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Eine vernünftige Verbindung: Historischer Roman
Eine vernünftige Verbindung: Historischer Roman
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eBook292 Seiten3 Stunden

Eine vernünftige Verbindung: Historischer Roman

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Über dieses E-Book

Der alte Earl of Eastley setzt seinen Enkel Miles unter Druck, endlich zu heiraten und für die Nachfolge zu sorgen. Ansonsten werde Miles nur den Titel und den verfallenden Stammsitz Easton Manor erben, aber nicht die viel schönere und komfortablere Eastley Hall.
Sir Charles Allington versucht zu beweisen, dass seiner Familie eigentlich ein Herzogstitel zustehen müsste und kümmert sich darüber hinaus um rein gar nichts. Seine Tochter Emily verzweifelt allmählich an der wachsenden Geldnot und der Tatsache, dass ihr kleiner Bruder nicht auf eine gute Schule geschickt werden kann, weil es nicht einmal fürs Schulgeld reicht.
Nach einem zufälligen Zusammentreffen stellen Miles und Emily gemeinsame Interessen fest und heiraten.
Das junge Paar bezieht das arg vernachlässigte Manor und geht an die Arbeit; der junge William wird nach Eton gebracht. Das Manor ist schmutzig, fast unmöbliert und merkwürdig verschachtelt gebaut - immer wieder stürzt etwas um, Türen nach draußen stehen offen, Schmuck findet sich an den seltsamsten Stellen und Emily wird sogar niedergeschlagen.
Treibt eine Bande von Juwelendieben hier ihr Unwesen? Der alte Earl und die Nachbarn sind nur begrenzt hilfreich und so dauert es etwas, bis Miles und Emily das Geheimnis aufklären und den spukartigen Vorfällen ein Ende machen können. Dabei sind sie sich aber immer näher gekommen und so wird aus der vernünftigen auch eine Verbindung voller Liebe.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum11. Okt. 2020
ISBN9783753108018
Eine vernünftige Verbindung: Historischer Roman

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    Buchvorschau

    Eine vernünftige Verbindung - Catherine St.John

    Kapitel 1

    „Ich verstehe nicht recht, Sir?"

    George Easton, der dritte Earl of Eastley, saß mit unbewegter Miene in seinem Lieblingsstuhl, einem wahren Monster, mit dunkelrotem Brokat bezogen und auf wirklich abscheulichen Klauenfüßen ruhend. „Du hast mich sehr wohl verstanden, junger Nichtsnutz!"

    „Jung, Sir? Ich bin immerhin fünfunddreißig!"

    Der Earl kicherte greisenhaft. „Aus meiner Sicht ist das jung. Außerdem solltest du in deinem Alter doch wenigstens eine Ehefrau und eine Schar Kinderchen aufzuweisen haben. Was hast du bis jetzt geleistet in diesen fünfunddreißig Jahren?"

    Diese Frage brachte seinen Enkel, Miles Easton, in Verlegenheit. Auf erlesene Kleidung und große Fertigkeit im Reiten, Kutschieren, Fechten und Schießen hinzuweisen, war gewiss vergeblich – und alles andere ging den Earl nichts an. Der alte Herr würde ja doch nur abfällig schnauben!

    „Was erwarten Sie also von mir, Sir?"

    „Dreimal darfst du raten, junger Tunichtgut. Du weißt, dass du mein Erbe sein solltest?"

    „Nun, Sir, gewiss doch."

    „Und was hast du bisher getan, um die Erbfolge sicherzustellen? Im Moment ist dein Erbe dein Cousin Jim – kein Eastley, sondern ein Fenwick, aber ein braver Junge."

    „Ich wüsste nicht, dass er bereits für die nötigen zwei Söhne gesorgt hätte", antwortete Miles verdrießlich, dem das Thema des Gesprächs zu einer so frühen Tageszeit durchaus Kopfschmerzen bereitete.

    Der Earl grinste kurz. „Er scheint sich aber nach einer passenden Frau umzusehen! Ich höre, dass er fleißig Bälle besucht."

