickte mit leicht hochgezogenen Augenbrauen und wies nachlässig auf ihre junge Nachbarin. „Meine Tochter, Miss Violet Settinghurst."

    Cecil bat um Miss Settinghursts Tanzkarte und trug sich für den Ländler ein, den das Orchester gerade sozusagen angekündigt hatte.

    Die junge Dame nickte ernst und erhob sich, um seinen Arm zu nehmen und sich aufs Parkett führen zu lassen.

    Sie tanzte leichtfüßig und sah ab und an zu ihm hoch, immer noch ohne zu lächeln.

    „Bedrückt Sie etwas, Miss Settinghurst?"

    „Warum fragen Sie das, Euer Lordschaft?"

    „Sie wirken so ernst und – nun – in sich gekehrt."

    „Das ist meine Art, fürchte ich. Deshalb bin ich auch über das Heiratsalter hinaus, schon fast dreiundzwanzig. Aber es ist reizend, dass  Sie mich aufgefordert haben, das geschieht nicht mehr oft."

    „Es war mir ein Vergnügen, Miss Settinghurst."

    „Das zu behaupten ist genauso reizend."

    „Sie glauben mir nicht?" Er sah stirnrunzelnd auf sie herunter.

    „Oh, ich wollte Sie keinesfalls kränken, Mylord. Aber gebot es nicht die Höflichkeit, an dieser Stelle genau das zu sagen?"

    Er musste lachen. „Sie sind eine scharfe Beobachterin der gesellschaftlichen Konventionen, Miss Settinghurst, Respekt!"

    „Man muss die Verlogenheit doch durchschauen, um bei diesem Spiel mithalten zu können, nicht wahr?"

    „Das gebietet wahrscheinlich die Selbsterhaltung, stimmte Cecil zu und zog sie in eine schwungvolle Drehung. „Schließlich klatschen die Geier dort drüben – er nickte in Richtung der Matronen und Anstandsdamen – „über uns alle, nicht wahr?"

    Sie grinste. „Wie wahr! Wahrscheinlich überlegen sie, warum meine Mutter das alte Ding immer noch auf Bälle mitschleppt, anstatt sich auf meine jüngere Schwester zu beschränken."

    Das alte Ding? Das ist doch wirklich ungezogen!"

    „Alte Damen dürfen das. Eigentlich wäre ich auch gerne schon eine exzentrische alte Dame und würde Unverschämtheiten nach Herzenslust austeilen."

    „Nun, mit dreiundzwanzig sind Sie ja schon nahe dran, nicht wahr? Er grinste frech und sie lachte schallend los, so schallend, dass etliche Köpfe auf der Tanzfläche zu ihr herumfuhren. Sie beruhigte sich wieder und murmelte: „So viel Aufsehen habe ich noch nie erregt…

    „Gefällt Ihnen das?"

    „Ich glaube ja. Fromm dreinzusehen, damit Mama zufrieden ist, ist so unglaublich langweilig."

    Der Ländler verklang und er brachte Miss Settinghurst zu ihrer Mutter zurück, wo er ihre Hand an seine Lippen zog und murmelte: „Es war mir wirklich ein großes Vergnügen!"

    Lady Settinghurst sah recht töricht drein, vor allem, als gleich drei junge Herren herbeieilten und förmlich um Miss Settinghursts Tanzkarte bettelten.

    Ein leichtes Lächeln um die Lippen, schlenderte Cecil davon. War er nun plötzlich in der Position, junge (und nicht mehr ganz so junge) Ladys in Mode zu bringen? Er, der eben noch als verfemt galt, weil man ihn verdächtigte, beim Tod seiner Frau die Hand

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