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Vornehme Geschwister: Historischer Roman
Vornehme Geschwister: Historischer Roman
Vornehme Geschwister: Historischer Roman
eBook308 Seiten4 Stunden

Vornehme Geschwister: Historischer Roman

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Über dieses E-Book

Die vier Kinder des Herzogs von Gaveston verstehen sich untereinander nicht wirklich gut. Die beiden älteren, Horace, Marquess of Vilmont, und seine bildschöne Schwester Lady Diane, fühlen sich ihrer hohen Abstammung verpflichtet und führen ein entsprechendes Leben, was natürlich an ihren Mitteln zehrt und die (unvornehme, arg bürgerliche) Kritik der beiden jüngeren, Lord Vergil und Lady Cora, hervorruft.
Während Diane auf Bällen nach einem sehr reichen und sehr vornehmen Ehemann sucht, ohne dabei selbst wirklich aktiv zu werden, und der Marquis vornehmlich in zweifelhaften Etablissements beim Trinken und Spielen anzutreffen ist, versucht Vergil verzweifelt, die Reste des Familienvermögens zusammenzuhalten, und Cora macht die Bekanntschaft des einflussreichen Politikers Viscount Hartford, mit dem sie interessante Gespräche führt und zu dem sie sich immer mehr hingezogen fühlt.
Und dann treibt es der Marquis schließlich zu weit, so dass sich die Familie inmitten eines Skandals um eine Leiche in der Themse wiederfindet. Wird Cora in dieser Situation noch ihr Glück finden können?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum11. Mai 2020
ISBN9783752950779
Vornehme Geschwister: Historischer Roman

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    Buchvorschau

    Vornehme Geschwister - Catherine St.John

    cover.jpg

    Catherine St. John

    Vornehme Geschwister

    Historischer Roman

    Imprint

    Vornehme Geschwister. Historischer Roman

    Catherine St.John

    Published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    Copyright: © 2020 R. John 85540 Haar

    Cover: Edmund Blair Leighton: Sweet Solitude

    ISBN 978-3-752950-77-9

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 1

    Diane stand im rosa Salon auf Gave Court und zupfte ihre Stirnlöckchen vor dem Spiegel über dem Kamin zurecht, leise vor sich hin murrend.

    Cora, die an einem Stück Stoff stichelte, sah auf und fragte: „Was missfällt dir denn jetzt wieder?"

    Diane drehte sich um und Cora musste neidlos anerkennen, dass sie wirklich wie eine griechische Göttin aussah, von den nachtschwarzen Locken über das elegante Profil bis hin zu der göttlichen Figur, wie es nicht nur ein Verehrer etwas allzu deutlich formuliert hatte.

    „Hier ist es langweilig!"

    „Das finde ich gar nicht. Man kann lesen, nähen, versuchen, das Leben der Bauern zu verbessern… die junge Mrs. Gardener hat Zwillinge bekommen! So entzückende Kinder, ganz klein… ich habe ihr gestern einige Hemdchen gebracht und etwas Kräftigendes für sie selbst. Und ich durfte beide Winzlinge auf den Arm nehmen."

    „Pah! Warum sollte ich mich für Bauerngören begeistern? Ich will auf Bälle gehen, tanzen, in den Park ausfahren, neue Roben machen lassen -!"

    „Jetzt ist doch in London gar nichts geboten? Beginnt die Saison nicht erst wieder im neuen Jahr?"

    „Es gibt immerhin die kleine Saison. So ganz leer ist London eigentlich nie, höchstens im August. Dann muss es dort einfach zu heiß sein."

    „Und stell dir vor, wie die Themse erst riecht, wenn sie sich in der Sonne erwärmt…", spottete Cora und schloss eine Naht mit hauchfeinen Stichen.

    „Wie ekelhaft! Das ist doch wieder typisch für dich. Und was nähst du da eigentlich?"

    „Wie ekelhaft muss der Gestank erst für die armen Leute sein, die immer in London leben müssen! Man müsste sich da wirklich einmal eine Lösung einfallen lassen, das ist doch bestimmt ungesund? Solche Dämpfe?"

