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Die Lady und das Biest
Die Lady und das Biest
Die Lady und das Biest
eBook276 Seiten3 Stunden

Die Lady und das Biest

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Über dieses E-Book

"Die Lady und das Biest!" So betitelt man Major Reynolds und seine schöne Begleiterin Isabella. Sie steht ihm bei, auch wenn alle sich gegen ihn verschworen haben. Im Walzertakt schweben sie gemeinsam durch die Ballsaison und mit jedem Tanz schlägt sein Herz mehr für Isabella. Doch schon bald ist der Lord in großer Sorge - denn es wird überdeutlich, dass seine Auserwählte ihm irgendetwas verschweigt …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum27. Juni 2020
ISBN9783733717285
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    Buchvorschau

    Die Lady und das Biest - Emily May

    IMPRESSUM

    Die Lady und das Biest erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2010 by Emily May

    Originaltitel: „Beauty And The Scarred Hero"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON

    Band 22 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

    Übersetzung: Barbara Kesper

    Umschlagsmotive: GettyImages_Kharchenko_irina7

    Veröffentlicht im ePub Format in 06/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733717285

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    1. KAPITEL

    Dies ist ein angesehenes Haus. Wahrlich nichts für jemanden wie Sie."

    Lady Isabella Knox, die Schwester des Duke of Middle­bury, war gerade dabei gewesen, ihre Handschuhe abzustreifen – nun hielt sie jedoch inne. Ihr Hund Rufus legte den Kopf ein wenig schief und sah sie abwartend an. Er wedelte mit seiner Rute, die gegen den beschmutzten Saum ihres Reisekostüms schlug.

    „Ich bitte Sie, Gnädigste, weisen Sie mich nicht ab!" Die junge Dame, zu der die Stimme gehörte, war offenbar wohlerzogen und schien den Tränen nahe zu sein.

    „Im ‚Hogshead‘ wird man Sie aufnehmen." Die kalten, abweisenden Worte der Wirtin waren deutlich aus der Schankstube zu vernehmen.

    „Oh, aber bitte …" Mit einem Schluchzer brach sie ihr Flehen ab.

    Langsam zog sich Isabella die ziegenledernen Handschuhe von den Fingern. Ihr Blick glitt erst zur halb geöffneten Tür der Schankstube und dann die Treppe hinauf nach oben, wo ein äußerst bequemer Privatsalon auf sie wartete. Neugierde ist eine Sünde, mahnte sie sich.

    Hinter ihr erklangen die energischen Schritte von Partridge, ihrer Zofe.

    „Frische Luft, pah!, grummelte die Frau und ließ den Regenschirm scharf zuschnappen. „Überall nur Schmutz und Pfützen und gaffende Bauerntölpel …

    Isabella hob den Zeigefinger. „Pst, Partridge, still!"

    „Ich flehe Sie an, bitte …"

    Das Mädchen klang fast wie Felicity, ihre Nichte! Kurz entschlossen steuerte Isabella den Schankraum an.

    „Das wäre ja unerhört, wenn ich Sie hier unterbrächte, wo doch Ihre Ladyschaft im Haus ist!"

    Rasch stieß Isabella die Tür auf und erfasste die Situation mit einem Blick: In dem Raum mit der niedrigen Balkendecke und dem großen Kamin hatte sich die untersetzte Wirtin – in weißer, gestärkter Schürze, mit einem Witwenhäubchen auf dem Kopf – vor einem hübschen Mädchen aufgebaut, dem Tränen über die Wangen rannen. Zu den Füßen der Weinenden stand eine Reisetasche.

    Die Wirtin sah kurz auf und beeilte sich, untertänig zu knicksen. „Eure Ladyschaft."

    „Mrs Botham. Isabella wandte den Blick sofort wieder der Fremden zu. Ja, sie war Felicitys Ebenbild: dunkelhaarig und recht zierlich. Sie schien gerade erst dem Schulzimmer entwachsen zu sein. „Ich konnte Ihr Gespräch nicht überhören. Scheuchen Sie das arme Kind doch nicht meinetwegen hinaus auf die Straße.

