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Ich will nicht nach Amerika! Historischer Roman
Ich will nicht nach Amerika! Historischer Roman
Ich will nicht nach Amerika! Historischer Roman
eBook418 Seiten5 Stunden

Ich will nicht nach Amerika! Historischer Roman

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Über dieses E-Book

Wimpfen am Neckar im Jahr 1854: Katharina Fischer, Frau des invaliden Ölmüllers und Mutter von fünf Kindern, wehrt sich mit Händen und Füßen gegen ihre Abschiebung nach Amerika. Schließlich landet sie sogar im Gefängnis und wird nach Tagen von der Polizei auf das Dampfschiff geschleppt, das die Ortsarmen in einem Sammeltransport fortschafft. Mehr tot als lebendig werden sie viele Wochen später in New Orleans abgesetzt. Werden die Abgeschobenen in der Fremde Fuß fassen können? Der Roman erzählt nach den historischen Quellen am Beispiel Wimpfens die fast unglaubliche Geschichte der Abschiebung der Ortsarmen aus südwestdeutschen Gemeinden nach Amerika.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum9. Dez. 2020
ISBN9783954287147
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    Buchvorschau

    Ich will nicht nach Amerika! Historischer Roman - Ulrich Maier

    Back to the roots

    Bad Wimpfen im 21. Jahrhundert

    »Wie aus dem Bilderbuch!« Susan stellte ihren Rucksack auf dem Bahnsteig ab und betrachtete verzückt das kleine Bahnhofsgebäude aus dunkelbraunem Sandstein auf halber Höhe zwischen Wimpfen im Tal und der Stauferpfalz hoch oben auf dem lang gezogenen Bergrücken über dem Neckar.

    »Wie man sich in den Staaten good old germany vorstellt, nur viel schöner!«, gab ihr Joey recht und ließ seinen Blick bewundernd über den neugotischen Treppengiebel des Bahnhofs schweifen, der sich hinter den Kastanienbäumen des Biergartens erhob. Dann ließ er seinen schweren Rucksack auf den Boden plumpsen und deutet auf die Gartentische.

    »Wollen wir erst mal einen Kaffee trinken?«

    Susan wehrte ab.

    »Keine Lust. Erstens bin ich viel zu neugierig, wo wir hier gelandet sind, und zweitens schon viel zu lange im Zug gesessen, als dass ich mich wieder irgendwo hinpflanzen möchte. Lass uns doch ein bisschen die Gegend erkunden. Endlich sind wir in Bad Wimpfen angekommen, und mit ein bisschen Fantasie sieht es hier so aus, wie es meine Urahnen kannten, bevor sie ausgewandert sind. Vielleicht sind sie auch vor diesem schönen Bahnhof gestanden, als die große Reise losging?«

    Joey verdrehte die Augen.

    »Damals gab’s hier noch keine Eisenbahn. Wimpfen hat seinen Bahnhof erst viel später bekommen. Ich glaube, der ist gar nicht so alt, wie er aussieht! Die Auswanderer sind sicher mit einem Neckardampfer losgefahren. Der fuhr damals schon auf der Strecke von Heilbronn nach Heidelberg.«

    »Alter Besserwisser!«, schmollte Susan, stemmte die Hände in die Hüften und schwang ihren deutlich leichteren Rucksack auf den Rücken. Joey hatte sich bereiterklärt, zusätzlich alle Arbeitsutensilien zu übernehmen: Zwei Laptops, ein paar Bücher, Schreibzeug. Da kam einiges an Gewicht zusammen.

    Im vergangenen Semester hatten sich die beiden im German Culture Center an der University Of Missouri St. Louis kennengelernt, wo sie zusammen Germanistik und Geschichte studierten.

    »Joey ist ein guter Kumpel, mehr nicht«, hatte Susan ihrem Vater erklärt, der sich genau erkundigt hatte, mit wem sie denn die Reise nach Deutschland antreten wolle und wie sie überhaupt auf diese seltsame Idee gekommen sei.

    Das hänge mit ihrem Seminar über die Massenauswanderung aus Deutschland in der Mitte des 19. Jahrhunderts in die Vereinigten Staaten zusammen, das sie mit Joey besuchte, hatte sie ihn belehrt. Sie wollten die Reise für ihre Semesterarbeit nutzen. »Vielleicht wird auch mehr draus«, hatte sie angefügt.

