Whistler-Jack: Wyatt Earp 156 – Western
Von William Mark und Mark William
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Bleigraue Dämmerung lastete über dem Straßengewirr des westlichen Stadtteils von St. Louis.
Durch eine der engen Gassen, die von Maplewood hinunter zum Fluß führten, schlenderte ein Mann. Er war mittelgroß, hatte eine leicht vornübergebeugte Haltung, und sein Kopf war etwas der linken Schulter zugewendet. Er trug einen grauen Anzug und ein helles Hemd. Die Hände hatte er tief in die Hosentaschen vergraben. Unter dem schmalen Rand seines Boston-Hutes blickte krauses braunes Haar hervor. Während er so die Gasse hinunterging, pfiff er leise vor sich hin.
Es war nichts Besonderes an diesem Mann.
Und doch war er an diesem 21. September 1884 der bekannteste Mann von ganz St. Louis – obgleich niemand seinen Namen wußte.
Die Polizei der großen Mississippi-Stadt suchte ihn seit dem 13. August dieses Jahres wie eine Stecknadel in einem Heuhaufen. Am 13. August nämlich war ein Stadtteil Wellston, am Nordrand von St. Louis, die neunzehnjährige Ilona Wycam ermordet worden. Die Bluttat hatte die ganze Stadt erschüttert, da die blonde Ilona erst zwei Tage zuvor den bekannten Schiffsbauer John Wycam geheiratet hatte. Niemand wußte, warum die junge Frau getötet worden war, und niemand begriff es.
Dreizehn Tage später, am 26. August, wurde die vierundzwanzigjährige Leslie Billinger ermordet. Auch sie war eine schöne Frau gewesen und erst seit einem knappen Jahr mit dem Holzhändler Frank Billinger verheiratet.
In den Morgenstunden des 18. September fand Lawrence Flowers, der stellvertretende Mayor von St. Louis, seine Frau tot in ihrem Schlafzimmer. Die dreiundzwanzigjährige Myrna Flowers war ebenfalls eine sehr schöne Frau gewesen, und ihr Tod versetzte die Stadt
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Whistler-Jack - William Mark
Wyatt Earp
– 156–
Whistler-Jack
William Mark
Bleigraue Dämmerung lastete über dem Straßengewirr des westlichen Stadtteils von St. Louis.
Durch eine der engen Gassen, die von Maplewood hinunter zum Fluß führten, schlenderte ein Mann. Er war mittelgroß, hatte eine leicht vornübergebeugte Haltung, und sein Kopf war etwas der linken Schulter zugewendet. Er trug einen grauen Anzug und ein helles Hemd. Die Hände hatte er tief in die Hosentaschen vergraben. Unter dem schmalen Rand seines Boston-Hutes blickte krauses braunes Haar hervor. Während er so die Gasse hinunterging, pfiff er leise vor sich hin.
Es war nichts Besonderes an diesem Mann.
Und doch war er an diesem 21. September 1884 der bekannteste Mann von ganz St. Louis – obgleich niemand seinen Namen wußte.
Die Polizei der großen Mississippi-Stadt suchte ihn seit dem 13. August dieses Jahres wie eine Stecknadel in einem Heuhaufen. Am 13. August nämlich war ein Stadtteil Wellston, am Nordrand von St. Louis, die neunzehnjährige Ilona Wycam ermordet worden. Die Bluttat hatte die ganze Stadt erschüttert, da die blonde Ilona erst zwei Tage zuvor den bekannten Schiffsbauer John Wycam geheiratet hatte. Niemand wußte, warum die junge Frau getötet worden war, und niemand begriff es.
Dreizehn Tage später, am 26. August, wurde die vierundzwanzigjährige Leslie Billinger ermordet. Auch sie war eine schöne Frau gewesen und erst seit einem knappen Jahr mit dem Holzhändler Frank Billinger verheiratet.
In den Morgenstunden des 18. September fand Lawrence Flowers, der stellvertretende Mayor von St. Louis, seine Frau tot in ihrem Schlafzimmer. Die dreiundzwanzigjährige Myrna Flowers war ebenfalls eine sehr schöne Frau gewesen, und ihr Tod versetzte die Stadt endgültig in Panik.
Colonel Powell, der Chief der Polizeibehörde, erkannte nun, daß die üblichen Routinemaßnahmen nicht ausreichten, um die Morde aufzuklären. Nach dem Mord an Myrna Flowers und dem Schock, den diese Tat in der Bevölkerung ausgelöst hatte, wurden nun wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt.
