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Sammelband 6 Krimis: Sechs Mörder in Serie
Sammelband 6 Krimis: Sechs Mörder in Serie
Sammelband 6 Krimis: Sechs Mörder in Serie
eBook1.150 Seiten13 Stunden

Sammelband 6 Krimis: Sechs Mörder in Serie

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Sammelband 6 Krimis: Sechs Mörder in Serie

von A.F.Morland

Über diesen Band:

Dieser Band enthält folgende Krimis:

A.F.Morland: Bis der Mord uns scheidet

A.F.Morland: Ermordet und noch quicklebendig

A.F.Morland: Das Geld des Mafioso

A.F.Morland: Bis der Mord uns scheidet

A.F.Morland: Ermordet und noch quicklebendig

A.F.Morland: Das Geld des Mafioso

Der Millionär Dean Xavier, dem die Bellevue Apartments gehören, bittet seinen alten Freund und ehemaligen Bandkollegen Wilkie Lenning, den Mord an einem seiner Mieter aufzuklären: Burt Yellen, alias Barry York - der äußerst kreative Chefdekorateur führte ein Doppelleben. Außerdem war Fotografieren seine Leidenschaft! Eine Kugel mitten in die Stirn hatte dem ein Ende gesetzt. Wilkie Lenning, der für den bekannten New Yorker Privatdetektiv Bount Reiniger arbeitet, trifft wenig später auf den Killer ...
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum22. Apr. 2020
ISBN9783745212235
Sammelband 6 Krimis: Sechs Mörder in Serie
Autor

A. F. Morland

A. F. Morland schrieb zahlreiche Romane und ist der Erfinder der Serie Tony Ballard.

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    Buchvorschau

    Sammelband 6 Krimis - A. F. Morland

    Der Millionär Dean Xavier, dem die Bellevue Apartments gehören, bittet seinen alten Freund und ehemaligen Bandkollegen Wilkie Lenning, den Mord an einem seiner Mieter aufzuklären: Burt Yellen, alias Barry York – der äußerst kreative Chefdekorateur führte ein Doppelleben. Außerdem war Fotografieren seine Leidenschaft! Eine Kugel mitten in die Stirn hatte dem ein Ende gesetzt. Wilkie Lenning, der für den bekannten New Yorker Privatdetektiv Bount Reiniger arbeitet, trifft wenig später auf den Killer ...

    Der Millionär Dean Xavier, dem die Bellevue Apartments gehören, bittet seinen alten Freund und ehemaligen Bandkollegen Wilkie Lenning, den Mord an einem seiner Mieter aufzuklären: Burt Yellen, alias Barry York – der äußerst kreative Chefdekorateur führte ein Doppelleben. Außerdem war Fotografieren seine Leidenschaft! Eine Kugel mitten in die Stirn hatte dem ein Ende gesetzt. Wilkie Lenning, der für den bekannten New Yorker Privatdetektiv Bount Reiniger arbeitet, trifft wenig später auf den Killer ...

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

    © dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Folge auf Twitter:

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    Alles rund um Belletristik!

    Sammelband 3 Krimis: Manche Mörder kommen wieder

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    © Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

    © dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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    Alles rund um Belletristik!

    Bis der Mord uns scheidet: N.Y.D. – New York Detectives

    Krimi von A. F. Morland

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 107 Taschenbuchseiten.

    Nach dem Besuch bei einer Freundin wird June March, die Assistentin des New Yorker Privatdetektivs Bount Reiniger, Zeugin, wie zwei bewaffnete Männer einem Flüchtenden hinterherjagen. Kurzentschlossen verfolgt sie die Männer, kommt aber zu spät: Robert Vicker – aufgehender Stern am Boxhimmel – stirbt von mehreren Schüssen durchsiebt. Kurz darauf erhält Bount Reiniger von Vickers Schwester den Auftrag, den kaltblütigen Mord aufzuklären. Aber bei dieser einen Leiche sollte es nicht bleiben ...

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Die Hauptpersonen des Romans:

    Robert Vicker — Als er nicht mehr spuren wollte, drehten sie ihn erbarmungslos durch die Mangel.

    Delmer Wood und Martin Becht — Ein Killer-Duo allerübelster Sorte. Nur eines war den beiden nicht klar: Bount Reiniger war ein allzu großer Brocken für sie, und deshalb blieb er ihnen gründlich im Halse stecken.

    Seth Bouchet — Ein geldgieriger Bursche, der vor keiner Methode zurückschreckte, um an harte Dollars zu kommen.

    Bing Larreck — Normalerweise war er Boxtrainer, aber dann deichselte er auch andere Dinge und verbrannte sich prompt die Pfoten.

    June March — unterstützt Bount Reiniger bei seinen Ermittlungen.

    Bount Reiniger — ist Privatdetektiv.

    1

    Die Tür flog auf, und die beiden Killer fingen sofort zu schießen an. Ihre Schalldämpferpistolen niesten in den Raum. Doch der Mann, der sterben sollte, verfügte über phänomenale Reflexe. Er hatte auf der Couch gelegen. Augen geschlossen. Musik im Hintergrund, zu der man träumen konnte. Da war das mit der Tür passiert.

    Robert Vickers Reaktion erfolgte augenblicklich. Während die Killer in den Livingroom sprangen, federte Vicker von der Couch hoch. Als die Killer ihren Finger krümmten, hatte Vicker bereits den Beistelltisch mit der schweren, massiven Schieferplatte hochgerissen. Vier Kugeln fing Vicker mit diesem Schild ab.

    Dann schleuderte er den Revolvermännern den Tisch entgegen. Er traf sie beide. Sie fluchten, und sie waren damit noch nicht fertig, da hatte Robert Vicker seine Beine bereits über die Fensterbank geschwungen. Dritter Stock. Keine Feuerleiter. Trotzdem gelang dem geschmeidigen Jungen mit der eingeschlagenen Nase die Flucht. Er turnte mit affenartiger Geschwindigkeit an der Dachrinne zur Straße hinunter.

    Unten angekommen, ruhte er sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern nahm erst recht seine Beine in die Hand ...

    2

    Riverdale West 239 . Straße.

    Die Wohnung, in der sich June March befand, hatte das gewisse Etwas. Koreanische Seidentapeten an den Wänden. In den großzügigen Räumen standen futuristische Möbel. Es gab wunderschöne Gemälde, und die Teppiche waren überall so hoch, dass man darin fast versank.

    Dieses Miniatur-Paradies gehörte Barbara Holland. Barbara war so alt wie June: vierundzwanzig. Und sie stammte aus derselben Ecke wie June: Minneapolis in Minnesota.

    Schon dort waren die beiden attraktiven Mädchen miteinander befreundet gewesen. Sie besuchten zusammen die Mannequinschule und hatten schon damals von New York geträumt, wo sie ihr Glück versuchen wollten.

    Aber dann hatten verschiedene Dinge ihre gemeinsamen Pläne durchkreuzt. Zum Beispiel June Marchs geplatzte Verlobung. Von diesem Tag an hielt es June einfach nicht mehr in Minneapolis aus. Aber die Zeit heilt alle Wunden, sagt man, und an diesem Spruch ist eine ganze Menge dran.

    Jedenfalls kam June ohne Barbara nach New York, und sie wurde kein Mannequin, sondern Volontärin in der Detektei von Bount Reiniger.

    Als June aus Minneapolis fort war, hatte Barbara plötzlich Angst, nach New York zu gehen. Sie fühlte sich diesem riesigen Schmelztiegel der Nationen nicht gewachsen. Nicht allein. Deshalb blieb Sie vorläufig noch in Minneapolis. Sie nahm Schauspielunterricht, nachdem sie mit der Mannequinschule fertig war. Und als sie die Abschlussprüfung hinter sich hatte mit großem Erfolg übrigens, hatte sie keine Angst mehr vor New York. Nun fühlte sie sich dieser Stadt gewachsen ... Und sie war ihr gewachsen, wie sich mittlerweile herausgestellt hatte.