    Als ihr Vater bei dieser Bemerkung die Augenbrauen hochzog und sie ironisch angrinste, hatte sie schnell klargestellt: »Aus der Semesterarbeit natürlich! Bestimmt kann ich die Ergebnisse auch für die Masterarbeit nutzen.«

    Eigentlich war ihre Großmutter schuld daran, dass sie jetzt mit Joey auf dem Bahnhofsvorplatz in Wimpfen stand. Sie hatte ihr erzählt, einer ihrer Ururgroßväter sei aus einer kleinen Stadt am Neckar ausgewandert, aus dem Großherzogtum Hessen, irgendwo im Süden Deutschlands. Bitterarm sei er gewesen und habe nicht einmal das Geld für die Schiffsreise aufgebracht. Der Bürgermeister habe dafür gesorgt, dass er auswandern konnte, nicht aus Mitleid, sondern weil er ihn loshaben wollte so wie viele andere seiner Leidensgenossen. An den Namen des Ururgroßvaters konnte sie sich nicht mehr genau erinnern. Irgendwas mit »Rhein«, hatte sie gemeint. Aber sie könne mal nachsehen.

    Der Professor, dem sie davon berichtete, hatte zunächst die Stirn gerunzelt. Der Neckar sei ein Fluss in Baden-Württemberg, nicht in Hessen, hatte er behauptet. Da habe sie sicher etwas missverstanden.

    Susan war dann beim Stöbern auf dem Dachboden ihrer Großeltern auf eine uralte Postkarte mit dem Ortsnamen Wimpfen gestoßen, adressiert an einen Mister Carl Reineck in New York. Da hatte sie ausführlich zu googeln begonnen und das Rätsel lösen können:

    Die Stadt Bad Wimpfen am Neckar, einst stolze Kaiserpfalz, ist heute eine Stadt im Landkreis Heilbronn und gehört de facto zu Baden-Württemberg, staatsrechtlich aber immer noch zu Hessen, dem sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts zugeschlagen wurde, denn eine endgültige Regelung zwischen den Bundesländern Baden-Württemberg und Hessen wurde bis heute nicht getroffen.

    Fortan hatte Susan das Interesse an der Heimat ihrer Ahnen nicht mehr losgelassen, und mit ihrer Begeisterung hatte sie ihren Kommilitonen Joey angesteckt. Unter den Ahnen seines Vaters habe es auch Auswanderer aus Deutschland gegeben, hatte er gehört, wusste allerdings keine Einzelheiten darüber.

    Joey sah als Erster den Aushang im Institut. Es wurden Teilnehmer an einem akademischen Austauschprogramm gesucht, das von den Partnerstädten St. Louis und Stuttgart gefördert wurde. Susan war gleich Feuer und Flamme.

    »Du willst da mitmachen?«, hatte Joey gefragt und sie dabei merkwürdig angesehen. »Die Flugreise dauert Stunden!«

    »Die Überfahrt auf einem Segler im 19. Jahrhundert dauerte viele Wochen! Was sind da ein paar Stunden? Was ist? Hast du etwa Angst vor der weiten Reise?«

    Joey hatte nochmal lange auf den Aushang gestarrt und dann gemurmelt: »Also gut, ich überleg’s mir.«

    Back to the roots, hatten sie über ihre gemeinsame Bewerbung geschrieben und kurz angedeutet, dass sie sich auf die Spuren ihrer Vorfahren machen wollten. Bei dieser Gelegenheit wollten sie auch ihre Deutschkenntnisse verbessern und Grundlagen sammeln für die Seminararbeit. Das hatte das Auswahlkomitee überzeugt. Sie durften teilnehmen und gemeinsam die Reise in die Vergangenheit antreten.

    »Am besten bringen wir das Gepäck erst mal in unsere Herberge«, schlug Joey vor. »Im Klosterladen werden wir schon erwartet. Ich hab uns gestern Abend angekündigt.«

    »Und wo soll dieses Kloster nun sein?«, fragte Susan und blickte sich um.

    Joey wischte ein paar Mal über sein Smartphone, dann blickte er auf und lächelte zufrieden.

    »Es liegt direkt am Fluss unten. Nicht zu verfehlen.«

    Ächzend wuchtete er den schweren Rucksack wieder auf seinen Rücken und zeigte auf einen Wanderweg, der jenseits der Gleise Richtung Tal zog.

    »Also müssen wir hier runter.«

    Bei einer großen Straßenbrücke über den Neckar stießen sie auf einen breiten Rad-Wanderweg, dem sie flussaufwärts folgten, und trafen bald auf die alte Stadtmauer von Wimpfen im Tal. Einen Zugang zur Talstadt hinter dem Mauerring zu finden, stellte sich als gar nicht so einfach heraus, aber dann standen sie schon nach wenigen Schritten auf dem großen Klosterplatz mit seinen uralten Lindenbäumen, die bis in den Himmel wuchsen. Da ahnten sie, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.

    Durch die Baumkronen blitzten die Türme der Stiftskirche mit ihren ungleichen grauen Schieferdächern zu ihnen herüber. Daneben reihten sich die barocken Gebäude des einstigen Ritterstifts. Sie machten sich auf den Weg und wenig später blickten sie zu der wuchtigen romanischen Eingangsfassade von St. Peter auf.