    „Was geht das uns an? Warum leben die denn in London, wenn es ihnen dort nicht gefällt?"

    „Wo sollen sie denn hingehen? Sie müssen da leben, wo sie Arbeit finden können. Schlecht bezahlte Arbeit zumeist."

    „Dann sollen sie sich eben eine bessere Arbeit suchen. Das ist doch nicht unser Problem!"

    „Nein, dein Problem ist die Langeweile, nicht wahr? Du erinnerst mich an die Königin Marie Antoinette."

    „Wer ist das?", fragte Diane zerstreut und zupfte die goldgestickten Schleifen an ihrer hohen Taille zurecht.

    „Eine Königin?" Dies wurde im Tonfall erschöpfter Nachsicht mit so viel Ahnungslosigkeit vorgetragen, so deutlich, dass Diane ärgerlich errötete.

    Leider sah sie damit noch lieblicher aus.

    „Das weiß ich auch!"

    Ach, wirklich?

    „Nur nicht welche. Königinnen gibt es doch überall!"

    „Die letzte Königin Frankreichs vor der Revolution. Als die hungernden Massen vor dem Schloss protestiert haben, soll sie gesagt haben: Wenn die Menschen kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen!"

    Diane blinzelte. Das bedeutete, dass sie die Pointe nicht verstanden hatte, wie Cora aus langjähriger Erfahrung wusste. Taktvoll verzichtete sie darauf, ihrer wunderschönen, aber geistig nur mäßig bestückten Schwester die Parallele zu erklären. Stattdessen seufzte sie leise: Wenig Scharfsinn, dafür umso mehr Standesbewusstsein! War das mittlerweile nicht ein wenig unzeitgemäß?

    Bevor sie sich entschieden hatte, ob sie überhaupt etwas sagen wollte, wurde die zweiflügelige Tür geöffnet und Ihre Gnaden, die Herzogin von Gaveston, rauschte herein.

    „Guten Morgen, Mama", grüßte Cora höflich, aber ohne sonderliche Wärme.

    Die Herzogin nickte ihr zu und wandte sich dann an Diane. „Ich denke, wir sollten doch für ein paar Wochen nach London fahren. Es gibt auch jetzt einige Bälle und andere Gelegenheiten, um – nun – Ausschau zu halten."

    „Sehr schön! Nur wir beide?"

    „Das ist kaum möglich. Immerhin hat deine Schwester ja schon debütiert, wie sollten wir dann begründen, warum sie auf dem Land bleiben muss?"

    „Das verstehe ich nicht! Sie ist doch ohnehin lieber hier und besucht diese Bauern."

    „Von deren Arbeit wir übrigens leben, erklang eine scharfe Männerstimme. „Guten Morgen, Mama. Cora, Diane…

    „Solltest du mich nicht zuerst nennen, Vergil? Immerhin bin ich die Ältere!"

    „Das, liebe Schwester, lächelte Cora, „solltest du lieber nicht so betonen!

    „Du Biest!"

    Cora kicherte kurz und senkte dann den Blick wieder fromm auf ihre Näharbeit.

    „Gut leben wir nicht von diesen Bauern", warf die Herzogin ein und studierte ihre Frisur im Spiegel über dem Kamin.

    „Das liegt vielleicht auch daran, dass Einkommen und Ausgaben nicht im Einklang miteinander stehen?", schlug Vergil vor.

    „Wie meinst du das?", fragte seine Mutter stirnrunzelnd.

    „Sie geben zu viel aus, ganz einfach. Sie alle, außer Cora und mir."

    „Wir sind eine herzogliche Familie, wir müssen doch einen gewissen Standard wahren!", entrüstete sich die Herzogin.

    „Ja, vor allem so wie Horace, was? Wetten, spielen, sau-"

    „Vergil!!"

    „Ist doch wahr", murrte der Gescholtene leise.

    „Wir fahren nach London, dann musst du dich nicht über uns entrüsten", beschied ihn Diane mit strahlendem Lächeln.

    „Was, schon wieder? Das heißt wahrscheinlich haufenweise neue Roben, obwohl die vorhandenen doch keiner in London schon kennt."