    Die Wirtin straffte die Schultern, setzte eine äußerst selbstgerechte Miene auf und erwiderte: „Das ‚Hogshead‘ wird für die hier genügen."

    Isabella nahm das Mädchen weiter in Augenschein: Es trug eine adrette, mit Bändern verzierte Strohschute und über dem Musselinkleid eine offenbar ebenso maßgeschneiderte Pelisse aus feinster Baumwolle. „So, meinen Sie?"

    Sie hatte sich bemüht, recht freundlich zu klingen, doch Mrs Bothams Wangen röteten sich daraufhin deutlich.

    Nun knickste auch die Kleine. „Bitte, Madam, ich möchte nicht ins ‚Hogshead‘." Haltung und Stimme des Mädchens zeugten von guter Abstammung.

    „Dort sollten Sie auch nicht hin. Wo befindet sich Ihre Kammerjungfer?"

    Das Mädchen errötete. „Ich habe keine, Madam."

    „Ich führe ein anständiges Haus!", warf die Wirtin ein.

    „Eben. Isabella zog den zweiten Handschuh aus. „Folglich muss das Kind hierbleiben, stellte sie fest.

    Dankbar lächelte das Mädchen sie an.

    „Leider habe ich gerade nichts Passendes frei, Mylady." Die Wirtin lächelte bemüht höflich.

    „Das kann ich kaum glauben." Isabella verlor langsam die Geduld.

    „Jedenfalls nichts, was für die Bedürfnisse einer so jungen Person angemessen wäre."

    Das Mädchen errötete. „Ein Zimmer kann ich nicht bezahlen, flüsterte es. „Ich dachte … ich hatte gehofft, ich könnte im Dienstbotentrakt schlafen, aber …

    „Kein Geld und keine Zofe? Neugierig musterte Isabella die Unbekannte. „Sie sind in einer äußerst misslichen Lage, Liebes, nicht wahr? Die Angesprochene kämpfte mit den Tränen. „Wenn Sie mögen, können Sie sich mit meiner Zofe das Zimmer teilen."

    Partridge, die Isabella in den Schankraum gefolgt war, schnaufte erstaunt.

    Die Wirtin sog scharf die Luft ein und rang um Fassung. „Ein gefallenes Mädchen kommt mir nicht ins Haus!"

    „Aber das bin ich nicht, Madam, wirklich nicht!"

    Kümmert mich das überhaupt, fragte sich Isabella. Gleich darauf kam sie zu dem Schluss, dass dies in Anbetracht des so jungen Mädchens, das sich offensichtlich in einer Notlage befand, völlig belanglos war. „Ein Feldbett ins Zimmer meiner Zofe, forderte sie energisch, „und bringt Erfrischungen in meinen Salon!

    Abermals atmete Mrs Botham tief ein, nickte dann fast unmerklich.

    „Kommen Sie mit, Liebes." Lächelnd streckte Isabella dem Mädchen eine Hand entgegen, die es daraufhin dankbar umklammerte.

    „Meine Tasche?"

    „Einer der Hausknechte wird sie hinaufbringen, nicht wahr, Mrs Botham?"

    Die Wirtin lächelte verkniffen, nickte jedoch erneut geflissentlich.

    „Folgen Sie mir hinauf, ein Tasse Tee wird Ihnen guttun, sagte Isabella sanft. Mit Rufus auf den Fersen verließ sie zusammen mit dem Neuankömmling den Schankraum. Partridges Kopfschütteln ignorierte sie. „Ach, und nennen Sie mir doch Ihren Namen, meine Liebe!

    „Ich heiße Harriet. Harriet Durham."

    „Sagen Sie, Kindchen, wie kommt es, dass Sie derart in der Klemme stecken?"

    Harriet schoss die Röte ins Gesicht. Sie senkte den Blick auf die Tasse in ihrer Hand. „Ich bin … fortgelaufen."

