Das Raubtier: Die großen Western 237
Von U.H. Wilken
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Über dieses E-Book
Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen).
»Señor Day? Ich bin es – Rio!«
Die weiche Stimme klang durch das Frühlicht. Ein junger schlanker Mexikaner stand vor der Hütte in den Bergen. Raunend trieb der Morgenwind die Dunstschwaden über den Hang und bewegte die verkrüppelten Baumkronen. Tiefe Stille herrschte.
Langsam ließ der junge Mann die Zügel seines Maultieres los und ging auf die Hütte zu. Er beugte sich durch die offene Tür in die halbdunkle Hütte und rief wieder leise.
Doch Lon Day antwortete nicht.
Zögernd betrat der Mexikaner die Hütte, blickte umher und legte die Hand auf das Lager aus Fellen. Es war kalt. Lon Day mußte seine Hütte schon vor längerer Zeit verlassen haben. Seine Winchester fehlte. Im Anbau rumorte nicht das Pferd.
Rio sah das Fleisch über dem Kamin aus Adobe hängen. Es war noch frisch, nicht gedörrt.
In diesem Moment hörte er den Hufschlag mehrerer Pferde.
Er warf sich herum und starrte mit dunklen Augen aus der Hütte. Schemenhaft verschwommen tauchten die Reiter am Berghang auf und trennten sich, kamen immer näher und verhielten schließlich auf dem Platz vor der Hütte. Dumpf schnaubten die Pferde. Eine heisere Stimme rief: »Day! Komm raus! Wir wissen, daß du ein Rind abgeknallt hast! Verkriech dich nicht in der Hütte!«
Der Mexikaner wich unwillkürlich zurück. Mit flackernden Augen beobachtete er den blonden Ranchersohn Hunt Baxter und die anderen Reiter. Sie alle hockten wie die Geier auf den Pferden. Ihre Hände ruhten auf den Sattelhörnern. Kalt und feindselig starrten sie zur Hütte herüber.
»Day, du hast doch wohl nicht Schiß vor uns?« rief Hunt Baxter höhnisch. »Komm
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Die großen Western Classic
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Das Raubtier - U.H. Wilken
Die großen Western
– 237–
Das Raubtier
U. H. Wilken
»Señor Day? Ich bin es – Rio!«
Die weiche Stimme klang durch das Frühlicht. Ein junger schlanker Mexikaner stand vor der Hütte in den Bergen. Raunend trieb der Morgenwind die Dunstschwaden über den Hang und bewegte die verkrüppelten Baumkronen. Tiefe Stille herrschte.
Langsam ließ der junge Mann die Zügel seines Maultieres los und ging auf die Hütte zu. Er beugte sich durch die offene Tür in die halbdunkle Hütte und rief wieder leise.
Doch Lon Day antwortete nicht.
Zögernd betrat der Mexikaner die Hütte, blickte umher und legte die Hand auf das Lager aus Fellen. Es war kalt. Lon Day mußte seine Hütte schon vor längerer Zeit verlassen haben. Seine Winchester fehlte. Im Anbau rumorte nicht das Pferd.
Rio sah das Fleisch über dem Kamin aus Adobe hängen. Es war noch frisch, nicht gedörrt.
In diesem Moment hörte er den Hufschlag mehrerer Pferde.
Er warf sich herum und starrte mit dunklen Augen aus der Hütte. Schemenhaft verschwommen tauchten die Reiter am Berghang auf und trennten sich, kamen immer näher und verhielten schließlich auf dem Platz vor der Hütte. Dumpf schnaubten die Pferde. Eine heisere Stimme rief: »Day! Komm raus! Wir wissen, daß du ein Rind abgeknallt hast! Verkriech dich nicht in der Hütte!«
Der Mexikaner wich unwillkürlich zurück. Mit flackernden Augen beobachtete er den blonden Ranchersohn Hunt Baxter und die anderen Reiter. Sie alle hockten wie die Geier auf den Pferden. Ihre Hände ruhten auf den Sattelhörnern. Kalt und feindselig starrten sie zur Hütte herüber.
»Day, du hast doch wohl nicht Schiß vor uns?« rief Hunt Baxter höhnisch. »Komm raus, du verdammter Rinderdieb!«
Schweißperlen erschienen auf dem braunen Gesicht des jungen Mexikaners. Furcht erfaßte ihn. Er preßte sich an die Hüttenwand und sah, wie einer der Reiter auf das Maultier zeigte.