    „Ich wünsche ihm viel Erfolg dabei", murmelte Miles. Jim war ja ein ordentlicher Kerl, aber er hatte nur ein bescheidenes Vermögen, war lediglich ein Baronet und sah so durchschnittlich aus, dass man sich seiner kaum erinnerte. Sehr hoch konnte er seine Augen damit wohl kaum erheben.

    „Sei nicht so hochmütig, warnte sein Großvater, der bekanntlich Gedanken lesen konnte. „Was hättest du bei der Brautwerbung denn anzubieten, wenn man davon ansieht, dass du ein ganz hübsches Bürschchen bist?

    Miles grinste vorsichtig. „Nun, meine Frau wird eines Tages eine Countess sein, nicht wahr?"

    „Gut gegeben. Ja, das bleibt dir auf jeden Fall."

    „Auf jeden Fall? Was ist mit – dem hier?" Er beschrieb mit weit ausholender Handbewegung Eastley Hall und die Ländereien rundherum.

    „Das, antwortete Seine Lordschaft maliziös, „gehört nicht zum Earldom. Ich kann darüber verfügen, wie ich möchte. Und ich denke nicht, dass ich es einem jungen Nichtstuer hinterlassen werde, der herumtändelt und nicht daran denkt, die Linie fortzusetzen, obwohl er aus den Jugendjahren schon längst heraus sein sollte. Vielleicht erweist sich Jim ja doch als der bessere Erbe…

    Miles starrte seinen Großvater an.

    „Mach den Mund zu, empfahl dieser ärgerlich, „so siehst du recht dümmlich aus. Dir bleibt ja immer noch Easton Manor, nicht wahr?

    „Dieser Trümmerhaufen?, ächzte Miles. „Darin kann man nicht wohnen!

    „Nun, das ist Ansichtssache, nicht wahr? Ein Dach hättest du dort über dem Kopf, ob es freilich dicht genug ist, den Regen abzuhalten… eigentlich wäre das genau die richtige Aufgabe für dich, wenn ich es mir recht überlege! Ich denke, so werde ich verfügen."

    „Was erwarten Sie dann von mir?"

    „Junge! Geh und such dir eine Frau! Bring mit ihr Easton Manor in Schwung und zeuge zwei Erben, dann bekommst du am Ende auch Eastley Hall – all dies hier."

    Er nahm zierlich eine Prise, ganz im Stil des vergangenen Jahrhunderts, und betrachtete seinen Enkel lauernd.

    Der grunzte unwillig. „Mir bleibt ja wohl keine Wahl, nicht wahr? Haben Sie noch irgendwelche Wünsche bezüglich Ihrer künftigen Enkelin?"

    „Nein. Sie soll dir gefallen – ach, doch: bitte keine Straßendirne aus dem East End und keine raffgierige Witwe vom Rande der besseren Gesellschaft."

    „Ich finde keinen Gefallen an ordinären Personen", verwahrte Miles sich, ehrlich beleidigt.

    „Dann bin ich ja beruhigt, behauptete der Earl, der sich stets bemühte, sich über das Tun und Lassen seines Enkels zu informieren. „Such dir eine vernünftige junge Frau, die zupacken und später einmal als Countess auftreten kann. Falls die beiden Erben sich fristgerecht einstellen, heißt das.

    „Was bedeutet hier fristgerecht?"

    „Ich gebe dir insgesamt drei Jahre, aber hoffentlich weißt du, dass sich Kinder nicht von heute auf morgen herstellen lassen? Also geh an die Arbeit!"

    „Danke für den Hinweis, Sir." Miles verbeugte sich mit zusammengebissenen Zähnen und wandte sich zum Gehen.

    Er war schon fast an der Tür der gewaltigen Bibliothek angekommen, als der Earl ihn noch einmal zurückrief. „Hast du nicht etwas vergessen?"

    „Ich wüsste nicht, Sir."

    „Brauchst du kein Geld?"

    „Nein. Ich habe für meine Bedürfnisse genug. Und Sie würden mich ja doch nur betteln lassen und mir am Ende jede Hilfe verweigern. Ich komme schon zurecht. Gehaben Sie sich wohl, Euer Lordschaft."