    „Fortgelaufen? Forsch sah Isabella das Mädchen an. „Von Ihren Eltern?

    „Meine Eltern sind tot. Harriet hob den Kopf. „Ich lebe bei meinem Großvater.

    „Und ihm sind Sie davongelaufen?"

    „Ja. Das Mädchen erschauerte heftig. „Und vor Major Reynolds.

    „Major Reynolds? Wer ist das?"

    Wieder traten Harriet Tränen in die Augen. „Ich soll ihn heiraten."

    „Und das ist nicht Ihr Wunsch?"

    Sie schüttelte heftig den Kopf.

    Isabella setzte nun die Tasse auf der glänzend polierten Tischplatte ab.

    „Sagten Sie denn Ihrem Großvater, dass Sie diesen Major nicht heiraten möchten?"

    Harriet nickte. „Natürlich tat ich das. Er nannte mich strohdumm, schrie mich an und …" Sie stellte nun ihre Tasse ab und zog mit zitternden Händen ein Taschentuch aus dem Ärmel hervor. Das spitzenumsäumte Tüchlein war bereits durchweicht.

    Während Harriet sich die Augenlider trocken tupfte, nahm Isabella ihre Tasse erneut auf und trank nachdenklich einen Schluck Tee. „Wie alt sind Sie, Liebes?", fragte sie schließlich.

    „Siebzehn."

    So alt wie Felicity. Zu jung, um in einer Welt wie dieser völlig auf sich allein gestellt zu sein. „Meine Liebe, wenn du erlaubst, nenne ich dich Harriet. Als Isabella sah, dass die Kleine eifrig nickte, fuhr sie fort: „So sag mir doch, wohin dein Weg nun führen soll?

    „Ich will zu meiner Tante Lavinia. Harriets Mundwinkel zuckten. „Nur war mir nicht klar, dass die Fahrt mit der Postkutsche derart lange dauern und ein Zimmer im Gasthof so viel kosten würde …, brachte sie tränenerstickt hervor.

    Isabella beugte sich zu Rufus hinunter und tätschelte ihn sanft. Er schlug die Augen auf, eines war blau, eines braun. „Wo wohnt deine Tante?"

    „In Penrith. Im Lake District."

    „Mein liebes Kind, hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, wie weit das ist?"

    „Ist es sehr weit von hier?" Harriet zerrte nervös an ihrem Taschentuch.

    „Erwartet deine Tante dich denn?"

    Ein Kopfschütteln war die Antwort.

    „Aber du bist dir gewiss, dass sie dich aufnehmen wird?"

    „Oh ja! Sie hat mir versichert, dass ich bei ihr immer willkommen bin, nur … nur mein Großvater verbot mir, sie jemals zu erwähnen …"

    „Was hat sie getan, dass er ihr einen derartigen Groll entgegenbringt?"

    „Sie liebte Mr Mortlock. Großvater hatte ihr auf den Kopf zugesagt, der sei nicht gut genug für sie. Da nannte Tante Lavinia ihn einen Tyrannen – und heiratete Mr Mortlock trotzdem! Harriets Tonfall zeugte eindeutig von Bewunderung. „Aber ihr Gatte starb bald, und Großvater meinte damals, das geschähe ihr nur recht. Seitdem lebt sie allein.

    „Wann war das?"

    „Als ich noch ein Kind war."

    Die Kleine war noch immer ein Kind. Zu jung, um in eine Ehe gedrängt zu werden. Und auch zu jung, um ganz allein durch halb England zu reisen. Isabella blickte aus dem Fenster, wo sich langsam die Dämmerung über die Dächer von Stony Stratford senkte. „Ich werde dich mit mir nehmen, sagte sie. „Nach London.

    „Oh nein! Vor Aufregung ließ Harriet das Taschentuch fallen. „Major Reynolds ist dort! Wenn er mich findet …

    „Er wird dich nicht finden, erklärte Isabella entschieden, „denn du wirst in meinem Haus wohnen. Und wenn wir von deiner Tante Nachricht erhalten haben, dass sie dich aufnimmt, dann kannst du getrost zu ihr weiterfahren.

