140 Geliebter Retter
Von Barbara Cartland
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Über dieses E-Book
sich nimmt. Vor vielen Jahren hatte er das Kind aus der Gewalt seines brutalen Vaters gerettet und in einem Internat untergebracht. Felica, inzwischen eine entzückende junge Dame, hat nun ihre Ausbildung beendet und soll eine Zeitlang bei ihm leben, bis er den richtigen Ehemann für sie gefunden hat. Darlington spürt bald, daß Felica ganz anders ist als die meisten Mädchen ihres Alters: Wegen ihrer schrecklichen Kindheitserlebnisse hat sie panische Angst vor Männern. Als er sie abermals aus großer Gefahr befreien kann, erkennt er, daß er sich unsterblich in sie verliebt hat. Wie, so fragt er sich, kann er Felica ihre Angst vor Männern nehmen, so daß sie seine Liebe vielleicht erwidern kann?
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Buchvorschau
140 Geliebter Retter - Barbara Cartland
1 ~ 1831
»Ich mag diesen Wahnsinn nicht«, sagte Königin Adelaide, als das Pferd des Herzogs von Darlington den Zielpfosten zwei Längen vor dem Hengst des Königs erreichte.
König William, immer freundlich und gut gelaunt, erwiderte lachend: »Wenn du seinen Lebensstil auch mißbilligst — es ist schwierig, den ,flotten Herzog' nicht zu mögen, meine Liebe.«
Die Menge bejubelte Darlingtons Sieg, viele Männer warfen ihre Hüte in die Luft. Obwohl Gay Glory ein Außenseiter gewesen war, hatten zahlreiche Bewunderer des Herzogs auf dieses Pferd gewettet.
Als er in die Einfriedung trat, wo die Jockeys gewogen wurden, gratulierte man ihm von allen Seiten.
»Ein tolles Rennen, Darlington!«
»Gut gemacht, Herzog!«
»Wie ich sehe, sind Sie so erfolgreich wie eh und je.«
»Wir hätten wissen müssen, daß Sie uns überraschen würden.«
Die übrigen Glückwünsche wurden vom Beifall des Publikums übertönt, das sich an den Zaun drängte. Der Herzog streichelte Gay Glory, dann schüttelte er seinem Jockey die Hand, und das Geschrei wurde noch lauter.
»Eine ausgezeichnete Leistung, Ryan«, lobte er den Reiter.
»Danke, Euer Gnaden! Sobald ich vorn lag, war’s nicht mehr schwer.«
Der Herzog lächelte, und der Jockey verschwand mit seinem Sattel in dem Raum, wo er gewogen werden sollte.
Das offizielle Resultat wurde bekannt gegeben, und neuer Applaus brandete auf. Der Herzog eilte zu seiner Loge, wo ihn einige Freunde erwarteten, darunter Lady Isobel Westbury.
Sie war wunderschön und äußerst elegant. Erst im letzten Monat hatte der Herzog um ihre Gunst geworben. Unmißverständlich verrieten ihm nun ihr Blick und ihre Hand, die seinen Arm umklammerte, was er ihr bedeutete.
»Ich freue mich so für dich«, wisperte sie, »wie sehr, werde ich dir zeigen, wenn wir allein sind.«
»Heute Abend geht es leider nicht.«
»Warum nicht?« Ihre melodische Stimme nahm einen scharfen Klang an.
»Weil ich zum Dinner auf Schloß Windsor erscheinen muß. Dorthin wird jeder Gewinner des Gold Cup traditionsgemäß eingeladen.«
Lady Isobel zog einen Schmollmund.
»Kannst du nicht absagen?«
»Ich sehe keinen Grund, Seine Majestät zu beleidigen, wenn ich nach dem schlecht zusammengestellten und elend zubereiteten Essen auch gewiß Magenbeschwerden bekommen werde.«
Darüber mußte sie lachen. In der Beau Monde scherzte man oft und gern über die armselige Qualität der Speisen, die in den königlichen Palästen serviert wurden. George IV. war ein Gourmet und Genußmensch gewesen. Doch sein Bruder William wollte nach jenen wilden Extravaganzen, die ihm einen gewaltigen Schuldenberg hinterlassen hatten, sparsam leben.
»Und morgen Abend?« fragte Isobel. »Wirst du mich dann noch einmal enttäuschen?«
»Ich werde irgend etwas arrangieren«, versprach der Herzog.
Sie lächelte, denn sie wußte, daß er trotz all seiner Fehler stets Wort hielt. Und sie beabsichtigte, ihre Position als seine neue große Liebe zu festigen. Das war nicht erstaunlich, denn der Herzog galt nicht nur als das attraktivste Mitglied des Hochadels, sondern auch als das bedeutsamste und reichste. Die beiden letzteren Vorzüge spielten bei ihm jedoch keine so große Rolle, wie es bei anderen Männern der Fall gewesen wäre. Vor allem sein Charme und seine undefinierbare Verwegenheit bewogen die Frauen, ihm nachzulaufen wie einem Rattenfänger.
