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154 Virginia und der ehescheue Graf
154 Virginia und der ehescheue Graf
154 Virginia und der ehescheue Graf
eBook283 Seiten3 Stunden

154 Virginia und der ehescheue Graf

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Über dieses E-Book

Zum ersten Mal ist der gutaussehende, selbstsichere Earl von Helstone richtiggehend überrascht. Die junge Dame hatte im Park allem Anschein nach einen furchtbaren Sturz von ihrem Pferd erlitten und der Earl lief ihr zu Hilfe. Doch dann begriff er, dass sie es nur gespielt hatte.
Sie stellt sich dem verdutzten Earl als Virginia vor und bittet ihn darum, den Gesellschaften ihrer Mutter fernzubleiben - denn Lady Chevington hatte beschlossen, dass es an der Zeit war ihre sture Tochter mit dem Earl zu verheiraten. Und sie hat einen gerissenen Plan.
Doch der Earl ist nur vage amüsiert von Virginias Geschichte - bisher hat es noch keine von Londons Schönheiten geschafft, ihn vor den Altar zu schleppen. Aber vielleicht hat er es diesmal mit einer überlegenen Gegnerin zu tun...
SpracheDeutsch
HerausgeberM-Y Books
Erscheinungsdatum14. Apr. 2015
ISBN9781788674683
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    Buchvorschau

    154 Virginia und der ehescheue Graf - Barbara Cartland

    1838 ~ I

    Die Spannung auf dem Newmarket Heath hatte den Siedepunkt erreicht.

    Die Pferde bogen in die Zielgerade ein. Die Erde dröhnte unter den wirbelnden Hufen, und ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Reihen der Zuschauer.

    Der Favorit, der die blauroten Farben Lord Arkries trug, lag in Führung.

    Aber wenige Augenblicke später geschah etwas Sensationelles.

    Die Gentlemen, die das Rennen von der Tribüne des Jockey-Clubs aus verfolgten, sahen durch ihre Gläser, wie sich an der Außenseite der Bahn langsam, aber stetig ein anderes Pferd nach vorne schob.

    Es bewegte sich leicht und mit einer Sicherheit, die dem Rest des Feldes, der sich jetzt in dichtem Pulk an der Innenseite zusammendrängte, fehlte. Auch die Farben dieses Tieres, orange und schwarz, genossen in der Welt des Reitsports höchstes Ansehen.

    Erst im letzten Augenblick erfaßten die Zuschauer, wie gefährlich die Situation für den Favoriten geworden war.

    Ein Schrei der Bewunderung brandete auf.

    Sekundenlang liefen die beiden Tiere Kopf an Kopf.

    Dann streckte sich der Außenseiter und passierte mit einer Länge Vorsprung den Zielpfosten.

    Tosender Beifall erscholl.

    Lord Arkrie wandte sich verärgert an den Nebenmann: »Verdammt, Helstone! Ich glaube, Sie stehen mit dem Teufel im Bund. Das war mein Rennen!«

    Lord Helstone ignorierte den Ausbruch des anderen. Ohne zu antworten, drehte er ihm den Rücken zu und verließ die Tribüne.

    Auf dem Weg zum Sattelplatz nahm er die Glückwünsche seiner Freunde entgegen, von denen einige ihren Neid nur schlecht verbergen konnten.

    »Mußt du eigentlich sämtliche Preise einstecken, Helstone?« rief ein grauhaariger Peer übel gelaunt.

    »Nein, nur die besten!« erwiderte der Earl und ging weiter, ohne sich noch einmal umzuschauen.

    Der Earl erreichte den Sattelplatz, als Delos, das Siegerpferd, unter Hochrufen und dem Applaus der zusammenströmenden Menge auf den Sattelplatz geführt wurde.

    Der Jockey schwang sich aus dem Sattel. Er war ein schmaler, hohlwangiger junger Mann, der nur selten lächelte.

    »Gut gemacht, Marson«, lobte ihn der Earl. »Ihr Timing war ausgezeichnet.«

    »Danke, Mylord. Ich hab mich genau an Ihre Anweisungen gehalten.«

    »Mit bestem Erfolg«, versetzte der Earl knapp.

    Er gab seinem Pferd einen Klaps auf die Hinterhand und verließ den Sattelplatz, ohne die Ergebnisse des Wiegens abzuwarten.

    Als er zum Jockey-Club zurück schlenderte, gesellte sich Lord Yaxley zu ihm.