    Das jahrhundertealte Gemäuer zog sie magisch an. Den Klosterladen, wo sie sich nach dem Gästehaus erkundigen wollten, ließen sie zunächst links liegen, stiegen die Stufen zu dem kleinen Vorplatz hinunter und gingen auf das Eingangsportal der Kirche zu.

    Als sie die hohe, schwere Bronzetür geöffnet hatten und in den Kirchenraum traten, umgab sie kühle Dunkelheit und sie brauchten einige Zeit, bis sie sich zurechtfanden. Dann hatten sich ihre Augen an das spärliche Licht gewöhnt und sie schauten staunend zu den hohen Säulen empor, zu den Jochbögen und Pfeilerbündeln. Sie ließen ihre Blicke schweifen zu den Seitenschiffen und den angebauten Kapellen und schritten langsam durch das Hauptschiff auf den Altar zu.

    Das schwarzbraune Chorgestühl mit den skurrilen Schnitzereien zog zuerst ihre Aufmerksamkeit auf sich. Als sie näher traten und die kunstvollen Gebilde betrachteten, erkannten sie Tierfiguren und Menschenköpfe, die groteske Fratzen zogen.

    »Mir scheint, die Stiftsherren hatten Humor«, murmelte Joey und wies auf einen gähnenden Mönchskopf.

    »Diese schmalen hohen Fenster«, flüsterte Susan und zeigte auf die bunten Verglasungen hinter dem Altar.

    »Der gotische Chor stammt aus dem 13. Jahrhundert«, erklärte Joey und blickte wieder auf sein Phone. »Links soll es zum Kreuzgang gehen.«

    »Ich denke, wir werden noch genügend Zeit haben, uns das alles genauer anzusehen«, flüsterte Susan und griff nach seinem Arm. »Jetzt melden wir uns erst mal an.«

    Ein junger Mann begrüßte sie mit fröhlichem Lachen. »Die beiden Studenten aus St. Louis? Haben Sie uns denn ohne Probleme finden können? Moment, ich schließe kurz den Laden. Dann bin ich für Sie da.«

    Er hängte ein Schild an die Glastür und nahm sie mit hinüber ins Gästehaus. Auf dem Weg erklärte er das eine oder andere zu den Gebäuden.

    Susan schätzte ihn auf höchstens dreißig. Er war kaum größer als sie, von athletischer Figur, hatte ihr gleich den Rucksack abgenommen und lässig über die Schulter geworfen, als ob er gar kein Gewicht hätte. Als er auch noch Joeys Rucksack übernehmen wollte, lehnte dieser lächelnd ab. Ein richtiges Kraftpaket, stellte sie bewundernd fest.

    »Wo sind die Mönche?«, fragte Susan plötzlich und erntete einen strafenden Blick von Joey, dem diese direkte Frage peinlich zu sein schien.

    Doch ihren Führer schien die Frage nicht weiter zu stören.

    »Dass in Wimpfen im Tal Mönche lebten, ist schon ein paar Jahre her. Als ich hierherkam, lebten im Kloster nur noch wenige Benediktiner. Dann wurde es aufgelöst. Die letzten Brüder sind in andere Klöster gegangen. Ein besonderer spiritueller Ort ist das Kloster aber bis heute geblieben. Ich kümmere mich darum, dass hier alles läuft. Früher nannte man so jemanden wie mich in einem Kloster Cellerar. Heute würde man einfach Verwalter sagen.«

    Dann streckte er den beiden seine rechte Hand entgegen.

    »Ich bin Klaus Färber, aber ihr könnt gern Klaus zu mir sagen. Vom Alter her sind wir ja nicht so weit auseinander.«

    Susan schlug sofort ein.

    »Ich bin Susan und das ist Joey.« Der Klosterverwalter mit seiner zupackenden Art gefiel ihr.

    Die Drohung

    Während seine Frau sich in der Küche der Ölmühle den Kopf darüber zerbrach, wie sie ihren Mann dazu bringen könnte, auf seinen wahnsinnigen Plan zu verzichten, stand der Ölmüller im Wimpfener Rathaus bereits dem Bürgermeister gegenüber.

    »Du willst mich also unter Druck setzen?«

    Bürgermeister Barth stemmte die Hände in die Hüften und funkelte sein Gegenüber zornig an.