    Sie hatten einen guten Job bei der Fernsehgesellschaft ABC, war da Ansagerin, aber nicht nur das. Sie bekam auch regelmäßig gute Rollen in anspruchsvollen TV-Stücken angeboten, und sie suchte sich sorgfältig jene Stücke aus, die ihrem Image entsprachen.

    Barbara – groß, schlank, brünett, mit großen braunen Samtaugen, die beim Publikum so gut ankamen, hatte Tausende von glühenden Verehrern. Aber es gab nur einen, den sie aufrichtig liebte: Roy Mandell Import/Export. Er war jung, gut aussehend und ... reich, was bei Gott kein Fehler war.

    Er überhäufte Barbara mit Geschenken, und sie hatte nichts dagegen. Mandell hätte sie gern für sich allein gehabt.

    „Gib den Job bei der ABC auf, sagte er immer wieder. „Du hast es nicht nötig zu arbeiten. Du hast mich. Aber Barbara liebte ihre Arbeit, und sie liebte – vorläufig auch noch – ihre Freiheit, deshalb war aus der Heirat bis jetzt noch nichts geworden. Doch Roy ließ sich deswegen nicht entmutigen. Er konnte verdammt hartnäckig sein, und er wusste, dass er sein Ziel eines Tages erreichen würde. Und im Grunde genommen wusste das Barbara Holland ebenfalls.

    June March hatte Barbara vor drei Tagen im Fernsehen gesehen, kurzerhand die TV-Anstalt angerufen. Barbara wäre vor Freude fast übergeschnappt.

    „June! Nein, das halt ich im Kopf nicht aus! Bist du’s wirklich? June March aus Minneapolis, Minnesota?"

    „Ich bin’s."

    „Du untreue Seele. Hast mich damals einfach sitzenlassen."

    June lachte herzlich. „Ich hab dich vorhin auf dem Bildschirm gesehen. Keine einzige Kummerfalte."

    „Wir haben hier ’nen verdammt guten Maskenbildner."

    „Du siehst großartig aus, Barbara."

    „Das Kompliment gebe ich gern an Tony, den Maskenbildner, weiter, lachte Barbara. „Er wird sich freuen.

    Sie plapperten endlos weiter, und schließlich sagte Barbara: „Was hältst du davon, wenn wir uns an einem der nächsten Abende zu einem ausgedehnten Schwätzchen zusammensetzen? In meiner Wohnung? Ich wohne in Riverdale. Ruf mich an, wenn du Zeit hast."

    „Das werde ich, stimmte June begeistert zu. „Werd ich ganz bestimmt.

    Und heute hatte sie angerufen. Der Abend mit Barbara war für June ein nettes Erlebnis. Nun blickte die blonde Detektiv-Volontärin auf ihre Uhr. „Gleich zwölf."

    Barbara schüttelte den Kopf. „Wie an manchen Abenden die Zeit vergeht ... Ich habe den Eindruck, du bist eben erst gekommen. Noch was zu trinken?"

    „Nein. Vielen Dank, Barbara. Ich habe genug."

    „Wir sollten uns bald wiedersehen, was meinst du?"

    „Einverstanden."

    „Wir haben uns noch so viel zu erzählen."

    „Man erlebt eigentlich sehr viel – in relativ kurzer Zeit, was?", sagte June.

    Barbara hob lächelnd die Achseln. „So geht das eben mit uns Mädchen aus Minneapolis."

    Bevor June March ging, trat sie mit Barbara noch einmal auf die Terrasse. Ringsherum blinkte und funkelte das Lichtermeer von New York. Ein grandioser Anblick, an dem sich June niemals sattsehen konnte. Dem Haus, in dem Barbara Holland wohnte, breitete sich allerdings gegenüber das schwarze Rechteck einer Großbaustelle aus. Barbara kräuselte ihre hübsche kleine Nase. „Nicht gerade erbauend, das dort unten."

    „Was soll das werden?", fragte June. Sie trug ein dunkelblaues Kleid aus Seidenjersey, das sich wie eine zweite Haut an ihren gertenschlanken Körper schmiegte.

    „Wolkenkratzer. Riesengroßes Ding, sagte Barbara mit zusammengezogenen Brauen. „Wenn der hässliche Klotz fertig ist, wird dort drüben ein Elektronik-Konzern einziehen, aber das werde ich hier nicht mehr miterleben, denn wenn der Kasten so hoch ist, dass mir die Arbeiter ins Schlafzimmer sehen, räume ich hier das Feld.

    „Wo ziehst du hin?"

    „Irgendwo in die Bronx. Weiß noch nicht."

    „Wenn es so weit ist, lass es mich wissen, dann helfe ich dir beim Suchen."

    „Kann ich machen", erwiderte Barbara. Sie kehrten in den Livingroom zurück.

    „Das nächste Mal treffen wir uns bei mir, sagte June. „Die Adresse hast du behalten?

    „Klar. 123rd Street ... Freut mich, dich wiedergefunden zu haben, Schätzchen."

    „Mich auch. Es war ein reizender Abend", meinte June.

    Barbara lächelte. „Und ganz ohne Männer, was? Man braucht sie wirklich nicht immer. Die Mädchen lachten. June nahm ihre Handtasche. Dann brachte Barbara sie bis zum Lift. Dort küsste sie Junes Wangen und fragte noch: „Wie war doch gleich die Nummer von dieser Detektei?

    „7743321. Steht in jedem Telefonbuch."

    „Ah ja. Und wie steht dein Chef zu Privatgesprächen?"

    „Bount? Der hat nichts dagegen. Wofür hältst du meinen Chef denn? Barbara hob schmunzelnd die Schulter. „Weiß man’s, an wen du geraten bist. Der Fahrstuhl war da. June March verschwand hinter den sich langsam schließenden Holztüren. Wenig später trat sie auf die nächtliche Straße, die zu beiden Seiten verparkt war. Sie hielt nach einem Taxi Ausschau und war sicher, auf dem Hudson Parkway einen Wagen zu finden. Bis dorthin hatte sie höchstens fünf Minuten zu gehen.

    Angst? Nein, Angst kannte June keine. Immerhin war sie in Judo und Karate ausgebildet, und in ihrer Handtasche trug sie eine kleine, perlmuttbesetzte Pistole – von der Bount Reiniger allerdings behauptete, sie wäre bloß ein nett anzusehendes Spielzeug, mit dem sie nicht einmal die Wochenendausgabe der New York Times durchlöchern könnte. Das war selbstverständlich stark übertrieben, denn auf kurze Distanz konnte June sich damit sehr wohl ihrer Haut wehren.

    Sie marschierte los mit ihren hochhackigen Pumps.

    Plötzlich hörte sie hallende Schritte. Keuchen. Dann sah June einen rasch größer werdenden Schatten. Sekunden später kam ein junger Mann aus der schmalen Seitenstraße herausgeschossen. Er war groß und kräftig, hatte eine eingeschlagene Nase. Hätte ein Boxer sein können. Angst verzerrte sein Gesicht. Dicke Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn. Gehetzt schaute er sich um.

    Er schien auf der Flucht. Mit weiten Sätzen überquerte er die Straße. Augenblicke später tauchte er in die tintige Schwärze ein, die über der Großbaustelle lastete.

    Und dann noch einmal: Hallende Schritte. Keuchen. Alles in doppelter Ausführung. Zwei Männer. Zwei Schatten. June March versteckte sich blitzschnell hinter einem giftgrünen Kastenwagen. RELLERS WIENER WÜRSTCHEN SIND UNSCHLAGBAR, war auf die Flügeltüren gepinselt. June war neugierig genug, um ein Auge zu riskieren. Sie zuckte sofort wieder zurück. Etwas strich ihr eiskalt über den schlanken Nacken.

