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9 Spannende Krimis Februar 2023: Krimi Paket
9 Spannende Krimis Februar 2023: Krimi Paket
9 Spannende Krimis Februar 2023: Krimi Paket
eBook1.073 Seiten12 Stunden

9 Spannende Krimis Februar 2023: Krimi Paket

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Über dieses E-Book

Dieses Buch enthält folgende Krimis:


Franklin Donovan: Trevellian jagt das Bernsteinzimmer

Jan Gardemann: Trevellian und die Plutonium-Lady

Alfred Bekker: Undercover Mission

Alfred Bekker: Verschwörung der Killer

Alfred Bekker: Die Angst verfolgt dich bis ans Ende

Alfred Bekker: Der finale Absturz

Alfred Bekker: Bilder eines Mordes

Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und das Mordprogramm von Marseille

Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille



Ein Mord, der auf einer Webcam zu sehen ist und auf einem anderen Kontinent geschieht. Was hat der mit einem Verbrechen in New York zu tun? Ermittler Jesse Trevellian und sein Team gehen auf Mörderjagd...


Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum21. Feb. 2023
ISBN9783745227413
9 Spannende Krimis Februar 2023: Krimi Paket
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    9 Spannende Krimis Februar 2023 - Alfred Bekker

    Alfred Bekker, Jan Gardemann, Franklin Donovan

    9 Spannende Krimis Februar 2023: Krimi Paket

    UUID: 0ed6800a-defe-45db-ace4-1786eabc17ab

    Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    9 Spannende Krimis Februar 2023

    Copyright

    Trevellian jagt das Bernsteinzimmer: Action Krimi

    ​Trevellian und die Plutonium-Lady: Kriminalroman

    Undercover Mission

    Copyright

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    VERSCHWÖRUNG DER KILLER

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    Die Angst verfolgt dich bis ans Ende

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    Alfred Bekker

    Der finale Absturz

    Bilder eines Mordes

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    Prolog

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    Commissaire Marquanteur und das Mordprogramm von Marseille

    ​Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille

    9 Spannende Krimis Februar 2023

    von Alfred Bekker, Franklin Donovan, Jan Gardemann

    Dieses Buch enthält folgende Krimis:

    Franklin Donovan: Trevellian jagt das Bernsteinzimmer

    Jan Gardemann: Trevellian und die Plutonium-Lady

    Alfred Bekker: Undercover Mission

    Alfred Bekker: Verschwörung der Killer

    Alfred Bekker: Die Angst verfolgt dich bis ans Ende

    Alfred Bekker: Der finale Absturz

    Alfred Bekker: Bilder eines Mordes

    Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und das Mordprogramm von Marseille

    Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille

    Ein Mord, der auf einer Webcam zu sehen ist und auf einem anderen Kontinent geschieht. Was hat der mit einem Verbrechen in New York zu tun? Ermittler Jesse Trevellian und sein Team gehen auf Mörderjagd...

    Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    COVER A.PANADERO

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

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    Trevellian jagt das Bernsteinzimmer: Action Krimi

    Franklin Donovan

    Der Mann schwankte.

    Die Passanten gingen achtlos an ihm vorbei. Seit Bürgermeister Rudolph Giuliani für Ordnung in New York sorgt, sieht man nur noch selten Betrunkene oder Rauschgiftsüchtige mitten in Manhattan. Vorkommen kann es trotzdem immer noch.

    Mühsam setzte der Mann einen Fuß vor den anderen. Überquerte die Federal Plaza. Er steuerte ein bestimmtes Gebäude an. Das 40stöckige Hochhaus mit der Nummer 26. Der Sitz des New Yorker FBI Field Office.

    Der Mann stemmte sich durch die Drehtür im Erdgeschoß. Zwei Schritte konnte er noch hinter sich bringen. Dann versagten ihm die Beine den Dienst. Schwer schlug sein Körper auf den blank gebohnerten Fußboden.

    Ein Angestellter eilte herbei. »Ist Ihnen schlecht, Sir?«

    Die Augen des Mannes waren blutunterlaufen.

    »Mr. McKee…«, krächzte er mit einem starken slawischen Akzent. »Bitte… zu Mr. McKee…« Dabei krümmte sich sein Körper zusammen, offenbar vori fürchterlichen Krämpfen geschüttelt.

    Der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen.

    ***

    Jonathan D. McKee leitet als Special Officer in Charge das FBI Field Office New York. Es ist nichts ungewöhnliches, daß Informanten nur mit ihm sprechen wollen. Aber daß jemand zu unserem Chef will und dabei noch in unserer Eingangshalle tot zusammenbricht, das kommt selbst in unserem aufregenden Job nicht jeden Tag vor.

    »Ich bin natürlich sofort hinuntergegangen, um mir den Mann anzuschauen«, berichtete Mr. McKee. »Aber sein Gesicht sagte mir nichts. Ich kenne ihn nicht.«

    Ich nickte. Mein Freund und Kollege Milo Tucker und ich saßen unserem Chef in der Besprechungsecke seines Dienstzimmers gegenüber. Vor uns stand jeweils eine Tasse des köstlichen Kaffees, den seine Sekretärin Mandy kochte.

    »Könnte es etwas mit laufenden Ermittlungen zu tun haben?« überlegte Milo.

    Mr. McKee machte eine unbestimmte Handbewegung. »Das wissen wir eben nicht. Deshalb bitte ich Sie beide, die Identität des Toten festzustellen. Der Arzt hat mir zugesichert, daß wir die Obduktionsergebnisse spätestens morgen abend bekommen. Den Inhalt der Taschen des Toten habe ich bereits zusammenstellen lassen.«

    Mit diesen Worten überreichte er mir einen großen braunen Umschlag.

    »Eine Identity Card oder ein Führerschein war wohl nicht zufällig dabei?« fragte ich unschuldig.

    Ein feines Lächeln erschien auf den schmalen Lippen von Mr. McKee. »Auch ohne ein solches Dokument werden Sie herausfinden, wer dieser Mann war und was er gewollt hat, Jesse. Da bin ich mir ganz sicher.«

    ***

    Die Bat Bar an der 57th Street ist allnächtlich ein Treffpunkt der Reichen und Schönen. In rotes und orangenes Licht getaucht drängelt sich dort eine wohlhabende Partymeute zwischen den schrillen Fledermaus- und Werwolffiguren, mit denen die Wände geschmückt sind.

    An diesem Morgen jedoch war die Bat Bar so gut wie menschenleer. Nur eine Frau saß auf einem der gußeisernen Designer-Barhocker.

    Sie hieß Svetlana Scharkowa und war von Beruf Fotomodell. Und zwar nicht irgendeines. Sie gehörte zu dem runden Dutzend Supermodels, die es weltweit gab. In ihrer russischen Heimat war sie der unangefochtene Star. Magazine und Werbeagenturen rissen sich darum, einen Termin mit ihr zu bekommen. Ihr tief gebräuntes Gesicht mit dem unverkennbaren kantigen Kinn und den wasserblauen Augen hatte schon für weltweite Werbekampagnen Verwendung gefunden. Doch nun hatte sie ihren ersten Job für eine nicht-europäische Agentur.

    Svetlanas erstes Foto-Shooting in New York. Man merkte ihr ihre Nervosität nicht an, als sie scheinbar ruhig eine Zigarette rauchte. Sie hatte gehört, daß Rauchen in Amerika inzwischen fast überall verboten war. Aber die Foto-Agentur hatte die Bat Bar für den ganzen Tag gemietet. Bis der Nightclub am Abend wieder für die vergnügungssüchtigen Manhattan-Bewohner öffnete, würden alle Spuren der Foto-Session getilgt sein. Auch Svetlanas Kippen.

    Ich brauche jetzt einfach einen Lungentorpedo, sagte sie sich. Es hängt verdammt viel ab von diesem heutigen Tag. Entweder beginnt jetzt meine amerikanische Karriere oder…

    Sie konnte noch nicht ahnen, daß sie in wenigen Minuten in einen Wirklichkeit gewordenen Alptraum hineingezogen werden würde.

    »Svetlana! Es geht weiter!«

    Schnell kippte das Supermodel den Rest ihres Cappuccinos herunter, drückte die Zigarette aus und schwang sich mit einer eleganten Bewegung vom Barhöcker. Jede ihre Bewegungen war formvollendet. Das Model erinnerte an eine Gepardin, wenn sie mit ihren langen, wohlgeformten Beinen über den Laufsteg stolzierte.

    Eilig trat sie zurück in das Licht der Scheinwerfer, die ungefähr die Hälfte der üppig nachdekorierten Bat Bar mit gleißendem Licht erfüllten. Es war besser, den großen Ian Conway nicht warten zu lassen. Sie war zwar ein Supermodel, aber er ein Starfotograf. Und er konnte ihre Karriere mit einem einzigen Telefongespräch ruinieren, wenn er es darauf anlegte.

    Mitten in der Dekoration war eine Harley Davidson ›Fat Boy‹ aufgebockt. Das absolut klassische amerikanische Motorrad. Die Russin drehte ihren Kopf und sah den Fotokünstler fragend an. Conway strich sich durch seinen Ziegenbart, schob seine Baseballkappe der ›New York Yankees‹ zurück.

    »Klemm dir die Karre zwischen die Schenkel, Svetlana. Wir schießen jetzt eine Biker-Serie!« rief er zu ihr herüber.

    Ihre Beine steckten in knielangen schwarzen Lederstiefeln mit hohen Absätzen. Ihr Po wurde nur knapp von einem ebenfalls schwarzen Lederrock bedeckt.

    Sie beugte ihren Oberkörper über die Maschine und umfaßte mit beiden Händen die Lenkergriffe. Ihre Brüste quollen dabei fast aus ihrem Dekollete.

    Ian Conway war noch nicht zufrieden. Er schüttelte den Kopf, ging nachdenklich hin und her.

    »Wir brauchen eine geheimnisvolle Atmosphäre«, entschied er schließlich. »Arnie, nimm den linken Scheinwerfer zurück!«

    Sein Assistent sprang auf, um die Befehle des Meisters umgehend auszuführen.