»Verdammt, Darlington!« hatte ein älteres Clubmitglied des White’s erst letzte Woche gesagt. »Gibt es in London eine Frau, mit der Sie noch nicht im Bett waren?«
Der Herzog war keineswegs beleidigt gewesen.
»Wenn Sie eine kennen, so geben Sie mir bitte ihre Adresse«, hatte er lachend erwidert.
Der »flotte Herzog« hatte eben immer eine passende Antwort parat.
Seine Beliebtheit im Volk verblüffte längst niemanden mehr. Auf den Rennplätzen wirkte er stets viel auffälliger als seine Rivalen, zudem siegten seine Pferde meistens. Seine Farben waren Gelb und Schwarz, und wann immer sie am Jackett eines Jockeys oder an einer Wagentür auftauchten, schien sich der Puls eines jeden zu beschleunigen, und die Leute riefen: »Da kommt der flotte Herzog! Jetzt werden wir wieder unseren Spaß haben.«
Seine vitale Persönlichkeit wirkte auf jeden erfrischend, mit dem er zusammentraf. Es gab viele Geschichten über ihn, die im Laufe der Jahre nichts von ihrem Reiz verloren hatten, mochte man sie auch noch so oft in den Clubs an der St. James Street oder in den Slums von St. Giles erzählen.
Eine Begebenheit wurde besonders häufig wiederholt, jedoch nie vom Herzog selbst, denn er sprach nicht über seine affaires de coeur. Eines Abends hatte er eine Geliebte, zu der er sehr großzügig gewesen war, unangemeldet besucht. Ein anderer Gentleman war gerade bei ihr gewesen: Sie hatte ihn hastig in ihrem Schlafzimmerschrank versteckt.
Der Herzog trat ein, sah sich um und rief: »Romeo, Romeo, wo bist du, Romeo?« Er fand den Mann, zog ihn aus dem Schrank und bemerkte freundlich: »Zweifellos sind Sie traditionsgemäß über den Balkon zu Ihrer Julia heraufgeklettert. Also müssen Sie auf demselben Weg verschwinden.«
Und dann warf er den Unglücklichen durch das Schlafzimmerfenster auf die Straße hinunter. Der Ärmste hatte ein gebrochenes Bein.
Eine andere typische Geschichte handelte von einem Kutscher, einem Riesen mit gewaltigen Muskeln, der sein Pferd gezüchtigt hatte. Der Herzog zerbrach wutentbrannt die Peitsche des Mannes, schlug ihn bewußtlos, brachte ihn anschließend in seinem Wagen heim und beauftragte die Ehefrau des Kutschers, ihn im Bett festzuhalten, bis er sich erholt habe.
Darlington, der »flotte Herzog« . . . Die Geschichten über ihn, die sich Jahr um Jahr vermehrten, hatten bereits ihren Anfang genommen, als er noch in Eton zur Schule und später in Oxford auf die Universität gegangen war. Sie versorgten seine Zeitgenossen immer wieder mit Gesprächsstoff. Man bewunderte seine sportlichen Leistungen und beneidete ihn nicht einmal. Da er so erfolgreich war, hielt man jeden Versuch, mit ihm zu wetteifern, für sinnlos.
»Ich weigere mich, zusammen mit dir an einem Wettkampf teilzunehmen«, erwiderte einer seiner engsten Freunde, nachdem der Herzog ihn aufgefordert hatte, mit ihm ein Hindernisrennen zu bestreiten. »Es sei denn, du sitzt rückwärts im Sattel, die Hände gefesselt.«
»Ich hätte gute Lust, darauf einzugehen«, entgegnete der Herzog grinsend.
»Wahrscheinlich würdest du auch dann gewinnen«, meinte der Freund resigniert. »Eigentlich müßte ich dich hassen. Statt dessen bewundere ich dich genauso wie all diese schwachsinnigen Frauen, die dir in die Hölle folgen würden, wenn du sie darum bätest.«
»Du schmeichelst mir«, sagte der Herzog trocken.
Aber er mußte dem Freund, der die vielen Frauen, die ihm zu Füßen lagen, als schwachsinnig bezeichnet hatte, recht geben. Sie ahnten nicht, daß er ein wenig Widerstand und Ungewißheit bevorzugt hätte. Wenn er auch selbstsicher genug war, um nicht an seinem Sieg zu zweifeln, so wollte er doch nicht von vornherein wissen, wie lange er brauchen würde,, um sein Ziel zu erreichen.
Seit der neue Monarch auf dem Thron saß, hatte sich die Moral erheblich verbessert. Jeder, der ein lockeres Leben führte, wurde in höfischen Kreisen voller Mißbilligung beobachtet. Aber was den »flotten Herzog« betraf, so übten die Damen immer noch viel zu wenig Zurückhaltung. Ehe er noch ihre Namen kannte, waren sie bereit, ihm in die Arme zu sinken. Und er mußte sie nicht umwerben — er wurde selbst umworben.
»Was ich so langweilig finde«, hatte er einmal Hubert Brougham, einem seiner besten Freunde, anvertraut, »ist die ständige Wiederholung der gleichen Situationen. Und dabei sehne ich mich nach Abwechslung.«
»Wenn du etwas Neues erleben willst, solltest du über die Grenzen von Mayfair hinausschauen«, riet Hubert ihm.
