Blut ist dicker als Wasser: Der Bergpfarrer Extra 29 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern.
Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen.
Julia Lanzinger las das Schreiben, das ihr vor zehn Minuten der Briefträger per Übergabeeinschreiben ausgehändigt hatte, zum zweiten Mal durch. Absender war das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, genauer gesagt – das Nachlassgericht. Die Buchstaben verwischten vor Julias Augen, in denen plötzlich Tränen standen. Niemals hatte ihre Mutter ihr verraten, wer ihr Vater war. Nun teilte ihr das Nachlassgericht mit, dass es sich um einen Mann namens Anton Gredinger gehandelt hatte, der vor etwas über einer Woche in St. Johann verstorben war. Bei dem Schreiben handelte es sich um eine Vorladung zum Nachlassgericht, das die Erbangelegenheiten Anton Gredingers zu regeln hatte. Lange saß Julia wie erstarrt in ihrer kleinen Küche, Tränen rannen über ihre Wangen, sie war zutiefst aufgewühlt und es gelang ihr nur nach und nach, den Aufruhr ihrer Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Unablässig hämmerte der Name ihres biologischen Vaters durch ihren Verstand. Sie hatte einundzwanzig Jahre alt werden müssen, um zumindest seinen Namen zu erfahren. Ihn persönlich kennenzulernen war ihr versagt. Sie würde nur noch an seinem Grab auf dem Friedhof in St. Johann ein Gebet für ihn sprechen können. Julia war erschüttert. Als sie die Hiobsbotschaft etwas verarbeitet hatte und ihre Tränen getrocknet waren, steckte sie den Brief des Nachlassgerichts in ihre Umhängetasche, verließ ihre Wohnung am Stadtrand von Bad Wörishofen und fuhr zu ihrer Mutter, die im Zentrum des Ortes wohnte. Anna Lanzinger war eine gepflegte Frau von achtunddreißig Jahren, die in dem Kurort eine kleine Gaststätte betrieb. Julia sah ihr ausgesprochen ähnlich. Nachdem Julia an der Wohnungstür geläutet hatte, öffnete Anna, ein erfreutes Lächeln glitt über ihr hübsches Gesicht und sie sagte: »Grüß dich, Julia. Das freut mich aber, dass du mich besuchen kommst. Allerdings hab' ich nicht allzu viel Zeit, denn in einer Stunde öffne ich das Lokal …«
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Der Bergpfarrer Extra
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Rezensionen für Blut ist dicker als Wasser
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Buchvorschau
Blut ist dicker als Wasser - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer Extra
– 29 –
Blut ist dicker als Wasser
Wohin wird das Schicksal mich führen?
Toni Waidacher
Julia Lanzinger las das Schreiben, das ihr vor zehn Minuten der Briefträger per Übergabeeinschreiben ausgehändigt hatte, zum zweiten Mal durch. Absender war das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, genauer gesagt – das Nachlassgericht.
Die Buchstaben verwischten vor Julias Augen, in denen plötzlich Tränen standen. Niemals hatte ihre Mutter ihr verraten, wer ihr Vater war. Nun teilte ihr das Nachlassgericht mit, dass es sich um einen Mann namens Anton Gredinger gehandelt hatte, der vor etwas über einer Woche in St. Johann verstorben war.
Bei dem Schreiben handelte es sich um eine Vorladung zum Nachlassgericht, das die Erbangelegenheiten Anton Gredingers zu regeln hatte.
Lange saß Julia wie erstarrt in ihrer kleinen Küche, Tränen rannen über ihre Wangen, sie war zutiefst aufgewühlt und es gelang ihr nur nach und nach, den Aufruhr ihrer Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Unablässig hämmerte der Name ihres biologischen Vaters durch ihren Verstand. Gredinger – Anton Gredinger …
Sie hatte einundzwanzig Jahre alt werden müssen, um zumindest seinen Namen zu erfahren. Ihn persönlich kennenzulernen war ihr versagt. Sie würde nur noch an seinem Grab auf dem Friedhof in St. Johann ein Gebet für ihn sprechen können.