    »In Ordnung«, sagte Conway. »Und nun werden wir…«

    Der Starfotograf konnte den Satz nicht mehr beenden. Denn plötzlich wuchs ihm ein drittes Auge mitten auf der Stirn. Ein blutig rotes Loch.

    Überrascht riß er den Mund auf. Der Blick seiner Augen brach.

    Svetlana nahm den Widerhall des Schusses erst Sekundenbruchteile später wahr.

    Männer mit 'Strumpfmasken über den Gesichtern stürmten die Bat Bar.

    Der Beleuchter griff nach seinem Handy, doch eine Geschoßgarbe aus einer kurzläufigen MPi fetzte in seine Brust, schleuderte ihn zu Boden.

    Ein anderer Assistent wollte Richtung Notausgang fliehen. Zwei Kugeln trafen ihn in den Rücken, bevor er auch nur die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte.

    Die Eindringlinge gingen mit rücksichtsloser Brutalität vor.

    Svetlana glaubte bereits, auch ihr letztes Stündchen habe geschlagen. Sie saß immer noch auf der Harley Davidson, wie festgewachsen. Vor Angst gelähmt sah sie, wie auch noch Conways letzter Assistent von den gnadenlosen Gangstern niedergeschossen wurde.

    Dann wandten sich die Verbrecher ihr zu.

    Einer zog sie von dem Motorrad, ein anderer hielt ihre Beine fest.

    Verzweifelt versuchte das Model, sich zu wehren. Ganz instinktiv. Sie trat nach dem Kerl, der seine Pranken um ihre Stiefel geschlossen hielt.

    »Ganz ruhig, mein Täubchen«, zischte der andere ihr ins Ohr. Er hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlossen. »Wie wollen dir doch nicht wehtun müssen.«

    Da hielt Svetlana Scharkowa plötzlich still.

    Denn der Kriminelle hatte sie in ihrer Muttersprache angesprochen. Und sie ahnte plötzlich, mit wem sie es zu tun hatte.

    Mit der russischen Mafia!

    ***

    Milo und ich saßen uns in unserem gemeinsamen Büro in der 26. Etage des FBI-Buildings gegenüber. Vor uns die Gegenstände aus den Taschen des Toten. Viel war es nicht.

    Ein kostenloser Faltplan von New York, wie sie von den Subway-Gesellschaften an Touristen verteilt werden. Die U-Bahnstation Church Avenue der Linien 2 und 5 in Brooklyn war darauf mit Kugelschreiber eingekreist. Das konnte alles mögliche bedeuten.

    Interessanter war da schon eine Quittung aus dem ›Gastronom Moscow‹, einem Restaurant in Brighton Beach, also ebenfalls in Brooklyn. Auf die Rückseite war ein Wort geschrieben, das ich nicht lesen konnte. Denn es war aus kyrillischen Buchstaben zusammengesetzt.

    »Das ist ein Job für Pjotr«, sagte Milo dazu.

    Ich nickte meinem Partner zu. Unser Kollege Pjotr Tamarow ist als Kind russischer Einwanderer zweisprachig aufgewachsen. Er ist eine unschätzbare Hilfe, wenn es um Übersetzungen und ums Dolmetschen geht.

    Doch zunächst checkten wir das übrige Material.

    Dreihundert Dollar in gebrauchten Fünfziger-Scheinen.

    Keine Kreditkarte.

    Das war ungewöhnlich. Selbst der ärmste Amerikaner hat heutzutage mindestens eine.

    Aber wahrscheinlich war der Tote wohl ein Russe. Dafür sprach auch der slawische Akzent, mit dem er nach der Aussage des Angestellten seine letzten Worte gestammelt hatte.

    »Was ist das hier?« fragte Milo und hielt ein buntes gerahmtes Bildchen hoch. Es stellte einen Mann mit Bart in einer Kutte dar.

    »Könnte was Religiöses sein«, vermutete ich. »Aber auch da kann uns Pjotr bestimmt weiterhelfen.«

    »Und wer soll das hier sein?« wunderte sich mein Freund und hob das letzte Fundstück hoch. Es war eine Schnitzerei, die einen Männerkopf darstellte. Doch die Schnitzerei bestand nicht aus Holz oder Elfenbein, sondern aus einem seltsamen gelblichen Material. So etwas hatte ich noch nie gesehen.

    Ich griff zum Telefonhörer. »Ist Pjotr bei euch, Blacky? Kann er gerade mal zu Milo und mir rüberkommen?«

    Noch bevor Milo eine dritte Kaffeetasse organisiert hatte, stand der russischstämmige G-man in der Tür.

    »Was gibt's, Kollegen?«

    »Wir brauchen deinen fachkundigen Rat, Pjotr. Alles, was du hier siehst, wurde in den Taschen eines Toten gefunden.«

    Tamarow setzte sich und nahm einen der Gegenstände nach dem anderen in die Hand. Dabei nickte er, als hätte er all das irgendwo schon mal gesehen.

    Milo stellte eine. Tasse mit dampfend heißem Kaffee vor ihn hin. Genießerisch schlürfte er die heiße Flüssigkeit. Was seine Eß- und Trinkgewohnheiten angeht, ist der gute Pjotr völlig amerikanisiert. Mit Tee und Wodka kann man ihn jagen.

    »Wer immer der Tote sein mag«, sagte er nach einer Pause, »er ist so hundertprozentig ein Russe wie Boris Jelzin.«

    »Kläre uns unwissende Amerikaner auf«, bat ich.

    »Fangen wir mit der Restaurantquittung an. Den ›Gastronom Moscow‹ müßtet ihr auch kennen. Jeder, der schon mal über den Boardwalk gelatscht ist, ist da schon mal dran vorbeigekommen. Ein typisches Ausflugslokal, wo sich nicht nur Exilrussen treffen, sondern auch haufenweise andere New Yorker. Das kyrillische Wort auf der Rückseite heißt ›Bremen‹. Keine Ahnung, was das sein soll.«

    »Ich glaube, eine Stadt in Germany«, sagte Milo. »Schau doch mal ins Lexikon,' Jesse.«

    Das tat ich. Es stimmte. Eine Großstadt 'an der Weser. Ich pfiff anerkennend durch die Zähne:

    »Du hast ja verdammt gut aufgepaßt in Geographie, Milo.«

    Mein Freund grinste bescheiden. »Kleinigkeit. Ich wußte nur, daß es einen Ort namens Bremerhaven in Germany gibt. Das klingt doch ähnlich, oder? Dort ist nämlich der King begeistert von seinen deutschen Fans empfangen worden, als er seinen Militärdienst in Germany abgeleistet hat.«

    »Der King?« fragte Pjotr verständnislos.

    »Elvis Presley, Mann!« rief Milo. »Der King des Rock 'n Roll!«

    »Milo ist ein großer Elvis-Fan«, erklärte ich.

    »Und ob!« bestätigte mein Freund und begann laut und falsch zu singen: »Love me tender, love me true…«

    Er hörte erst auf, als ich ihm einen Klebestift an den Kopf warf. Wir lachten, doch dann hörten wir weiter Pjotrs Erklärungen zu.

    »Das hier«, sagte er und hielt das kleine Gemälde hoch, »ist ein Heiligenbild. In der Orthodoxen Kirche Rußlands spielen die Heiligen eine große Rolle. Viele Russen sind sehr religiös. Deshalb tragen sie solche Bildchen mit sich herum, zum Schutz beispielsweise.«

    »Das hat diesem Mann leider nichts genützt«, warf ich bitter ein.

    »Und dieses Kleinod«, fuhr unser Kollege fort, »soll Nikolaus II. darstellen, den letzten russischen Zaren.«

    »Was ist das für ein Material?« fragte ich.

    »Bernstein.«

    »Nie gehört.«

    »Das ist ein wertvolles Gestein, das vor allem an der Ostsee gefunden wird. In Rußland, aber auch in Germany. Es gibt Bernsteine vom Baikalsee, aus dem Ural oder Armenien.«

    »Verstehe«, sagte ich. »Eine dieser Spuren wird uns die Identität des Toten verraten, da bin ich sicher. Und dann werden wir auch erfahren, was er von Mr. McKee gewollt hat.«

    ***

    Anatol Igdalow fühlte das Kratzen an seinem Hals. Doch das Kratzen alleine hätte ihn kaum gestört. Es gefiel ihm nicht, was da an seiner Kehle kratzte.

    Nämlich ein Galgenstrick.

    Das andere Ende des nagelneuen und sehr fest aussehenden Seils war um einen dicken Dachbalken in diesem leerstehenden Lagerhaus geschlungen. Und Igdalow stand auf einem Fußschemel. Wenn jemand auf die Idee käme, diesen Schemel wegzutreten, wäre dies das sichere Ende des Russen. Und der Mann dort vor ihm sah so aus, als ob er gerade mit dieser Idee spielte. Große Hemmungen, sie auch in die Tat umzusetzen, hatte er bestimmt nicht.

    »Aber ich weiß doch nichts!« rief Igdalow bestimmt schon zum zehnten Mal verzweifelt aus.

    Der Kleine dort schräg unter ihm hakte nun seinen linken Fuß unter eines der Schemelbeine. Eine Bewegung von ihm, und Igdalow würde am Strick baumeln. Er sah sich um, als hätte der Gefesselte auf dem Schemel einen guten Witz gemacht.

    »Er weiß nichts!« wiederholte der Knirps auf Russisch. »Habt ihr gehört, Leute?«

    Es befanden sich noch ein weiteres halbes Dutzend Männer indem Raum.

    Die meisten von ihnen hatten die Hände in den Hosentaschen vergraben und musterten Igdalow mitleidlos. Es schienen alles Landsleute zu sein. Doch das nutzte ihm wenig. Im Gegenteil.