    Diane hatte schon den Mund geöffnet, um ihrem sparsamen Bruder das unerfreuliche Prädikat „von der letzten Saison zu erläutern, als Cora fragte: „Muss ich denn wirklich mit nach London?

    „Undankbares Mädchen! Du fährst mit, das sieht wirklich besser aus."

    Cora wandte sich zu Vergil und verdrehte recht deutlich die Augen zur bemalten Decke. Er grinste sie in stillem Einverständnis an und verließ den Salon wieder. Sie tat es ihm gleich, von Mutter und Schwester unbeachtet, die bereits über die Roben diskutierten, mit deren Hilfe Diane nun endlich einen passenden Ehemann finden sollte.

    Für sie würde kein neues Ballkleid abfallen, aber das störte sie nicht. Diane trat vorzugsweise in Weiß auf, Schneeweiß als Kontrast zu ihren rabenschwarzen Locken, den leuchtend himmelblauen Augen und dem zartrosigen Teint. Cora mit den braunen Locken und den dunkelblauen Augen fand weiße Roben etwas langweilig. Raffiniert platzierte Farbakzente gefielen ihr besser – und sie war schließlich geschickt genug, das auch gekonnt in die Tat umzusetzen.

    Auf dem Dachboden konnte man die wunderbarsten Kleider aus den letzten beiden Jahrhunderten finden. Zielsicher steuerte sie eine Truhe in der hintersten Ecke an, die sie und Lizzie die „Anna-Truhe" getauft hatten. Anna, die Gemahlin des zweiten Herzogs, hatte kurz vor der Rückkehr zur Monarchie geheiratet und sich häufig bei Hofe aufgehalten. Immerhin hatte sie die beiden Erben zur Welt gebracht, bevor das abenteuerlustige Auge Charles´ II auf sie gefallen war, zunächst wohl vor allem auf ihre rote Haarpracht…

    Wer der Vater der beiden kleinen Mädchen war, die sie in den mittleren Sechzigern des 17. Jahrhunderts geboren hatte, war unklar; dem zweiten Herzog, der selbst noch einige Kinder mit seiner Geliebten hatte, schien es gleichgültig gewesen zu sein. Ein sehr gelassenes Zeitalter, fand Cora. Und zwei hübsche Herzogstöchter, die vielleicht sogar Töchter des Königs waren und eine durchaus ansehnliche Mitgift bekamen, ließen sich doch allemal gut verheiraten!

    Anna hatte mit Rücksicht auf die kupferfarbene Mähne vorzugsweise silbergrau, blassgrün und hellblau getragen, ab und an auch ein kräftigeres Saphirblau, dunkles Waldgrün, Violett oder Sonnengelb. Womit hatte man damals bloß die Stoffe gefärbt? Und die Farben waren immer noch so kräftig leuchtend! Vielleicht hatten sie in der Truhe auch wenig Gelegenheit gehabt, auszubleichen…

    Cora sah die üppigen Abendkleider durch, durchwegs auf absurd breiten Reifröcken zu tragen, und entschied sich für ein saphirblaues Exemplar mit silberner Stickerei. In der Kiste der vierten Herzogin, Sophia, gab es, wie sie wusste, ganze Stapel von wunderschöner Nachtwäsche, Musselin, Seide, Samt und vor allem die herrlichsten Spitzenborten. Sie fand ein Negligé aus cremefarbenem Musselin und ein leider verschossenes Nachthemd aus Seide, das aber mit immerhin unversehrten Brüsseler Spitzen besetzt war. Sofort nahmen zwei Abendroben in ihrem Kopf Gestalt an; sie raffte ihre Beute zusammen und trug sie nach unten. Vor ihrem Zimmer traf sie mit Diane zusammen, die hämisch grinste. „Also ich bekomme neue Abendroben! Puh, wie die Sachen schon riechen!"

    „Sie werden ja noch gewaschen und gelüftet. Und aus einem von diesen gewaltigen Gewändern kann man heute mindestens zwei machen. Sei froh, dass alles Geld für deine Ausstattung bleibt."