Julia war erschüttert.
Als sie die Hiobsbotschaft etwas verarbeitet hatte und ihre Tränen getrocknet waren, steckte sie den Brief des Nachlassgerichts in ihre Umhängetasche, verließ ihre Wohnung am Stadtrand von Bad Wörishofen und fuhr zu ihrer Mutter, die im Zentrum des Ortes wohnte.
Anna Lanzinger war eine gepflegte Frau von achtunddreißig Jahren, die in dem Kurort eine kleine Gaststätte betrieb. Julia sah ihr ausgesprochen ähnlich.
Nachdem Julia an der Wohnungstür geläutet hatte, öffnete Anna, ein erfreutes Lächeln glitt über ihr hübsches Gesicht und sie sagte: »Grüß dich, Julia. Das freut mich aber, dass du mich besuchen kommst. Allerdings hab’ ich nicht allzu viel Zeit, denn in einer Stunde öffne ich das Lokal …« Plötzlich stutzte sie, denn ihr fiel auf, dass Julia bleicher war als sonst und gerötete Augen hatte. »Was ist los? Bist du krank? Eine Sommergrippe vielleicht …«
»Willst du mich nicht in die Wohnung bitten?«, fragte Julia, ohne auf die Fragen ihrer Mutter einzugehen.
»Natürlich, entschuldige.« Anna trat zur Seite, Julia ging an ihr vorbei in die Wohnung, und gleich darauf saßen sich die beiden Frauen im Wohnzimmer gegenüber.
»Du bist so komisch«, murmelte Anna verunsichert. »Irgendetwas stimmt nicht mit dir. Was ist geschehen?« Anna forschte regelrecht im Gesicht ihrer Tochter, als erwartete sie, darin die Antwort auf ihre Frage zu finden.
Wortlos öffnete Julia ihre Tasche, nahm den Brief heraus und reichte ihn ihrer Mutter. »Lies das, und dann weißt du, was mich beschäftigt.«
Anna nahm das Schreiben, faltete es auseinander und heftete ihren Blick darauf. Ihre Augen flackerten und sie wurde bleich bis in die Lippen.
»Großer Gott«, entrang es sich ihr. »Das – das ist ja …« Der Brief fiel zu Boden, Anna schlug beide Hände vor das Gesicht, ihre Schultern zuckten.
»Warum hast du mir nie von meinem Vater erzählt?«, stieß Julia hervor und fragte sich, was ihre Mutter derart fassungslos machte. War es der Tod des Vaters ihrer Tochter, oder die Tatsache, dass nun das Geheimnis, das sie immer um ihn gemacht hatte, gelüftet war?
Etwas Drängendes, Unduldsames ging von Julia aus. »Ich will jetzt die Wahrheit hören, Mama«, forderte sie mit Nachdruck in der Stimme. »Die reine und ungeschminkte Wahrheit.«
Anna ließ die Hände vom Gesicht sinken. »Ich wollte nie darüber sprechen«, murmelte sie. »Damals, als ich gewissermaßen bei Nacht und Nebel St. Johann verließ, hab’ mir geschworen, den Namen deines Vaters niemals mehr wieder in den Mund zu nehmen.«
Plötzlich verspürte Julia Mitleid, denn sie ahnte, dass diesem Entschluss ihrer Mutter etwas Schlimmes, Enttäuschendes vorausgegangen sein musste. »Mit dem Tod meines Vaters dürfte sich einiges geändert haben, Mama.«
Anna nickte. »Anton hat mich damals sehr enttäuscht. Wir haben uns geliebt. Allerdings war ich erst sechzehn Jahre alt, er war vierundzwanzig. Zunächst haben wir unser Verhältnis geheim gehalten. Antons Eltern waren darauf erpicht, dass ihr einziger Sohn sich mal eine Frau nimmt, die etwas mitbringt in eine Ehe. Die Gredingers waren vermögende Leute, die in St. Johann eine Goldschmiedewerkstatt und einen Juwelierladen betrieben haben.«
»Ich glaub’, ich weiß, wie es weitergegangen ist mit dir und meinem Vater«, sagte Julia. »Du bist schwanger geworden, nicht wahr, und mein Vater musste es seinen Eltern gestehen.«
