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Besuch aus London: Historischer Roman
Besuch aus London: Historischer Roman
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eBook244 Seiten3 Stunden

Besuch aus London: Historischer Roman

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Über dieses E-Book

Das Landleben im idyllischen Buckinghamshire, in der Nähe von Aylesbury und Long Marsden, ist für die Familien des Landadels recht beschaulich – bis Miss Barrett von ihrer Londoner Saison zurückkehrt und eine Bekannte mitbringt, Virginia Lacey, ein reizendes Geschöpf mit großen grünen Augen, goldenen Locken und lebhaftem Interesse an den vorhandenen jungen Herren.
Daisy Barrett, ihre Freundin Rose Tillmouth, ihre jüngeren Schwestern und zunehmend auch die Brüder sind zunächst durchaus von der Besucherin und ihrem Bruder angetan, aber das ändert sich schnell, denn Miss Lacey entpuppt sich als anspruchsvoll, anstrengend und auf eine merkwürdige Weise prüde; Mr. Lacey wirkt sehr interessiert am Kartenspiel und schätzt seine Schwester offenbar gar nicht. Daisy und Rose rätseln, was diese Besucher eigentlich vorhaben - eigentlich gefällt es ihnen auf dem Land gar nicht -, und müssen ihre ländliche Idylle (und ihre guten Freunde) zunehmend gegen die Londoner verteidigen, vor allem gegen die heiratswütige Miss Lacey…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum17. Feb. 2021
ISBN9783753164816
Besuch aus London: Historischer Roman

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    Buchvorschau

    Besuch aus London - Catherine St.John

    cover.jpg

    Imprint

    Besuch aus London. Historischer Roman

    Catherine St.John

    Published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    Copyright: © 2021 R. John 85540 Haar

    Cover: Edmund Blair Leighton: The Kissed Mouth

    ISBN 978-3-753164-81-6

    Kapitel 1

    „Ich finde, es sollte endlich wieder einmal im Blue Bear ein Tanzvergnügen geben", stellte Tamsin fest und warf sich recht burschikos auf das hellgrüne Sofa im grünen Salon.

    Ihre Schwester Rose, die auf dem dunkelgrünen Sofa gegenüber saß und ihre Aufmerksamkeit zwischen ihrem Stickrahmen und den Gesellschaftsnachrichten in der Morning Post teilte, seufzte zustimmend. „Das wäre nett, da hast du recht."

    „In Aylesbury müsste es doch auch Veranstaltungen geben, oder? Steht davon nichts in der Zeitung?"

    „Nicht in der Morning Post. Wo ist denn unser lokales Blättchen hingeraten?"

    Tamsin zog es unter einem Sofakissen hervor und reichte es ihrer Schwester, die grinste. „Du hast doch auch lesen gelernt? Sieh selbst nach!"

    Tamsin streckte ihrer Schwester kurz die Zunge heraus und begann zu blättern, soweit dies bei der Bierton Gazette überhaupt notwendig war. „Nächsten Samstag, tatsächlich. Was wirst du tragen?"

    „Nichts Grünes, auf jeden Fall!" Rose sah sich beziehungsreich im Salon um, der wirklich sehr grün ausgeschmückt war. „Vielleicht das blaue mit dem silbernen Band um die Taille."

    „Hast du das nicht schon letztes Mal getragen?"

    „Tammy, wir sind hier doch nicht in London! Niemand hat hier einen Schrank voller Ballkleider. Ich habe das blaue und das weiße mit den grünen Bändern, das ich nicht mag, und du hast das rosa und das weiße mit der lavendelblauen Stickerei – fertig."

    Mein Weißes mag ich auch nicht. Wollen wir tauschen? Ich finde dein grün verziertes Kleid eigentlich ganz hübsch."

    „Das ist eine gute Idee, weil du ja auch grüne Augen hast. Lass uns später probieren, ob die Kleider richtig passen."

    Tamsin nickte, zog ihr Stickzeug unter einem weiteren Sofakissen hervor, betrachtete es unlustig und stopfte es wieder zurück.

    „Ich hasse Sticken, murmelte sie dann. „Daisy ist übrigens wieder zu Hause, hat Primmie erzählt.

    „Oh, gut! Rose zog die Nadel durch den feinen Batist. „Und wie hat es ihr in London gefallen? Hatte sie viel zu erzählen?

    „Ich habe nur kurz mit Primmie gesprochen, sie hat gesagt, dass Daisy unbedingt zur Schneiderin wollte. Sie hat viele Leute in London kennengelernt, sagt sie."

    „Mhm. Wieso braucht sie nach London neue Kleider?"