    „Das gehört sich ja wohl auch so!"

    „Richtig", konnte Cora nicht unterdrücken, „du bist ja wohl auch der dringendere Fall, nicht wahr?"

    Diane blinzelte kurz, dann schien die Botschaft in ihrem Hirn angekommen zu sein, denn sie fauchte und verschwand türenknallend in ihren Räumen.

    Cora schaffte die Beute in ihr Zimmer, wo sie auch schon Lizzie antraf, die frisch Gewaschenes und Gebügeltes in ihren Schrank schichtete und jetzt knickste.

    „Oh, Lady Cora! Welch herrliche Farbe! Und diese Spitzen! So kostbar…!"

    „Eben, Lizzie! Du kennst doch mein Weißes mit der silbernen Stickerei am Ausschnitt und diesem faden hellrosa Unterkleid. Was meinst du, wenn wir ein Unterkleid aus diesem blauen Rock anfertigen? Diese silbernen Bögen am Saum dürften passen."

    Lizzie überlegt und nickte dann. „Ja, das dürfte gut aussehen – aber dürfen Sie schon ein so kräftiges Blau tragen, Lady Cora? Hat Ihre Gnaden Ihnen das gestattet?"

    Cora lächelte spitzbübisch. „Ich habe sie einmal gefragt, aber da hat sie nur belästigt abgewinkt, wahrscheinlich waren Diane und Horace wieder einmal viel wichtiger. Mein Glück! Und vermutlich sieht sie gar nicht, was ich trage. Komm, wir machen uns an die Arbeit!"

    Sie drückte Lizzie die Nachtwäsche zur Reinigung in die Hand; die blauseidene Pracht hätte bei einer Wäsche wohl sehr gelitten, da half nur Ausbürsten und Lüften, was auch genügen musste. Also hängte sie die bauschigen Seidenwogen an den Schrank und ging mit einer winzigen Schere vorsichtig daran, die Nähte aufzutrennen.

    Genügend Nadelgeld für blaue Seidenslipper hatte sie noch und an Schals, Haarbändern und Handschuhen war wirklich genug vorhanden. Einen neuen blauen Schal konnte man vielleicht auch aus den Resten des blauen Rocks… nein, das Material eignete sich nicht.

    Mit solchen Gedanken und Tätigkeiten war sie bis zum Lunch auf das Netteste beschäftigt und erst, als sie ihren Vater hörte, wie er jemanden anbrüllte, erkannte sie, dass auch Horace sich eingefunden haben musste. Ach, wie ärgerlich!

    Horace war unangenehm, fand sie. Sicher, Mama und Diane waren anstrengend, aber doch im Kern sympathisch – aber Horace? Horace schien zu glauben, alle anderen seien zu seiner Bedienung oder seinem Vergnügen da. Als kleines Mädchen hatte sie ihn sehr hübsch gefunden, obwohl er sie nie beachtet hatte, aber mittlerweile sah er bleich und teigig aus, die Augen waren oft blutunterlaufen und die Nase hatte ihm einmal jemand gebrochen. Wer und warum, wusste sie nicht, aber wie sie Horace kannte, hatte er es redlich verdient.

    Nun, dann musste sie sich wohl zum Lunch einfinden! Lizzie frischte ihre Frisur auf und versprach, die bezeichneten Nähte weiter aufzutrennen, bevor das Personal seinen Lunch einnahm.

    Tatsächlich saß Horace schon am Tisch, als sie eintrat. Sie schenkte ihm einen knappen Knicks und setzte sich. Bei ihm reichte es nur für einen müden Blick.

    Die Herzogin zeigte Besorgnis. „Mein lieber Junge, fühlst du dich nicht wohl? Du siehst sehr blass aus, du wirst doch wohl nicht krank werden? Gegen die Pocken seid ihr ja alle geimpft, glücklicherweise, aber vielleicht hast du dich auf der Reise erkältet? Cora, fühle doch bitte, ob der liebe Horace Fieber hat!"

    „Ganz gewiss nicht!", verwahrte sich Cora, denn Horace machte ganz den Eindruck, als habe er sich seit Tagen nicht mehr gewaschen.