    »Dein Freund Sergej Korsakow ist spurlos verschwunden«, sagte der Kleine geduldig. »Gestern habe ich noch gemütlich mit ihm einen Tee getrunken. Im ›Gastronom Moscow‹. Schon da hat er mir gar nicht gefallen. Viel zu nervös für meinen Geschmack. Deshalb habe ich seinen Tee ein wenig gewürzt. Um ihn zu beruhigen.«

    Die anderen Russen stimmten ein hämisches Gelächter an.

    Igdalow wurde es heiß und kalt zugleich. War Sergej Korsakow etwa tot? Hatte dieser kleine Satan ihn vergiftet?

    Dann war wirklich alles verloren!

    Doch plötzlich fiel ihm ein, wie er seinen Kopf vielleicht doch noch aus der Schlinge ziehen könnte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber dafür mußte er bluffen.

    »Ich weiß nicht, wo Korsakow hingegangen ist!« rief der Mann auf dem Schemel verzweifelt aus. »Und ich weiß auch nicht, wo dieses verdammte Bernsteinzimmer ist!«

    Der Kleine schüttelte mißbilligend den Kopf. »Na, was sind das für Worte? Wir sind doch alle zarentreue Russen, oder? Jedenfalls keine gottlosen Kommunisten. Weißt du nicht, daß das Bernsteinzimmer eines der wertvollsten Schätze des Russischen Reiches ist?«

    »Natürlich weiß ich das!« schrie Igdalow. »Aber ich weiß trotzdem nicht, wo es versteckt ist. Doch ich kenne eine Person, die es weiß.«

    »Wer ist das?« fragte der Kleine ruhig.

    »Erst nehmt ihr die Schlinge von meinem Hals!«

    »Du bist nicht in der Position, Forderungen zu stellen, Brüderchen.«

    Die Gedanken rasten durch Igdalows Kopf. Dann preßte er schließlich hervor. »Also gut. Es ist Svetlana Scharkowa. Das Fotomodell. Sie befindet sich gerade in New York!«

    »Wie passend!« Der Kleine grinste höhnisch. »Dann träum mal süß von der schönen Svetlana, Anatol. Ich wünsche dir heiße Träume - in der Hölle!«

    Und er kickte den Schemel weg.

    Anatol Igdalow spürte noch einen kurzen heißen Schmerz. Dann wurde es Nacht um ihn. Für immer…

    ***

    Der Schweiß lief in Strömen über das schöne Gesicht von Annie Franceso. Doch sie hörte nicht auf. Immer wieder krachten ihre Fäuste gegen den Boxsack, dessen Aufhängung klingelte und klirrte.

    »Das Geräusch darf nicht aufhören!« mahnte ihr weiser chinesischer Meister. »Wenn das Geräusch erstirbt, bist du ein faules Mädchen!«

    Die FBI-Agentin nickte, während ihre linke und ihre rechte Faust abwechselnd gegen das Kunstleder des schweren Sandsacks knallten. Der Meister saß im Lotussitz auf einem Meditationskissen und ließ seine halbgeschlossenen Augen zwischen seinen Schülern hin- und herschweifen. Manche von ihnen machten Partnerübungen, griffen sich gegenseitig an. Andere übten Tritte oder Schläge gegen Wandpolsterungen. Oder stärkten - wie Annie Franceso - ihre Kondition an einem Boxsack.

    Unsere Kollegin hat von uns den Spitznamen ›Miss Lee‹ erhalten. Diese liebevolle Neckerei verdankt sie ihrer Verehrung für den unvergessenen Kung-Fu-Filmstar Bruce Lee. Er ist ihr großes Vorbild. Und deswegen trainiert sie in jeder freien Minute in dieser Kung-Fu-Schule in Chinatown.

    Jennifer Clark betrat den Raum. Die FBI-Agentin hatte ihre Kollegin schon öfter hier abgeholt, wenn wieder ein gemeinsamer Einsatz angesagt war. So wie heute.

    Der alte Kung-Fu-Meister bemerkte die FBI-Spezialagentin sofort.

    »Annie!« rief er mit seiner leisen, doch eindringlichen Stimme.

    Die dunkelhaarige junge Frau wandte sich um, erkannte Jennifer Clark am anderen Ende des Raums. Sie ließ ihre Fäuste mit den ledernen Handschützern sinken und ging zu ihrem Meister. Verbeugte sich mit gefalteten Händen tief vor ihm.

    »Darf ich gehen, Vater?« sagte sie dem Ritual gemäß.

    »Du darfst, meine Tochter«, antwortete der chinesische Greis.

    Jennifer Clark folgte ihrer erschöpften Kollegin in die Frauen-Umkleidekabine.

    »Tut mir leid, dich hier zu stören, Annie. Aber Mr. McKee…«

    »Laß mich raten. Wir haben einen neuen Fall, stimmt's?«

    Annie riß sich das verschwitzte T-Shirt, die schwarze Hose und ihren Slip vom Leib und sprang nackt unter die Dusche.

    »Stimmt«, bestätigte Jennifer Clark. »Svetlana Scharkowa ist entführt worden.«

    »Wer?« rief Annie Franceso durch das Rauschen der Wasserbrause.

    »Dieses russische Supermodel. Noch nie von ihr gehört? Aber warum auch. Das hat ja nichts mit Kung Fu zu tun, ›Miss Lee‹.«

    Grinsend erschien die puertoricanische FBI-Agentin wieder in der Umkleidekabine, sich mit einem riesigen Handtuch abfrottierend. »Du sagst es, Schätzchen. Warum muß ich wissen, wie irgendwelche Supermodels heißen? Das bringt mich nicht weiter. Das hier bringt mich weiter!«

    Mit diesen Worten wirbelte sie herum und täuschte einen Tritt gegen Jennifers Brustkorb an, der ihr mehrere Rippen gebrochen hätte. Wenn er durchgezogen worden wäre.

    Jennifer Clark lächelte. Sie hatte sich schon längst an die temperamentvolle Art von ›Miss Lee‹ gewöhnt.

    Keine fünf Minuten später war Annie Franceso komplett angezogen und geschminkt. Die beiden Frauen fuhren in dem grünen Oldsmobile aus dem FBI-Fuhrpark in die 57th Street. Zur Bat Bar. Dort, wo das Blutbad an Ian Conway und seinen Assistenten angerichtet worden war.

    »Der Hausmeister hat das Massaker entdeckt«, berichtete Jennifer, nachdem sie geparkt hatten und sich unter der Absperrung der City Police durchschlängelten. »Der Mann steht unter Schock. Die City Police hat schon rausgefunden, daß hier Fotos mit Svetlana Scharkowa gemacht werden sollten. Aber von ihr fehlt jede Spur. Da war es natürlich klar, daß wir übernehmen würden.«

    Annie nickte. Entführungen sind grundsätzlich Sache des FBI.

    Die Agentinnen betraten den Nachtclub. Abends tobte sich hier die prominente und wohlhabende Schickeria von Manhattan aus. Nun, in dieser Nacht würden sie ihren Spaß woanders suchen müssen. Denn bis die Spurensicherung fertig war, würde noch einige Zeit vergehen.

    Die Leichen waren schon abtransportiert worden. Nur noch die weißen Kreidestriche zeugten von den Gewalttaten, die sich hier abgespielt hatten. Und die riesigen Lachen mit geronnenem und getrocknetem Blut.

    Jennifer biß die Zähne zusammen. »Wer immer hier gewütet hat, ist mit beispielloser Brutalität vorgegangen.«

    .Annie stimmte zu. »Sie haben alle Zeugen niedergemacht. Es sollte keine Überlebenden geben, die eine Aussage zu der Entführung machen konnten.«

    »Das heißt?«

    »Das heißt, daß Conway oder seine Leute oder vielleicht sogar alle Anwesenden die Täter persönlich gekannt haben, Jennifer.«

    »Es kann aber auch bedeuten, daß es den Mördern auf ein paar Leichen mehr oder weniger nicht ankam.«

    Die Männer von der Spurensicherung waren eifrig beschäftigt. Es gab zahlreiche Geschoßhülsen, die sorgfältig gesammelt wurden. Dadurch konnte man Rückschlüsse auf die Art der Waffen ziehen.

    Plötzlich stieß einer der Techniker einen überraschten Ruf aus.

    Annie Franceso ging zu ihm hin und sah ihm neugierig über die Schulter. »Was Interessantes gefunden, Pietro?«

    Der Spurensicherer hielt mit einer Metallzange einen Gegenstand hoch.

    Es war der Kopf des russischen Zaren Nikolaus II. Aus Bernstein geschnitzt.

    ***

    Milo und ich hatten einen neutralen roten Buick aus dem FBI-Fuhrpark genommen und inzwischen ganz Brooklyn durchquert. Nun standen wir auf dem legendären Boardwalk.

    Boardwalk, die Strandpromenade von Coney Island. Es roch nach Hot Dogs und Pommes Frites, mit denen geschäftstüchtige Verkäufer auf die sonnenhungrigen New Yorker warteten. Denn der Boardwalk läuft direkt an den Stränden Brighton Beach und Manhattan Beach entlang. Und dahinter ist nichts als die Wassermasse des Atlantik.

    Jetzt im Mai hielt sich die Zahl der Tagestouristen freilich noch in Grenzen. Nur Rentner bevölkerten in Scharen die Bänke der Strandpromenade. Viele von ihnen waren aus Rußland eingewandert und lebten in einem der vielen Altersheime, die es in der Nähe gibt. Eine Ziehharmonika verbreitete melancholische Melodien. Man hätte für einen Moment vergessen können, daß dies hier mitten in Amerika war.

    Milo und ich traten in den schummerigen Innenraum des ›Gastronom Moscow‹ Das Lokal, in dem unser unbekannter Toter einen Tag vor seinem Ende gespeist haben mußte. Das besagte jedenfalls das Datum auf der Rechnung.

    An Plastiktischen saßen auch hier hauptsächlich Rentner vor ihren Flaschenbieren. Eine dickliche junge Frau mit einem goldenen Schneidezahn kam uns entgegen und führte Milo und mich zu einer Sitznische. Ihr blondes Haar sah so unecht aus wie das von Barbie.