    Der Krach, mit dem die schwere Tür hinter ihm ins Schloss fiel, stellte ihn ausgesprochen zufrieden, allerdings musste er einige Minuten später zugegeben, dass seine Reaktion doch etwas kindisch gewesen war.

    Trotzdem: dieser alte Teufel! Erpresste ihn mit dem Hinweis auf den Simpel Jim! Dass der früher eine Frau fand als er selbst: unvorstellbar! Aber wenn doch? Dann wäre Eastley Hall verloren – und er liebte dieses großzügige und trotzdem gemütliche Haus.

    Kapitel 2

    Er stieg auf Dawn, der sich nur recht ungern von der Heuraufe in den gräflichen Stallungen hatte wegführen lassen, und machte sich auf den Weg nach Hause. Die Wohnung in der Jermyn Street erschien ihm, als er so darüber nachdachte, recht klein. Und in London stank es entsetzlich. Erstaunlich, dass die Luft auf Eastley Hall so viel besser war, so frisch und kühl! Zu Pferd war man ja kaum zwei Stunden unterwegs – und ein solcher Unterschied?

    Dawn trabte gemächlich vor sich hin, aber es dauerte nicht lange, bis Miles feststellte, dass sein Pferd immer langsamer wurde und etwas ungleichmäßig ging.

    Er saß ab und führte Dawn einige Schritte, um zu sehen, welches Bein er schonte, und inspizierte den rechten Vorderfuß. Dem Bein schien nichts zu fehlen, als er es vorsichtig abtastete, und Dawns Schnauben klang leicht ungeduldig, als wollte er sagen Doch nicht da, du Dummkopf! Der Huf? Das Eisen saß noch fest und in den Huf selbst hatte Dawn sich wohl auch nichts eingetreten – bei dem kräftigen Eisen wohl auch kaum möglich!

    „Kann es sein, dass du nur keine Lust mehr hast, du Komödiant?", murmelte Miles ihm ins Ohr. Dawn bewegte aufmerksam die Ohren, schnaubte und schüttelte den Kopf. Ob das etwas zu bedeuten hatte?

    Nun, er würde ihn eine Zeitlang führen, vielleicht erholte er sich, wenn er kein Gewicht zu tragen hatte?

    Sie schlenderten dahin, Miles genoss die spätnachmittägliche Sonne, die durch die Bäume links und rechts der Landstraße schien, und Dawn schien einigermaßen zufrieden zu sein, denn er schnaubte immer leiser. Miles klopfte ihm den samtigen hellgrauen Hals und fragte: „Besser?", erhielt aber leider keine Antwort. Oder war gar kein Geräusch auch eine Antwort?

    Schließlich tauchte rechter Hand eine recht klägliche Hütte auf; Miles betätigte zaghaft den Türklopfer, denn die Hütte sah aus, als wolle sie gleich in sich zusammenfallen.

    Auch ein mutigeres Klopfen einige Minuten später zeitigte keine Wirkung, also wandte er sich achselzuckend wieder der Straße zu. Vielleicht gab es ja auch noch weniger verlassene Behausungen, wenn er weiterwanderte?

    Allmählich wurde er müde – und Dawn schien wieder stärker zu humpeln. Endlich tauchte linker Hand ein winziges Pförtnerhäuschen auf. Eindeutig war es unbewohnt, aber bevor er sich enttäuscht wieder aufmachen wollte, entdeckte er den arg verunkrauteten Weg neben dem Pförtnerhäuschen. Ein Blick diesen Weg entlang verriet ihm, dass am Ende ein deutlich größeres Haus stand, geradezu ein bescheideneres Landhaus – und bewohnt schien es auch zu sein, jedenfalls stieg aus einigen der zahlreichen Schornsteine dünner Rauch auf. Und hatte er rechts hinter dem Haus nicht auch Stallgebäude gesehen? Wie sollten die Bewohner denn sonst jemals aus dem Haus kommen, wenigstens des Sonntags zur Kirche?