    »Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass die Gemeinde nur die wirklich Bedürftigen nach Amerika expedieren wird. Es geht doch darum, dass wir die Ortsarmen in dieser schweren Zeit nicht über den Winter bringen können. Die Kassen sind leer. Du hast doch sicher noch was vom Verkauf deiner Mühle und ich wette, auch noch von verschiedenen krummen Dingern, die du gedreht hast. Mir kannst du nichts vormachen. Ich weiß, was los ist. Die Polizei ist dir auf der Spur. Deshalb willst du weg!«

    Doch den Müller vom Kaltenloch beeindruckten seine Worte nicht. Wie ein Bittsteller verhielt er sich schon gar nicht. Hinterhältig grinste er den Bürgermeister an. Seine zotteligen, fast schon weißen Haare quollen unter dem speckigen schwarzen Hut hervor und fielen ihm weit in die Stirn. Unter den buschigen Augenbrauen lauerten tiefschwarze Augen in dunklen Höhlen. »Du wirst uns mitnehmen, verlass dich drauf!«, sagte er drohend.

    Dann streckte er ihm seine verkrüppelten Arme entgegen. An der rechten Hand fehlten der Ringfinger und der kleine Finger, statt der linken Hand ragte aus seinem Ärmel rot vernarbt ein Armstumpf.

    Mit scharfen Worten redete er auf den Bürgermeister ein.

    »Jetzt hör mir mal gut zu, Bürgermeister. Ich werd nie wieder richtig arbeiten können. Du weißt, wie das geschehen ist und wer die Verantwortung dafür trägt. Du hast dazu geschwiegen wie alle anderen, die es besser wissen mussten. Du weißt auch ganz genau, dass mir vom Verkauf der Ölmühle kaum was geblieben ist. Das Geld aus der Versteigerung hat gerade gereicht, um die Schulden zu bezahlen. Die paar Kreuzer, die noch da sind, zerrinnen mir zwischen den Fingern, den letzten, die ich noch hab.« Er blickte verbittert auf seine verbliebenen drei Finger der rechten Hand. »Ich muss eine siebenköpfige Familie durchbringen. Zum Jahresende soll ich aus der Mühle raus. Niemand wird uns aufnehmen wollen, einen Krüppel mit einem Stall von Kindern, der keinen Mietzins aufbringen kann.« Nach einer Pause setzte er sarkastisch hinzu: »Oder hast du für uns bereits ein nettes Häuschen reservieren lassen, wo wir auf Gemeindekosten leben können?«

    »Hans Fischer, Müller vom Kaltenloch«, sprach ihn der Bürgermeister nun förmlich an. »Wir werden schon was für euch finden, mach dir da keine Sorgen. Das Hirtenhäuschen im Helmhof wird frei und dass du nichts mehr hast, nehm ich dir nicht ab.«

    »Das Hirtenhäuschen ist ein Stall. Da kann ein Wanderhirt mal für ein paar Tage wohnen, aber keine Familie mit fünf Kindern.«

    Bürgermeister Barth faltete die Hände unterm Kinn.

    »Ich muss dir nicht sagen, dass ein Verfahren gegen dich läuft. Jahrelang hast du dich um die Bezahlung deiner Steuern gedrückt. Da werden wir dich doch nicht auf unsere Kosten außer Landes ziehen lassen.«

    »Du willst mich also lieber einsperren lassen? Was, bitteschön, bringt dir das, außer Kosten und einer Menge Ärger? Habt ihr denn nicht schon Ortsarme genug? Setz uns auf die Liste und du bist uns los, ein für allemal.«

    »Was willst du überhaupt drüben in Amerika anfangen? Du sagst ja selbst, dass du nie wieder richtig arbeiten kannst!«

    »Das lass mal meine Sorgen sein. Mein ältester Sohn wird mir dann zur Seite stehen. Der muss freilich auch mit, hörst du?«

    Barth lachte böse.

    »Der ist dir doch schon vor Wochen weggelaufen. Glaubst du, der kommt freiwillig zurück?«

    »Ihr werdet ihn auftreiben«, antwortete der Müller ruhig. »Er ist noch nicht volljährig und ich bin sein Vater.«

    Barth schüttelte den Kopf.

    »Soweit kommt’s noch! Wir sollen den Ausreißer für dich suchen und dann auf unsere Kosten mitreisen lassen? Wie stellst du dir das vor? Nein, deine Familienangelegenheiten musst du selbst regeln. Wie ich hörte, wehrt sich deine Frau mit Händen und Füßen gegen die Auswanderung?«

    »Das geht dich gar nichts an«, blaffte Fischer zurück. »Im Übrigen werde ich sie schon noch zur Vernunft bringen!«

    Barth setzte sich hinter seinen Schreibtisch und stützte sein schweres Doppelkinn auf die verschränkten Hände. Spöttisch betrachtete er den Invaliden vor sich.

    »Merkst du denn nicht, dass du hier nur deine und meine Zeit vergeudest?« Er seufzte und setzte ein mitleidiges Lächeln auf. »Ein letztes Mal, damit du es endlich kapierst: Wir werden dich niemals auf die Liste setzen. Wenn du auf eigene Kosten rüberfahren willst – wir werden dich nicht aufhalten. Aber zuerst begleichst du deine Steuerschulden. Keinen Kreuzer werden wir für deine Auswanderung zahlen.«

    Doch der Müller vom Kaltenloch ließ sich auch von dieser klaren Ansage nicht einschüchtern. Im Gegenteil.