»Du, Hunt – der Kerl hat Besuch.«
»Yeah«, grinste der junge Baxter und gab den Cowboys einen Wink. Daraufhin zogen die Reiter die Gewehre aus den Scabbards und luden durch. Hart klirrte es durch den Morgen. Die Pferde stampften auf der Stelle. Zaumzeug rasselte durchdringend. Hunt Baxter beugte sich vor und rief drohend: »Kommt raus, oder wir schießen die Hütte zusammen!«
Nebelfetzen wirbelten vorüber. Hinter den Bergzügen ging die Sonne auf und blendete die Reiter. Das blonde Haar des Ranchersohnes glänzte hell.
Der junge Mexikaner wußte, daß Hunt Baxter seine Drohung wahrmachen würde. Er hatte keine Chance. Steif und langsam trat er aus der Hütte hervor und bezwang mühsam seine Furcht.
»Er ist nicht da«, sagte er mit belegter Stimme, »nur ich bin hier…«
»Aah«, dehnte Hunt Baxter, »unser braunhäutiger Freund. Der Bastard hat seine Schwester alleingelassen. Ja, sie ist jetzt ganz allein in der Hütte.« Er drehte sich halb im Sattel um und deutete zum Bergzug hinüber, dessen Flanke felsgrau schimmerte. »Du läßt sie so allein, Bastard? Hast du keine Angst, daß ihr was zustoßen könnte?«
»Ich reite ja sofort zurück«, antwortete der junge Mexikaner mit dunkler, spröder Stimme.
»Nichts da!« Baxter schüttelte entschlossen den Kopf. »Erst will ich wissen, was du hier wolltest.«
»Ich wollte ihn besuchen – er ist doch unser Nachbar. Auch er lebt in so einer Hütte einsam in den Bergen.«
»Aber Muchacho! Glaubst du, mir was vormachen zu können? Du wolltest von ihm Fleisch holen. Er hat ein Rind von uns abgeschossen – und du wolltest etwas davon haben. So ist es doch.«
»Nein!« flüsterte Rio unruhig. »Ich wußte doch nichts davon.«
»Bastard, du lügst, du bist ein ganz gemeines Schwein, ein elender Lügner und Feigling. Seht doch mal nach, Jungs!«
Zwei Cowboys rutschten von den Pferden und stapften auf die Hütte zu. Rio wich ihnen aus. Sie betraten die Hütte. Der Mexikaner hörte sie in der Hütte poltern und fluchen. Er starrte zu den Reitern hinüber und sah nicht, wie einer der Cowboys lautlos aus der Hütte kam. Jäh traf ihn der Gewehrlauf im Nacken. Er stürzte nach vorn und fiel stöhnend zu Boden. Bevor er reagieren konnte, hatten sie ihn an den Armen gepackt und zerrten ihn auf den Platz hinaus.
Vom Schmerz geschüttelt hob er den Kopf an. Er blickte auf Hunt Baxters staubige Stiefel und drehte sich halb herum, sah in das grinsende Gesicht des Ranchersohnes und bemerkte zu spät die Faust. Hart traf sie sein Gesicht. Röchelnd sackte er zurück und lag auf dem Rücken. Breitbeinig stellte Hunt Baxter sich über ihn.
»Soll ich dich fertigmachen, Bastard? Du sehnst dich wohl nach Prügel, wie?«
»Bestimmt wollte er Fleisch abholen«, sagte ein Cowboy hetzend. »In der Hütte hängt frisches Fleisch.«
Gehässig starrte Hunt Baxter den jungen Mexikaner an.
»Du bist doch kein vollblütiger Greaser, nicht wahr? Du hast auch Blut von einem Weißen! Ja, du bist ein Bastard, eine kleine Drecksau…«
Die Gewalt war auf den Berg gekommen. Wenn ein Mensch nicht so aussah wie die anderen, dann war er ein Außenstehender, dann glaubte jeder, das Recht zu haben, über den Außenseiter herfallen zu können und in der Masse war der Mensch grausam.
Rio, der sich nicht selber gezeugt und geboren hatte, konnte sich kein anderes Äußeres geben. Er war ein ehrlicher und guter Kerl, den ein launisches und unbarmherziges Schicksal in diese Welt der Gewalt hineingestellt hatte – und dabei war er weich und friedlich.