    „Nein, Mirabella, das ginge dann doch wirklich zu weit!", verfügte der Herzog.

    „Ich bin sicher, Horace hat nur einen ordentlichen Kater", stellte Vergil fest und grinste seinen älteren Bruder etwas hämisch an.

    „Einen Kater? Die Herzogin sah verblüfft aus. „Horace? Aber nicht doch!

    Vergil und sein Vater husteten kurz. Diane verarbeitete offenbar das Gehörte noch und Cora hüllte sich in Schweigen. Der Geruch nach schalem Alkohol drang bis zu ihrem Platz und verdarb ihr den Appetit.

    Immerhin aß sie von jedem Gang einige Bissen und alles, was ihr als Dessert präsentiert wurde, um sich für die Näharbeiten zu stärken.

    „Ich brauche Geld", verkündete Horace dann in dem schleppenden Ton, den er offenbar für elegant hielt, und schob sein Schokoladentörtchen auf dem Teller hin und her.

    „Du weißt ja, was wir vereinbart haben, antwortete sein Vater, der mit gutem Appetit aß. „Du bist der Marquess of Vilmont und verfügst über die Einkünfte aus deinem Marquisat. Solltest du wieder Spielschulden bei Stafford haben – oder andere Schulden – finanzierst du das gefälligst aus deinen eigenen Einkünften!

    „Stafford!, schnaubte Horace, nun eher ungeziert. „Wenn es nur das wäre!

    „Dann lass das Spielen."

    „Vor allem, wenn man so ungeschickt spielt wie du", konnte Vergil sich nicht zurückhalten.

    „Wenn du so hohe Einkünfte hast, dann leih mir zweitausend Pfund", schlug Horace seinem Bruder vor.

    „Ganz gewiss nicht, wiederholte dieser Coras Ausspruch von vorhin, „meine Einkünfte investiere ich in meinen eigenen Besitz. Deiner ist sehr viel größer – und zweitausend Pfund? Davon könnten mehrere Familien bequem ein Jahr lang leben!

    „Bauernfamilien!, warf die Herzogin ein. „Unsereiner hat doch wohl die Verpflichtung, einen etwas repräsentativeren Lebensstil zu pflegen.

    „Wenn unsereiner die Mittel dafür hat, sollten Sie hinzufügen, liebe Mirabella", widersprach der Herzog und winkte einem Diener, dass er ihm nachschenke.

    „Ansonsten sollte auch unsereiner seinen Lebensstil nach seinen Einkünften einrichten. Und daran fehlt es in dieser Familie noch weit. Der Herzog warf Horace und Diane einen strengen Blick zu, der aber nicht weiter registriert wurde. Cora bezähmte sich und sah die beiden nicht an, Vergil dagegen lachte auf und Horace wandte sich ärgerlich an seinen Vater: „Ich möchte wissen, was das jetzt plötzlich zu bedeuten hat, Sir. Sie spielen doch auch? Und das nicht gerade erfolgreich?

    Man sah dem Herzog an, dass er diesen Vorwurf als unverschämt empfand, aber er zwang sich zu einer ruhigen Antwort: „Ich habe das Spiel schon sehr eingeschränkt, weil Gaveston solche Ausgaben nicht mehr tragen kann. Und ich habe stets nur in wirklich angesehenen Clubs gespielt und um sehr mäßige Einsätze. Kannst du das von dir auch sagen?"

    Horace brummte etwas Unverständliches; Cora glaubte allerdings, das Wort langweilig gehört zu haben.

    Nach dem Essen, bei dem er dem Wein sehr zugesprochen hatte, verkündete Horace, er werde nach London zurückkehren. „Hier gibt es ja nichts zu tun und ich muss versuchen, in London Geld aufzutreiben."

    Der Herzog hob eine mahnende Hand. „Du denkst daran, dass Vilmont zum Fideikommiss gehört? Du kannst es weder verkaufen noch beleihen. Und es auch nicht als Sicherheit einsetzen. Ansonsten machst du dich des Betrugs schuldig."

    „Na und? Ich bin doch nicht irgendwer!"