    »Was darf's sein, Gentleeemeeen?« Ihr Akzent war echtes, unverfälschtes Brooklyn. Irgendwo zwischen Fiatbush Avenue und Canarsie.

    Ich ging auf ihren Tonfall ein. Vielleicht konnten wir so am besten was erreichen, »'n Kaffee für mich un' mein' Kumpel, Schwester. Und ’n Blick aus deinen Guckerchen.«

    Sie grinste mich an wie ein Honigkuchenpferd. Auch als ich meinen FBI-Ausweis auf den Tisch legte, erlosch ihr Lächeln nicht. Ein gutes Zeichen.

    Ich zeigte ihr auch ein Foto von dem unbekannten Toten. Wir hatten es in aller Eile machen lassen.

    »Kennste den Typen, Herzchen?«

    Anscheinend machte ich meine Sache gut. Dabei bin ich in Harpersvillage, Connecticut, aufgewachsen. Doch ich habe New York und die Sprache seiner Bewohner bei zahllosen Einsätzen so gut kennengelernt wie kaum ein anderer.

    »Klaro!« schnaubte sie selbstbewußt. »Das is ’n Russki. Hat kaum ’n veeeerständliches Wort rausgekrieeegt, der Typ.«

    Milo unterdrückte krampfhaft einen Lachanfall. ,

    Die Serviererin stemmte die Hände in die Hüften und bog den Kopf nach hinten. »Der hing mit noch ’n paar anderen Russkis rum. Einer ist das da hiiinten. Schon wieder am Wodkasaufen.«

    Und sie schwenkte ihren Arm wie einen Kran in Richtung eines dunkelhaarigen Muskelpakets, das auf einem der Plastikhocker an der Theke rumlungerte. Da die Stimme unserer neuen Brooklyner Freundin ungefähr so laut war wie eine Hafensirene, bemerkte der Russe sofort, daß wir über ihn redeten.

    Er sprang auf und nahm die Beine in die Hand. Noch nicht mal seinen Schnaps trank er aus.

    »Los, Milo!«

    Doch ich brauchte meinen Freund nicht anzutreiben. Genau wie ich war er schon reflexartig gestartet.

    »Kaffee gibts später, Schwester!« rief ich noch über die Schulter zurück.

    Auf dem Boardwalk hatte der Verdächtige schon einen ziemlichen Vorsprung. Rücksichtslos stieß er die Menschen um, wenn sie ihm im Weg standen. Er mußte wirklich ziemlich was auf dem Kerbholz haben, wenn er sich so verzweifelt schnell aus dem Staub machen wollte.

    Hatte er überhaupt mitgekriegt, daß wir G-men waren? Oder hielt er uns am Ende für konkurrierende Gangster, die ihn kaltmachen wollten?

    Spekulationen, für die mir nun die Zeit fehlte. Ich konzentrierte mich lieber aufs Laufen. Milo war direkt neben mir.

    Wir sprangen über einige Jugendliche hinweg, die es sich auf den Holzplanken des Boardwalk gemütlich gemacht hatten.

    »Stehenbleiben! FBI!« rief ich. Der Mann sollte wenigstens eine Chance haben, sich uns zu ergeben.

    Doch sein Tempo nahm nicht ab. Vielleicht verstand er ja auch unsere Sprache nicht.

    Plötzlich schlug er einen Haken und wollte links über eine breite Holztreppe hinunter zum Strand. Wir mußten ihn uns endlich schnappen.

    »Bleib du hinter ihm!« rief ich Milo zu. »Ich schneide ihm den Weg ab!«

    Und bevor mein Freund etwas erwidern konnte, war ich über das Holzgeländer des Boardwalk geflankt. Ein untrainierter Mensch hätte sich bei diesem Sprung wahrscheinlich mehrere Knochen gebrochen. Aber ich habe schon ganz andere Höhen bewältigt. Außerdem landete ich nicht auf Beton oder Stein, sondern auf Sand.

    Trotzdem wurden meine Knochen ganz schön durchgeschüttelt. Einige frühe Badegäste kreischten entsetzt auf, als ich zwischen ihnen landete und mich abrollte.

    Ich rannte zum Fuß der Treppe. Der Russe erstarrte auf den Stufen, drehte sich entsetzt um. Milo war hinter ihm. Und mein Freund machte nicht den Eindruck, als wenn er ihn durchlassen würde.

    »Geben Sie auf!« sagte ich mit eindringlicher Stimme. »Wir sind Special Agents des FBI New York. Und wir…«

    Weiter kam ich nicht. Das Muskelpaket griff mich mit dem Mut der Verzweiflung an. Er wollte in meinen Magen treten.

    Ich drehte meine Hüfte und packte seinen Fuß mit beiden Händen.

    Beinahe hätte ich ihn zu Boden bekommen. Aber dann stieß er mir seine Fäuste als Doppelramme auf den Rippenbogen. Da meine Rippen schon durch den Sprung etwas angeschlagen waren, ließ ich ihn für einen Moment los.

    Da war Milo über ihm. Wie ein Tiger sprang mein Freund den Flüchtigen von hinten an und riß ihn von den Beinen.

    Der Dunkelhaarige rief etwas auf Russisch. Es war bestimmt keine Freundlichkeit. Er drosch seine Faust gegen Milos Kinn.

    Mein Freund revanchierte sich mit einem Kniestoß in die Magengegend.

    Ich hatte mich wieder berappelt und nahm.meine Handschellen, um den Kerl an weiteren Dummheiten zu hindern, denn er holte schon zu einem fürchterlichen Kinnhaken aus.

    Das war der Moment, in dem ich die stählernen Armreifen um seine Gelenke klicken ließ. Sein Kopf wirbelte herum, er sah mich haßerfüllt an, doch bevor er es verhindern konnte, war sein linker Arm mit dem rechten zusammengekettet.

    »Na also«, sagte ich und fuchtelte mit meinem FBI-Ausweis vor den Schaulustigen herum, die sich neugierig dem Kampfplatz genähert hatten. »Ich werde jetzt unseren Wagen holen, Milo. Dann bringen wir unseren Freund zur Federal Plaza, wo wir…«

    Daraus wurde nichts. Denn in diesem Moment bellte ein Schuß, wahrscheinlich aus einem Präzisionsgewehr, denn die Kugel traf unseren Gefangenen direkt in den Kopf. Man mußte kein Arzt sein, um zu erkennen, daß er sofort tot war.

    Die sensationsgierigen Badegäste liefen kreischend durcheinander. Milo und ich warfen uns zu Boden und zückten unsere 38er Smith & Wessons.

    Aber es fielen keine weiteren Schüsse…

    ***

    »Ihr seht ja ganz schön fertig aus«, begrüßte Jennifer Clark Milo und mich, als wir sie und Annie Franceso kurz vor Feierabend in der Halle des Federal Buildings trafen. »Haben die New York Yankees schon wieder verloren?«

    »Sehr komisch, Jennifer«, meckerte Milo. »Wir sollen doch diesen unbekannten Toten identifizieren, der unbedingt zum Chef wollte. Und prompt haben wir einen Verdächtigen gefangen. Und bevor wir ihn ins Gebet nehmen konnten, hat ihm jemand das Lebenslicht ausgeblasen.«

    »Natürlich gab es keine Zeugen«, ergänzte ich. »Obwohl der ganze Boardwalk voll war von Passanten. Aber es wollte wieder keiner was gesehen haben.«

    »Unser aktueller Fall ist auch nicht besser«, tröstete Annie Franceso meinen Freund. »Jennifer und ich sollen dieses entführte Supermodel Svetlana Scharkowa finden. Aber bisher sieht es trübe aus. Keine Zeugen. Kaum Indizien. Nur ein Haufen Patronenhülsen und der Kopf eines Opas aus Bernstein.«

    »Was?« riefen Milo und ich wie aus einem Mund. »Opa aus Bernstein?«

    Jennifer Clark lachte. »Wir haben uns schon bei einem Juwelier schlau gemacht. Das Schmuckstück soll Zar Nikolaus II. von Rußland darstellen. Es ist aus Bernstein. Das ist ein wertvoller Stein, der in Europa gefunden wird, und zwar…«

    »…hauptsächlich in Rußland und Germany«, ergänzte ich. »Ein eigenartiger Zufall.«

    »Was?« fragten nun Jennifer und Annie gleichzeitig.

    »Daß auch unser unbekannter Toter einen solchen Zarenkopf aus Bernstein in der Tasche gehabt hat.«

    ***

    Der Kerl stank nach Schweiß wie eine ganze Kompanie Soldaten nach dem Waffendrill in der Augustsonne. Er saß auf einem Hocker und starrte Svetlana Scharkowa an.

    Das Supermodel fühlte ein Würgen im Hals. Sie haßte diese Situation. Und das nicht nur wegen dem Körpergeruch dieses Kriminellen. Die blonde Russin saß auf einer Pritsche in einem fensterlosen Betonverließ. Irgendwo in New York? Irgendwo in Amerika? Wer konnte das schon wissen.

    Die Beine hatte sie übereinandergeschlagen. Doch ihr Minirock bedeckte ihren Po mehr als dürftig. Sie versuchte ihn weiter herunterzuziehen, aber er gab keinen Millimeter mehr nach. Der Schweißige glotzte weiterhin, als wäre er bei der Fleischbeschau. Und aus seiner Sicht gesehen war er das ja auch.

    Nun rieb er die Hände gegeneinander. Svetlana war sich sicher, daß auch sie schweißnaß waren. Schweißnaß und kalt. Ihr wurde wirklich schlecht. Trotz ihrer intensiven Sonnenbräune war sie totenbleich geworden.

    Aber der lüsterne Gangster bemerkte es nicht.

    »Du bist wirklich schön, mein Täubchen«, hechelte er und stand auf. Doch bevor er auf sie zukommen konnte, wurde die Tür aufgerissen.