    „Aber Major Reynolds …"

    Isabella sah das Mädchen amüsiert an. „Ist er etwa ein Oger?"

    „Ein Oger?"

    „Du weißt schon, solch ein hässlicher, riesiger Unhold wie aus den Märchen."

    Erneut erschauerte Harriet. „Oh ja – ja, genau das ist er!"

    „Dann werde ich dich vor ihm beschützen!"

    „Er wird sehr wütend sein. Mein Großvater hat die Verlobungsanzeige schon an die Zeitungen geschickt."

    Für einen kurzen Augenblick geriet Isabellas Überzeugung ins Wanken. Wenn das Verlöbnis bereits öffentlich gemacht worden war, würde es einen Skandal geben …

    Das Mädchen war nicht älter als Felicity und hatte keine Eltern, die ihr liebevoll zur Seite standen und sie beschützten.

    Sie reichte dem Mädchen ihr eigenes Taschentuch, welches Harriet dankbar ergriff, und bat: „Erzähl mir von dem Major."

    „Er ist Soldat."

    Isabella unterdrückte ein Lächeln. „Ja, Liebes, das dachte ich mir schon. Ist er alt?"

    „Alt? Oh ja, Madam. Bestimmt so alt wie Sie. Harriet stieg Röte in die Wangen. „Ich meine, viel älter. So alt wie mein Vater … also, so alt wie mein Vater wäre, wenn … Sie stockte.

    Ich werde nicht zulassen, dass die Kleine mit jemandem verheiratet wird, der alt genug ist, ihr Vater zu sein.

    „Und … und sein Wesen … er sieht so streng aus und …"

    „Also zusammengefasst, ganz und gar ein Oger. Isabella sprach beiläufig. „Und ist er hässlich?

    Harriet schüttelte sich angewidert. „Sein Gesicht ist von Narben verunstaltet, Madam. Und er schreit und …"

    „Major Reynolds hat dich angeschrien?", fiel Isabella ihr erstaunt ins Wort.

    „Das nicht, Madam, erwiderte das Mädchen ernst. „Aber er ist vom Militär, daher weiß ich, dass er mich anschreien wird.

    Isabella verkniff sich ein Lächeln. „Hast du Erfahrung mit Männern vom Militär?"

    Eifrig nickte Harriet. „Sie stampfen mit den Füßen auf und sind immer so laut."

    Jäh dämmerte es Isabella. „Dein Großvater ist Soldat!"

    „Er ist ein Colonel, Madam."

    Isabella hatte sich entschieden. „Morgen reist du mit mir nach London und bleibst bei mir, bis wir wissen, dass deine Tante dich aufnehmen wird."

    Ängstlich warf Harriet ein: „Und Ihr Gemahl, Madam? Wird er das denn erlauben?"

    „Ich bin unverheiratet. In London lebt eine verwitwete Cousine bei mir. Sie geht nur selten aus und wird sich freuen, eine solch angenehme Gesellschaft zu bekommen."

    Das Mädchen riss die Augen auf. „Sie sind unverheiratet?"

    „Genau. Isabella lächelte. „Ich weiß, es ist ein wenig merkwürdig, aber ich lebe sehr bequem auch ohne einen Gatten!

    „Wie geht es der Kleinen?", wollte Isabella wissen. Sie saß im Nachtgewand am Frisiertisch und bürstete ihr Haar.

    „Schläft."

    „Partridge! Isabella lachte. „So viel Missbilligung in nur einem Wort?

    Die Zofe schwieg.

    Isabella legte die Bürste, deren Silber im Kerzenlicht schimmerte, zurück auf die Kommode. „Sicherlich würden Sie mir raten, mich aus der Angelegenheit herauszuhalten, und Sie hätten bestimmt recht damit, Partridge."