    „Das weiß ich auch nicht. Ihre Londoner Roben sind vielleicht für unsere bescheidenen Vergnügungen zu elegant?"

    „Möglich. Aber wir würden sie doch ausgiebig bewundern – und das müsste Daisy doch gut gefallen?"

    „Magst du Daisy nicht mehr?"

    „Doch, natürlich, sie ist doch meine beste Freundin, aber du kannst nicht leugnen, dass sie ein wenig eitel ist. Aber das wären wir wahrscheinlich auch, wenn wir in London eine Saison mitgemacht hätten… Und jetzt wird sie vielleicht unter uns armen Bauerntrampeln die weltgewandte Aristokratin spielen, die London wie den Inhalt ihres Retiküls kennt."

    Tamsin kicherte. „Da könntest du allerdings Recht haben. Ich bin gespannt, was sie am Samstag erzählt und wie erhaben sie über uns Landvolk ist. Notfalls machen wir uns eben über sie lustig. Und du kannst ihr doch bestimmt Contra geben? Schließlich warst du doch auch einmal in London!"

    Rose schnitt sorgfältig einen Faden ab und wählte einen neuen aus. „Das ist richtig, aber nicht ganz so beeindruckend, wie es klingt. Vor zwei Jahren durfte ich meine Patentante, Lady Bellington, besuchen, als sie ihren Fünfzigsten feierte. Leider war da aber gerade keine Saison, also weiß ich nicht, wie es auf den vornehmen Bällen zugeht. Und Papa und ich waren auch gerade einmal drei Tage dort. Immerhin hat er mich einmal ins Theater ausgeführt."

    „Das war alles?"

    Rose lachte. „Ja, das war alles. Na und?"

    „Wie war London?"

    „Groß, düster, schmutzig und übelriechend. Sogar im feinen Mayfair hat es unangenehm gerochen, wie muss es da erst in den ärmeren Vierteln sein? Prunkvolle Häuser gibt es, aber so viel schöner als die Besitzungen des hiesigen Landadels sind sie auch wieder nicht."

    „So wie unseres?"

    „Ja, zum Beispiel. Unseres ist sogar schöner, finde ich. Tille House ist außerdem seit Jahrhunderten in der Familie, das gilt sicher nicht für jedes Stadtpalais."

    „Das ist ja sicher sehr erfreulich, aber ich wüsste nicht, dass sich vor unserer Tür die Verehrer drängen, weil unser Haus schon so altehrwürdig ist."

    Rose gluckste – Tamsin hatte für ihre jungen Jahre eine köstlich spitze Zunge!

    „Hier sagen sich eben doch Fuchs und Hase gute Nacht… da bleibt uns leider  nur, auf das nächste Tanzvergnügen zu hoffen, nicht wahr?"

    „Die Männer kennen wir doch auch schon alle! Peter, Freddy, Gus, David, Charlie, Philip, Bill – das sind nur Nachbarsjungen, mit denen wir früher gespielt haben! So einen kann man doch nicht heiraten…"

    „Aber Tammy!, mahnte ihre Mutter im Eintreten, „so schwach im Kopfrechnen? Bis auf Philip und Bill waren sie alle längst in der Schule, als du geboren wurdest, mit ihnen hast du nie gespielt. Nicht einmal Rosie kann das von sich behaupten!

    „Das war doch nicht so wörtlich gemeint, Mama!"

    Lady Tillmouth setzte sich auf das dritte, mittelgrüne Sofa und lächelte ihre Töchter an, obwohl Tamsins Klagelied durchaus ihre Sympathie gefunden hatte. Tamsin selbst hatte ja noch etwas Zeit, aber Rosie sollte allmählich wirklich einen Heiratskandidaten finden – nur: woher nehmen?

    Sollte man sie doch für die nächste Saison nach London schicken? Aber dann wäre sie einundzwanzig und damit deutlich älter als die übrigen Debütantinnen – und Rosie hatte sich auch nicht gerade begeistert über London geäußert!

    Tamsin bat sie um Erlaubnis, dass die Schwestern ihre weißen Ballkleider tauschen dürften und sie stimmte gedankenverloren zu. Der nächste eher ländliche Ball am kommenden Samstag versammelte zwar bestimmt die ganze Jugend aus den umliegenden Besitzungen in dem Saal über der Wirtsstube des Blue Bear, aber woher sollte jemand Neues kommen?

    Nachbarssöhne und die eigenen Brüder – mehr war doch nun wirklich nicht zu erwarten!