    »Was machst du hier?« herrschte ihn einer der anderen Verbrecher an.

    Der Verschwitzte zog den Kopf zwischen die Schultern. »Nichts, Arkadi, wirklich nichts!« jammerte er. »Ich wollte nur…«

    »Nur was?« Arkadis flache Hand klatschte in das Gesicht seines Komplizen. »Du hast hier nichts verloren, Konstantin!«

    Er packte den Lüsternen an seinem verschwitzten Hemd und warf ihn gegen die Wand. Konstantin versuchte nicht, sich zu wehren.

    »Wenn ich dich noch mal dabei erwische, daß du Svetlana Scharkowa belästigst! Wenn du sie auch nur noch mal ansiehst mit deinen dreckigen Blicken… dann bist du tot! Verstanden?«

    Zur Bekräftigung schlug Arkadi den Kopf von Konstantin bei jedem seiner Sätze krachend gegen die Wand. Als er ihn losließ, sackte der Verschwitzte in sich zusammen. Dann kroch er stöhnend und wimmernd aus der Tür. Arkadi gab ihm zum Abschied noch einen Tritt in den Hintern.

    Dann grinste er Svetlana gewinnend an. Er hob die Hand zur Ventilation und drehte sie höher.

    »Hat einen ganz schönen Gestank verbreitet, mein Kumpel, was?« sagte er. »Aber die Luft ist gleich ausgetauscht. Er wird dich nicht mehr behelligen. Sonst bekommt er es mit mir zu tun.«

    Das Model sah den Gangster an. Er wirkte so ganz anders als sein Komplize. Groß war er und muskulös, wie sie aufgrund seines ärmellosen T-Shirt erkennen konnte. Seine langen Haare fielen ihm bis auf die Schultern. Er roch nicht nach Schweiß, sondern nach einem teuren Rasierwasser. Seine Haut war fast'so tief gebräunt wie die von Svetlana. Auch er hatte die ganze Zeit russisch mit ihr gesprochen.

    »Was wollt ihr von mir?« wagte Svetlana nun zu fragen. »Ich bin nicht so vermögend, und niemand wird für mich Lösegeld bezahlen.«

    Der Verbrecher lachte. »Du verdienst mehr als die allermeisten Leute in unserer Heimat, mein Täubchen. Aber das ist nicht der Grund, weshalb du hier bist. Und das weißt du auch. Du bist jetzt in New York. Und es ist auch in New York, da sind wir uns sicher. Und wir wissen genau, daß du es jetzt in die Heimat holen wolltest.«

    »Was meinst du mit es?« fragte Svetlana.

    »Stell dich nicht dumm. Ich spreche natürlich vom Bernsteinzimmer!«

    ***

    Am nächsten Morgen holte ich Milo mit meinem roten Sportwagen an unserer gewohnten Ecke ab.

    Mein Freund ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Entgegen seiner Art war er still, fast schon mürrisch.

    »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?« fragte ich.

    »Die Laus war rothaarig, langbeinig und verlogen bis über beide Ohren«, knurrte Milo.

    Ich seufzte. »Blender gibt es viele, ob Männlein oder Weiblein.«

    »Du hättest Philosoph werden sollen, Jesse.«

    »Das ist mir zu langweilig, Partner. Ich habe das Gefühl, daß uns dieser Bernstein-Fall noch jede Menge Action bringen wird«

    Und damit sollte ich recht behalten.

    Ich stellte meinen roten Flitzer in der Tiefgarage unter dem FBI-Building ab. Mit dem Lift fuhren Milo ünd ich hoch in den 26. Stock.

    Kaum hatten wir das Büro betreten, klingelte das Telefon auf meinem Schreibtisch.

    Ich sprang hin. »Trevellian!«

    Es war Linda, unsere Telefonistin mit der rauchigen Altstimme. »Da bist du ja endlich, Jesse. Ich habe hier deine Verbindung nach Germany.«

    »Ah ja. Thanks, Linda.«

    Kurz vor Dienstschluß hatte ich gestern noch ein Fax nach Bonn in Germany geschickt. Dort befindet sich eine der 13 ausländischen Verbindungsstellen, die das FBI weltweit unterhält. Die Kollegen dort hatten von mir außerdem noch ein Funkbild von dem unbekannten Toten bekommen.

    »Special Agent Tom Denham hier.«

    »Special Agent Jesse Trevellian, Field Office New York. Konntet ihr etwas anfangen mit meiner Anfrage von gestern?«

    »Ja und nein, Jesse. Dieser Mann ist uns völlig unbekannt. Auch die deutsche Bundespolizei, das BKA, hat das Bild durch ihr Fahndungsraster laufen lassen. Ergebnis: null. Bleibt also nur das Wort Bremen. Aber das ist zu dürftig. Bremen ist eine Großstadt. Jedenfalls für deutsche Verhältnisse, hahaha. Wir wissen nicht, wo wir den Hebel ansetzen sollen.«

    Ich fluchte innerlich. »Gibt es in Bremen vielleicht eine größere russische Emigrantengemeinde, Tom? Der Tote ist wahrscheinlich ein Russe. Er hatte ein Heiligenbildchen in seiner Tasche, außerdem ein Schmuckstück aus Bernstein und…«

    »Wie war das?« Mein Kollege am anderen Ende der Welt hatte mich unterbrochen.

    »Ein Schmuckstück aus Bernstein. Das ist ein wertvoller Stein, der…«

    »Ich weiß, was Bernstein ist, Jesse. Schließlich lebe ich schon fünf Jahre hier in Germany. Aber ich habe gestutzt, weil mir was eingefallen ist. Da war irgendwas mit Bernstein und Bremen. Bleibst du einen Moment in der Leitung?«

    Das tat ich natürlich. Dann hörte ich, daß irgendwo in Europa Papier raschelte und Schubladen knallten. Fünf Minuten später meldete sich Tom Denham wieder.

    »Da ist wirklich was gewesen, Jesse. Vor wenigen Tagen wurde in Bremen ein Mosaik aus Bernstein gefunden. Es soll angeblich aus dem berühmten russischen Bernsteinzimmer stammen.«

    »Sagt.mir nichts.«

    »Das ist ein einmaliger Kunstschatz, für den so mancher viele Millionen Dollar auf den Tisch legen würde. Das gibt es auf der ganzen Welt nur einmal. Außerdem ist es seit über fünfzig Jahren buchstäblich spurlos verschwunden. Das erhöht den Preis natürlich noch.«

    Mein Adrenalinspiegel schoß in die Höhel Hatte die Jagd nach dem Bernsteinzimmer den unbekannten Russen das Leben gekostet? »Habt ihr mehr Informationen darüber, Tom?«

    »Na klar.« Er lachte. »Du weißt doch, was FBI-Agenten tun, wenn sie keinen aktuellen Fall haben, oder? Sie sammeln Fakten wie die Eichhörnchen Nüsse!«

    Wir lachten beide. Es war ein gutes Gefühl, endlich weiterzukommen bei den Ermittlungen.

    »Ich habe einen Bericht über das Bernsteinzimmer geschrieben. Hier ist nämlich gerade absolut nichts los, und ich sterbe vor Langeweile. Du bekommst gleich ein Fax von mir, okay?«

    »Danke, Tom.«

    »Kein Problem, Jesse. Und grüß mir New York.« In seiner Stimme schwang Heimweh mit.

    Wir verabschiedeten uns voneinander, dann ging ich hinunter in die Computerzentrale und hielt ein Schwätzchen mit den Kollegen, während ich auf meine Nachricht aus Germany wartete. Ich hatte meinen Kaffeebecher noch nicht mal halb ausgetrunken, als eine ewig lange Papierschlange aus dem Faxgerät quoll.

    Ich nahm den Bericht mit in unser Büro.

    Milo saß jetzt an seinem Computer und checkte die Personenbeschreibung des Mannes, der gestern am Strand von Brighton Beach vor unseren Augen ermordet worden war. Wir wollten herausfinden, ob er vielleicht vorbestraft war. Bisher Fehlanzeige.

    Mein Freund wirkte alles andere als zufrieden, während er auf die Tastatur einhämmerte. Genau wie mir selbst lag auch ihm der Außendienst mehr.

    »Hör dir das an, Alter«, sagte ich. »Vielleicht ist das der Schlüssel zum Geheimnis unserer unbekannten Leiche.«

    Dankbar wandte sich Milo von seinem Bildschirm ab und drehte sich auf dem Bürostuhl zu mir hin.

    »Das Bernsteinzimmer«, las ich vor, »wurde vor zweihundert Jahren dem russischen Zaren Peter dem Großen geschenkt. Und zwar von dem preußischen König Friedrich Wilhelm I.«

    »Und das soll eine Spur sein?« maulte Milo. »Da bestand New York noch aus drei Häusern und einem Palisadenzaun!«

    »Nicht so ungeduldig, Milo. Dieses Bernsteinzimmer gilt als das achte Weltwunder. Es besteht aus lauter einzigartigen Kunstwerken, die alle aus Bernstein geschnitzt waren. Durch diese Einmaligkeit ist es praktisch unbezahlbar. Reiche Sammler würden praktisch jeden Betrag ausgeben, um das Bernsteinzimmer in ihren Besitz zu bringen. Und für nationalbewußte Russen ist es ein Symbol der Zarenherrschaft.«

    Milos Interesse erwachte. »Das heißt, jede Menge Leute würden auch über Leichen gehen, um an das Bernsteinzimmer zu kommen.«

    »Genau. Denn jetzt geht die geheimnisvolle Geschichte erst los. 1941, als die Deutschen in der Sowjetunion einmarschiert sind, haben sie das Bernsteinzimmer demontiert und nach Königsberg geschafft.«

    »Nicht nach Bremen?« fragte Milo hoffnungsvoll.

    - »Das wäre zu schön, was? In Königsberg verliert sich dann die Spur. Vor ein paar Tagen wurde aber in Bremen ein Mosaik gefunden, das angeblich aus dem Bemsteinzimmer stammen soll. Aber das bedeutet'überhaupt nichts. Genausogut könnte der Rest des Bemsteinzimmers…«

    »…auch irgendwo in New York versteckt sein!« beendete Milo meinen Satz.