    Der junge Mann hatte wahrhaftig allen Grund, wie von Furien gehetzt durch die Nacht zu rennen. Die Kerle, die ihm auf den Fersen waren, hatten großkalibrige Kanonen mit aufgesetztem Schalldämpfer in den Fäusten. Profis. Killer! Sie blieben kurz stehen, wechselten schnell ein paar Worte. Es hörte sich an, als würden sie knurren. Der eine schaute nach links. Der andere nach rechts.

    Besser, sie sehen dich nicht!, dachte June und verhielt sich so ruhig, als wäre sie ausgestopft.

    Sie liefen über die Straße und betraten Sekunden später das finstere Areal des Baugeländes.

    3

    Robert Vicker wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung den Schweiß von der heißen Stirn.

    Seine Nerven vibrierten ganz entsetzlich. Noch nie im Leben hatte er so große Angst gehabt. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, die auf der Baustelle herrschte. Er sah viele Hindernisse, doch bei weitem nicht alle. Immer wieder stolperte er. Zweimal knallte er auf den Boden. Erde knirschte zwischen seinen Zähnen. Er spuckte, kämpfte sich hoch, rannte weiter. Berge von Baumaterial türmten sich auf. Dazwischen standen Bulldozzer, riesige Betonmischmaschinen, Kräne. Einige Betonpfeiler ragten wie erstarrte Finger zum schwarzen Nachthimmel empor.

    Viele Verstecke gab es hier. Zahlreiche Schlupfwinkel. Doch keiner schien ihm sicher genug zu sein. Er hatte eiskalte Bluthunde auf den Fersen. Er befürchtete, dass sie ihn überall aufstöbern würden. Selbst wenn er sich in die Erde hineinwühlte, würden sie ihn wieder ausbuddeln und ihn mit ihren Kanonen brutal zusammenschießen.

    Zum Teufel, wie hatte er bloß denken können, man würde ihn ungeschoren lassen. Wie hatte er nur so wahnsinnig naiv sein können? Er hätte wissen müssen, dass sie sich das von ihm nicht bieten lassen würden.

    Aber hatte es jetzt noch einen Sinn, sich mit Selbstvorwürfen zu zerfleischen? Es war nicht mehr rückgängig zu machen. Die Würfel waren gefallen. Das Spiel war entschieden. Der Verlierer hieß Robert Vicker, und die Killer waren unterwegs, den Gewinn ihres Chefs einzustreichen: Vickers Leben.

    Der junge Mann verkroch sich hinter einem Bretterberg. Sein Herz ging wie eine Trommel. Er leckte sich die trockenen Lippen. Seine Kleider waren schweißnass. Gehetzt schaute er sich um. Nein, hier konnte er nicht bleiben. Das war kein Versteck. Das war ein Präsentierteller. Nervös sprang der Junge wieder auf. Vor einem mächtigen Bulldozzer mit riesigen Raupen warf er sich auf den Bauch. Keuchend robbte er unter die Baumaschine. Dann presste er sein erhitztes Gesicht auf die Erde.

    Im Ring war er ein guter Fighter. Kaum ein Gegner war ihm gewachsen. Im Ring konnte er seine Fäuste einsetzen. Fäuste gegen Fäuste. Aber nicht Fäuste gegen Revolver. Gegen die war er machtlos. Vor denen hatte er Angst. Sie brauchten nur ein einziges Mal Feuer zu speien – wenn die Kugel ihr Ziel erreichte, war das große Aus da. Für immer. Unwiderruflich.

    Knirschende Schritte. Eine unsichtbare Hand schnürte Vicker die Kehle zu. Da kamen sie, die gnadenlosen Bluthunde. Noch suchten sie ihn. Noch wussten sie nicht, dass er sich unter diesem Bulldozzer verkrochen hatte. O Himmel, mach, dass sie mich nicht finden!, flehte der Boxer. Lass mich überleben.

    Die schwarzen Silhouetten der Killer tauchten auf.

    Als Robert Vicker sie sah, setzte sein Herzschlag aus ...

    4

    Der Junge brauchte Hilfe, das stand für June March fest.

    Was tun? Die Polizei alarmieren? Das wäre der verkehrte Weg gewesen, denn bis die Cops hier eintrafen, hätte der Junge keine Hilfe mehr gebraucht. Aus dieser Überlegung heraus beschloss June, die kritische Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sofort war dieses kribbelige Gefühl da, das immer zwischen ihren Schulterblättern auftauchte, wenn sie sich an eine Sache heranwagte, die unter Umständen um einige Nummern zu groß für sie war. Ihr Mut sprengte hin und wieder den Rahmen jeglicher Vernunft. Sehr zum Leidwesen von Bount Reiniger, der sie bereits mehr als einmal aus argen Klemmen herausboxen musste, in die sie sich mit ihrem ungestümen Draufgängertum, das sogar einem Mann zur Ehre gereicht hätte, hineinmanövriert hatte.

    Nicht lange überlegen! Ran! Das war Junes Devise.

    Mit einer schnellen Bewegung öffnete sie die Handtasche. Sie kramte einen Augenblick darin herum. Puderdose, Lippenstift, Scheckheft, Schlüssel – alles wurde tüchtig durcheinandergequirlt, das Unterste zuoberst gekehrt, dann lag das perlmuttbesetzte Pistölchen in Junes zierlicher Hand. Sie entsicherte die Waffe und betrat entschlossen die finstere Baustelle.

    Schon nach wenigen Schritten blieb sie stehen, um zu lauschen. Sie hörte das Knirschen von Schuhen und lief hinterher, sorgsam darauf bedacht, so lautlos wie möglich vorwärtszukommen. Bount würde Augen machen, wenn sie ihm morgen von diesem Abenteuer berichtete. Natürlich würde er mit rügender Miene erwähnen – er vergaß dies niemals zu tun –, dass er es nicht gern sehe, wenn sie sich solche gefährlichen Eskapaden leistete. Aber, verflixt noch mal, sie machte das ja nicht zum Spaß.

    Der Junge brauchte Hilfe. Zwei Killer waren hinter ihm her.

    Ein trüber Halbmond strengte sich nicht sonderlich an, Licht zu spenden. Trotzdem sah June March verhältnismäßig gut. Mit angehaltenem Atem und völlig reglos lauschte sie wieder. Keine Schritte mehr. Stille. Für einen kurzen Augenblick herrschte auf dem düsteren Gelände eine fast unerträgliche Stille, die an Junes Nerven, die wie Klaviersaiten angespannt waren, zerrte.

    Plötzlich scharfe Worte. Dem Klang nach scharf. Ihre Bedeutung konnte June wegen der großen Entfernung nicht verstehen. Das blonde Mädchen befürchtete das Schlimmste. Die Killer hatten ihr Opfer aufgestöbert. Höchste Alarmstufe. June rannte auf die Stimmen zu.

    Da sah sie grelle Blitze. Dazu husteten die schallgedämpften Kanonen der Killer. Ein gurgelnder Schrei folgte. Junes Herz krampfte sich unwillkürlich zusammen. O Gott, sie kam zu spät. So schnell sie auch lief, sie würde für den Jungen nichts mehr tun können.

    Tränen stiegen ihr in die Augen. Es war verrückt, sie kannte den Jungen überhaupt nicht. Trotzdem ging ihr das, was ihm auf dieser endlos weiten Baustelle passierte, furchtbar nahe. Ein junger Mensch. Vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, bestimmt nicht älter. Eben erst zum Mann geworden. Ein solcher Mensch durfte einfach noch nicht sterben.

    June schlug einen Haken, lief um einen Bauholzstapel herum, während zwei heiße Tränen über ihre kalten Wangen liefen. Es war vor allem die Wut, die sie weinen ließ. Eine unbändige Wut über die lähmende Ohnmacht, der sie sich gegenüber sah.

    Der Junge lag vor dem Bulldozzer auf dem zerwühlten Boden. Er musste sich darunter verkrochen haben, aber die geübten Jagdhunde hatten ihn aufgespürt, hatten ihn mit vorgehaltenen Revolvern gezwungen, unter dem Bulldozzer hervorzukriechen. Als er ihrem Befehl folge geleistet hatte, wurde er eiskalt abserviert.