    »Oh doch, wollen wir wetten?«, widersprach er Barth und beugte sich weit vor. Nur noch zwei Handspannen lagen zwischen ihren Gesichtern. Seine Stimme nahm jetzt einen bedrohlichem Ton an. Er redete auf den Wimpfener Bürgermeister ein, als ob er einen Schuljungen vor sich hätte.

    »Ihr werdet euch noch wundern. Gar nichts ist mehr bei mir zu holen. Aber ich bin eingeschriebener Bürger in Wimpfen und ihr dürft mich, meine Frau und meine Kinder als Ortsarme unterstützen, wie es das Gesetz vorsieht. Jahrelang. Auf das Gerede, dass kein Geld in der Gemeindekasse sei, fall ich nicht rein. Wer wird einen Invaliden und seine unschuldigen Kinder verhungern lassen! Das macht sich nicht gut, besonders, wenn überall gemunkelt wird, wie es wirklich zu dem Unfall gekommen ist. Was meine Steuerschulden angeht: Ich muss wohl deutlicher werden, damit du’s endlich begreifst. Wer hat mir denn bei der Steuerhinterziehung geholfen, gegen eine großzügige Spende, angeblich für die Unterstützung der Armen und Notleidenden der Gemeinde? Wo hast du all diese Spenden verzeichnet – von mir und manch anderen deiner Mitbürger, denen du dasselbe vorgeschlagen hast? Ich sag’s dir auf den Kopf zu: Das ist alles in deine Taschen geflossen. Seit du hier im Rathaus sitzt, hast du’s so gemacht. Wer hat beim Verkauf des Mathildenbads bereitwillig Schmiergelder angenommen? Wer hat den vielen Handwerkern aus unserem schönen Städtchen öffentlich bewilligte Gelder vorenthalten unter zweifelhaften Vorwänden? Wenn ich vor Gericht komme und auspacke, mein lieber Freund, glaub mir, dann bist du die längste Zeit Bürgermeister in Wimpfen gewesen!«

    Barth wich zurück und starrte sein Gegenüber mit großen Augen an. Sein massiger Schädel lief dunkelrot an. Mit beiden Händen hielt er sich an der Tischkante fest und brüllte: »Was erlaubst du dir da? Das sind doch alles haltlose Unterstellungen!«

    Der Müller setzte sich zur Hälfte auf die Kante des Schreibtischs und blickte auf Barth hinunter. Seine dünnen Lippen verzog er zu einem schiefen Grinsen.

    »Ich hab mich ein bisschen umgehört im Städtchen, ich hatte ja die letzten Wochen wenig zu tun, wie du dir wohl denken kannst, und dabei hab ich eine ganze Menge erfahren.«

    »Du hast keinerlei Beweise«, krächzte Barth, lehnte sich auf seinem Stuhl weit nach hinten und fingerte an seinem Kragen, um sich Luft zu verschaffen.

    »Glaubst du?«, fragte der Müller und lachte hämisch, wobei er ihm auf dem Schreibtisch nachrückte. »Ich hab Zeugen und, versteh mich recht, du hast hier nicht nur Freunde. Wenn es denn zu einem Verfahren gegen mich kommen sollte, werde ich mit Vergnügen gegen dich aussagen und ich denke, andere werden sich dann ein Beispiel an mir nehmen und ebenfalls auspacken.« Nun veränderte er seinen Tonfall, blickte dem Bürgermeister tief in die Augen und sagte bedeutsam: »Meinst du nicht, dass dir eine Menge Ärger erspart bliebe, wenn du mir ein kleines bisschen entgegenkommst?« Bevor der Bürgermeister antworten konnte, hieb er mit seiner verkrüppelten Faust auf die Tischplatte und brüllte: »Sorg dafür, dass die Untersuchungen gegen mich eingestellt werden! Das ist doch für dich eine Kleinigkeit!«

    Er machte eine Pause und funkelte den Bürgermeister böse an, bevor er sein Mienenspiel wechselte und ihn angrinste.

    »Am einfachsten wäre es freilich, wenn du mich vorher schon losgeworden wärst, meinst du nicht auch?« Wieder streckte er ihm seinen Armstumpf entgegen. »Jeder wird verstehen, wenn du einem Krüppel, der bald mit seiner Familie auf der Straße steht und dann jahrelang auf öffentliche Unterstützung angewiesen sein wird, mit den anderen nach Amerika schickst und das angelaufene Untersuchungsverfahren gegen ihn großzügig einstellen lässt. Bei dem ist ohnehin nichts mehr zu holen, wird man sagen.«

    Drohend fügte er hinzu: »Und meinen Christian lässt du von der Polizei suchen, damit er rechtzeitig da ist, wenn die Reise losgeht. Haben wir uns verstanden?«

    Erstaunlich wendig sprang er auf, lief zur Tür und ließ sie krachend ins Schloss fallen. Barth sah ihm fassungslos nach. Mit einem Mal wurde ihm bewusst: Der Müller hatte ihn in der Hand. Auf den Kopf war der nicht gefallen und konnte ihn ernsthaft in Schwierigkeiten bringen. Mürrisch nahm er ein Formular aus der Schublade und ließ nach dem Gendarmen schicken. Bevor der Kerl vom Kaltenloch auf dumme Gedanken kam, musste der Handel abgewickelt sein.