    »Wieder mal 'ne verdammt hübsche Summe Guineas eingestrichen, Osric«, sagte er anerkennend. »Womit ich nicht behaupten will, daß du sie nötig hättest.«

    »Du hast doch auch auf ihn gesetzt, oder?«

    Sekundenlang zögerte Lord Yaxley mit der Antwort.

    »Um ehrlich zu sein, ich war mir nicht sicher«, gestand er schließlich »Arkrie rechnete hundertprozentig mit einem Sieg.«

    »Ja, wenigstens hat er wochenlang damit herumgeprahlt«, bemerkte der Graf.

    »Und also hast du beschlossen, es ihm zu zeigen«, bemerkte Lord Yaxley lächelnd. »Nun, zweifelsohne hast du dein Ziel erreicht. Ich schätze, Arkrie hat an die dreitausend Guineas in das Rennen investiert. Du bist dir doch im Klaren, daß du ihn damit zu deinem Feind gemacht hast.«

    »Das war er immer«, erwiderte der Earl gleichgültig.

    Sie erreichten das Clubgelände und betraten die Bar.

    »Darf ich dich zu einem Drink einladen?« fragte der Earl.

    »Ich denke, das ist das wenigste, was du tun kannst, Osric«, antwortete Lord Yaxley. »Verdammt, Geld geht immer zu Geld. Oder, wie mein alter Herr zu sagen pflegte: Der Teufel macht immer auf den größten Haufen.«

    »Du solltest mehr auf deine Freunde hören«, Lord Helstones Stimme klang kühl. »Ich habe dir doch gesagt, daß Delos ein gutes Pferd ist.«

    »Das Dumme ist nur, daß du es nicht überzeugend genug gesagt hast«, erklärte Lord Yaxley vorwurfsvoll.

    Lord Helstone schwieg und ergriff das Champagnerglas, das der Barkeeper ihm reichte.

    Auch Lord Yaxley hob sein Glas.

    »Auf dein Wohl, Osric«, sagte er. »Und daß dir auch weiterhin bei allem, was du tust, Erfolg beschieden ist.«

    »Du schmeichelst mir«, bemerkte der Earl gelassen.

    »Im Gegenteil«, widersprach Lord Yaxley. »Du bist ein Mensch, der auf eine geradezu aufreizende Art und Weise überall den ersten Platz belegt. Und das nicht nur auf der Pferderennbahn.«

    Er streifte den Freund mit einem halb ärgerlichen, halb mißbilligenden Blick und sagte gereizt: »Verflucht Osric, du solltest etwas zufriedener dreinschauen! Schließlich hast du vor wenigen Minuten eins der wichtigsten Rennen in dieser Saison gewonnen und damit bewiesen, daß deine Vollblüter von keinem Stall zu übertreffen sind. Du müßtest eigentlich Luftsprünge machen vor Freude, alter Junge!«

    »Alter Junge! Da hast du recht. Für diesen jugendlichen Überschwang bin ich wirklich zu alt«, entgegnete der Earl. »Es bereitet mir natürlich eine außerordentliche Genugtuung, den anderen zu beweisen, wie gut meine Pferde sind. Aber das ist für mich kein Grund, in einen Glückstaumel zu verfallen. Mein Trainer und mein Jockey hatten sehr genaue Anweisungen von mir erhalten, und ich wußte, daß sie sich strikt daran halten würden.«

    Mit einer heftigen Bewegung stellte Lord Yaxley sein Glas auf die Platte der Bartheke zurück.

    »Du treibst mich noch zur Weißglut, Osric«, sagte er. »Manchmal frage ich mich, wo eigentlich der Draufgänger geblieben ist, der du in früheren Zeiten einmal warst. Erinnerst du dich nicht mehr? Du warst der wildeste von uns und für jeden Spaß zu haben. Was eigentlich ist mit dir geschehen?«

    »Wie ich eben schon sagte, man wird nicht jünger«, antwortete der Earl trocken.

    »Ich glaube nicht, daß es das Alter ist«, widersprach Lord Yaxley. »Ich glaube, es ist etwas anderes: eine gewisse Sattheit, eine Art Überdruß. Es ist wie bei den Banketts im Carlton House, von denen mein alter Herr zu erzählen pflegte.«

    Er nahm einen Schluck Champagner und fuhr fort: »Da muß es allein so viele Vorspeisen gegeben haben, daß man sie kaum zählen konnte. Und der Regent soll dabei derart zugelangt haben, daß er am Ende des Dinners nicht mehr imstande war, sich ohne fremde Hilfe aus seinem Stuhl zu erheben.«

    »Ich mag viele Laster haben«, bekannte der Earl, »aber Völlerei gehört nicht dazu.«

    »Das wollte ich damit auch nicht behaupten. Aber du übertreibst eben auf eine andere Weise.«

    Ein Bekannter näherte sich den beiden Freunden und beglückwünschte den Earl zu seinem Sieg. Lord Yaxley fand keine Gelegenheit, die Unterhaltung fortzusetzen.