    Er blutete aus mehreren Wunden. Von seinen Mördern keine Spur. Die Baustelle hatte sie verschluckt.

    5

    Hawaii. Hohe, rauschende Palmen. Schattige Plätzchen am goldenen Sandstrand. Glasklares Wasser. Hohe Wellen mit weißen Schaumkronen. Ein Paradies. Bount Reiniger war da. Zumindest im Traum. Er schnarchte wie ein Bär im Winterschlaf und ließ es sich in der weiten Ferne gutgehen. Bikinigirls umsorgten ihn kichernd. Ganz klar, dass Bount im Traum zufrieden grinste. Welchem Mann sind Träume dieser Art unangenehm?

    Plötzlich ein Klingeln, das nicht zu Hawaii passte. „Telefon, Bount", sagten die Mädchen.

    „Nicht jetzt, meine Lieben", gab der Privatdetektiv unwillig zurück.

    „Aloha", sagten die Mädchen. Sie küssten ihn zum Abschied und streiften ihm duftende Blumenketten über den Kopf. Dann entschwanden sie.

    „Halt, bleibt doch!", rief Bount ihnen enttäuscht nach. Doch sie entfernten sich mehr und mehr, und mit ihrem Verschwinden verblasste alles Schöne. Übrig blieb schließlich nur noch dieses verdammte lästige Klingeln des Telefons.

    Ärgerlich schlug Bount die Augen auf.

    Good bye, Hawaii. Jetzt war er wieder in seiner kleinen Junggesellenbude in der 7th Avenue. Kein Vergleich zu Hawaii. Enttäuscht setzte er sich im Bett auf. Mit Daumen und Zeigefinger massierte er seine traumverklebten Augen. Verdammt und zugenäht, wie spät war es eigentlich? Mit tränendem Blick suchte er die Uhr. Das Zifferblatt des elektrischen Weckers grinste ihm boshaft und schadenfroh entgegen.

    Verdrossen kroch er aus den Federn. Indessen klingelte es unentwegt weiter. Bount warf sich in seinen Bademantel und schlurfte dem Klingeln entgegen. Wer auch immer der Anrufer sein mochte, er würde eine verdammt gute Erklärung haben müssen, wenn er diese gemeine nächtliche Ruhestörung heil überstehen wollte.

    „Ja!", bellte Bount missmutig in die Sprechrillen. Er versuchte erst gar nicht, freundlich zu sein. Die Person am anderen Ende sollte gleich erkennen, was los war. Außerdem hätte er zu dieser nachtschlafenden Zeit sowieso keinen freundlichen Ton hervorgebracht.

    June meldete sich.

    Das rüttelte den Detektiv einigermaßen wach. „June!, stieß Bount verwundert hervor. „Kannst du nicht schlafen? Ich schon. Zumindest konnte ich’s bis vor einer Minute noch.

    „Bount, es ist etwas Furchtbares passiert!" Junes Stimme klang heiser und zitterte. Alarm für Reiniger. Niemand stand ihm näher als dieses Mädchen. Egal ob Kummer, Angst oder Zahnschmerzen, was immer sie hatte – er fühlte mit ihr.

    Der Schlaf fiel von Bount ab wie eingetrockneter Schlamm. Sein Rücken straffte sich. Die Augen nahmen den gewohnten wachen Glanz an. „Was ist geschehen?", fragte er mit einer scharfen, lebendigen Stimme.

    „Ich war doch bei Barbara eingeladen ..."

    „Weiß ich. Habt ihr euch gut unterhalten?"

    „Ja. Es war ein netter Abend, aber ..."

    „Ist etwas mit Barbara?"

    „Nein, Bount. Die ist okay."

    „Was ist dann das Furchtbare?", fragte Bount.

    „Ich verabschiedete mich etwa um Mitternacht von Barbara und wollte nach Hause fahren. Als ich auf die Straße trat, sah ich einen jungen Mann ..."

    „Hat er dich belästigt?", fragte Bount wie aus der Pistole geschossen.

    „Nein, Bount. Der Mann war auf der Flucht. Er hatte zwei Killer auf den Fersen. Ich versteckte mich. Die Revolvermänner haben mich nicht gesehen. Ihr Opfer floh auf die Baustelle, die sich dem Haus gegenüber befindet, in dem Barbara wohnt. Die Killer folgten dem jungen Mann. Mir war sofort klar, dass der Junge es nicht überleben würde, wenn die Mörder ihn auf der Baustelle stellten. Ich wollte dem Jungen helfen, aber ich kam zu spät. O Bount, es war eine eiskalte Hinrichtung. Der arme Bursche hatte nicht die geringste Chance. Sie haben ihn kaltblütig liquidiert."

    Nachrichten waren das – mitten in der Nacht. Junes Stimme hörte nicht zu zittern auf. Sie machte sich Vorwürfe, weil sie es nicht geschafft hatte, das Leben des Jungen zu retten. Sie fühlte sich als Versager. Bount merkte bei jedem Wort, das sie sprach, wie schlimm deprimiert sie war. Sie brauchte jetzt jemand, der ihr den Kopf hochhielt.

    „Von wo aus rufst du an?", fragte Reiniger schnell.

    „Ich bin wieder in Barbaras Wohnung."

    „Hast du die Polizei schon verständigt?"

    „Ja, das habe ich sofort getan."

    „Gut. Und nun hättest du dringend jemand nötig, der sich um dich kümmert."

    June seufzte. „Eine moralische Stütze wäre jetzt wirklich nicht schlecht."

    „Bin schon unterwegs", sagte Bount Reiniger.

    „Bount, das kann ich nicht von dir verlangen. Mitten in der Nacht ..."

    Typisch June war das. Wozu hatte sie dann angerufen? Bount grinste. „Quatsch, Mädchen. Ich. musste sowieso raus aus’m Bett, weil das Telefon geklingelt hat. Bis gleich. Kipp mir in der Zwischenzeit nicht aus den Pumps."

    6

    Bount Reiniger stoppte seinen silbergrauen Mercedes 450 SEL.

    Riverdale. Endstation. Bount faltete sich aus dem Fahrzeug. Links breitete sich das weite Baustellenareal aus. Rechts stand das Haus, in dem Barbara Holland wohnte. Im Moment kümmerte sich Reiniger um links. Vier Streifenwagen standen mit zuckenden Rotlichtern am Fahrbahnrand. Dazu kamen ein Ambulanzwagen, ein Leichenwagen und der Kastenwagen der Mordkommission. Eine eindrucksvolle Kolonne. Dazwischen blaue Uniformen, Cops. Ihre Gesichter waren ernst und wirkten abgestumpft. Wieder mal eine Leiche. Das gehörte zu ihrem Job. Sie empfanden schon lange nichts mehr dabei.

    Bount gab der Tür seines Wagens einen Schubs. Sie fiel mit einem satten Geräusch zu. Auf der Baustelle waren Standscheinwerfer aufgebaut worden, die den Tatort taghell ausleuchteten.

    Bount Reiniger zündete sich eine Pall Mall an und stakte dann auf die gleißende Scheinwerfergruppe zu. Der Wind nahm ihm den Rauch von den Lippen und zerfaserte ihn sogleich.

    Gedämpfte Rufe. Befehle vielleicht. Bount konnte die Worte nicht verstehen. Er war noch zu weit entfernt. Jemand rief: „Falls sich Journalisten anschleichen, sofort abwimmeln!" Die Stimme war Reiniger bekannt. Sie gehörte Ron Myers, dem Lieutenant der Mordkommission Manhattan C/II.

    Bount hielt sofort auf Ron zu. Ein stattlicher Cop versperrte ihm den Weg. Der Mann hatte ein schwieliges Gesicht und unfreundliche Augen. „Sie machen am besten gleich wieder kehrt, Mister!", sagte er zu Bount.