    Mit einem tiefen Seufzer griff er nach dem Aktenbündel, das sein Bürogehilfe Schmehl für ihn zusammengestellt hatte. Die Lage war katastrophal. Seit Jahren gab es überall im weiten Umkreis Ernteausfälle. Er vertiefte sich in Schmehls Auszüge:

    Die Kartoffelfäule breitet sich weiter aus. 1851 bis 1854 muss die Regierung einen Staatskredit zur Beschaffung von Saatkartoffeln gewähren.

    1853 beschließt der Gemeinderat, dass es bei der diesjährigen sehr geringen Kartoffelernte in hiesigen Gegenden und bei der zunehmenden Teuerung aller Lebensmittel zweckmäßig und nötig erscheine, eine Quantität Kartoffeln von 200 Maltern an den geeigneten Orten auf Kosten des Hospitalfonds anzukaufen und an unbemittelte und arme Gemeindeangehörige über den Winter nach zu bestimmenden Bedingungen abzugeben.

    Am 5. Januar 1854 beschließt der Gemeinderat, in der unteren Küche des Rathauses eine Suppenküche einzurichten, damit die Armen vor dem Verhungern im Winter bewahrt werden können.

    Das war jetzt ein knappes Jahr her. Der Sommer war wieder eine Enttäuschung gewesen. Schmehl schrieb dazu:

    Das Jahr war so nass, dass das Getreide vor der Ernte auf dem Halm auswuchs und das Brot aus diesem Korn ungenießbar war. Die Obsternte fiel fast gänzlich aus. Manche waren wegen der Hungersnot gezwungen, Grundstücke für ein paar Brotlaibe zu verkaufen.

    Sie würden also wieder eine Suppenküche einrichten müssen. Aber das löste ihr Problem nicht.

    Seit Jahren hatten sie arme Auswanderer unterstützt, wenn die das Geld für die Überfahrt nicht aufbrachten. Dann und wann hatten sie auch ein bisschen nachgeholfen. Auch diese Fälle hatte Schmehl aus den Gemeinderatsprotokollen herausgeschrieben:

    1850: Den Schreiner Philipp Schiffer will niemand in sein Haus aufnehmen. Der Versuch, ihn im städtischen Forsthaus einzuquartieren, stieß auf den Widerstand des dortigen Personals. So beschloss der Gemeinderat, den Heilbronner Auswandereragenten Josef Barthold damit zu beauftragen, ihn und seine Familie nach Amerika zu bringen gegen Bezahlung von 225 Gulden.

    Und hier, 1851: Die ledige vierzigjährige Karoline Rebson bittet um Bewilligung von Reisegeld nach Amerika, da sie ohne Eltern und Vermögen nicht mehr imstande ist, sich in Wimpfen zu nähren, später auch nicht der Gemeinde zur Last fallen will.

    Mit bitterem Lächeln schaute Barth auf. Er konnte sich noch genau an diesen Fall erinnern. Der Protokollant hatte das sehr geschickt formuliert. Wie hatten sie auf die Rebson eingeredet, bis sie um die Bewilligung von Reisegeld gebeten hatte. Eigentlich war es ja umgekehrt gewesen. Die Gemeinde wollte nicht, dass sie ihr weiter zur Last fiel. Nach dem Tod ihrer Eltern war sie in einer Notlage. Sie hatte bisher im Haushalt ihrer Eltern gelebt, ohne Aussicht auf eine Verheiratung, und stand jetzt mittellos da.

    Im selben Jahr hatten sie einen ähnlichen Fall gehabt. Auch daran hatte ihn Schmehl erinnert:

    1851: Zur Beförderung des Bürgers und Schmiedemeisters Jakob Christ, der in Wimpfen kein Auskommen findet, nach Amerika soll ein Vertrag mit einem Agenten geschlossen werden.

    Allerdings war der Schmied schneller damit einverstanden gewesen, nachdem er gehört hatte, dass man drüben in Amerika dringend Handwerker brauchte.