    Kapitel 2

    Bis zum Samstag geschah in der Umgebung von Long Marston auch wirklich nichts Aufregendes – alles Interessante musste man der Zeitung entnehmen und es war weit weg in London geschehen. Rose wenigstens gab es auf, nach Sensationen zu gieren und vertiefte sich lieber in ihren neuen Roman, während Tamsin ihr sozusagen neues weißes Ballkleid mit einigen Stichen zu perfektem Sitz brachte. Rose dagegen hatte Tamsins weiß-lavendelblaue Robe kurz anprobiert und festgestellt, dass sie durchaus passte – zu weiteren Feinheiten hatte sie keine Lust.

    Wozu auch, überlegte sie, an ihrem Toilettentisch sitzend und verschiedene Halsketten probeweise an ihr bescheidenes Decolleté haltend. Zu weiß und lavendel: die Perlen, beschloss sie endlich. Natürlich war es eigentlich belanglos, wie sie im Blue Bear erscheinen würde, denn interessante Männer gab es ja doch nicht – aber sollten die Damen, von den Müttern bis hinunter zu der in London erfahrenen Daisy und ihrer kleinen Schwester Primrose an ihrem guten Geschmack zweifeln?

    Charles, der Erbe Dranburys, war seit kurzem verlobt, mit einer Lady Jane Innings, Tochter des Earl of Ingleham, die stets sehr gut gekleidet ging, ohne protzig aufzutreten. Dieser jungen Dame wollte sie sich auf jeden Fall ebenbürtig erweisen, auch wenn sie heute Abend nicht anwesend sein würde. Hatte sie nicht irgendwo noch einen Fächer in einem passenden Lavendelton? Einiges Kramen in ihren Schubladen förderte ihn tatsächlich zutage und obendrein tauchte noch ein passendes weißes Retikül auf.

    Die Drantons, die Tillmouth´ und die Barretts stellten sozusagen die Spitze der Gesellschaft in der Gegend um Long Marston dar. Ansonsten gab es eigentlich nur noch den etwas dandyhaften Lord Ishercombe, dessen Landsitz einige Meilen von Tille House entfernt lag, und einige junge Männer aus dem angeseheneren Bürgertum.

    Rose rümpfte bei dem Gedanken unwillkürlich die Nase: Spitze der Gesellschaft - da hatten sie aber auch etwas Rechtes! Zwar lebten sie alle in recht angenehmen Verhältnissen und hatten durchaus gute Verbindungen, aber das änderte eben nichts daran, dass hier überhaupt nichts los war. Warum war denn eigentlich niemand – abgesehen von Daisy Barrett – zur Saison nach London geschickt worden?

    Ach, naja, es gab natürlich schon Gründe: Man musste entweder ein Haus für die Saison mieten – keine der Familien besaß ein eigenes Stadthaus, wozu auch? – oder gefällige Verwandte mit guten Verbindungen besitzen. Und meistens gab es die beiden Eigenschaften nicht in einer Person…

    Rose dachte an ihre Patentante, die so nett und gastfreundlich war, die auch im fashionablen Mayfair wohnte, die aber den Strapazen einer Saison nie und nimmer gewachsen wäre.

    Daisy und Primrose hatten da schon mehr Glück – die Schwester ihres Vaters liebte den Trubel einer Saison und konnte auch sicher sein, überall eingeladen zu werden. Aber auch Charlotte Dranton hatte als einzige Tochter des Earls of Dranbury keine Saison gehabt; sie konnte von Glück sagen, dass Viscount Bede auf dem Weg nach Norden zur Jagd hier vorbeigekommen war und in Charles Dranton einen Schulfreund wiederentdeckt hatte! Und jetzt hatte sie schon drei kleine Kinder…

    Kinder – wünschte sie selbst sich Kinder? Rose überlegte ohne großartiges Ergebnis, während sie ein wenig Rouge auftrug, ihre Wangen dann kritisch begutachtete und das Rouge wieder entfernte, weil es doch allzu künstlich wirkte. In die Wangen zu kneifen musste reichen!

    Wo war das Döschen mit der parfümierten Creme? Ein Hauch von Veilchenduft konnte nicht schaden, auch wenn Lavendelduft besser zum Kleid gepasst hätte. Aber Lavendel förderte das Einschlafen – und das war nicht die Wirkung, die auf einem Ball - und sei er noch so provinziell - sinnvoll schien.

    Sie war fertig, von den ordentlich aufgesteckten dunkelbraunen Haaren über Perlen und weißblaues Gewand bis zu den blassblauen Seidenslippern. Welches Glück, dass es nicht regnete!

    In der Halle stand schon Tamsin, zappelnd vor Aufregung und mit funkelnden grünen Augen. Sie hätten die Kleider wirklich schon viel früher tauschen sollen!