    „Wenn Sie sich noch nie geirrt haben – diesmal tun Sie’s", gab Reiniger zurück. Er fand, dass seine saure Reaktion ihre Berechtigung hatte. Wie man in den Wald ruft, so hallt es wider ...

    „Mann, machen Sie mir bloß keinen Ärger", erwiderte der Cop.

    „Ich möchte mit Lieutenant Myers sprechen!"

    „Der hat jetzt keine Zeit für Sie."

    „Wetten doch?"

    Trotz der Dunkelheit konnte Bount sehen, dass das Gesicht des Cops sich tomatenrot verfärbte. „Also jetzt reicht’s mir aber."

    „Mir auch."

    „Damit kommen Sie bei mir nicht durch. Wenn Sie nicht auf der Stelle abhauen, finde ich einen Grund, um Sie für vierundzwanzig Stunden festzunehmen. Wegen ungebührlichen Benehmens zum Beispiel. Wie würde Ihnen das gefallen?"

    „Absolut nicht."

    „Dann ziehen Sie bei gutem Wind Leine ..."

    Bount trat einen Schritt zur Seite. Im selben Moment wandte sich der schlaksige Lieutenant im Lichtkegel eines Scheinwerfers um. Er rief: „He, Sergeant Reyner! Gibt’s Schwierigkeiten?"

    Reyner war der Brocken, der sich vor Bount aufgebaut hatte. „Nein, Sir, gab er zurück, den Kopf halb nach hinten gedreht. „Das ist gleich erledigt!

    Bount nickte grinsend. „Endlich mal ein wahres Wort aus Ihrem Mund." Mit gleichmütiger Miene ging er an dem Cop vorbei.

    Reyner wollte mit einem Donnerwetter loslegen, aber da kam Ron Myers zu ihnen. Als der Lieutenant den Detektiv erkannte, lachte er herzlich. „Bount ... Erfreut streckte Myers dem Freund die Hand entgegen. Zu Reyner gewandt sagte Ron: „Es ist gut, Sergeant. Das ist Bount Reiniger ...

    Reyner zog die Mundwinkel nach unten. Verärgert brummte er: „Warum hat er das nicht gleich gesagt."

    „Sie ließen mich ja nicht zu Wort kommen", gab Bount zurück.

    „Von wegen nicht zu Wort kommen. Und all die Frechheiten, die Sie losgeworden sind?"

    „Nun vertragt euch wieder", ging Ron als Schiedsrichter dazwischen. Reyner ließ schnaufend Dampf ab, und er verkniff sich jedes weitere Wort. Myers nahm Bount zu den Standscheinwerfern mit. Die Männer von der Spurensicherung krebsten auf dem Boden herum. Der Polizeifotograf schoss seine Aufnahmen.

    Außerdem fotografierte er alles, was ihm die Spurensicherungsleute zeigten. In mühevoller Kleinarbeit wurde das, was für die Aufklärung des Falles von Wichtigkeit sein konnte, zusammengetragen.

    „Fleißig wie die Ameisen, deine Leute", lobte Bount.

    „Es ist immer dieselbe Arbeit, die sie tun. Nur der Ort, an dem sie’s tun, ändert sich."

    „Wo ist June?", fragte Bount.

    Myers wies auf das gegenüberliegende Haus. Die meisten Fenster waren erhellt. Neugierige Leute lehnten auf den Fensterbänken. Einige von ihnen verwendeten sogar Ferngläser, um besser sehen zu können. Alles erstklassige Logenplätze. „June ist bei Barbara Holland. Toby ist auch oben."

    Bount wies auf Rons Gesicht. „Du hast auch schon mal besser ausgesehen."

    „Ich werde bald mehr Falten haben als Charles Bronson. Das kommt von den vielen Überstunden. Mein Dienst wäre längst zu Ende, aber wen kümmert das schon? Die anfallende Arbeit muss bewältigt werden. In welcher Zeit, ist uninteressant."'

    „Darf ich mir den Toten ansehen?", fragte Bount.

    „Natürlich."

    Reiniger trat an die Leiche.

    Ron sagte neben ihm mit gedämpfter Stimme: „Jeder Schuss eine absolut tödliche Sache. Profiarbeit."

    Noch einen Zug von der Zigarette. Dann schnippte Bount Reiniger die Pall-Mall-Kippe fort. Verwundert sagte er zu Ron: „Ist das nicht Robert Vicker, der neue Boxstern im Halbschwergewicht?"

    Myers nickte. „Er ist es."

    „Wann immer er in den Ring stieg, heimste er gute Kritiken von der Sportpresse ein. Er war ein Klassefighter. Ich habe selbst ein paar ausgezeichnete Kämpfe mit ihm gesehen. Er hatte einen unwahrscheinlichen Punch."

    „Und nun ist er tot", sagte der Lieutenant nüchtern.

    „Er hatte nur einen einzigen Nachteil. Es gab bei ihm hin und wieder eine Formschwankung, die sich keiner erklären konnte. Der Gegner, den er heute mit seinen Fäusten atomisierte, konnte ihn vielleicht schon morgen mit einem einzigen Hammer zum Mond hinaufschießen."

    „Wir haben alle unsere guten und schlechten Tage", bemerkte Ron.

    „Das ist richtig. Aber bei einem Klasseboxer wie Robert. Vicker hätte sich das nicht so krass auswirken dürfen. Bount musterte das sommersprossenübersäte Gesicht des Lieutenants. „Was meinst du, wird es schwierig sein, Vickers Mörder zu kassieren?

    Ron hob die Schultern und sog die Luft geräuschvoll ein. „Wie’s im Moment aussieht – bestimmt. Bount, du kennst dich doch im Boxgeschäft einigermaßen aus ..."

    Reiniger wiegte den Kopf. „Ich kenne ein paar Namen."

    „Sag mir, wer hat einen Grund, Robert Vicker abtreten zu lassen?"

    Bount stieß seinen Zeigefinger gegen Myers’ Brust. „Das herauszufinden ist dein Job."

    7

    June March, Barbara Holland und Captain Toby P. Rogers, der gewichtige Leiter der Mordkommission Manhattan C/II, standen auf der Terrasse. June schaute über die Brüstung. Dort unten zuckten nach wie vor nervös die Rotlichter der Einsatzfahrzeuge. Dort drüben strahlten die Scheinwerfer der Mordkommission. Hektische Betriebsamkeit herrschte auf dem nächtlichen Baugelände.

    Barbara ging in den Livingroom. Sie kam mit einem glänzenden Silbertablett wieder, auf dem drei Gläser Orangensaft standen. Wortlos griffen June und Toby zu. Nachdem der blonde, vierschrötige Captain kurz an seinem Glas genippt hatte, fuhr er fort: „Also noch mal, Miss March. Sie sahen Robert Vicker auf die Baustelle fliehen ... Und dann tauchten die Killer auf."

    June nickte. „So war es, Captain."

    „Sie versteckten sich hinter dem Kastenwagen dort unten, wussten sofort, dass Sie Mörder vor sich hatten. Wieso?"

    „Weil die Kerle bewaffnet waren. Revolver mit Schalldämpfern. Wenn Sie das Fabrikat wissen wollen, muss ich leider passen."

    „Versuchen Sie noch einmal, die Männer zu beschreiben. Ihren ersten diesbezüglichen Anlauf kann man nicht gerade als geglückt bezeichnen."

    „Ich hatte nicht viel Zeit, mir die Gesichter der Männer einzuprägen", rechtfertigte sich June March.

    „Das ist mir schon klar, aber ein bisschen mehr, als Sie mir vorhin erzählten, müsste meiner Meinung nach schon hängen geblieben sein. June schloss einen Moment die Augen. Sie drehte im Geist das Rad der Zeit ein Stück zurück. Da waren die beiden wieder. Annähernd gleich groß. Dunkelhaarig. Weder besonders elegant noch besonders schlampig gekleidet. Das war wirklich alles, was dem Mädchen einfiel. Sie sagte es Toby. Der kräuselte unzufrieden die Nase. „So sieht zumindest jeder vierte New Yorker aus, sagte er enttäuscht.