    Isabella wandte sich wieder ihrem Spiegelbild zu und griff erneut nach der Bürste. Gedankenverloren zupfte sie ein paar lange Haare heraus und wickelte sie um ihren Zeigefinger, wo sie im Kerzenschimmer glänzten wie Goldfäden.

    Für ein paar Tage würde sie Harriet eine Mutter sein, auch wenn man sie ganz bestimmt nicht dafür halten konnte. Sie beide waren einfach zu verschieden: Harriet dunkel, klein und zierlich, wohingegen sie selbst hochgewachsen und blond war. Demeter, die Göttin der Ernte, hatte ein Bewunderer einmal zu ihr gesagt und ihr sogar ein entsprechendes Gedicht gewidmet: An Demeter mit dem weizengold’nen Haar …

    Isabella schnaubte fast unhörbar. Sie neigte sich dichter an den Spiegel, doch in dem schwachen Licht waren die zarten Fältchen nicht zu sehen, die sich um ihre Augenwinkel zogen. Und ich bin erst neunundzwanzig. Zu jung, um Harriets Mutter zu sein.

    „Sie wird nicht lange bleiben, sagte sie laut. „Morgen schreibt sie ihrer Tante – und ihrem Großvater.

    Und auch an diesen Major Reynolds würde Harriet schreiben und um Verzeihung bitten müssen, weil sie ihn sitzen gelassen hatte. Das gebot die Höflichkeit, selbst einem Oger gegenüber.

    Endlich durchbrach Partridge ihr eigenes Schweigen. „Sie ist keines von Ihren kleinen Haustieren, Miss Isabella. Ich hoffe nur, Sie werden das Ganze nicht irgendwann bedauern."

    2. KAPITEL

    Major Nicholas Reynolds seufzte. Er legte die Feder nieder und schob den Brief zur Seite, an dem er gerade geschrieben hatte. „Was sagte ich dir beim letzten Mal, Charlie?"

    „Dass du meine nächsten Schulden nicht mehr begleichen würdest", antwortete sein Neffe mürrisch.

    „Ganz genau. Noch einmal seufzte Nicholas. Er rieb sich die Stirn. „Weigert sich dein Vater, dir einen Vorschuss zu geben?

    „Ich habe nicht danach gefragt, murmelte Charlie düster. „Sie kennen ihn, Sir. Er würde toben!

    Wie gut Nicholas das wusste! Er musterte seinen Neffen, der nach der neusten Mode frisiert war, das blaue Jackett mit den großen Goldknöpfen und den stark gepolsterten Schultern verengte sich zur Taille extrem, und es musste ihn eine gute Stunde gekostet haben, sein Krawattentuch in solch komplizierte Falten zu legen.

    Was für ein Stutzer! Für solche Modenarren war Nicholas eigentlich seine Zeit zu schade. Doch unter dem geckenhaften Aufzug steckte ein einfacher junger Mann in mächtigen Schwierigkeiten.

    Nicholas fuhr mit den Fingerspitzen leicht über die große Narbe, die quer über seine Wange verlief. „Hör zu, ich kaufe deinen Rappen. Was willst du für ihn haben?"

    „Was?" Verblüfft sah Charlie ihn an.

    „Wie viel verlangst du für ihn?"

    „Aber … aber ich mag ihn!"

    „Dann lerne, nicht über deine Verhältnisse zu leben."

    Erneut errötete der Jüngling und senkte den Blick. „Also gut", brummte er schließlich mürrisch. Als Nicholas ihm kurz darauf eine Geldrolle reichte, besann er sich jedoch wieder seiner Manieren, stammelte verlegen einen Dank und verbeugte sich zum Abschied.

    Nicholas schaute ihm nachdenklich hinterher. „Charlie, würdest du dich gern in die Armee einkaufen?"

    Die Hand schon auf der Klinke, blieb sein Neffe irritiert stehen. „Sir?"

    „Ein Offizierspatent. Wärst du interessiert?"

    Charlie machte große Augen. „Danke, Sir, aber …"

    Du bist lieber ein Geck als ein Mann.