    Vielleicht gab es einen Stallknecht, der herausfand, warum Dawn humpelte?

    Jetzt bräuchte er den alten Harry… oder wenigstens seinen eigenen Nate!

    Das Landhaus wirkte gleichzeitig sauber und vernachlässigt; Miles grübelte darüber nach, warum es diesen Eindruck erweckte und kam zu dem Schluss, dass hier wohl jemand mit geringen Einkünften um Sauberkeit bemüht war, sich aber umfassende Renovierungsarbeiten nicht leisten konnte.

    Warum kam ihm dabei Easton Manor in den Sinn? Dort war es mit Sauberkeit ja wohl bei weitem nicht mehr getan!

    Er betätigte den Klopfer und kurz darauf wurde die Tür aufgerissen. Miles sah nach unten, wo ihn ein vielleicht elfjähriger Junge anstrahlte: „Jö, was für´n feiner Gaul!"

    „William, hörte man eine Frauenstimme aus dem Hintergrund, „musst du so bäurisch sprechen? Bitte noch einmal!

    William rollte die Augen und grinste, dann verbeugte er sich artig und verkündete: „Oh, welch schönes Pferd! Ist es so besser, Em?"

    „Viel besser. Und mit wem sprichst du da eigentlich?"

    Die Frau kam näher und Miles registrierte, dass sie recht groß war, jung, aber kein Debütantinnen-Gänschen mehr, nach hinten gebundene blonde Haare und ein recht angenehmes Gesicht aufzuweisen hatte und ihn mit beträchtlichem Misstrauen musterte.

    „Und Sie sind, Sir - ?"

    Miles verbeugte sich. „Miles Easton, Ma´am. Ich kam hier zufällig vorbei und wollte nur fragen, ob Sie vielleicht einen Stallknecht entbehren könnten, der mit mir zusammen herausfinden würde, warum Dawn humpelt."

    Das intelligente Tier schnaubte leidend und hob den schmerzenden Fuß; Miles klopfte ihm den Hals.

    „Dies ist das Haus von Sir Charles Allington, Mr. Easton. Ich bin Miss Allington und dies ist mein Bruder William. Einen Stallknecht haben wir leider nicht, aber ich bin sicher, William wäre Ihnen nur allzu gerne behilflich."

    William strahlte und seine Schwester fügte hinzu: „Deine lateinische Lektion erledigst du eben später, nicht wahr?"

    Das Strahlen erlosch prompt.

    „Du würdest mir helfen, William?"

    „Na klar, Sir! Gerne! So ein tolles Pferd!"

    „Dawn ist auch sehr freundlich und wohlerzogen. Und normalerweise auch schnell und ausdauernd. Irgendetwas ist mit seinem Huf rechts vorne. Der Lauf ist es nicht, das habe ich schon überprüft."

    William trat nach draußen und hielt Dawn seine Hand hin. Dawn schnupperte und schnaubte wohlwollend. Miles reichte William unauffällig eine Mohrrübe, die Dawn artig entgegennahm und knurpsend verspeiste. Danach durfte William die Zügel nehmen und den Hengst zum Stall führen, Miles folgte brav.

    Im Stall standen eine hübsche Fuchsstute, ein schwarzer Wallach, ein großer dunkelgrauer Hengst, der ärgerlich die Zähne bleckte, als ein fremdes Tier hereinkam, und ein etwas zottiges Tier, das wohl das Gig in der Ecke zu ziehen hatte.

    „Keine schlechte Auswahl", lobte Miles, als er sich umsah.

    „Ach ja, antwortete William eifrig, „aber ein anständiges Paar Kutschpferde wären schon auch gut. Komm, Dawn, da gibt es etwas Hafer! Dawns Kopf steckte schon im Hafertrog und so konnte William seinen Vorderfuß anheben und den Huf inspizieren. Dawn fraß zufrieden, aber als William probeweise auf das Hufeisen drückte, zuckte der Hengst mit dem Fuß.

    „Da muss etwas sein… aber sehen tu ich nichts."