    „Nein, antwortete Vergil, „du bist der berüchtigste Tunichtgut der Londoner Gesellschaft. Wirklich ein vornehmes Prädikat!

    Horace grinste etwas verschwommen. „Dein kleines Gut gehört nicht zum Fideikommiss, oder?"

    Vergil fuhr so auf, dass sein Stuhl umfiel. Im nächsten Moment hatte er Horace an der Kehle gepackt, sodass dessen Halstuch unrettbar ruiniert war. „Wenn du meinen Besitz antastest, bringe ich dich um. Oder, er legte eine dramatische Pause ein, „ich setze in alle wichtigen Zeitungen eine Annonce, dass mein bankrotter Bruder weder Gaveston noch Vilmont noch Thurston Grange beleihen oder verkaufen kann. Dann musst du dich London nicht mehr blicken lassen!

    Horace schnappte nach Luft und sah hilfesuchend zum Herzog, aber der hatte sich zurückgelehnt und nahm gerade, das Schauspiel interessiert betrachtend, zierlich eine Prise.

    Vergil ließ seinen Bruder los, nicht ohne ihm genügend Schwung zu verpassen, dass er, rückwärts stürzend, auf dem Hinterteil durch das halbe Speisezimmer rutschte. „Das wirst du bereuen!", fauchte dieser kurz vor der Tür, rappelte sich ungelenk auf und verschwand türenknallend.

    „Dann sollte ich dieses Schreiben wohl aufsetzen, verkündete Vergil. „Sie werden die Briefe freimachen, Sir?

    „Gewiss. Du würdest deinem Bruder aber doch kein Leid zufügen?"

    Vergil grinste. „So dumm, ihn zu erschießen, bin ich nicht, dafür würde ich ja in Newgate gehängt!"

    „Das beruhigt mich. Aber mit Horace wird es noch ein übles Ende nehmen…"

    Kapitel 2

    „Wirklich, Gabriel", wiederholte die verwitwete Viscountess Hartford, entspannt auf dem blausamtenen Sofa im türkischen Salon ihres Stadthauses am Berkeley Square sitzend.

    Der so Angesprochene seufzte und sah sich in der blaugoldenen Pracht um, bevor er gepeinigt kurz die Augen schloss. „Liebe Honoria, hast du eigentlich auch einen Salon, der für den menschlichen Aufenthalt geeignet ist? Dieser hier ist nur geringfügig weniger furchtbar als das chinesische Horrorkabinett. Was hast du gegen zurückhaltende Farben und klassische Formen einzuwenden?"

    Seine Stiefmutter ging darauf nicht weiter ein, sondern verfolgte ihren eigenen Gedankengang weiter: „Du bist jetzt achtunddreißig! Andere haben in diesem Alter längst die nötigen Kinder – und du? Du hast noch nicht einmal eine passende Frau ins Auge gefasst! Ich weiß ja auch, dass zurzeit nicht viele Veranstaltungen geboten sind, aber auch diese kleine Saison kann eine Möglichkeit sein. Geh doch wenigstens auf einige Bälle und sieh dich ein wenig um! Und wenn du das um deiner Zukunft willen nicht tun willst, dann tu es um meinetwillen. Ich mache mir doch Sorgen!"

    „Immerhin habe ich doch einen Titel, Grundbesitz und ein beträchtliches Vermögen zu vererben? Das wolltest du doch als Nächstes sagen? Gabriel Woodley, Viscount Hartford, grinste seine Stiefmutter frech an. „Schließlich ist das ja nicht erste derartige Predigt!

    „Gegen die wiederholten Predigten gibt es ein ganz einfaches Mittel! Die alte Witwe grinste mindestens genauso frech. „Heirate und du hast deine Ruhe!

    „Ob wohl jemals jemand aus diesem abwegigen Grund geheiratet hat? Hast du vielleicht auch schon eine passende Frau für mich im Auge, Honoria?"

    Diese schnaubte. „Ich denke nicht daran! Natürlich weiß ich, wie die richtige Frau für dich aussehen müsste, aber suchen darfst du sie gerne selbst."