    Erst Stunden später, als die beiden Männer in Lord Helstones elegantem Haus in einem der Außenbezirke der Stadt zusammensaßen, unternahm Lord Yaxley einen neuen Vorstoß.

    »Warum hast du heute Abend das Dinner so früh verlassen, das man dir zu Ehren gab, Osric? Du bist dir doch hoffentlich darüber im Klaren, daß du mit solch einem Verhalten viele deiner Freunde vor den Kopf stößt.«

    »Ich glaube nicht, daß überhaupt jemand unser frühes Weggehen zur Kenntnis genommen hat«, erwiderte der Earl. »Die meisten waren schon derart beschwipst, daß sie sich für meine Anwesenheit kaum noch interessiert haben dürften.«

    »Und du warst natürlich wieder einmal stocknüchtern, nicht wahr?« fragte Lord Yaxley.

    Er ließ sich in einen der bequemen Ledersessel fallen.

    »Wenn es etwas gibt, das ich wirklich verabscheue«, sagte der Earl, »dann ist es diese sinnlose Trinkerei, die mich am nächsten Morgen daran hindert, mir das Morgentraining anzuschauen.«

    »Ja, ich weiß. Du bist ein unverbesserlicher Asket und ein Muster an Tugendhaftigkeit!«

    »Vorhin wolltest du mir noch einreden, ich sei ein Schlemmer und Genießer, hast mir Übersättigung und Übertreibung vorgeworfen«, entgegnete der Earl und verzog spöttisch die Lippen.

    »Nicht was Essen und Trinken angeht. Wohl aber in anderer Beziehung«, gab Lord Yaxley zurück.

    »Gut, wenn es also nicht der Wein ist, müssen es Weib und Gesang sein«, sagte der Earl. »Raus mit der Sprache, alter Junge. Mach aus deinem Herzen keine Mördergrube! Ich bin gespannt, was du mir zu sagen hast, obwohl ich mich gleichzeitig frage, warum ausgerechnet du mir eine Lektion erteilen willst!«

    »Ganz einfach, Osric, weil ich dich mag«, antwortete Lord Yaxley. »Und weil wir alte Freunde sind. Ich kann es einfach nicht mehr länger mit ansehen, wie du von Jahr zu Jahr gelangweilter und gleichgültiger wirst.«

    »Wer behauptet, ich sei gelangweilt?« fragte der Earl.

    »Das muß niemand behaupten, denn es ist ganz offenkundig«, entgegnete Lord Yaxley. »Ich habe heute auf dem Rennplatz dein Gesicht beobachtet. Nicht einmal die leiseste Spur von Genugtuung war in deinen Augen zu erkennen, als Delos Arkries Pferd auf den zweiten Platz verwies. Das ist doch unnatürlich, Osric, wie du zugeben  mußt.«

    Der Earl antwortete nicht. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und starrte sinnend in die Kaminflammen.

    »Was ist los mit dir?« fragte Lord Yaxley mit veränderter Stimme. »Hat es etwas mit Genevieve zu tun?«

    »Vielleicht.«

    »Denkst du daran, sie zu heiraten?«

    »Warum sollte ich!«

    »Sie erinnert mich ein wenig an Arkrie und sein Gerede. Überall und zu jedermann spricht sie darüber, wie verliebt sie in dich ist.«

    »Ich kann sie nicht daran hindern, sich selbst lächerlich zu machen«, erklärte der Earl, »aber ich kann dir versichern, daß von meiner Seite aus nichts geschehen ist, was sie zu irgendwelchen Hoffnungen in Bezug auf meine Person ermutigen könnte.«

    »Sie würde keine schlechte Figur am Familientisch der Helstones abgeben. Und mit dem berühmten Helstone-Schmuck müßte sie einfach hinreißend aussehen.«

    Der Earl schaute still vor sich hin, dann sagte er: »Ich habe nicht den Wunsch, Genevieve zu heiraten.«

    Lord Yaxley stieß einen Seufzer aus, der irgendwie erleichtert klang.