»Bitte«, flüsterte er, »tut es nicht.«
Hunt Baxter verzog das männliche Gesicht zu einem zynischem Lächeln. »Was denn? Angst, du Ratte?«
Er trat zu und traf den Bauch. Rio krümmte sich stöhnend. Der Schmerz trieb ihm die Tränen aus den Augen. Zitternd lag er am Boden, während die Sonne die Winde erwärmte und die Cowboys sich um ihn herum aufstellten.
»Nein, wir tun dir gar nichts, Bastard«, meinte Hunt Baxter, der sich immer so unglaublich männlich fühlte und zeigte, »wir wollen dir nur zeigen, daß es ein Verbrechen in diesem Land ist, gestohlenes Fleisch zu nehmen.«
Er drehte sich um, trat dabei wie versehentlich auf Rios Bein und nickte den Cowboys zu.
»Gebt es ihm!«
Sie schoben sich heran. Rio kroch über den Boden, wollte weg – doch sie packten ihn und schlugen brutal zu, warfen ihn hin und her und schleuderten ihn dann in die Hütte hinein.
Unter brüllendem Gelächter rissen sie das Fleisch über dem Kamin herunter und drückten es ihm ins Gesicht. Er erstickte fast, röchelte, hörte ihr Lachen wie aus weiter Ferne, zog das Fleisch weg und kam mit blutverschmiertem Gesicht hoch.
Sie ritten über den Platz, johlten und verschwanden hinter den Bäumen und Felsklippen.
»O Gott!« stöhnte er und wälzte sich herum, zog sich am Tisch hoch und starrte mit geschwollenen Augen ins Freie. Staub wallte den Hang empor. Heiß kam der Wind herein. Überall am Boden lag das Fleisch, überall war Blut.
Das Maultier röhrte hohl. Zitternd schwankte er aus der Hütte und zu seinem Reittier, fiel dagegen und hielt sich fest. Weinend legte er das Gesicht an den warmen Körper des Maultieres.
Ein armer Kerl, der nicht ahnen konnte, wie grausam und schlimm noch alles werden sollte.
Plötzlich hob er das Gesicht an. Angst brachte in die dunklen Augen einen irren Ausdruck. Er zerrte sich mühsam auf das Maultier und ritt an.
Harte Schläge hatten seinen schlanken Körper gemartert. Fußtritte hatten ihn gequält und geschunden. Aber aller Schmerz war längst nicht so schlimm wie die Angst um seine Schwester Lupe.
Hunt Baxter und die Cowboys waren schon weit weg. Er sah die Staubwolke auf der öden Ebene, die von den Pferden hochgeschleudert wurde – und er erkannte, daß die Männer nach der Hütte ritten, wo seine Schwester zurückgeblieben war. Er schrie auf und trieb das Maultier voran, doch er konnte die Cowboys nicht einholen.
Auf Lon Days Berg war es wieder still. Leise knarrte die Tür der Hütte.
Der rauhe große Lon Day war irgendwo unterwegs, dieser gutmütige Mann, der seinen Frieden in der abgeschiedenen Welt der Wildnis suchte.
*
Das Klappern von Geschirr tönte aus der erbärmlich einfachen Behausung. Der Geruch von geschmorten Zwiebeln drang ins Freie. Schwacher grauer Rauch stieg über der einsamen Hütte empor.
Ein schönes junges Mädchen hantierte in der Hütte und summte dabei ein Mexikanisches Lied.
Guadalupe träumte in der Stille. Wie oft sehnte sich das Mädchen nach der Stadt, doch es durfte nicht in die Stadt. Eines Tages sollte es dorthin ziehen dürfen – aber wie fern war dieser Tag noch!
Draußen klapperten Hufe.
»Rio!« rief die junge Mexikanerin erfreut, hastete zur Tür und erstarrte. Ihre Freude erlosch, ihr Lächeln gefror. Wie angewurzelt verharrte sie auf der Türschwelle.
Fremde waren gekommen.
Fünf Fremde.
Männer, die Lupe noch niemals zuvor gesehen hatte.
Sie trugen den Staub eines langen Rittes auf den Gesichtern und Schultern. Sie waren verdreckt, ihre derbe Kleidung war durchgeschwitzt. Mit lauernden Blicken starrten sie umher und musterten das Mädchen. Reglos standen sie nebeneinander.
Die Pferde standen abseits