»Da hast du sicher recht«, entgegnete der Herzog nachdenklich. »Die Frauen, die wir kennen, stammen alle aus derselben Gesellschaftsschicht. Sie haben alle dieselben Tricks gelernt, und die wenden sie nun unaufhörlich an.«
»Du wirst doch nicht etwa zynisch?« fragte Hubert lachend.
»Das ist wohl unvermeidlich. Wenn man genau weiß, was ein schöner Mund sagen wird, fällt es einem schwer zuzuhören.«
»Ich dachte, du hättest in weiblicher Gesellschaft etwas Besseres zu tun, als dich zu unterhalten«, neckte Hubert den Herzog, der ein wenig wehmütig lächelte. »Ich habe mich schon oft gefragt, ob du jemals verliebt warst.«
Als Darlington irritiert die Brauen hob, fuhr sein Freund fort: »Tu nicht so erstaunt, du weißt genau, was ich damit sagen will. Ich meine die Art von Liebe, die dich zwingen würde, die betreffende Frau zu heiraten und ein neues Leben zu beginnen.«
»Ich beabsichtige nicht, jemals zu heiraten.«
Hubert starrte den Herzog verwundert an.
»So etwas Lächerliches habe ich noch nie gehört!«
»Es würde mich schrecklich langweilen, bis ans Ende meiner Tage an ein und dieselbe Frau gebunden zu sein. Da bin ich mir sicher.« Er schwieg einen Moment, dann setzte er hinzu: »Ich weiß, was du sagen willst. Aber so wie ich als Ehemann keinem anderen Mann gestatten würde, mit meiner Gattin zu flirten, so würde ich mich auch keiner anderen Frau mehr nähern wollen.«
»Soll das heißen, du würdest treu sein, wenn du verheiratet wärst?« rief Hubert ungläubig.
»Und da das völlig unmöglich ist, werde ich niemals heiraten.«
»Aber du brauchst einen Erben — hast du das noch nicht bedacht?«
»Es gibt so viele Darles, daß ich sie gar nicht zählen kann. Und wie du weißt, hat mein jüngerer Bruder, der aus gesundheitlichen Gründen im Ausland lebt, bereits zwei Söhne. Sollten sie bei meinem Tod nicht mehr auf Erden weilen, gibt es noch etwa dreißig Vettern ersten Grades, von den Vettern zweiten, dritten und vierten Grades gar nicht zu reden.«
Hubert seufzte.
»Ich verstehe deinen Standpunkt zwar, aber trotzdem finde ich deine Haltung bedauerlich. Wenn du älter bist, würdest du es sicher genießen, einen Sohn zu haben, dem du das Reiten und Jagen beibringen kannst. Aber andererseits würde er sich gewiß sehr ärgern, wenn du ihm seine Freundinnen abspenstig machtest.«
»Ich muß eben ohne Familie auskommen. Außerdem würde ich wohl kaum einen vorbildlichen Vater abgeben.«
»Da stimme ich dir allerdings zu.« Hubert schwieg eine Weile, dann sagte er: »Ich überlege gerade, ob es sich lohnen würde, mit dir zu wetten, daß du dich doch noch verlieben wirst. Um fünfhundert Pfund . . .«
»Einverstanden!«
»Und welche Altersgrenze wollen wir festlegen?«
»Mein Großvater hat mit neunundachtzig noch einmal geheiratet.«
»Ich hätte mir denken können, daß es da einen Haken gibt. Also werde ich die Wette verlieren, da ich sicher vor dir sterbe.«
Der Herzog nickte.
»Genau!«
Sie lachten beide. Dann sprachen sie über Pferde — ein Thema, das ihnen interessanter und aufregender erschien, als über Frauen zu plaudern.
Im Haus eines alten Freundes, bei dem er während der Rennen wohnte, genoß der Herzog ein erfrischendes Bad, das sein Kammerdiener vorbereitet hatte. Seufzend dachte er an den langweiligen Abend, der ihm bevorstand.
Die Abende auf Schloß Windsor, die er schon mehrmals über sich hatte ergehen lassen, waren immer schrecklich öde. Außerdem wußte er, daß die Königin ihn ablehnte. William IV., ein geselliger, humorvoller Mann, hatte vor der Thronbesteigung ein recht zügelloses Leben geführt. Gewiß wäre er bereit gewesen, die Menschen in seiner Umgebung nicht allzu streng zu beurteilen, schließlich hatte er selbst mit der Schauspielerin Mrs. Jordan zehn illegitime Kinder gezeugt. Doch seine junge Königin, in Deutschland geboren, zeigte sich fest entschlossen, dem liederlichen Lebensstil am englischen Hof, den der vorangegangene Monarch eingeführt hatte, wieder abzuschaffen.
Zu ihren ersten Amtshandlungen hatte die Weigerung gezählt, die elegante und überaus reiche Herzogin von St. Albans zu empfangen, die Witwe des Bankiers Coutts. Vor ihrer Heirat war sie Schauspielerin von zweifelhaftem Ruf gewesen, und die Königin hatte kategorisch erklärt,