    »Ganz offen, Osric, mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich war mir nicht im Klaren darüber, ob du Feuer gefangen hattest oder nicht. Aber Genevieve würde dir gewiß schon nach kurzer Zeit nichts mehr bedeuten. Sie würde dich anöden wie alle ihre hübschen Vorgängerinnen, die du, eine nach der anderen, abgeschoben hast.«

    Er lachte und fügte hinzu: »Ist dir schon aufgefallen, daß sie sich immer so setzt, daß man ihr Profil bewundern, muß? Sie verriet mir, jemand - ich habe vergessen, wer es war - habe ihr gesagt, wenn Frances Stewart nicht für die Britannia Modell gestanden hätte, würde man sie dazu ausgewählt haben.«

    »Wenn ich mich recht erinnere«, sagte der Earl mit einem Beiklang von Sarkasmus in der Stimme, »war Frances Stewart diejenige, die Charles II. zurückwies, weil er sie nicht mehr liebte, als ihr Gesicht zeitweilig von Blattern entstellt wurde.«

    Lord Yaxley lachte kurz auf, dann fuhr er fort: »So weit ich mich erinnere, hat dich eigentlich nie eine Frau zurückgewiesen, Osric. Und ich frage mich langsam, ob es nicht die Tatsache ist, die deine Gleichgültigkeit bewirkt.«

    »Was willst du damit sagen?«

    »Nun, jetzt, wo ich mir das Ganze so richtig durch den Kopf gehen lasse, wird es mir klar: Es muß auf die Dauer äußerst langweilig für einen Mann werden, wenn er weiß, daß er immer die besten Karten zieht, immer den Vogel abschießt und in allem der Erste ist. Das kann ja nur zu Überdruß führen.«

    »Noch mehr Schmeicheleien?«

    »Das kannst du nehmen, wie du willst. Jedenfalls spreche ich die Wahrheit«, sagte Lord Yaxley. »Du kannst mir sagen, was du willst, Osric. Die Langeweile tötet dich.«

    »Und was rätst du mir?« fragte der Earl.

    »Ich wünschte, ich könnte dir darauf eine Antwort geben. Es müßte irgendwo einen Preis geben, den du noch nicht errungen, einen Gipfel, den du noch nicht bestiegen, eine Schlacht, die du noch nicht gewonnen hast.«

    »Vielleicht wäre ein Krieg die Lösung«, bemerkte der Earl. »Dann wäre man wenigstens auf sehr einfache Weise damit beschäftigt, am Leben zu bleiben.«

    »Manchmal glaube ich, das Beste für dich wäre es, zu heiraten«, sagte Lord Yaxley gedankenverloren. »Aber ich bin mir da nicht sicher. Jedenfalls könnte eine Ehe erreichen, daß du ein wenig sesshafter würdest und mehr Zeit in England verbrächtest. Kein Wunder, daß es dich immer wieder in fremde Länder treibt, wenn man bedenkt, daß du mutterseelenallein in diesem riesigen Haus lebst. Deine Vorfahren mögen ehrenwerte und wohl achtbare Menschen gewesen sein, aber die Aussicht, ständig nur in der Gesellschaft ihrer Konterfeis zu leben, ist nicht besonders erheiternd, würde ich sagen.«

    »Du bist also tatsächlich der Überzeugung, eine Heirat würde die Lösung bringen?«

    »Ja, vielleicht. Aber nicht mit Genevieve. Im Grunde taugt sie nicht für die Ehe. Auch dann nicht, wenn du genug für sie empfinden würdest, um ein ganzes Leben mit ihr zu verbringen.« Lord Yaxley schwieg, dann schlug er mit der Rechten auf die Lehne des Sessels. »Aber, zum Teufel noch mal, irgendwo müßte es doch eine Frau geben, die dir das Wasser reichen kann, oder die wenigstens so interessant ist, daß sie dich nicht zu Tode langweilt!« sagte er heftig.

    »Davon gibt es eine ganze Menge, mein Lieber.«

    »Das weiß ich auch, du Idiot«, rief Lord Yaxley verärgert.