    June hob seufzend die Schultern. „Ich weiß. Aber ich kann’s nicht ändern."

    „Bei jeder anderen Person würde ich mich mit dieser Antwort zufriedengeben. Sie aber, June, sind Detektiv-Volontärin."

    June March brauste verärgert auf. „Muss ich deswegen hellsehen können?"

    „Das gerade nicht, aber ein geschulteres Gedächtnis sollte man in Ihrem Fall doch wohl voraussetzen dürfen."

    June hob trotzig ihr Kinn. „Dann tut es mir leid, Sie enttäuscht zu haben, Toby."

    Die Klingel schlug an. Barbara stellte ihr Glas auf die Brüstung. „Entschuldigt mich." Sie durchquerte den Livingroom, trat in die Diele und öffnete die Tür. Vor ihr stand ein gut aussehender Mann: eins achtzig groß, schlank, breitschultrig, durchtrainiert, wie zu erkennen war. In dem schmalen Gesicht fielen vor allem die hellen, durchdringenden Augen auf. Der Mann hatte dunkles Haar, und sein Lächeln ging jeder Frau unter die Haut – auch dann, wenn sie in festen Händen war.

    „Sie müssen Bount Reiniger sein." Barbara Holland lächelte und reichte Bount Reiniger die Hand.

    „Bedauerlich, dass ich Ihre Bekanntschaft unter diesen Umständen machen muss, Miss Holland", sagte Bount höflich.

    „Sie dürfen mich Barbara nennen."

    „Okay."

    „Treten Sie ein."

    „Vielen Dank. Ist June da?"

    „Auf der Terrasse."

    „Und Captain Rogers?", fragte Bount.

    „Er ist bei June."

    „Wie fühlt sie sich?", erkundigte sich Bount besorgt.

    „Ich denke, sie ist über den ärgsten Schock bereits hinweg."

    „Dem Himmel sei Dank."

    Barbara Holland bedachte Bount mit einem bewundernden Blick. Sie lächelte freundlich. „June scheint Ihnen sehr viel zu bedeuten, Bount."

    Dieses Thema war Reiniger unangenehm. Er sprach nicht gern mit jemandem über seine Gefühle zu June. Er wollte sich kaum selbst eingestehen, dass June für ihn viel mehr war als nur seine Sekretärin. Noch viel weniger war er bereit, mit anderen über diese ganz und gar privaten Dinge zu sprechen. Tabu war das – wohl das einzige Tabu, von dem Bount Reiniger erwartete, dass es respektiert wurde.

    Er ging mit einem breiten Grinsen über dieses heikle Thema hinweg und sagte scherzhaft: „Nun, June ist die große und einzige Stütze meiner Firma. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie anfangen sollte."

    Barbara hatte gute Ohren. Sie konnte zwischen den Silben hören. Schmunzelnd ergriff sie Bounts Hand und sagte: „Kommen Sie, ich bringe Sie zu Ihrer Stütze."

    Rogers war gerade im Begriff, sein Glas zu leeren, als Bount auf die Terrasse trat. Sie hatten einander schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen, nur hin und wieder miteinander telefoniert. Privat. Bei beiden reichte die Zeit nicht aus, um oft privat zusammenzukommen.

    „Toby, wie geht’s?" Bount schüttelte die mächtige Pranke des Captain.

    „Besch... sch... scheiden", erwiderte Rogers. Wäre er mit Bount allein gewesen, hätte er das Kind beim richtigen Namen genannt. June machte einen geknickten Eindruck.

    Sie war todunglücklich darüber, den Mord an Robert Vicker nicht verhindert zu haben. Bount bedachte das Mädchen mit einem vorwurfsvollen Blick.

    Rügend sagte er: „Wir können trotz allem von Glück reden, dass die Sache nicht schlimmer ausgegangen ist."

    „Schlimmer?", fragte Toby.

    „Ebenso gut könnten dort drüben jetzt zwei Leichen liegen, sagte Bount ernst. „Konnte June dir helfen, Toby?

    „Leider nein."

    June March warf mit beleidigter Miene ein: „Dein Freund erwartet von mir, dass ich ihm Name und Anschrift der Killer nenne, und weil ich das nicht kann, ist er unzufrieden mit mir."

    Bount grinste. „Toby hatte es immer schon gern, wenn ihm die gebratenen Tauben in den Mund flogen. Reiniger wandte sich an den Captain. „Tja. Wie’s aussieht, wirst du dich diesmal selbst anstrengen müssen, um Erfolg zu haben.

    Rogers reagierte darauf grimmig. „Natürlich. Der neunmalkluge Bount Reiniger möchte mal wieder ganz besonders witzig sein."

    „Was hast du denn? Du hast doch sonst solche Bemerkungen nicht in die falsche Kehle gekriegt. War nicht böse gemeint, Toby. Nun komm schon, lass doch deswegen nicht gleich den Kopf so tief hängen. Seit wann ist der rauschalige Toby Rogers denn ’ne Mimose?"

    „Seit ich so viel Arbeit am Hals habe, dass ich nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht, erwiderte Toby ächzend. Jetzt war es ihm unangenehm, sich vorhin nicht beherrscht zu haben. Verlegen wandte er sich an June. „Ich erwarte Sie morgen, im Laufe des Vormittags, in meinem Büro. Möchte Ihnen ein paar Fotos vorlegen. Vielleicht erkennen Sie einen der Kerle darauf wieder. Bount nickte statt June und antwortete auch für sie: „Sie wird kommen, Toby."

    Der Captain verabschiedete sich mit einem starren Lächeln. Barbara bot Bount einen Drink an, aber Reiniger lehnte dankend ab. Zu June gewandt sagte er: „Komm, Sorgenkind. Ich fahre dich nach Hause."

    Wieder küsste Barbara die Freundin auf beide Wangen. Ihre Brauen zogen sich kummervoll zusammen. Über ihrer Nasenwurzel entstand eine kleine Falte. „Ist es nicht bedauerlich, dass unser netter Abend ein solches Ende genommen hat? June lächelte aufmunternd. „Ich bitte dich, daran bist du doch völlig unschuldig.

    Sie verließen Riverdale in Reinigers Mercedes. Bount lieferte seine Sekretärin ein paar Minuten später in der 123rd Straße ab und fuhr dann nach Hause weiter. Bald lag er wieder im Bett.

    Aber er träumte nicht mehr von Hawaii.

    8

    Bounts „Stütze" befand sich im Police Headquarters in der Centre Street. Dadurch sah sich Reiniger gezwungen, seine und Junes Arbeit zu übernehmen. Das behagte ihm absolut nicht. Sogar den Kaffee musste er sich selbst zubereiten, schrecklich! Jeder Anruf, der hereinkam, musste entgegengenommen werden – normalerweise Junes Aufgabe. Die Post musste aussortiert werden: auch einer von Junes Jobs. Herrje, June fehlte an allen Ecken und Enden.

    Als Bount ein bisschen Luft hatte, warf er einen ungeduldigen Blick auf seine Uhr. June war erst seit einer Stunde weg.

    Es klopfte. Bount griff nach seinem Krawattenknopf und schob ihn nach oben. Er richtete den Blick auf die Tür und rief: „Ja, bitte?"

    So zaghaft hatte diese Tür noch niemand aufgemacht. Ein taubengraues Kostüm erschien. Es passte zum Himmel. Auch das Gesicht der Trägerin wirkte grau.

    Sie war proportioniert wie die selige Monroe: schmale Taille, üppiger Busen, auffallend blondes Haar. Das Gesicht ebenmäßig, die Nase klein, die Lippen voll. Nur die Augen hatten rote Ränder. Ein Zeichen, dass das Mädchen erst kürzlich Tränen vergossen hatte.

    „Sind Sie Mr. Bount Reiniger?", fragte sie. Es klang wie ein lang gezogener, unglücklicher Seufzer.

    „Der bin ich, erwiderte Bount. Er hatte sich erhoben. „Was kann ich für Sie tun?

