Seine große Stunde: Der kleine Fürst 215 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Soll ich mitkommen, Ruth?«, hatte Mona von Eherdingen ihre Tochter gefragt. »Nein, ich mache das lieber allein«, hatte Ruth geantwortet, und nun stand sie vor dem öffentlichen Gymnasium von Sternberg und wartete auf vier Teenager, die sie nicht kannte. Das heißt, sie wusste, wer die vier waren, die jedoch wussten nichts von ihr. Oder fast nichts, einer von ihnen hatte sie immerhin schon einige Male gesehen und ihr zugenickt. Das war Konrad von Kant gewesen, wenn er Charlotte abgeholt hatte. Ihr Mund war trocken, fast wünschte sie sich nun doch, ihre Mutter wäre hier und könnte ihr helfen zu erklären, was sie gesehen und gehört hatte. Es war eine verzwickte Geschichte, beunruhigend und bedrohlich noch dazu. Sie wünschte sich meilenweit weg. Sie wünschte sich, sie hätte nichts gesehen und gehört. Sie hatte sich in der Schlossbergschule für den Nachmittag krank gemeldet. Es war nicht nötig gewesen viel zu sagen, die Lehrer hatten ihr sofort geglaubt, dass sie sich elend fühlte, so, wie sie aussah. Außerdem schwitzte sie trotz der Kälte, die seit zwei Tagen wieder herrschte. Frau von Farss, ihre Lieblingslehrerin, hatte gesagt: »Sie haben bestimmt Fieber, Ruth, legen Sie sich zu Hause sofort ins Bett.« Ruth war noch nie krank gewesen, sie hatte auch noch nie aus anderen Gründen gefehlt. Es wäre ihr nicht im Traum eingefallen, die Schule zu schwänzen, also hatte sie noch keine einzige Unterrichtsstunde versäumt. Dieses war also eine Premiere. Es schellte zum Schulschluss, unwillkürlich straffte sie sich, die Augen fest auf das Schulportal geheftet. Sie durfte die vier auf keinen Fall verpassen.
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Buchvorschau
Seine große Stunde - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 215–
Seine große Stunde
Konrad von Kant erlebt ein erstes Glück
Viola Maybach
»Soll ich mitkommen, Ruth?«, hatte Mona von Eherdingen ihre Tochter gefragt.
»Nein, ich mache das lieber allein«, hatte Ruth geantwortet, und nun stand sie vor dem öffentlichen Gymnasium von Sternberg und wartete auf vier Teenager, die sie nicht kannte. Das heißt, sie wusste, wer die vier waren, die jedoch wussten nichts von ihr. Oder fast nichts, einer von ihnen hatte sie immerhin schon einige Male gesehen und ihr zugenickt. Das war Konrad von Kant gewesen, wenn er Charlotte abgeholt hatte.
Ihr Mund war trocken, fast wünschte sie sich nun doch, ihre Mutter wäre hier und könnte ihr helfen zu erklären, was sie gesehen und gehört hatte. Es war eine verzwickte Geschichte, beunruhigend und bedrohlich noch dazu. Sie wünschte sich meilenweit weg. Sie wünschte sich, sie hätte nichts gesehen und gehört.
Sie hatte sich in der Schlossbergschule für den Nachmittag krank gemeldet. Es war nicht nötig gewesen viel zu sagen, die Lehrer hatten ihr sofort geglaubt, dass sie sich elend fühlte, so, wie sie aussah. Außerdem schwitzte sie trotz der Kälte, die seit zwei Tagen wieder herrschte. Frau von Farss, ihre Lieblingslehrerin, hatte gesagt: »Sie haben bestimmt Fieber, Ruth, legen Sie sich zu Hause sofort ins Bett.«
Ruth war noch nie krank gewesen, sie hatte auch noch nie aus anderen Gründen gefehlt. Es wäre ihr nicht im Traum eingefallen, die Schule zu schwänzen, also hatte sie noch keine einzige Unterrichtsstunde versäumt. Dieses war also eine Premiere.
Es schellte zum Schulschluss, unwillkürlich straffte sie sich, die Augen fest auf das Schulportal geheftet. Sie durfte die vier auf keinen Fall verpassen. Sie nahm an, dass Anna von Kant und Stephanie von Hohenbrunn gemeinsam aus dem Gebäude kamen, sie gingen in eine Klasse, so viel immerhin wusste sie.
Annas Bruder Konrad war schon siebzehn, so alt wie Ruth, er ging in eine andere Klasse als die beiden Mädchen, ebenso Christian von Sternberg, Annas und Konrads Cousin. Aber sie nahm an, dass zumindest Anna, Konrad und Christian gemeinsam den Heimweg ins Schloss antraten. Wie, das wusste sie natürlich nicht. Vermutlich wurden sie vom Sternberger Chauffeur abgeholt. Sie kannte das von der Schlossbergschule: Da stand nach Unterrichtsschluss eine Limousine hinter und neben der anderen, um ihre vermögenden Mitschülerinnen und Mitschüler abzuholen. Sie selbst gehörte zu den Stipendiaten, ihre Eltern hatten kaum genug Geld zum Leben. Sie ging also zu Fuß. Selbst Busfahrten waren ihr meistens zu teuer.