    ***

    Iwan Ramsakow schlug zu.

    Seine harten Fäuste tanzten auf dem Kinn seines Kumpanen. Es blitzte in seinen Augen auf, während er wutschnaubend seinen Zorn an dem jüngeren Mann ausließ.

    Dieser war klug genug, sich nicht zu wehren. Denn er hatte schon früh erkannt, daß Ramsakow ein Diktator war, der in seiner Wut zur mordgierigen Bestie werden konnte. Wer für ihn arbeitete, biß besser die Zähne zusammen.

    Die Fäuste krachten in die Rippen des jüngeren Mannes, gegen seinen Solarplexus, auf das linke Auge. Das würde ein schönes Veilchen geben. Doch das war Ramsakow egal. Er paßte nur auf, daß er den Jüngeren nicht totschlug. Schließlich würde er ihn noch brauchen.

    Endlich ließ er die Arme sinken.

    »Geh mir aus den Augen, du Versager!« knirschte der Kleine schließlich.

    Der junge Mann trollte sich stöhnend und ächzend.

    Oleg Krapodkin hatte die ganze Zeit hinter seinem Schreibtisch gesessen und der Bestrafung mit unbewegter Miene zugesehen. Er wirkte so unauffällig wie ein Buchhalter. Doch zu Zeiten der Sowjetunion war er einer ihrer gefährlichsten Spione gewesen. Nun kämpfte er nur noch für eine Sache. Für sein persönliches Nummernkonto in der Schweiz.

    »Hat er seipe Lektion gelernt?« fragte der Ex-Spion.

    »Das will ich hoffen!« grollte Ramsakow. »Das mußt du dir mal vorstellen! Da knallt dieser Trottel einfach Viktor ab. Vor den Augen von zwei FBI-Agenten!«

    »War doch ganz gut so. Jetzt kann er nichts mehr ausplaudern!« Krapodkin lachte dreckig.

    »Ausplaudern? Der Idiot wußte doch sowieso nichts. Der wußte noch nicht mal, daß wir das Bernsteinzimmer in die Heimat zurückschaffen wollen. Als ich mit Korsakow gequatscht habe, habe ich Viktor nur mitgenommenen, um Korsakow Angst einzujagen. Worum es ging, hat Viktor nicht geschnallt. Und jetzt haben wir das FBI am Hals!«

    Krapodkin starrte ihn ungerührt an und warf die neueste Ausgabe der New York Post auf den Tisch. »Erst mal haben wir andere Probleme!«

    Die Schlagzeilen sprangen dem Kleinen ins Auge: ›Blutbad in der Bat Bar -Sexy Svetlana gekidnappt!‹

    »Verdammt!« fluchte Ramsakow, nachdem er den kurzen Artikel hatte. »Ist uns da einer zuvorgekommen?«

    Krapodkin lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. »Die Frage ist, wer außer uns noch weiß, daß Svetlana Scharkowa das Versteck des Bernsteinzimmers kennt.«

    »Anatol Igdalow habe ich höchstpersönlich gehenkt.« Mit einem sadistischen Grinsen erinnerte sich der Verbrecher an seine feige Tat. »Und Korsakows Tee habe ich mit-Gift gewürzt. Also schon mal zwei Mitwisser weniger.«

    Krapodkin verzog keine Miene. »Das bringt uns jetzt aber nicht weiter, Iwan. Wir müssen diese Schlampe Svetlana ausfindig machen, bevor sie jemand anderen zum Bernsteinzimmer führt!«

    Er griff zum Telefon…

    ***

    Ich stand vor der Subway-Station Church Avenue. Der unbekannte Tote von der Federal Plaza hatte diesen Ort auf seinem Stadtplan mit Kugelschreiber eingekreist. Das mußte etwas zu bedeuten haben. Aber was?

    Diese Frage beschäftigte mich im Moment allerdings nicht so besonders. Denn ich konzentrierte mich auf die Messerspitze, die gegen meine Kehle gedrückt wurde.

    »Verdammt neugierig, der Yankee.«

    Der Kerl, der diese Worte in gebrochenem Englisch ausstieß, war eigentlich hoch ein Junge. Aber ein Junge mit einem Klappmesser. Er stand unmittelbar vor mir. Gekleidet war er in einen nagelneuen Trainingsanzug einer teuren Kultmarke. Nichts an ihm wirkte auf den ersten Blick bedrohlich. Bis auf das irre Flackern in seinen Augen. Drogen.

    Die Passanten hasteten an uns vorbei. Keiner von ihnen hatte anscheinend vor, mir zu helfen oder auch nur hinzusehen. Es war alltäglich, daß Menschen auf der Straße bedroht wurden. Das gehörte zum Stadtbild, so wie die roten Hydranten und die gelben Cabs.

    »Mach keinen Quatsch, my boy«, ächzte ich. »Ich wollte doch nur wissen, ob du den Mann auf dem Foto kennst.«

    In meiner rechten Hand hielt ich eine Aufnahme von dem Toten aus der Empfangshalle des FBI-Gebäudes.

    »Schnüffler!« stieß der Messerheld hervor. »Schnüffler - killen!«

    Ich hatte genug gehört. Der Junge war offenbar völlig von der Rolle. Er würde mich töten, weil ihm die Drogen das Gehirn aufgeweicht hatten. Morgen würde er sich an nichts erinnern können. Es gab keinen Grund, kein Motiv.

    Aber zu diesem'Spiel gehörten immer noch zwei.

    Ich ließ mir nicht anmerken, daß ich völlig konzentriert war. Trainingsanzug hatte mich mit seinem Messer überrumpelt. Noch einmal würde mir das nicht passieren.

    Ich drückte meine Zehen in den Schuhen hart gegen die Gehsteigplatten unter mir. Gleichzeitig ging ich unmerklich in die Knie. Einige Zentimeter nur. Aber es reichte.

    Von der Unterlippe des Messerschwingers tropfte Speichel. Er hatte den Mund halb geöffnet und sah aus, als wäre er fast gänzlich weggetreten. Für mich stand fest, daß er sofort zustechen würde.

    Bevor das Blut aus meiner Kehle sprudeln konnte, katapultierte ich mich blitzschnell nach hinten. Einen Yard nur. Aber es reichte, um Abstand zwischen die tödliche Klinge und mich zu bringen.

    Gleichzeitig riß ich mein linkes Bein vor die Brust und schoß meinen Fuß aus dem Kniegelenk ab wie eine Kanonenkugel.

    Meine Schuhspitze traf das Handgelenk des Jungen. Er jaulte auf wie ein Kojote. Klirrend fiel das Messer auf den Boden.

    Mit einem schnellen Schritt war ich wieder direkt vor ihm und landete einen rechten Schwinger auf seinem Kinn.

    Er stolperte einige Schritte zurück.

    Dann sah er mich mit schreckgeweiteten Augen an und nahm die Beine in die Hand. Er stieß rücksichtslos Leute zur Seite, während er die Church Avenue in Richtung Süden entlangjagte.

    Ich überlegte einen Moment, ihn zu verfolgen, ließ es aber sein. Es lohnte die Mühe nicht. Tausende wie er lungerten überall in New York City herum. Es gab keinen Grund, ihn mit dem Bernsteinzimmer-Fall in Verbindung zu bringen.

    Statt dessen stieg ich in den U-Bahn-Schacht hinunter, wo Milo damit beschäftigt war, dem Personal das Foto des toten Russen vorzulegen.

    »Wo bleibst du denn?« frotzelte er. »Hast du erst noch ein Eis gegessen?«

    Ich hob die Schultern. »Kleine Meinungsverschiedenheit. Aber nichts Wichtiges rausgekriegt.«

    »Geht mir genauso.« Resigniert ließ sich Milo auf eine mit Graffiti beschmierte Bank fallen. »Jesse, im Umkreis von einer Quadratmeile um diese Subway-Station leben ein paar tausend Brooklyner. Jeder von ihnen kann etwas mit dem Toten zu tun haben. Oder keiner. Vielleicht hat er den Stadtplan von jemand anderem bekommen, der den Kringel um die Station gemacht hat. Wir suchen hier die Stecknadel im Heuhaufen!«

    »Hast recht, Alter«, stimmte ich zu. »Vielleicht bringt uns das Obduktionsergebnis ja weiter. Der Doc hat heilige Eide geschworen, daß wir es heute auf den Tisch bekommen.«

    In diesem Moment dudelt mein Handy los.

    »Trevellian hier!«

    Ich bekam eine kurze Nachricht und mußte schlucken.

    Wie in einem bösen Fiebertraum reaktivierte ich mein Mobiltelefon und starrte dumpf vor mich hin.

    »Was ist los?« drängte mein Freund. »Du bist weiß wie die Wand! Was ist passiert, Jesse?«

    »Das war Linda aus der Telefonzentrale«, sagte ich mit tonloser Stimme. »Annie Franceso ist tot.«

    ***

    Der Trump Tower an der Ecke Fifth Avenue und 56th Street ist einer der jüngsten Wolkenkratzer New Yorks. Das 68 Stockwerke hohe Gebäude hat einen der schönsten Eingangsbereiche der ganzen Stadt. Die Wände und Fußböden bestehen aus feinstem Breccia-Marmor, der in einer Mischung aus Rosa und Orange leuchtet. Inmitten von Restaurants und Cafés stürzt ein 60 Meter hoher künstlicher Wasserfall in die Tiefe.

    In einem Café mit Blick auf die Wassermassen saß an diesem Morgen die FBI-Agentin Annie Franceso und wartete auf eine Informantin.

    Ein anonymer Anruf war beim FBI eingegangen. Eine Frau mit slawischem Akzent wollte etwas über die Entführung von Svetlana Scharkowa erzählen. Linda hatte sie mit Annie Franceso verbunden. Und die beiden Frauen hatten sich verabredet. Die einzige Bedingung der Unbekannten war, daß unsere Kollegin allein kommen sollte.