    Die Blonde schleppte sich bis zum Besucherstuhl und sank darauf nieder. Bount nickte dazu. Er hatte ihr sowieso gerade Platz anbieten wollen.

    Das Gesicht.

    Bount betrachtete jede Linie genau. Diese Züge waren ihm nicht fremd. Er hatte dieses Antlitz schon mal irgendwo gesehen. Auf dem Bildschirm. Talitha Banks. Sie war Nachrichtensprecherin bei der ABC Fernsehgesellschaft Eine Kollegin von Barbara Holland. Bount ließ sie wissen, dass er sie erkannt hatte. Sie nahm seine Worte mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken zur Kenntnis. Liebe Güte, dachte Bount. Dem Mädchen muss ein Lkw mit seinen Zwillingsrädern über die Seele gerollt sein.

    Er nahm einen zweiten Anlauf, um zu erfahren, was die Fernsehsprecherin von ihm wollte. „Welches Problem führt Sie zu mir, Miss Banks?"

    „Mrs. Banks", korrigierte sie ihn.

    „Verzeihung."

    Ihre rotgeränderten Augen suchten Bounts Blick. „Ich möchte Sie engagieren, Mr. Reiniger."

    Bount machte es ihr leichter, indem er lächelnd die Arme ausbreitete und meinte: „Dazu bin ich da, Mrs. Banks."

    Wieder dieses kaum wahrnehmbare Nicken.

    „Worum geht’s?", erkundigte sich Bount. Er verschränkte die Finger und legte das Kinn darauf.

    „Es handelt sich um den Mord an Robert Vicker. Ich möchte, dass Sie sich darum kümmern, Mr. Reiniger."

    „Waren Sie mit Vicker befreundet?", wollte Bount wissen.

    Die graue Schattierung in Talitha Banks’ Gesicht nahm merklich zu. „Robert Vicker, erwiderte die Fernsehansagerin mit blecherner Stimme, „war mein Bruder. Daraufhin hob Bount Reiniger überrascht den Kopf. Dass Vicker eine Schwester gehabt hatte, war ihm neu.

    9

    Gleich nachdem Captain Rogers das Police Headquarters betreten hatte, war er durch sämtliche ihm unterstehende Abteilungen gewandert. Er machte Dampf unter jeden einzelnen Hintern. Ab und zu schien ihm das einfach nötig. Kopfschüttelnd standen die von Toby heruntergeputzten Männer in ihren Zimmern. Der Knall der Tür machte sie noch eine Weile halb taub, und in jeder Abteilung fand sich zumindest einer, der aussprach, was sich die anderen dachten „Heute spinnt der Captain mal wieder ganz gehörig."

    In der Computerabteilung ließ Rogers June Marchs dürftige Angaben durchs Gerät rasseln.

    Daraufhin spuckte der Blechonkel eine Menge Namen aus. Kein Wunder bei diesen ungenauen Angaben. Toby raffte die Lochkarten zusammen und forderte danach die Fotos vom Erkennungsdienst an. Den ganzen Packen Dreierstreifen schleppte er in sein Büro. Da läuteten sich mal wieder die Telefone ihre Glocken heiser. Rogers erledigte die Anrufe der Reihe nach. Er biss und wurde gebissen – der übliche Ärger mit District Attorney Brown, dem Toby direkt unterstellt war. Brown erwartete von seinem Captain wieder einmal, dass er zauberte.

    Toby gab sich während des Gesprächs lammfromm. Es hatte keinen Sinn, sich mit dem DA anzulegen. Brown hatte den längeren Atem. Toby musste wohl oder übel versuchen, mit ihm auszukommen. Kaum hatte Rogers den Hörer in die Gabel geworfen, da machte er seinem Unmut mit den bissigen Worten Luft: „Unmögliches erledigen wir stets sofort, mein lieber Mr. Brown. Nur für Wunder ... Es tut mir schrecklich leid, das sagen zu müssen ... Für Wunder brauchen wir leider etwas länger."

    Danach war ihm wohler.

    Fünfzehn Minuten später traf June March ein. Sie trug einen saloppen, khakifarbenen Hosenanzug mit aufgenähten Taschen. Toby versuchte, freundlicher zu ihr zu sein als in der vergangenen Nacht. Schließlich setzte er auf sie seine ganzen Hoffnungen. Sie war die einzige Augenzeugin. Wenn sie ihm nicht half, die Killer des Boxers zu identifizieren, konnte er ganz New York umackern.

    „Gut geschlafen?", fragte Toby leutselig.

    „Ich habe kaum ein Auge zugemacht."

    „Kann ich verstehen."

    „Ihnen ist es vermutlich genauso ergangen", sagte June. Sie anerkannte Tobys Anteilnahme.

    „So ähnlich, erwiderte Rogers. „Möchten Sie Kaffee haben? Aus dem Automaten. Schmeckt zwar scheußlich, belebt aber.

    June schüttelte den Kopf. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich schlafe nicht ein."

    „Schön. Dann können wir also beginnen mit dem grausamen Spiel." Der Captain klopfte auf die Dreierstreifen.

    „Es täte mir leid, Ihnen nicht helfen zu können."

    „Ich bin sicher, Sie tun Ihr Möglichstes", erwiderte Rogers.

    „Na denn. Fangen wir an. Toby schob dem Mädchen die Verbrecherfotos zu. „Alles Killer, sagte er. „Nach Ihren Angaben von unserem Computer ausgesucht. Möchten Sie, dass ich Sie allein lasse. Vielleicht können Sie sich dann besser konzentrieren."

    „Sie stören mich nicht", erwiderte June. Eine ganze Weile wurde nichts mehr gesprochen. Während sich June March gewissenhaft die Verbrechervisagen zu Gemüte führte, holte Rogers eine Akte aus dem Schrank, in die er sich mit düsterer Miene vertiefte.

    Allmählich verschwammen die Gesichter vor Junes Augen. Sie musste eine kleine Pause einlegen. Als sie seufzte, hob Rogers den Blick. Er musterte sie kurz, blieb stumm, arbeitete weiter, machte sich Notizen.

    Aus den etwa zweihundert Karten sortierte June zunächst einmal vierundzwanzig aus. Danach begann sie erneut zu sieben. Auf diese Weise verringerte sie die vierundzwanzig Möglichkeiten auf zehn. Diese zehn Karten legte sie nebeneinander auf Rogers' Schreibtisch. Zwei weitere Verbrecher schieden aus ... da waren es nur mehr acht.

    Dann sieben.

    Dann vier.

    Zuletzt blieb eine Karte übrig.

    „Der?", fragte Rogers erregt.

    „Ich kann’s natürlich nicht beschwören", sagte June unsicher. Der Gangster war von links, von rechts und von vorn fotografiert. Dunkles Haar, längliche Nase, Herzchenmund, große Ohren.

    „Aber er könnte einer der beiden Killer gewesen sein", sagte Toby hastig.

    „.Könnte er gewesen sein", nickte June. Toby streckte die Pranke nach der Karte aus.

    „Darf ich mal sehen? Er bekam den Dreierstreifen und knurrte, während sich seine Augen verengten. „Delmer Wood, las er. „Da haben Sie keinen schlechten Griff getan, June. Für den Knaben halten wir seit Langem ein Zimmer im Kittchen frei."

    10

    Talitha Banks. Robert Vickers Schwester. Verheiratet mit einem wohlhabenden Mann, der Sprengstoffe für die Army erzeugte. Das erfuhr Bount Reiniger als Nächstes.

    „Barbara Holland hat mir geraten, ich solle mit Ihnen darüber sprechen. Ihre Assistentin ist eine Freundin von Barbara ... Sie war sehr mutig, als sie versuchte, Robert zu helfen. Bitte richten Sie ihr meinen innigsten Dank aus."

    „Das mache ich, Mrs. Banks", versprach Bount.