    »Aber ich denke jetzt nicht an die Sorte von Frauen, mit denen du irgendwelche längeren oder kürzeren Liebesabenteuer hattest. Ich rede von der Ehe mit einer hübschen, achtbaren, jungen Lady, die dir einige Kinder schenkt. Vor allem einen Sohn und Stammhalter. Jedenfalls wäre das etwas, das du bisher noch nicht ausprobiert hast. Unter Umständen kämst du sogar auf den Geschmack und fändest Spaß an deiner Rolle als Ehemann und Vater.«

    »Einen Sohn zu haben, wäre nicht übel. Aber welchen Tribut müßte ich dafür zahlen! Ich müßte mir unablässig das einfältige, banale Geschwätz dieses achtbaren, jungen Mädchens anhören«, gab der Earl zu bedenken. »Ich versichere dir, Yaxley, allein der Gedanke daran ist mir unerträglich. Wenn ich schon gezwungen bin, mich mit einer Frau zu unterhalten, ziehe ich die Unterhaltung mit Genevieve der mit jeder anderen vor.«

    »Du hast ja recht, Osric«, gab Lord Yaxley widerwillig zu. »In der vergangenen Woche bin ich auf dem diesjährigen Debütantinnenball gewesen. Ich mußte mich da sehen lassen, weil eine meiner Nichten daran teilnahm. Noch nie im Leben habe ich etwas so Trauriges gesehen.«

    »Na schön, damit hast du auch die Antwort auf deinen Vorschlag.«

    »Eine Debütantin wäre ohnehin zu jung für dich«, meinte Lord Yaxley. »Wir werden beide im nächsten Jahr dreißig.«

    »Und was ist die Alternative nach deiner Meinung?« fragte der Earl.

    »Die Alternative? Ich denke da an eine charmante, attraktive und zugleich intelligente junge Witwe«, erklärte Lord Yaxley.

    »Aha! Und damit wären wir dann wieder bei Genevieve angelangt.«

    Zwischen den beiden Männern breitete sich ein längeres Schweigen aus. Jeder von ihnen dachte an die verführerische, temperamentvolle und manchmal recht strapaziöse Lady Genevieve Rodney.

    Vor zwei Jahren war sie Witwe geworden. Kaum war die Trauerzeit verstrichen, hatte sie die feine Gesellschaft Londons durch ihre unbekümmerte Art, sich über die herrschenden Konventionen hinwegzusetzen, regelrecht vor den Kopf gestoßen.

    Die Gentlemen allerdings sahen das anders. Sie waren samt und sonders von der reizvollen, lebenshungrigen Witwe hingerissen. Und Genevieves kleines Haus in Mayfair wurde Tag und Nacht von zahllosen Verehrern belagert.

    Daß sie ein Auge auf den Earl of Helstone geworfen hatte und fest entschlossen war, sich ihn zu angeln, überraschte niemanden.

    Der Earl war nicht nur einer der reichsten, sondern nach Ansicht vieler Frauen auch der bestaussehende Mann in ganz England.

    Dennoch hieß er bei seinen Freunden und Bekannten der ehescheue Graf. Und dieses Prädikat trug er nicht zu Unrecht.

    Seit Beendigung seiner Studien war er sowohl von ehrgeizigen Müttern als auch deren heiratsfähigen Töchtern regelrecht verfolgt worden. Es gab überhaupt erstaunlich viele Frauen, die von seinem markanten, männlich-schönen Gesicht genauso magisch angezogen wurden wie von seiner stets prall gefüllten Brieftasche.

    Aber alle Bemühungen, ihn in das Netz der Ehe zu locken, waren bisher an seinem hartnäckigen Widerstand gescheitert.

    Allerdings hatte seine Skepsis gegenüber einer Ehe ihn nicht davon abgehalten, Lady Genevieve - die schönste Frau bei Hof - ihren Verehrern und Liebhabern vor der Nase wegzuschnappen. Das bereitete ihm Vergnügen.

    Lady Genevieve hatte kein Geheimnis daraus gemacht, daß er nicht der erste Mann war, der ihr Herz eroberte. Und er war auch nicht der erste Liebhaber, dem sie nach dem Tode des Gatten ihre Gunst schenkte.

    Doch während der Monate, die sie miteinander verbrachten, gab sie ihm sehr deutlich zu verstehen, daß sie nichts dagegen hätte, wenn er der Letzte wäre.

    Lady Genevieves Herz war ein rätselhaftes Ding, und der Earl hatte zumindest starke Zweifel, ob ihre Liebesbekundungen wirklich einer tiefen inneren Empfindung entsprangen. Jedenfalls gab es genügend Anzeichen dafür, daß Genevieve echte Zuneigung mit dem Bedürfnis nach größtmöglicher materieller Sicherheit und nach einer gesellschaftlichen Stellung verwechselte, die außerhalb des Königshauses ihresgleichen suchte.