    Annie Franceso nippte an ihrem Cappuccino. Es war zehn Minuten nach zehn Uhr morgens. Die Informantin war spät dran. Ob sich jemand einen dummen Scherz erlaubt hatte? Das konnte man vorher nie wissen. Wir verdanken die Lösung vieler Fälle solchen anonymen Tips.

    »Miss Franceso?«

    Wie aus dem Boden gewachsen stand die junge Frau plötzlich vor der FBI-Agentin. Sie war dunkelhaarig und zierlich wie unsere Kollegin selbst. Ihre Augen wurde von einer riesigen schwarzen Sonnenbrille verdeckt.

    »Das bin ich, ganz recht.« Annie zeigte ihren Dienstausweis.

    Olga Andropowa war wie elektrisiert, als sie Annie Franceso sah. Eigentlich wollte sie ja nur ihren Arkadi ans Messer liefern. Ihren geliebten Arkadi, der nur noch Augen für dieses verdammte blonde Flittchen Svetlana Scharkowa hatte. Aber als sie die FBI-Agentin erblickte, entstand plötzlich ein neuer wahnwitziger Plan in ihrem überreizten Gehirn…

    »Sie werden verstehen, daß ich meinen Namen nicht verrate«, sagte Olga, während sie sich neben Annie an den kleinen Marmortisch setzte. Sie winkte dem Kellner und bestellte eine Coca Cola. Dann sah sie sich suchend um.

    »Hier wird nicht geraucht.« Angie grinste, denn sie konnte sich denken, daß die Russin nach einem Aschenbecher Ausschau hielt. »Das ganze Gebäude ist qualmfrei. Erzählen Sie mir, was Sie wissen. Und schon können Sie wieder raus und sich die Lungen teeren.«

    »Verrückte Amerikaner«, murmelte die Frau mit der Sonnenbrille. »Also -Sie suchen die Entführer von Svetlana Scharkowa?«

    »Richtig.«

    »Ich kenne sie.«

    Annie Francesos Adrenalinspiegel schoß in die Höhe, aber sie blieb nach außen hin cool. »Woher?«

    »Spielt das eine Rolle?« fragte Olga zurück und spielte nervös mit der Speisekarte herum. »Ich kenne sie eben.« Und der Boß der Bande ist die große Liebe meines Lebens, fügte sie in Gedanken bitter hinzu.

    »Wer sind diese Entführer?«

    »Es ist eine Gruppe aus Moskau, die schon seit eineip halben Jahr hier in New York Geschäfte betreibt. Sie gehören zu einer großen Organisation.«

    »Also russische Mafia.«

    »Wenn Sie so wollen«, sagte Olga und verzog verächtlich den Mund. »Der Anführer dieser Gruppe heißt Arkadi Schostkin.«

    »Können Sie ihn beschreiben?« Annie machte sich fleißig Notizen.

    »Groß, muskulös, gebräunte Haut, kantiges Kinn, blaue Augen.« Annie hätte das Leuchten in den Augen der Zeugin sehen können, wenn diese keine Sonnenbrille getragen hätte. »Breite Schultern, leicht gelocktes, schulterlanges Haar.«

    »Klingt, als ob Sie ihn gut kennen würden«, bemerkte die FBI-Agentin trocken.

    »Das geht Sie nichts an!« zischte Olga wütend. »Arkadi war… war… ach, egal. Jedenfalls haben er und seine Leute diese Scharkowa entführt und das Fotografen-Team umgelegt. Das ist es doch, was Sie interessiert, oder?«

    »Sicher. Können Sie mir auch sagen, wo das entführte Fotomodell gefangengehalten wird?«

    »116 Rivington Street«, antwortete die Informantin wie aus der Pistole geschossen. »Ein einzelnes Haus, das Arkadi für seine Import/Export-Firma gemietet hat. Ist natürlich nur Tarnung.«

    »Ich werde Ihren Tip sofort überprüfen lassen«, sagte Annie Franceso. »Ich nehme nicht an, daß Sie…«

    »Nicht so schnell!«

    Plötzlich spürte die FBI-Agentin den kalten Stahl einer Waffe zwischen ihren Rippen. Die Frau mit der Sonnenbrille hatte die Mündung eines Revolvers oder einer Pistole auf sie gerichtet.

    Sehr geschickt, dachte Annie. Sie hat mich so mit ihren Informationen in ihren Bann gezogen, daß ich die Knarre nicht bemerkt habe. Mein Trainer hat recht. Ich muß noch viel aufmerksamer werden.

    Doch momentan gab es nichts, was Annie tun konnte. Die Unbekannte war unberechenbar und zu allem fähig.

    Aus den meisten üblen Situationen konnte sich ›Miss Lee‹ mit ein paar Fausthieben und Kung-Fu-Tritten befreien. Doch dafür fehlte ihr jetzt die Bewegungsfreiheit. Annie zweifelte nicht daran, daß die Frau abdrücken würde. Ihr Gesicht wirkte starr wie eine Maske. Kalt und gefühllos.

    »Was wollen Sie von mir?«

    »Bewegen Sie sich. Wir gehen jetzt auf die Damentoilette. Gemeinsam.«

    Annie Francesos Körper war angespannt wie eine Stahlfeder. Bereit, jede Sekunde zu explodieren.

    Doch die Unbekannte ließ ihr keine Chance. Ihre Schußwaffe hatte sie mit ihrem leichten Sommerblazer getarnt, den sie über dem Arm trug.

    Die Frauen gingen nebeneinander durch die Tür mit der Aufschrift ›Ladies Restroom‹.

    Annie wollte gerade zu einem Befreiungsschlag ausholen, doch die Informantin kam ihr zuvor. Kaum hatte sich die Tür hinter den beiden geschlossen, als der FBI-Agentin auch schon der Pistolenlauf über den Schädel gezogen wurde.

    Die Frau mit der Sonnenbrille fing die Ohnmächtige auf und zog sie in eine der geräumigen Toilettenkabinen. Wie alles in dem Café waren auch die sanitären Anlagen luxuriös.

    Olga war immer noch an russische Standards gewöhnt. Amerika erschien ihr wie ein Wunderland. Ein Wunderland, in dem sie bleiben wollte. Auch ohne Arkadi.

    Die Gangsterbraut durchwühlte die Taschen der FBI-Agentin. Sie fand ein paar Münzen, ein paar Dollarscheine, den Dienstrevolver der Marke Smith & Wesson und das Wichtigste überhaupt: den Führerschein und den FBI-Ausweis.

    Olga rechnete sich eiskalt ihre Chancen aus. Mit etwas Glück würde es ein paar Stunden dauern, bis die ohnmächtige Agentin gefunden wurde. Bis dahin konnte sie, Olga Andropowa, mit irgendeinem Inlandsflug in irgendeine Stadt der USA verschwunden sein. Sie wollte sich die Ähnlichkeit zwischen ihr selbst und Annie zunutze machen. Als sie die FBI-Agentin gerade zum ersten Mal gesehen hatte, war plötzlich eine Idee in ihr aufgeblitzt. Als FBI-Agentin würde sie sich Zutritt zu jedem Flugzeug in diesem Land verschaffen können. Sie mußte einfach nur behaupten, einen Verdächtigen zu verfolgen. Der Vorteil: ihr Name tauchte in keiner Passagierliste auf. Es würde für Arkadi und seine Leute unmöglich sein, sich auf ihre Spur zu setzen.

    Zumal mein geliebter Arkadi bald andere Probleme kriegen wird, dachte sie haßerfüllt, während sie sich Annies Smith & Wessen-Halfter an den Gürtel hakte und die Papiere unserer Kollegin in ihre Jackettasche steckte. Wenn diese FBI-Schnalle wieder wach ist, wird sie Arkadi ihre Kollegen auf den Hals hetzen. Insofern habe ich doch noch eine gute Tat für die amerikanische Bundespolizei vollbracht. Da ist es nur gerecht, wenn ich mir eine kleine Belohnung nehme!

    Olga warf noch einen Blick auf Annies Paßfoto. Wenn man nicht zu lange hinsah, könnte man sie wirklich für diese Person halten.

    Dann verbarrikadierte sie die Toilettentür von außen. Gerade rechtzeitig, bevor eine andere Frau den ›Restroom‹ betrat.

    Good bye, Annie Franceso, dachte Olga Andropowa spöttisch, während sie das Café durchquerte. Amerika, ich komme!

    Dies war ihr letzter Gedanke. Mitten im Eingangsbereich des Trump Towers wurde ihr zierlicher Körper plötzlich von einer Garbe aus einer Maschinenpistole durchsiebt.

    Olga hatte keine Chance. Sie starb mit einem überraschten Ausdruck auf dem Gesicht.

    Panik brach aus unter den Hunderten von Menschen, die sich am späten Vormittag im Trump Tower aufhielten. Doch der hauseigene Security Service hatte die Lage schnell wieder unter Kontrolle. Nur vom Täter fehlte jede Spur.

    Die Cops der City Police waren im Handumdrehen da. Einer von ihnen checkte für eine erste Identifizierung die Taschen der Ermordeten.

    »Verdammt!« sagte er zu seinen Kollegen. »Das ist ja eine FBI-Agentin!«

    ***

    Milo saß am Steuer des roten Buicks aus dem FBI-Fuhrpark. Er hatte mir angesehen, daß ich im Moment nicht fahrtüchtig war. Okay, es ist für uns alle hart, wenn es jemanden von uns erwischt. Aber gerade Annie… warum sie?

    Nun, es war sinnlos, sich diese Fragen zu stellen. Ich wußte nur, daß ich den Kerl kriegen wollte, der das getan hatte. Er sollte sich vor Gericht verantworten müssen.

    »Was genau hast du gehört?« fragte Milo.

    »Eine Streife der City Police ist nach einem Feuerüberfall in den Trump Tower gerufen worden«, berichtete ich. »Offenbar hat ein unbekannter Täter eine Frau mit einer MPi-Garbe niedergestreckt. Und diese Frau ist Annie Franceso.« Ich biß die Zähne aufeinander.