    „Warum bist du so aufgeregt?, fragte Rose ihre kleine Schwester. „Glaubst du, heute beehren unbekannte Märchenprinzen unseren Ball?

    „Ach, Unsinn, aber ich freue mich auf Daisy, sie weiß sicher viel zu erzählen! London – die Bälle – die vornehmen Leute…"

    Vornehm sind wir auch, dachte Rose nicht ohne leisen Ärger, und in unserer kleinen Welt vielleicht nicht so eingebildet und nutzlos wie manche Londoner Dandys!

    Andererseits wäre wenigstens ein unbekannter Mann tatsächlich eine Abwechslung… immer die gleichen Gesichter auf diesen Tanzabenden, das wurde nachgerade tatsächlich etwas langweilig – man hatte sich schon über alles unterhalten und hier geschah ja auch nie etwas Neues!

    Ach, woher sollte ein unbekannter Mann herkommen? Er müsste schon direkt vor einem der großen Häuser so vom Pferd stürzen, dass er aufgesammelt und gepflegt werden musste – und dann wäre ein Tanzabend gewiss sein letzter Wunsch…

    „Warum lächelst du?, fragte Tamsin und Rose winkte ab. „Nichts Wichtiges. Ich freue mich doch auch auf Daisys Erzählungen! Schau, da kommt Mama! Dann können wir ja fahren…

    Ihre Brüder pflegten die kurze Strecke zum Blue Bear zu reiten – ohne Sporen, um nicht später die Röcke der Damen zu zerreißen. Gavin schien die bescheidene Auswahl an Damen auch wenig verlockend zu finden, jedenfalls hatte er bei fast jedem Tanzvergnügen eine Ausrede vorzubringen, meistens behauptete er, er müsse  dem Vater bei der Gutsverwaltung helfen, die Bücher prüfen, Briefe schreiben, die Ställe revidieren. Und das konnte natürlich nur am Samstagabend geschehen!

    Andererseits war es den Eltern wohl lieber, Gavin arbeitete sich in die Verwaltung des Besitzes ein, als dass er mit mürrischer Miene und trotzig verschränkten Armen am Rande der Tanzfläche stand und keine einzige Dame aufforderte.

    Edward, Ned gerufen,  fand die Blue-Bear-Veranstaltungen immerhin besser als gar nichts und nahm regelmäßig daran teil. Rose konnte ihm da nur zustimmen, denn das Nächstaufregende war wohl der sonntägliche Kirchgang in St. George. Immerhin, eine echte Herausforderung war dort, während der Predigt wachzubleiben!

    Tamsin nahm sich manchmal ja einen Roman mit und zog ihn während der Predigt aus ihrem Retikül. Die fromm-versunkene Miene während des Lesens hatte sie mittlerweile so perfektioniert, dass sie bei allen Kirchgängern als besonders brav und wahrhaft christlich galt. Rose war leider etwas zu ängstlich für so etwas, aber sie hatte mittlerweile gelernt, mit offenen Augen zu dösen. Ihrem Vater dagegen sank schon manchmal der Kopf auf die Brust…

    Schnell kamen sie am Blue Bear an, stiegen aus und kletterten unmittelbar nach der Tür unter dem verwitterten Schild mit einem recht unwahrscheinlich aussehenden blauen Bären die steile Treppe hinauf in den – nun ja – Ballsaal. Er war schon recht gut gefüllt – aber mehr als zwei Reihen Stühle auf jeder Seite und dazwischen einen geräumigen Tanzboden wies er nicht auf, wenn man von einer Nische für ein recht bescheidenes Orchester (Piano, Violine, Flöte) absah.

    In London waren die Ballsäle sicherlich prächtiger, dachte Rose. Daisy hätte da gewiss einiges zu erzählen …

    Sie eilte auf Lady Barrett und Primrose zu, die trotz ihrer erst fünfzehn Jahre an diesen – ohnehin eher informellen – Bällen teilnehmen durfte, und unterhielt sich eine Zeitlang mit ihnen.

    „Und Daisy ist noch zu müde von ihrem London-Aufenthalt? Oder kann ich sie gerade nur nicht sehen?"

    „Sie und ihre affige neue Freundin waren noch nicht fertig. Aber der Bruder von der Freundin bringt sie gleich her", erklärte Primrose mürrisch.

    „Aber Kind, formuliere das doch etwas gastfreundlicher!", mahnte ihre Mutter.

    „Ach, Mama, sie ist doch affig! Wie sie schon immer ihre Locken um den Finger dreht!"