    Hartford zog die Augenbrauen hoch. „Wie außerordentlich interessant. Wenn du gestattest, werde ich mir, um den Genuss dieser Beschreibung noch zu steigern, einen Brandy gönnen. Du auch einen?"

    „Einen kleinen Sherry, bitte."

    Als sie ihr Glas hatte und der Viscount sich, einen größeren Brandy in der Hand, wieder bequem in seinen Sessel gesetzt hatte, begann sie: „Nicht zu jung. Kein Gänschen aus dem Schulzimmer. Irgendetwas zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. Vernünftig. Eine kluge Gesprächspartnerin. Sie grinste. „Ein Hauch von Frauenrechtlerin würde nicht schaden, das hält dich jung und frisch. Aus guter Familie, aber niemand, der dauernd auf seinen Rang pocht. Sie sollte das Landleben ebenso schätzen wie Aufenthalte in der Stadt und imstande sein, einem großen Haushalt vorzustehen. Mitfühlend, aber nicht naiv. Möglichst keine zu unangenehmen Verwandten, aber denen könnte man notfalls aus dem Weg gehen.

    Hartford trank einen großen Schluck. „Ein Fabelwesen! Du glaubst nicht ernsthaft, dass es eine solche Frau gibt?"

    „Warum nicht? Annabelle Norton ist - nun, besser gesagt, wird - eines Tages eine solche Frau sein."

    „Aber sie ist schon verheiratet, das ist ein Minuspunkt. Und ganz ehrlich, sie ist reizend, aber sie könnte meine Leidenschaft nicht wecken."

    „Umso besser, denk nur an Stephen Norton. Ich meine nur, solche Frauen gibt es. Du musst nur suchen. Und fang damit an, bevor du ein kauziger Tattergreis bist!"

    „Deutliche Worte, meine liebe böse Stiefmutter! Er trank sein Glas aus und erhob sich, um ihr die Wange zu küssen. „ich werde jetzt gehen und über deine weisen Worte nachdenken. Wann ist denn der nächste geeignete Ball?

    Lady Hartford lächelte triumphierend. „Übermorgen – und sogar bei Amelia Ramsworth!"

    „Oh, das ist nun wirklich eine reizende Frau. Leider nach deinen Kriterien zu alt, nicht wahr?"

    Ohne seiner Stiefmutter Gelegenheit zu geben, dies zu kommentieren, eilte er hinaus.

    *

    Tatsächlich kam ihm, als er nach Hause zurückkehrte, sein elegantes Stadthaus in der South Audley Street auf eine undefinierbare Weise leer vor, obwohl er von seinem Butler Murray, seinem Kammerdiener Grisley und einem ganzen Heer von weiblichen Bedienten - von Mrs. Adams, der Köchin, abwärts - auf das Beste umsorgt wurde.

    Mit einem weiteren Brandy saß er in der Bibliothek, starrte ins Feuer und überlegte, ob es wirklich Zeit war, zu heiraten. Irgendeine passende Frau… Honoria, die alte Nervensäge, hatte seine Idealfrau gar nicht so schlecht beschrieben – aber eine solche Frau gab es doch gar nicht!

    Wenn Honoria nicht irgendein perfektes, nur leider verarmtes Mädchen aus dem Ärmel schütteln konnte – nein.

    Er war zwar ein harter und zuweilen hochmütiger Mann, nicht ohne politischen Einfluss und sehr aktiv, wenn es um die industrielle Entwicklung Englands ging, aber im Inneren war er wohl doch so etwas wie ein Romantiker – er wollte eine Frau auch lieben können.

    Damit rechnete Honoria bestimmt nicht. Damit rechnete wohl niemand!

    Und mit dieser Wunschliste sollte er auf Bälle gehen und das Angebot an jungen Gänschen studieren?

    Ganz bestimmt nicht! Noch einen Brandy? Nein, er würde gegen acht zu Abend essen und dann ruhig in der Bibliothek sitzen, bis es Zeit war, sich früh zur Ruhe zu begeben.

    Er verzog spöttisch das Gesicht: Offenbar wurde er wirklich schon alt!

    Gut, er

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