    »Wo ist Jennifer Clark? Die beiden arbeiten doch zusammen an dem Entführungsfall Svetlana Scharkowa!«

    »Ich weiß es nicht, Milo. Jedenfalls hat die City Police in der FBI-Zentrale angerufen, und von dort aus hat man uns verständigt. Warum, Milo,.warum? Sie war ja immer sehr mutig. Sie muß eine heiße Spur verfolgt haben! Verdammt, verdammt…«

    Die Gedanken drehten sich in meinem Gehirn. Aber jetzt kam es darauf an, einen kühlen Kopf zu bewahren. Weder Haß noch Trauer würden uns helfen, den Mörder zu fangen. Nur Mut und Sinn für Tatsachen.

    Doch es war nicht immer leicht, nach diesem Prinzip zu handeln.

    Endlich kamen wir beim Trump Tower an. Das Blinklicht mit dem Magnetfuß auf dem Wagendach bahnte uns den Weg durch die Absperrung der City Police.

    Milo und ich sprangen aus dem Buick und eilten dorthin, wo das Verbrechen stattgefunden haben mußte.

    Jennifer Clark erwartete uns bereits. Sie sah ernst aus, aber nicht so verzweifelt, wie ich es erwartet hatte. Konnte sie den Tod ihrer Kollegin einfach so wegstecken? Das bezweifelte ich.

    »Der Fall wird immer verworrener!« begrüßte sie uns. »Seht euch am besten das Opfer an!«

    Ich schluckte und trat mit weichen Knien näher. Dort lag sie ausgestreckt auf dem Rücken, von den Kugeln eines feigen Killers für immer dem Leben entrissen.

    Ich atmete tief durch. Und dann…

    Was war das?

    Es war kaum zu glauben. Täuschten mich meine Sinne? Oder was… was sollte das?

    »Das…«, stotterte ich, »…das ist nicht…«

    »Das ist nicht Annie!« bestätigte Jennifer Clark. »Aber diese unbekannte Frau sieht ihr ein wenig ähnlich. Und sie hatte Annies Dienstausweis, Annies Revolver und Annies Führerschein. Aber wo, zum Teufel, ist Annie?«

    »Weißt du denn, was sie hier wollte?« fragte Milo.

    »Eine unbekannte Informantin wollte sich mit Annie treffen. Aber nur mit ihr allein. Es sollte um die Entführung von Svetlana Scharkowa gehen.«

    »Und du hast sie allein gehen lassen?« schnauzte ich Jennifer an.

    Sie sah mir direkt in die Augen. »Wenn Annie jetzt hier wäre, würde sie dir sagen, daß sie kein Kindermädchen braucht, Jesse!«

    In diesem Moment ertönte ein splitterndes Geräusch in einem der Cafés, vielleicht dreißig Yards entfernt.

    Jennifer, Milo und ich zogen unsere Dienstwaffen und sprinteten auf das Café zu.

    Da sahen wir in der Tür des ›Ladies Restroom‹ eine wohlbekannte Gestalt auftauchen.

    Annie Franceso.

    Sie hielt sich mit der linken Hand ihren blutenden Kopf und kam auf schwankenden Beinen auf uns zu.

    »Mußte die verdammte Tür eintreten«, murmelte sie. »Dieses Weibsbild hat mich überrumpelt… aber dafür wird sie bezahlen… sie…«

    Annie taumelte immer mehr. Ich machte einen riesigen Satz und nahm sie vorsichtig auf meine Arme.

    »Diese Behandlung lasse ich mir gefallen.« Sie lächelte tapfer und legte ihren Kopf an meine Schulter. »Dafür leiste ich… mir… sogar den Luxus… ohnmächtig zu werden…«

    Und sie sackte weg.

    ***

    Konstantin war stolz auf sich. Er hatte diese Verräterin Olga Andropowa nicht nur erledigt, sondern war auch unerkannt entkommen.

    In seinem lila Jogginganzug mit der kleinen Reisetasche in der Hand hätte man ihn für einen Freizeitsportler halten können, der zum Training geht. Und davon gibt es in Manhattan Zehntausende. Doch Konstantins Tasche enthielt seine Beretta M 12 S-MPi, mit der er vor wenigen Minuten eine tödliche Garbe in die Brust der dunkelhaarigen Russin gefeuert hatte.

    Das Töten war Konstantins Beruf. Er war noch sehr jung gewesen, als er bei der damaligen sowjetischen Eliteeinheit Speznas das ›Handwerk‹ des lautlosen Tötens gelernt hatte, wie man das so schön nannte. Doch die Disziplin in der Armee hatten ihm immer Probleme gemacht. Schon damals war sein krimineller Antrieb stärker gewesen. Auch seine Vorgesetzten hatten bemerkt, was für ein faules Ei sie sich ins Nest geholt hatten. Konstantin wurde unehrenhaft entlassen, nachdem er die Regimentskasse geplündert und einem Sergeanten sein Messer zwischen die Rippen gestoßen hatte.

    Im Straflager hatte er dann Freunde gefunden, die seinen weiteren Lebensweg bestimmen sollten. Russische Mafiosi.

    Konstantin ging die Fifth Avenue entlang, warf flüchtige Blicke auf die Auslagen der berühmten Juweliere. Gerade ging er an dem weltbekannten Geschäftslokal von van Cleef vorüber, das schräg gegenüber vom Trump Tower liegt.

    Es juckte ihm in den Fingern, doch er bezwang seinen Drang zu stehlen. Die Organisation sorgte für ihn. Wenn er seine Aufträge ausführte, konnte ihm nichts passieren. Er mußte nur seinen Befehlen gehorchen.

    Doch genau das war sein Problem. Es hatte ihm nichts ausgemacht, daß ihn sein Boß Arkadi zusammengeschlagen hatte. Konstantin konnte eine Menge einstecken. Vielmehr störte ihn der Grund, weshalb der Boß es getan hatte. Er sollte seine Finger von dieser Svetlana Scharkowa lassen. Und das fiel dem Killer äußerst schwer.

    Seihe Gier nach dem Model war ungeheuerlich. Alle seine Gedanken drehten sich nur noch um sie. Was ging ihn dieses verdammte Bernsteinzimmer an? Er wollte Svetlana. Ihre wohlgeformten Schenkel. Ihre atemberaubenden Hüften. Ihre runden Brüste.

    Konstantin stöhnte auf und schluckte schwer. Und dann kam ihm etwas in den Sinn.

    Was, wenn Olga Andropowa gar keine Verräterin gewesen war? Sie war die Freundin seines Bosses Arkadi Schostkin gewesen. Was, wenn der schöne Arkadi sie nur hatte umlegen lassen, um bei Svetlana freie Bahn zu haben?

    Konstantin ballte in ohnmächtigem Zorn die Fäuste. Vielleicht würde er selbst ja als nächster beseitigt werden. Damit das ›junge Glück‹ ungestört blieb.

    Zum ersten Mal vertraute der Mafioso seinem Anführer nicht mehr blind. Er hatte immer ohne Widersprüche das getan, was die Organisation von ihm verlangt hatte, doch das konnte sich jetzt sehr schnell ändern.

    Die Schritte des Killers wurden schneller und härter. Er marschierte förmlich am Modehaus Bergdorf-Goorman vorbei, überquerte die 58th Street und steuerte auf die Pulitzer Memorial Fountain zu.

    Wenn Arkadi es mit Svetlana treibt, so schwor er sich, dann wird noch mehr Blut fließen! Und es wird nicht mein eigenes sein!

    ***

    Annie Franceso hatte eine Gehirnerschütterung. Da Mr. McKee wußte, daß sie auf den Arzt nicht hören würde, hatte er selbst ihr strengste Bettruhe verordnet. Natürlich besuchte er sie auch im Saint Vincent's Hospital, in das sie vom Trump Tower aus gebracht worden war. Und wenn ›Miss Lee‹ auch sonst immer ihren eigenen Kopf durchsetzt - eine Anordnung von unserem Chef befolgt sie stets ganz lammfromm.

    Jonathan D. McKee verabschiedete sich gerade von unserer Kollegin, als Jennifer, Milo und ich das Zimmer betraten. Der behandelnde Arzt hatte kurze Besuche erlaubt. Und wir mußten unbedingt erfahren, was diese Informantin Annie mitgeteilt hatte. Bevor sie erschossen und Annie k.o. geschlagen wurde.

    »Sie denken an Ihr Versprechen?« fragte Mr. McKee und hob scherzhaft mahnend den Zeigefinger. »Zwei Wochen lang werden Sie dieses Zimmer nicht verlassen.«

    »Yes, Sir«, seufzte Annie Franceso in gespielter Verzweiflung. »Zwei Wochen ohne Training. Das wird hart.«

    »Das Leben ist hart!« sagte ich grinsend und überreichte unserer Kollegin einen in buntes Papier geschlagenen Karton. »Ein kleines Genesungsgeschenk. Von uns dreien!«

    Mit leuchtenden Augen riß die puertoricanische Agentin die Verpackung auf und öffnete die Schachtel.

    Darin befanden sich zwei chinesische Porzellanfiguren, die sich in klassischer Kung-Fu-Pose gegenüberstanden. Ich hatte in Chinatown nicht lange suchen müssen, um dieses Geschenk zu finden.

    »Vielen Dank!« Annie strahlte und setzte die Figuren vorsichtig auf ihren Nachtschrank. »Außerdem hat der Chef nur gesagt, daß ich im Bett bleiben muß. Aber auch hier kann ich Übungen machen!«

    Und mit diesen Worten stieß sie ihre rechte Faust vor sich in die Luft, während gleichzeitig ihre linke Handkante am Arm hinunterglitt. Als Deckung.

    Wir lachten, doch dann kamen wir auf den Grund unseres Besuchs zu sprechen.

    »Ich habe schon von Mr. McKee gehört,

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