Sie erblickte den blonden Lockenkopf von Anna von Kant, die tatsächlich gemeinsam mit ihrer Freundin Stephanie aus der Schule kam. Die beiden waren in ein offenbar ernstes Gespräch vertieft. Von der anderen Seite her näherte sich Christian von Sternberg, er war allein. Konrad konnte sie nirgends entdecken.
Christian hatte die beiden Mädchen erreicht, sie sah, wie er kurz nach Stephanies Hand griff und sie dabei zärtlich ansah. Die beiden waren verliebt ineinander, das wusste das ganze Land. Er sah nett aus, fand Ruth, der bei dem Gedanken, dass sie in wenigen Sekunden auch mit ihm würde reden müssen, ein wenig schwindelig wurde. Er war immerhin der kleine Fürst, eine bekannte Persönlichkeit … Aber bekannt waren die anderen natürlich auch.
Ruth war schon immer schüchtern gewesen, doch die Notlage, in der sich ihre Familie befand, hatte dazu geführt, dass sie sich noch mehr in sich zurückgezogen hatte und den Kontakt zu anderen mied. Sie konnte ja ohnehin nirgends mithalten, für nichts hatte sie Geld. Es war ihr nicht möglich, mit den anderen ins Kino, in ein Café oder einen Club zu gehen, allein ihre Kleidung wies sie als Außenseiterin aus. Und jetzt sollte sie vier Jugendliche ansprechen, die nicht wussten, wer sie war und die zuerst wahrscheinlich nicht einmal begriffen, was sie von ihnen wollte.
Die drei waren stehen geblieben und sahen zum Schulportal, offenbar warteten sie auf Konrad. Der kam in diesem Augenblick tatsächlich, und er sah die anderen drei auch, aber er ging deshalb nicht schneller, im Gegenteil, Ruth hatte sogar den Eindruck, als verlangsamte er seine Schritte noch.
Sie gab sich einen Ruck und ging entschlossen auf die drei zu, während sie den Blick auf Konrad gerichtet hielt. Wenn er sie sah, bestand immerhin die Hoffnung, dass er sie erkannte und begriff, dass sie wegen Charlotte gekommen war. Das würde ihr einiges erleichtern.
Er erkannte sie tatsächlich, als sie nur noch wenige Schritte von den drei anderen entfernt war, die ihm entgegensahen und Ruth deshalb nicht bemerkten.
»Was machst du denn hier?«, fragte Konrad.
Daraufhin drehten sich Anna, Stephanie und Christian erstaunt zu Ruth um. Es zeigte sich, dass Anna eine aufmerksame Beobachterin war, denn sie fragte: »Gehst du nicht auf Charlys Schule?«
»Ja«, sagte Ruth, froh darüber, dass ihr der Einstieg in das anstehende Gespräch so leicht gemacht wurde. »Und wegen Charlotte bin ich auch hier. Sie braucht Hilfe.«
»Das wissen wir schon«, erwiderte Christian. »Aber wir wissen nicht, weshalb.«
»Sie ist von der Schule geflogen«, sagte Ruth. »Also, bis jetzt ist sie nur beurlaubt, bis alles geklärt ist, aber sie wird fliegen, das weiß ich. Jedenfalls, wenn sie keine Hilfe bekommt. Bei ihr sind Drogen gefunden worden.«
»Drogen?«, rief Konrad. »Soll das ein Witz sein? Charly würde Drogen niemals anrühren.«
»Sie sind ihr untergeschoben worden«, sagte Ruth. »Ich weiß das, ich habe es gesehen … Also, ich habe es beinahe gesehen.«
»Und hast du das gemeldet?«, fragte Stephanie.
Ruth schüttelte den Kopf. »Sie würden mir nicht glauben, es würde Aussage gegen Aussage stehen. Außerdem …« Sie biss sich auf die Lippen, überlegte, wie sie ihre Situation am besten schildern sollte, aber ihr fiel nichts ein, und so sagte sie nur: »Es würde ihr nichts nützen, ich habe keine Beweise.« Dann setzte sie aber doch noch hinzu: »Außerdem bin ich nicht so mutig wie Charlotte. Ich habe Angst.«
Sie hatte Verachtung befürchtet, aber Christian erwiderte sofort: »Das ist doch verständlich. Wir müssen mehr darüber wissen. Ich heiße übrigens Christian.«
Ruth lächelte verlegen. »Das weiß ich natürlich. Ich bin Ruth, Ruth von Eherdingen.«
Auch die anderen sagten jetzt ihre Namen, obwohl Ruth sie schon kannte, dann erklärte Konrad, der sehr aufgewühlt wirkte: »Charly war gestern bei Steffis Großmutter und ihrer Freundin. Die beiden haben sie in der Stadt getroffen, mitten am Vormittag. Sie hat ihnen ihre Geschichte erzählt. Wir wussten bis jetzt nichts Näheres. Komm mit uns zu Frau von Hohenbrunn und Frau Maurer, da können wir alles zusammentragen, was wir an Informationen haben, und dann überlegen wir gemeinsam, was wir tun können. Willst du?«
Ruth nickte. »Ich sage nur schnell meinen Eltern Bescheid, damit sie sich keine Sorgen machen.«
Sie rief zu Hause an, erklärte ihrer Mutter, was sie vorhatte und steckte das Telefon wieder in die Tasche. »Erledigt«, sagte sie.
»Ich kann es immer