    Und hier noch der Brief von Dekan Stockhausen, der sich darüber beklagte, dass Philipp Dörr ihn nicht in Ruhe ließ. Wenigstens wollte Dörr auswandern und man brauchte ihn nicht dazu zu überreden. Er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen, als er Stockhausens Zeilen las:

    Wenn es möglich ist, so erweisen Sie den Amerikanern den größten Gefallen, diesen bald unter die Zahl der Ihrigen zählen zu können, da unsere Stadt ohne denselben gewiss nicht in ihrem Bestand gefährdet wird. In kurzer Zeit wird die Stadt denselben zu unterstützen haben.

    Aber solche einzelnen Maßnahmen halfen ihnen jetzt nicht mehr weiter. Barth lehnte sich in seinen Schreibtischsessel zurück und nickte zufrieden. Was er nun auf den Weg gebracht hatte, würde die Gemeindekasse für Jahre entlasten. Bei dem einen oder anderen würde man etwas nachhelfen müssen, aber das war nicht zu vermeiden. Die Wimpfener konnten stolz auf ihren Bürgermeister sein.

    Die Unterschrift

    Auch Katharina Fischer war nicht untätig gewesen. Sie befand sich auf dem Heimweg von einem Gespräch mit ihrer Schwester und ihrem Schwager im Städtchen.

    Mit Erleichterung lief sie durch die Schwibbogengasse auf das Hohenstaufentor zu. Als sie das Untere Stadttor hinter sich gebracht hatte, rannte sie das letzte Wegstück hinunter zur Mühle im Kaltenloch.

    Es war ihr tatsächlich gelungen, eine Lösung zu finden, wie es mit ihnen weitergehen konnte, zumindest für die nächsten Wochen. Wie hatte sie auf die beiden eingeredet! Ihr Mann und die Liesel könnten sich um die Kinder kümmern, während sie als Gegenleistung in der Bäckerei ihres Schwagers mithalf. Auch die Liesel könnte mal aushelfen. Tatsächlich erklärte sich sein Schwager schließlich bereit, sie vorübergehend in sein Haus aufzunehmen, in zwei kleinen Kammern unterm Dach.

    Doch kaum hatte sie die Tür zur Mühle geöffnet und einen Blick in die Küche geworfen, wusste sie, was eben geschehen war, und ihre gelöste Stimmung wich jähem Entsetzen.

    Der Gendarm, der mitten drin stand, sah sie missmutig an, als störte sie gerade eine wichtige Amtshandlung. Hans saß teilnahmslos in der Ecke, als ob ihn alles nichts mehr anginge. Dabei hatte er eben die verfluchte Unterschrift dazu gegeben, die ihr Schicksal besiegelte. Sollte der Besuch bei ihrer Schwester, ihr Bitten und Betteln, ihnen zu helfen, damit sie hierbleiben könnten, vergebliche Mühe gewesen sein? Dieser Sturkopf trieb sie alle ins Verderben!

    »Ich will nicht nach Amerika!«, schrie sie den Gendarmen an, der betroffen da stand, mit dem Schreiben der Bürgermeisterei in der Hand. Er vermied es, sie anzublicken, gab keine Antwort und schickte sich an, das Haus rasch zu verlassen. Hastig bemühte er sich, auf dem Weg zur Tür das Formular in die schwarze Aktentasche zu stecken, die am Riemen über seiner Schulter hing. Doch dazu musste er zuerst zwei Schnallen öffnen. Entschlossen trat sie ihm entgegen, wie er da an seiner Mappe herumhantierte, und versperrte ihm den Weg aus ihrem Häuschen.

    »Was hat Hans da unterschrieben?«

    Sie versuchte, nach dem Wisch zu greifen, bevor er in der Aktentasche verschwand, doch der Gendarm war schneller, drehte sich von ihr weg und steckte das Schriftstück mit einer energischen Handbewegung ein.

    Ängstlich verdrückten sich die Kinder in die hinterste Ecke der Stube und blickten mit großen Augen auf den Mann in Uniform, der jetzt nach der Hand der Mutter griff und versuchte, besänftigend auf sie einzureden.

    »Jetzt nimm doch endlich Vernunft an und hör auf mit dem Theater. Siehst du denn nicht, dass das keinen Zweck mehr hat? Die Angelegenheit ist entschieden!«

    »Ich geh nicht nach Amerika und meine Kinder auch nicht!«, brüllte sie rasend vor Wut und riss sich los. Schützend stellte sie sich vor die Kinder, die sich an sie klammerten und zu weinen begannen. Liesel schob ihre Geschwister aus der Tür, die von der Küche in die Stube führte.

    »Amerika, Amerika«, grölte Hans Fischer von der Eckbank her, langte mit Daumen und Zeigefinger seiner verkrüppelten Hand nach der halb vollen Schnapsflasche auf dem Tisch, versuchte sie mit glasigen Augen an die Lippen zu setzen und einen tiefen Schluck zu nehmen, wobei ihm die Hälfte über das stoppelige Kinn lief.