    Die Helstones hatten tatsächlich königliches Blut in den Adern.

    Und es war bekannt, daß ihr Stammbaum mit seinen unzähligen Verästelungen selbst den Experten der Wappenkunde Kopfzerbrechen bereitete.

    Doch abgesehen davon hatte der Earl sich aufgrund eigener Verdienste eine so wichtige Position im Oberhaus erworben, daß er als eine der einflußreichsten Persönlichkeiten in England galt, als ein Mann, mit dem man rechnen mußte und dessen Meinung sogar der Premier nicht unbeachtet ließ.

    Außerdem gab es niemanden im ganzen Land, der es wagen konnte, die führende Rolle des Earl im Reitsport zu bestreiten.

    Er verfügte über die größte Vollblutzucht der Insel. Und um das eigene Gestüt mit frischem Blut zu versehen, hatte er wie die alten Züchter echte Araberhengste importiert.

    So war Delos, der Gewinner des Rennens von Newmarket Heath, ein direkter Abkömmling des berühmten Eclipse, des Vaters vieler bekannter Rennpferde, von dessen legendären Erfolgen man in Reitsportkreisen nur mit angehaltenem Atem sprach.

    Eclipse - oder Sonnenfinsternis - erhielt seinen Namen von der großen Sonnenfinsternis, die 1764, dem Jahr seiner Geburt, die Menschen in Aufregung versetzte. Sein Züchter war William, Duke von Cumberland, der im Jahr danach das Zeitliche segnete.

    Nach dem Tode des Duke wurde das Tier für fünfundsiebzig Guineas an Mr. William Wildeman verkauft.

    Seinen ersten Auftritt auf dem Rennplatz hatte Eclipse im Jahr 1769 beim Noblemen and Gentlemen's Plate in Epsom. Er gab dort eine atemberaubende Vorstellung, und von diesem Augenblick an war es jedem Kenner klar: Hier hatte man es mit einem Tier zu tun, dessen phänomenale Vorzüge in der Geschichte des Rennsports einmalig waren.

    Wenn der Earl von Helstone an Delos oder die anderen Pferde aus seinem Gestüt dachte, hatte er das Gefühl, wenigstens eines davon würde es seinem weltberühmten Urahn einmal gleichtun.

    Wirklich sicher konnte man allerdings erst sein, wenn das Tier bei einer Anzahl großer Rennen einen Sieg nach dem anderen geholt hätte.

    »Vielleicht gibt es für einen Mann kein höheres Ziel und keine größere Genugtuung im Leben, als ein Pferd wie Eclipse oder eins, das ihm ähnlich ist, zu besitzen«, sagte Lord Helstone jetzt mit halblauter Stimme.

    Er blickte zu dem Gemälde über dem Kamin auf. Es war ein Bild von Eclipse, das der berühmte Pferdeporträtist George Stubbs gemalt hatte.

    Das Fell des Hengstes war von einem dunklen Kastanienbraun. Auf der Stirn hatte er eine Blesse, und auch die Strümpfe der beiden Hinterhände waren leuchtend weiß. Gemessen am Standard seiner Zeit war es ein ungewöhnlich stattliches Tier, dessen Schulterhöhe 10 Handbreit und 3 Inches betrug.

    Der Abstand von der Hüfte zum Sprunggelenk war auffallend groß, die Vorhand gedrungen und kraftvoll, der Widerrist vollendet ausgebildet.

    Diesen Eigenschaften verdankte er die gewaltige Schnellkraft, die ihm, gepaart mit einem wilden, aggressiven Temperament, seinen ruhmvollen Platz in den Annalen des Pferderennsports eintrugen.

    Lord Yaxley folgte dem Blick seines Freundes. »Ich muß zugeben«, sagte er, »Delos hat heute einen sensationellen Endspurt hingelegt. Glaubst du, er kann das Derby gewinnen?«

    »Ich weiß nicht einmal, ob ich ihn überhaupt daran teilnehmen lasse«, erwiderte der Earl.

    «Es wird dir gar nichts anderes übrig bleiben«, sagte Lord Yaxley.

    »Du kannst sicher sein, daß ich in dieser Frage einzig und allein meinem eigenen Urteil folgen werde«, antwortete der Earl. »Bisher hat es noch nie jemand fertig gebracht, meine Entscheidungen zu beeinflussen. Und das wird

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