    Lady Barrett kräuselte einen Mundwinkel, sagte aber nur: „In London herrschen eben andere Sitten."

    Rose zwinkerte Primrose zu, die unmittelbar darauf Tamsin quiekend um den Hals fiel, und plauderte dann ein wenig mit Lady Barrett, die aber leider nichts mehr über die Londoner Besucher erzählte, sondern berichtete, dass Gus, ihr Jüngster, sich jetzt sehr schön in die Verwaltung seines kleinen Gutes einarbeitete und daneben nach einer Pfarrstelle in der Gegend Ausschau hielt.

    Rose lobte den braven Sohn und überlegte kurz, ob Lady Barrett sie etwa für die ideale Pfarrersfrau hielt… nicht mit dem Langweiler Augustus! Sie hätte gerne nach Daisy und dem Besuch aus London gefragt, aber vulgäre Neugierde zur Schau tragen wollte sie natürlich auch nicht.

    Weiteres Gequieke befreite sie aus der peinlichen Stille zwischen Lady Barrett und ihr, denn nun war Daisy eingetroffen, umarmte und küsste Tamsin und Rose und begann zu erzählen, wurde aber von ihrer Mutter mit sanftem Tadel ermahnt: „Meine Liebe, solltest du nicht erst deinen Besuch vorstellen?"

    Daisy zog die Brauen hoch und nickte etwas steif. „Miss Tillmouth und Miss Tamsin Tillmouth – Miss Lacey und Mr. Lacey aus London. Ihr Vater ist Sir Bernard Lacey."

    Miss Lacey neigte anmutig den Kopf und gönnte Rose und Tamsin ein kleines Lächeln, ihr Bruder verbeugte sich höflich und murmelte etwas Verbindliches.

    Rose äußerte den Wunsch, es möge den beiden in der Gegend von Long Marston gut gefallen. Mr. Lacey bedankte sich, seine Schwester neigt das reizende Köpfchen etwas zur Seite. „Und Ihr Vater, Miss Tillmouth, ist -?"

    „Sir Andrew Tillmouth auf Tille House, hier ganz in der Nähe. Aus welcher Gegend stammen Sie?"

    „Aus London? Das hatte Daisy doch gerade gesagt?"

    „Miss Tillmouth meint, wo unser Landsitz liegt, erläuterte Mr. Lacey. „Sei nicht so patzig, Ginny.

    „Nenn mich nicht Ginny, ich bin nicht mehr drei Jahre alt!"

    Rose lächelte. Jetzt sagte er bestimmt Dann benimm dich auch nicht so! Das kannte sie – und Tamsin noch besser – von Gavin.

    „Dann benimm dich auch nicht so – Virginia!"

    „Und warum lächeln Sie jetzt?" Virginia schien noch nicht wirklich versöhnt.

    „Ach, ich dachte nur gerade an meinen ältesten Bruder – diesen Satz haben meine Schwester und ich auch des Öfteren zu hören bekommen."

    „Ihr ältester Bruder? Ist er auch hier irgendwo?"

    „Nein, er ist leider verhindert. Der Zweitälteste, Edward, ist da. Er steht dort hinten mit Charlie und David, den Söhnen Dranburys." Virginia drehte sich in die angegebene Richtung und begann zu lächeln, dann nickte sie Rose zu und entfernte sich in Richtung der drei Herren. Ihr Bruder verdrehte kurz die Augen und folgte ihr dann.

    Daisy sah den beiden etwas perplex nach. „Was will sie jetzt bei den Männern?", fragte sie dann ihre Mutter, die prompt so tat, als hätte sie auch keine Ahnung.

    Rose sah sich um und entdeckte immerhin Peter Barrett, der mit einem Weinglas in der Hand dastand und sich sichtlich langweilte. Also beschloss sie, ihm Gesellschaft zu leisten, ließ sich ein Glas Mandelmilch geben (die sie in Wahrheit nicht mochte, aber für Damen gab es hier nichts anderes) und stellte sich neben ihn. „Überlegst du gerade, was du Schönes machen könntest, wenn du dich nicht hättest überreden lassen, hierher mitzukommen?"

    „Wie bitte? Ach, Rosie, du bist es. Du hast ja recht – und ich muss es nicht einmal meinen Schwestern zuliebe machen, schließlich sind wir doch ohnehin viel mehr Herren als Damen. Sogar die Zeitung von letzter Woche wäre mir jetzt lieber…"

    Rose seufzte mitfühlend. „Na, vielleicht ist die Musik heute einigermaßen ordentlich und die Tänze machen wenigstens etwas Spaß…"

    Die drei

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