    Miles reckte den Hals. „Ja, das habe ich auch schon überprüft und auch nichts gesehen."

    „Aber er reagiert empfindlich auf den Druck, überlegte William, „vielleicht ist etwas zwischen Huf und Eisen geraten?

    „Dann gehen wir besser wieder nach draußen, nickte Miles, „wir brauchen helleres Licht.

    Draußen fuhr William mit einer dünnen Feile zwischen Huf und Eisen. Dawn schien geneigt, das übelzunehmen, aber Miles hielt ihn am kurzen Zügel und sprach beruhigend auf ihn ein. Schließlich förderte William tatsächlich einen winzigen Kieselstein zutage und zeigte ihn zuerst Dawn, der die Augen verdrehte, und dann seinem Besitzer. Miles nickte zufrieden. „Das wird es gewesen sein!"

    „Sehen wir ja gleich! William ließ den Vorderlauf vorsichtig los und Dawn stellte das Bein ebenso vorsichtig auf den Boden, dann stupste er William mit den Nüstern an. Miles ließ unauffällig eine weitere Mohrrübe in Williams Hand wandern, die auch umgehend verspeist wurde. „Wenn wir so weiter machen, werde ich zu Fuß nach London zurückkehren müssen. Dawn wird lieber hierbleiben wollen.

    William kicherte erfreut. „Gerne! Zwei Boxen wären ja noch frei! Aber nach London ist es noch recht weit, gell?"

    „Zu Fuß auf jeden Fall."

    „Wir können Dawn noch ein bisschen Hafer geben, Sir – und Sie könnten vielleicht ein Bier vertragen?"

    Das hielt Miles für eine sehr gute Idee.

    Das Landhaus war wirklich klein, aber durchaus gemütlich; Williams Schwester servierte dem Gast einen Krug Bier und brachte für sich und ihren Bruder Tee, dazu gab es hauchdünne Butterbrote mit Brunnenkresse und frischem Dill.

    Miles lobte das Brot, von dem er schon die Hälfte verspeist hatte und machte der Dame auch Komplimente zu dem hübschen Raum, in dem sie saßen.

    „Danke, war die trockene Antwort, „aber das ist vielleicht weniger guter Geschmack als mangelndes Vermögen. Für Zimmerschmuck nach der Mode haben wir kein Geld.

    „Unser Vater will beweisen, dass wir zur Familie des Herzogs von Sherborne gehören", erklärte William, eifrig kauend.

    „Nicht mit vollem Mund, Brüderchen", mahnte seine Schwester so, dass man die langjährige Routine deutlich heraushörte.

    „Dazugehören ist milde formuliert, präzisierte Miss Allington sodann, „er möchte nachweisen, dass er den Herzogstitel tragen müsste. Deshalb sitzt er Tag und Nacht über uralten Dokumenten. Offenbar hat sich – seiner Theorie nach – ungefähr zu Oliver Cromwells Zeiten ein Zweig abgespalten.

    „Und diesem Zweig gehören Sie an?"

    Sie grinste, anders konnte man es nicht nennen, und sah plötzlich aus wie ein junger Lausbub – wie ihr kleiner Bruder.

    „Aber nicht doch! Auf diesem Nebenzweig sitzt der jetzige Herzog mit seiner Familie. Papa zufolge stellen wir den Hauptzweig dar. Nur interessiert das niemanden außer ihm."

    „Und wer kümmert sich hier um den Besitz? Ihr Vater scheint ja recht – hm – abgelenkt zu sein?"

    „Papa kommt nie aus seinem Studierzimmer, antwortete William, dieses Mal nicht mit vollem Mund. Seine Schwester nickte lobend und erklärte: „William kümmert sich um den Stall und ich verwalte den Besitz, der – man muss sagen, glücklicherweise – nicht allzu groß ist. Für das Haus haben wir noch ein Dienstmädchen. Die Böden muss ich also nicht schrubben. Eigentlich haben wir gerade so unser Auskommen, nur würde ich William gerne nach Eton schicken.

    „Dann müssten Sie sich auch noch um die Pferde kümmern? Das wird dann wohl doch zu viel für Sie, nicht wahr?"