»Genauso war es.« Anna brach in Tränen aus, als sie von der Erinnerung überwältigt wurde. »Von da an ging ich durch die Hölle. Antons Eltern machten mich überall schlecht. Das ging soweit, dass sie überall erzählten, ich hätte Anton verführt und ihm ein Kind untergejubelt, um mich in seine Familie einzuschleichen.«
»Das ist ja allerhand«, stieß Julia hervor. »Was hat denn mein Vater dazu gesagt? Hat er dich denn nicht verteidigt, ist er den Verleumdungen seiner Eltern nicht entgegengetreten? Hast du nicht eben gesagt, dass ihr euch geliebt habt?«
»Er hat bei mir so geredet, bei seinen Eltern aber wieder ganz anders. Mir hat er erzählt, dass er zu mir stehen und notfalls sogar mit seinen Eltern brechen würde. Seinen Eltern gegenüber aber hat er beteuert, dass meine Schwangerschaft für ihn ein Drama bedeute und er auf keinen Fall vorhabe, mich zu heiraten. – Er war ein Schwächling dein Vater, ein Feigling, der seine Eltern fürchtete. Er hatte keine eigene Meinung.«
»Du hast St. Johann verlassen, weil dir seine Eltern so sehr zugesetzt haben, nicht wahr?«, konstatierte Julia.
»Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen«, murmelte Anna. »Mit vierzehn durfte ich es verlassen, kam nach St. Johann und begann eine hauswirtschaftliche Ausbildung bei Antons Eltern. Alle waren gut zu mir, bis meine Schwangerschaft bekannt wurde. Von da an ging ich im Hause Gredinger durch die Hölle. Einige Leute im Ort, jene, die vor allem deine Großmutter gegen mich aufgehetzt hat, behandelten mich wie eine Aussätzige. Ich ertrug das alles schon bald nicht mehr und habe St. Johann verlassen. Hier, in Bad Wörishofen, hab’ dich zur Welt gebracht und niemandem verraten, wer dein Vater ist. Er hat mich fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, und ich hab’ ihn dafür gehasst.«
»Aber er ist mein Vater?«, vergewisserte sich Julia.
»Definitiv. Irgendwie hat er herausgefunden, wo wir leben, und Verbindung mit mir aufgenommen. Da warst du schon zwei Jahre alt. Kurz vorher war sein Vater an einem Herzinfarkt verstorben. Ich habe Anton erklärt, dass es für ihn in meinem Leben keinen Platz mehr gibt. Danach hatte er nichts mehr von sich hören lassen.«
Julia hatte den Kopf sinken lassen und starrte versonnen vor sich hin. Nach einer Weile sagte sie: »Dann hat er wohl auch nie einen Cent Unterhalt für mich bezahlt, wie?«
»Ich hab’ dem Jugendamt gegenüber seinen Namen verschwiegen, also konnte er auch nie zur Zahlung verpflichtet werden. Ich wollt’ auch gar nix von ihm, denn es wäre mir von seinen Eltern sowieso nur als Habgier ausgelegt worden. Ich weiß auch gar nicht, ob er bereit gewesen wäre, freiwillig zu zahlen. Ich wollte keinen Ärger, also habe ich dich ohne seine finanzielle Unterstützung aufgezogen.«
»Wenn ich das so höre«, murmelte Julia bedrückt, »dann komme ich zu dem Schluss, dass mein leiblicher Vater nicht allzu viel getaugt hat. Ich frag’ mich, wieso das Nachlassgericht in Garmisch überhaupt von meiner Existenz weiß.«
»Vielleicht hat ihm sein Gewissen keine Ruhe gelassen und er hat dich in seinem Testament bedacht. Das ist die einzige Möglichkeit, die ich mir vorstellen kann. – Er war nicht schlecht, der Anton, nur sehr