    „Melde dich, falls du es dir anders überlegst." Nicholas griff zu seiner Feder und beugte sich wieder über den begonnenen Brief. Als die Tür sich schloss, sah er nicht mehr auf.

    Eine Stunde später hatte er seine Geschäftskorrespondenz abgeschlossen. Daheim auf dem Land würde er nun ausreiten, doch in London hatte er am Reiten nur wenig Vergnügen. Die Straßen und Parks waren in seinen Augen viel zu stark bevölkert. Hier bot sich kein Platz für einen wilden Galopp.

    Außer man ritt hinaus nach Richmond.

    Nicholas schaute aus dem Fenster. Frische Luft, genau die brauchte er jetzt! Er stand auf und schob den Stuhl zurück.

    Ein Hausdiener klopfte und trat ein. „Ihre Post, Sir."

    Missmutig betrachtete Nicholas den Stapel Einladungen auf dem silbernen Tablett. Auch das gefiel ihm nicht an London – all die Bälle und Gesellschaften, wo es nicht ums Tanzen ging, sondern lediglich darum, potenzielle Ehepartner auszukundschaften. Kriterien wie Aussehen, Abstammung oder Vermögensstand wurden haarklein abgeschätzt. Als wäre man Vieh auf einer Auktion. „Ab ins Feuer damit." Er hatte sich seine Braut schon gewählt. Der Heiratsmarkt – und all die verstohlen taxierenden Blicke – lagen endlich hinter ihm.

    Der Bursche stutzte. „Sir?"

    „Ach, geben Sie schon her! Ungeduldig ging Nicholas auf den Diener zu und nahm den Poststapel vom Tablett. „Und sorgen Sie dafür, dass Duoro in zwanzig Minuten gesattelt ist.

    Flüchtig blätterte er an seinem Schreibtisch die Briefe durch, warf Einladungen ungelesen weg, fand jedoch einen Brief von Colonel Durham, den er zur Seite legte. Und da war ein weiterer Brief mit einem Adressvermerk in weiblicher Schrift, die ihm unbekannt war. Er öffnete ihn mit dem Messer, faltete ihn auf, hielt jedoch inne, da sein Butler eintrat.

    „Sir? Lord Reynolds möchte kurz mit Ihnen sprechen."

    Angewidert schloss Nicholas die Augen. Dann legte er den Brief fort. „Schicken Sie ihn herein, Frye."

    Als sein Bruder eintrat, war es Nicholas, als sähe er sich selbst im Spiegel – nur war das Spiegelbild bleicher und fülliger. Man würde sie beide sowieso nie verwechseln können – nicht nur wegen der Narbe. Während Nicholas sich lieber schlicht kleidete, legte Gerald Wert auf Auffälligkeiten: hoch am Hals arrangierte Krawattentücher, exotisch gemusterte Westen, prunkvolle Uhrketten, Diamantnadeln und allerlei sonstige Preziosen.

    Die Brauen finster gerunzelt, stieß Gerald hervor: „Du hast meinem Sohn Geld gegeben!"

    „Ich habe ihm seinen Rappen abgekauft."

    „Um seine Schulden zu decken!"

    Nicholas zuckte nur mit den Schultern. „Was er mit dem Geld macht, ist allein seine Sache."

    „Er hat bei mir ein wirklich großzügiges Auskommen, grollte Gerald verbittert. „Und dennoch kann er nie … Wütend starrte er Nicholas an. „Und du! Warum wendet er sich ausgerechnet an dich?"

    Weil du nur deine endlosen Moralpredigten loslässt. „Er ist mit einer ziemlich leichtsinnigen Truppe unterwegs. Vielleicht sollte er sich neue Freunde suchen."

    „Und du unterstützt ihn noch, indem du seine Schulden zahlst!"

    Nicholas seufzte. „Ach, weißt du …"

    „Ich verlange, dass du meinem Sohn ab sofort kein Geld mehr gibst", zischte Gerald.

    „Ich habe ihm nichts gegeben", konterte Nicholas

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