    „Das wäre wohl nicht das Problem, nur können wir das Schulgeld nicht aufbringen – und William ist wirklich ein kluger Junge, der eine angemessene Erziehung bekommen sollte."

    Miles trank einen Schluck Bier und betrachtete sein Gegenüber nachdenklich. Sie war keine Schönheit, sah aber angenehm aus, sie war schlicht, aber geschmackvoll gekleidet und hatte, soweit er es im Moment sehen konnte, eine hübsche Figur. Dem alten Teufel würde sie gefallen…

    „Wie bitte?" Miss Allington war erboste Röte ins Gesicht gestiegen.

    Er erschrak. „Das habe ich jetzt aber nicht laut gesagt, oder?"

    „Leider doch", schnappte sie.

    „Wer ist denn der alte Teufel?", wollte William wissen, der sich wohl eine spannende Geschichte erhoffte.

    Miles seufzte. „Mein Großvater. Ich habe ihn auf Eastley Hall besucht und er findet, ich sollte umgehend heiraten."

    „Ist das so schlimm?"

    „Wie man es nimmt… bist du für eine solche Diskussion nicht noch ein bisschen zu jung?"

    „William, deine lateinische Lektion!, mahnte seine Schwester. „Geh hinauf und mach die Arbeit fertig, der Reverend will sie morgen sehen.

    William murrte pro forma, ging aber doch ohne weiteren Widerspruch, vor allem, als Miles sich bei ihm noch einmal für seine Hilfe bedankt hatte.

    Sobald sich die Tür geschlossen hatte, sah Miss Allington Miles aufmerksam an. „Viele Eltern und Großeltern wünschen sich, dass ihre Kinder oder Enkel heiraten… sind sie alle deshalb alte Teufel?"

    „Nein, sicherlich nicht. Der Wunsch ist ja ganz natürlich, nicht wahr?"

    „Ja, vermutlich." Das klang etwas schwächlich.

    „Ihr Vater wünscht sich nicht, dass Sie heiraten?"

    „Ich glaube nicht, dass er meine – oder Williams – Existenz seiner Aufmerksamkeit wert findet. Dazu ist die Jagd nach diesem imaginären Herzogstitel wohl zu wichtig."

    Das hatte erstaunlich wenig bitter geklungen – eigentlich nur ein wenig, als sie von William gesprochen hatte.

     „Das wäre aber doch seine Pflicht, stellte er also streng fest. „Er macht sich gar keine Gedanken über seine Kinder?

    „Nein, absolut nicht."

    In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen und ein älterer Herr im Schlafrock, eine Brille auf der Nase und ungekämmte Reste grauen Haupthaars rund um das faltige Gesicht, trottete herein. „Tee?"

    Miss Allington goss ihm eine Tasse ein und reichte sie ihm. „Hier, Papa."

    Miles hatte sich artig erhoben und verbeugte sich nun. „Sir Charles, darf ich mich vorstellen?"

    Sir Charles sah ihm einen Moment lang ins Gesicht, gab dann ein undefinierbares Geräusch von sich, griff mit der freien Hand nach einem Butterbrot von der Platte und verschwand wieder.

    „Tut mir sehr leid, Mr. Easton, aber so ist er immer", erklärte seine Tochter verlegen.

    „Eigentlich seltsam, fand Miles. „Ich könnte doch jemand sein, der einen wichtigen Stammbaum beschaffen könnte? Und dann ignoriert er mich?

    Miss Allington lachte auf. „Ganz recht! Manchmal frage ich mich allerdings, ob er noch selbst an seine Theorie glaubt. Vielleicht weiß er, dass es einen solchen Stammbaum gar nicht geben kann?"

    „Und trotzdem hält er daran fest?"

    „In Ermangelung einer anderen Wahnidee, wahrscheinlich. So kann er sich vorstellen, er sei ein großer Gelehrter, ein Historiker und Heraldiker. Aber eigentlich wollten Sie mir doch erklären, warum Ihr Großvater ein alter Teufel ist, nur weil er gerne eine Schwiegerenkelin hätte?"