Powell hatte den jungen Captain McLean beauftragt, die Stadt systematisch durchzukämmen.
Was McLean sofort aufgefallen war, war die Regelmäßigkeit, mit der der »Nebelmörder«, wie er in der Stadt genannt wurde, zuschlug: immer genau dreizehn Tage lagen zwischen seinen Morden.
Myrna Flowers war am 8. September getötet worden, und die Stadt fieberte nun dem 21. September entgegen.
Wer würde in dieser Nacht dran glauben müssen? Wen hatte sich der Nebelmörder jetzt ausgesucht?
Die große Stadt an den Ufern des breitesten Stromes des nordamerikanischen Kontinentes verharrte in lähmender Angst.
Wie hatte es geschehen können, daß nach dem Tode der jungen Holzhändlersfrau Ilona Wycam die lebensfrohe Myrna Flowers in ihrem Zimmer verblutete?
Stimmen waren laut geworden, die Lawrence Flowers darüber Vorwürfe machten, daß er absolut nichts gehört haben wollte. Aber eine Untersuchung ergab, daß der Bürgermeister nichts davon gehört haben konnte, obgleich sein Schlafraum gleich nebenan lag. Er hatte in dieser Nacht bis in den grauenden Morgen gearbeitet und war auf Zehenspitzen in sein Zimmer geschlichen. Er hatte seine tote Frau erst gegen halb zehn Uhr am Vormittag vor dem Fenster ihres Schlafgemachs am Boden gefunden.
Captain McLean hatte all diese Morde noch einmal gründlich untersucht. Es gab keinen Zweifel: Die Morde waren von ein und demselben Täter ausgeführt worden.
War die Tatsache, daß es sich bei den drei Opfern um außergewöhnlich hübsche junge Frauen handelte, ausschlaggebend für den Täter gewesen? Oder gab es andere Zusammenhänge?
Als sich der 21. September seinem Ende zuneigte, war die Angst in der Stadt so gestiegen, daß auf der ersten Polizei-Station in der Uferstraße Dinge gemeldet wurden, die zu den schlimmsten Befürchtungen Anlaß gaben.
Eine junge Frau in Maplewood hatte einen Herzanfall bekommen, mitten im Kreise ihrer Familie, ohne daß ihr irgend etwas geschehen wäre. Nördlich von Maplewood am Forest Park hatte eine einunddreißigjährige Frau einen Selbstmordversuch unternommen; es stellte sich heraus, daß es eine alleinstehende Frau war, deren Mann sie vor kurzem verlassen hatte; ihr Name war Alice Carlyle.
Sheriff Gordon, der dem gesamten Polizeiapparat des Districts vorstand, beriet mit seinen Untergebenen, Colonel Powell und Captain McLean, welche Sicherungsmaßnahmen noch getroffen werden könnten.
Aber McLean hatte alles getan, was zu tun war. Sheriff Gordon ordnete darüber hinaus aber an, daß zwei Einheiten einer Militärbrigade, die oben in Fort Blackjack im Norden der Stadt lag, die Wachmannschaft der Stadt verstärken sollten. Colonel Powell war von dieser Maßnahme des Sheriffs nicht eben begeistert, aber er hatte sich zu fügen, denn wie in allen anderen Städten hatte auch hier der Sheriff das letzte Wort zu sprechen.
Es war kurz nach sieben, als Captain McLean mit dem hochrädrigen Highlander hinaus nach Ladue fuhr, das am Westrand der Stadt lag. Hier hatte der Sheriff den Offizier hinbeordert, der die Soldaten in der Stadt verteilen würde.
McLean schlug dem Offizier vor, zunächst nur einen Ring zu ziehen, der den nördlichen und den mittleren Stadtkern einschloß. Aber Lieutenant Bowers bestand darauf, den Befehl des Sheriffs strikt durchzuführen; danach hatten die Soldaten zu zweit die Straßen durchzukämmen und jeden Verdächtigen genau unter die Lupe zu nehmen.
Mißmutig verließ McLean die Station und fuhr in die Stadt zurück. Er kutschierte über die Mississippi-Brücke in den östlichen Stadtteil, wo er in Venice seinen Freund Mendoza aufsuchte, der wegen einer Magenkrankheit daheim im Bett lag. Captain Mendoza hatte damals in Quincy den Mörder Griffith zur Strecke gebracht, der zwei Frauen getötet hatte und verstand sich auf dieses »Metier« der Polizei. Als Mendoza hörte, daß der Sheriff so viele Soldaten in die Stadt befohlen hatte, schüttelte er den Kopf.