    »Du siehst doch selbst, er ist stockbesoffen, sonst hätte er nie und nimmer unterschrieben, ohne vorher noch einmal mit mir zu sprechen«, schluchzte sie auf und schlug die Hände vors Gesicht.

    Der Gendarm kämpfte mit sich. Er konnte sie ja gut verstehen. Aber es half doch nichts! Er tat ja nur seine Pflicht. Mit Mühe versuchte er seiner Stimme wieder einen amtlichen Ton zu geben.

    »Katharina Fischer, dein Mann ist der Familienvorstand und hat eben das Angebot des Bürgermeisters angenommen.«

    Dann nahm er seine Dienstmütze ab, drehte sie verlegen zwischen den Fingern und versuchte versöhnlich auf die Frau einzureden, die er schon seit seiner Kindheit kannte.

    »Kathrin, begreif doch endlich, auf der Reise wird für euch gesorgt und wenn ihr drüben seid, gibt’s zehn Gulden für den Anfang. Für jeden von euch! Hier werdet ihr keine Unterstützung mehr bekommen. Das ist längst so beschlossen!«

    Leises Röcheln tönte von der Eckbank. Sie blickte hinüber auf ihren schnarchenden Mann, der, den Kopf im Nacken, dasaß und von all dem Elend nichts mehr mitbekam.

    »Hans kann doch nicht mehr arbeiten, seit er die Hände in den Mahlgang gebracht hat«, sagte sie leise. Dann ballte sie die Fäuste, machte einen Schritt auf den Beamten zu und rief verzweifelt: »Das habt ihr euch fein ausgedacht! Ab nach Amerika, dann haben wir sie endlich los! Dieses scheinheilige Auswanderungsgerede! Nein, da mach ich nicht mit. Er wird drüben keine Arbeit finden und ich steh allein da mit ihm und den Kindern. Hans ist eingeschriebener Bürger in Wimpfen und ihr seid verpflichtet, ihn und uns zu unterstützen. Wir lassen uns nicht aus dem Land treiben!«

    »Hans ist kein Wimpfener Bürger mehr«, antwortete der Gendarm. »Er hat gerade für die Auswanderung auf sein Bürgerrecht verzichtet und du wirst dich fügen müssen.« Er drehte sich um, ging hinaus und warf die Tür hinter sich zu.

    Sie ließ sich auf den Stuhl fallen. Noch einmal sah sie die schrecklichen Bilder vorüberziehen, die sie nie mehr loslassen würden. Ganz plötzlich war das Unglück über sie hereingebrochen.

    Mit notdürftig verbundenen Händen hatten sie ihn ins Haus gebracht. Der Arzt konnte ihm keine Hoffnung mehr machen. Er wird seine Hände nie wieder vernünftig gebrauchen können, hatte er zu ihr gesagt und den Kopf geschüttelt.

    Im Spital schnitten sie ihm die zerquetschten Finger an beiden Händen ab. Nur noch die halbe rechte Hand war zu retten.

    Wochenlang pflegte sie ihn, betete, dass sich das Wundfieber endlich legen möge. Als es dann schließlich wieder aufwärtsging, kam die lähmende Angst und die Wut auf den Kerl, dem sie das ganze Elend zu verdanken hatten.

    Er hätte halt besser aufpassen sollen, hatte ihm der Ochsenwirt vorgeworfen. Dabei war er es, der das Unglück zu verantworten hatte. Er war es, der das Mahlwerk zu früh in Gang setzte, als Hans noch dabei war, das Mahlgut herzurichten. Seine Unverfrorenheit machte sie rasend.

    Der Wirt war ihr bester Kunde, half wie immer beim Auspressen der Ölfrüchte, aber vor allem um aufzupassen, dass ihr Mann ja nichts für sich abzweigte.

    Dann die Vernehmung bei der Polizei: Laut und deutlich habe er gerufen, dass er den Hebel jetzt umlege, sagte der Ochsenwirt aus und es war zwecklos, dass sie das Gegenteil behaupteten. Man glaubte ihm, dem reichen Gastwirt und Stadtrat, und nicht ihr und ihrem Mann, dem Müller im Kaltenloch. Der hatte ihn nicht rufen hören, aus dem einfachen Grund, weil der Ochsenwirt gar nicht gerufen hatte. Er hatte es schlichtweg vergessen.

    Von einem Tag zum andern wurde Hans zum Krüppel, zu nichts mehr zu gebrauchen. Nicht einmal im Haus und im Garten konnte er richtig zupacken und jetzt sollte sie mit ihm nach Amerika, ans Ende der Welt? In seiner Verzweiflung hatte er den Verstand verloren!

    Wie hatte sich ihr Mann seitdem verändert! Vor dem Unfall war er ganz umgänglich gewesen, jetzt verschloss er sich immer mehr vor ihr.

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