    „Und die zwei nötigen Urenkel", grummelte Miles.

    „Ach, Sie sollen die Linie fortsetzen?"

    „Richtig. Er hat mir gedroht, wenn ich nicht bald „vernünftig werde, werde ich nur erben, was an den Titel gebunden ist, also ein praktisch unbewohnbares Stammschloss. Alles Schönere, also Eastley Hall und das gesamte Vermögen, fiele dann an einen braven Cousin.

    „Der schon zwei Erben in die Welt gesetzt hat, ich verstehe", nickte Miss Allington.

    „Aber nicht doch, er ist genauso unverheiratet wie ich, scheint aber auf unseren Großvater einen zuverlässigeren Eindruck zu machen als ich. Nun ja, James ist wohl wirklich harmlos – aber das bin ich doch auch?"

    Miss Allington lachte wieder. „Sehen Sie mich nicht so auffordernd an, ich kenne Sie doch gar nicht! Dass Sie einen schönen Grauschimmel namens Dawn reiten und Ihr Großvater, der alte Teufel, Sie enterben will, ist noch kein umfassendes Charakterbild!"

    „Sie formulieren das sehr hübsch, Miss Allington."

    „Danke schön. Noch ein Bier?"

    „Danke, nein. Ich denke, ich sollte jetzt aufbrechen, wenn ich noch bei Tageslicht nach London kommen möchte. Aber ich habe vor, bald wieder vorbeizukommen, ich glaube nämlich, ich habe eine Idee, wie uns beiden – und William! - geholfen werden könnte."

    „Ach ja?" Sie erhob sich und er tat es ihr gleich.

    „Das erzähle ich Ihnen beim nächsten Mal, ich muss das alles noch durchdenken. Grüßen Sie den jungen William herzlich von mir! Ihrem Vater dürfte ein Gruß von mir wohl gleichgültig sein, nehme ich an?"

    „Da gebe ich Ihnen Recht. Er hat sicherlich schon völlig vergessen, dass er vorhin hier einen Fremden gesehen hat. Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Heimritt."

    An der Tür küsste er ihr die Hand, was sie mit recht aufschlussreichem Erstaunen, aber guter Haltung quittierte.

    Dawn blinzelte ihm satt und zufrieden entgegen und schnaubte leise, als Miles sich in den Sattel schwang.

    Kapitel 3

    Es war doch schon dunkel, als Dawns Hufe über das Pflaster von Piccadilly klapperten. Miles war so geistesabwesend, dass man von Glück sprechen konnte, dass Dawn den Heimweg auch alleine fand.

    Schließlich blieb der Hengst in der Stallgasse hinter dem Haus stehen und gab ein mahnendes Geräusch von sich. Miles kehrte in die Wirklichkeit zurück, saß ab und rief einen Burschen aus dem Mietstall, der auch sofort kam und begann, das Pferd abzureiben. Miles steckte ihm noch eine Mohrrübe zu, klopfte ihm den Hals und begab sich in seine Wohnung, wo ihn sein Diener Nate empfing, ein kleiner, drahtiger Bursche, der ursprünglich aus dem East End stammte. „Willkommen zurück, Sir, hatten Sie einen angenehmen Aufenthalt?"

    „Teils, teils", seufzte Miles und trat ein, so dass Nate ihm Hut und Mantel abnehmen konnte. Schließlich kniete er vor ihm und zog ihm die Reitstiefel von den Füßen, nicht ohne das Leder misstrauisch zu inspizieren – nicht, dass der Herr einen Kratzer hineinpraktiziert hatte! Nein, alles tadellos…

    „Werden Sie später noch ausgehen, Sir?"

    „Ich glaube nicht, ich habe einiges zu überlegen. Bring mir einen Brandy und zwei Sandwiches ins Arbeitszimmer, Nate."

    Dort saß er dann, schaute gedankenvoll ins Kaminfeuer, nippte an seinem Brandy und dachte an den vergangenen Tag.

    Der alte Teufel! Das war doch die reinste Erpressung! Würde er

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