»Damned, so greift ihr den Burschen doch nie! Das ist doch Wahnsinn. Ich kann Gordon nicht verstehen.«
»Er will es jetzt mit Gewalt schaffen«, meinte McLean, »aber ich glaube, daß wir den Mörder nur verscheuchen werden.«
Mendoza schleuderte die erst halbgerauchte Zigarette aus dem Fenster in den Hof und sank in die Kissen zurück. »Der Teufel solls holen! Einen solchen Halunken greift man nicht mit Soldaten. Solche Gestalten muß man anders packen.«
»Was soll ich denn tun?« stieß McLean wütend hervor.
»Das kann ich dir auch nicht sagen. Du mußt dir immer und immer wieder überlegen, was für einen Zusammenhang es da geben könnte. Weshalb hat er die drei Frauen umgebracht? Wohnen sie vielleicht in einem Viertel beieinander?«
»Absolut nicht. Sie wohnen sogar ziemlich weit auseinander.«
»Dann mußt du die Familien überprüfen und die Kreise, in denen sie leben.«
»Aber das sind alles erstklassige Leute aus der obersten Schicht. Die können nicht den mindesten Grund haben, einander umzubringen.«
»Natürlich nicht. Die Leute nicht«, meinte Mendoza. »Es ist ja nur ein einzelner, ein Kranker höchstwahrscheinlich. Und den gilt es zu finden…«
Als McLean Captain Mendoza verlassen hatte, fuhr er in die Stadt zurück.
Es war mittlerweile halb neun geworden. Er schenkte es sich, noch einmal ins Büro zum Colonel zu gehen, da er fürchtete, dort dem Sheriff zu begegnen, der ihn vielleicht wegen seines Versuchs, die Soldaten zu einem Kordon zu formieren, zurechtweisen könnte. Er fuhr von der breiten Hauptstraße hinunter zum Missouri Garden, wo er den Wagen in einem großen Mietstall abgab.
Als er die alte Shawn Avenue hinunterschlenderte, ging Captain McLean an dem Mann, den eine ganze Stadt fieberhaft suchte, ahnungslos in einem Abstand von nur etwa dreißig Yards vorbei.
Der Mörder schlenderte in diesem Augenblick durch die kleine Queens Gate, die nur sehr kurz war und sich dann im Gassengewirr des östlichen Maplewood verlor.
Nichts blieb von ihm als nur das leise unangenehme Pfeifen, das er durch eine Lücke in den Schneidezähnen stieß.
*
Das Haus stand in einem kleinen parkartigen Garten unweit von der Uferstraße, nicht ganz dreihundert Schritt von der dritten Polizei-Station entfernt.
Es war das Haus des Reverenden Joyce Turringat. Er hatte die große Gemeinde der Johanniskirche und das angeschlossene Marien-Hospital unter sich. Dr. Turringat war ein tüchtiger fleißiger und beliebter Mann. In dieser Abendstunde besuchte er zusammen mit dem Arzt Doktor Green das Hospital, wo eine wohlhabende Patientin einen Herzanfall bekommen hatte.
Nur mit sehr viel Mühe war es Turringat gelungen, die Ursache dieses Anfalls festzustellen. Die Patientin hatte sich eingebildet, daß der Nebelmörder heute nacht nach ihrem Leben trachten würde. Sie hatte sich in ein Zimmer legen lassen, das ein vergittertes Fenster hatte. Die Vorhänge waren zugezogen, es brannte kein Licht, und gerade hier hatte sie den Anfall bekommen.
Genau in diesem Augenblick stand drüben hinter dem hohen Zaun vor einem breiten Jasmingebüsch der Mörder. Er blickte aus starren, kalten lichtlosen Augen hinüber auf das große Haus im Park, wo im Obergeschoß zwei Fenster erleuchtet waren.
Dort saß die einunddreißigjährige Jane Turringat, die Schwester des Reverend, und war mit Abrechnungsarbeiten beschäftigt, die sie, wie so viele andere Dinge, für den älteren Bruder mit großer Sorgfalt erledigte.
Jane Turringat war eine sehr gutaussehende, hochgewachsene Frau mit ernstem Gesicht, langem, hellem Haar und grünschimmernden Augen.
Obwohl die ganze Stadt in dieser Nacht in dumpfer Angst vor dem Nebelmörder erstarrt war, kam die junge Frau ihrer Arbeit nach.