    „Werden Sie den Fall übernehmen? Ich möchte, dass die Mörder meines Bruders gefasst werden. Wie viel muss ich Ihnen bezahlen?"

    „Den üblichen Satz: zweihundert Dollar pro Tag, Spesen extra", bemerkte Bount.

    „Einverstanden. Soll ich eine Vorauszahlung leisten?" Talitha öffnete sofort ihre Handtasche, um ihr Scheckheft herauszunehmen.

    Bount winkte ab. „Das ist nicht nötig. Sie kriegen meine Rechnung, wenn ich den Fall abgeschlossen habe. – Und nun ein paar Angaben zu Ihrem Bruder, wenn ich bitten darf." Bount lehnte sich zurück und wartete. Talitha nestelte an ihrem Taschentuch herum. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie schien an ihrem Brüder sehr gehangen zu haben.

    „Unsere Eltern waren nicht gerade das, was man betuchte Leute nennt", begann Talitha heiser. „Trotzdem haben Robert und ich eine gute Erziehung in einem Bostoner Internat genossen ... Mein Bruder war zwei Jahre jünger als ich. Als er sich entschloss, Boxer zu werden, gab es zu Hause einen Aufstand. Vater und Mutter waren dagegen. Vor allem unsere Ma. 'Warum will sich der verrückte Junge sein hübsches Gesicht kaputtschlagen lassen?', fragte sie uns verständnislos. 'Ich habe ein schönes Kind zur Welt gebracht, und er tut alles, um zu einem hässlichen Affen zu werden.' Meine Eltern übten jeden erdenklichen Druck auf Robert aus, aber er blieb so hart, wie er in seinem Leben noch nie gewesen war. Fürs Boxen hätte er alles geopfert. Er zog von zu Hause fort. Er suchte sich eine kleine Wohnung, arbeitete schwer als Lastenträger im Hafen und trainierte nebenbei so hart, wie man es sich nicht vorstellen kann. Auch bei mir machte er sich rar, denn ich vertrat die Ansicht meiner Eltern, und er wollte kein Wort hören, das gegen den Boxsport gerichtet war. Boxen war für ihn eine Lebenserfüllung.

    So verbissen wie er ist wohl noch keiner dem Erfolg nachgerannt. Sein Ehrgeiz ließ es nicht zu, einer von vielen zu sein. Er wollte zur Spitze vordringen, und er machte schon bald von sich reden. Die Sportfachleute wurden auf ihn aufmerksam. Er hatte im Ring etwas zu bieten; das sage ich nicht, weil er mein Bruder war, sondern ich zitiere, was ich über ihn gelesen habe. Natürlich war ich von da an ein wenig stolz auf meinen Bruder. Bei jedem Kampf hielt ich ihm fest die Daumen.

    Er kam gut ins Geschäft. Er schlug alle seine Aufbaugegner und machte sich dann an die großen Namen furchtlos heran. Man sagte von ihm, er wäre einer von den Männern, die mit dem Herz in den Fäusten boxten. Robert war überall beliebt ..."

    Talitha Banks brach kopfschüttelnd ab. Sie erkannte den Widerspruch. Warum wird ein Mensch er, mordet, der überall beliebt ist? Überall. Das war das Wort, das nicht stimmen konnte. Es musste Leute gegeben haben, die mit Robert aus irgendeinem Grund nicht einverstanden gewesen waren.

    Bount fand, dass diese Frage nun reif war: „Kann Bob Vicker, trotz der vielen Freunde und Fans, die er hatte, nicht auch Feinde gehabt haben, Mrs. Banks?"

    Talitha atmete tief ein. Sie schaute mit düsterer Miene auf ihre schlanken Finger. „Es muss wohl welche geben, nur ... ich kann mir keinen Grund denken, weshalb man meinen Bruder gehasst hat."

    „Vielleicht war Neid im Spiel", sagte Bount.

    „Mag sein ... Sie hätten ihn kennen sollen, Mr. Reiniger. Er war die Liebenswürdigkeit in Person. Hilfsbereit. Zu jedermann freundlich. Er ging jedem Streit aus dem Weg. Er gebrauchte seine Fäuste nur im Ring. Niemals außerhalb."

    „Hört sich so an, als hätte er überhaupt keinen Fehler gehabt", sagte Bount.

    „Er hat wirklich keinen. Jedenfalls ist mir keiner bekannt."

    „Ein solcher Mann muss doch eine Menge Freunde haben."

    „Jedermann war sein Freund."

    „Können Sie mir ein paar Namen nennen, Mrs. Banks?"

    „Sam Orissa. Er boxt im selben Stall – wie man dazu wohl sagt – wie Robert. Ted Sahett. Er war Roberts Trainer."

    Bount ließ sich die Adresse von Vickers Wohnung geben. Er notierte sie auf einem Blatt Papier. „Kriege ich die Erlaubnis von Ihnen, da mal meine Nase hineinzustecken, Mrs. Banks?", fragte Bount Reiniger.

    Talitha schaute ihn verwundert an. „Natürlich dürfen Sie sich Roberts Wohnung ansehen, Mr. Reiniger. Aber was erwarten Sie da zu finden?"

    „Einen Hinweis darauf, weshalb man ihn ermordet hat", gab Bount trocken zurück.

    Die Fernsehsprecherin hob langsam die Schultern. „Sie wissen wohl besser als ich, was zur Klärung dieses gemeinen Mordes beiträgt. Sie erhob sich. Werden Sie mich auf dem Laufenden halten, Mr. Reiniger? Ihre Augen bettelten darum.

    „Selbstverständlich", versprach Bount, und seine neue Klientin verließ sein Allerheiligstes.

    In der Tür blieb sie noch einmal kurz stehen. Sie drehte sich um. Ihr Blick war jetzt hart. „In mir schreit alles nach Rache. Können Sie das verstehen?"

    „So geht es jedem Menschen, der einen lieben Verwandten auf diese Weise verliert, Mrs. Banks. Solche Gefühle sind in uns programmiert; Sie treten dann auf, wenn sie durch Ereignisse wie das vor der vergangenen Nacht abgerufen werden. Ist völlig normal."

    11

    June March warf seufzend ihre Handtasche auf den Schreibtisch. Es war Mittag. Sie hatte Hunger und war geschlaucht. Bount kam aus seinem Arbeitszimmer. „Es war schlimm bei Toby, nicht wahr?"

    „Es war anstrengend", gab June mit müder Stimme zurück.

    „Das sieht man dir an, nickte Bount. „Hattest du wenigstens Erfolg?

    „Das, sagte June March, und sie bemühte sich um ein schelmisches Lächeln, „erzähle ich dir bei einem schönen, nicht ganz durchgebratenem Steak.

    Reiniger lachte. „He, Mädchen, kannst du Gedanken lesen? Ich wollte dir gerade das Angebot machen, mit mir zu Musi hinüberzugehen."

    June lachte. „Ich könnte es mir nicht leisten, dieses Angebot abzulehnen. Mein Kohldampf ist beinahe schon zu hören."

    Einige Minuten später betraten sie Reinigers Stammkneipe: Musi’s Bar & Grill. Sie bekamen den Ehrenplatz im Lokal, und der Armenier-Türke – seine genaue Herkunft kannte er wohl selbst nicht – zerfranste sich für June und Bount. Das Steak war dann genauso, wie June es sich erträumt hatte. Und Reinigers glasierte Leber war gleichfalls ein einmaliges Erlebnis. Hinterher wollte der schnauzbärtige Musi ein bisschen Konversation machen, als er aber bemerkte, dass June und Bount geschäftlich miteinander zu reden hatten, zog er sich diskret zurück.

    „Einen der beiden Killer habe ich – jedenfalls glaube ich das – wiedererkannt", erzählte June.

    Bount stellte das Ingwerbier weg. „Wie ist sein Name?" Reiniger kannte eine ganze Menge Ganovennamen. Möglich, dass er mit dem Typ irgendwann schon mal zu tun gehabt hatte.

    „Delmer Wood", sagte June.

    Bount dachte mit schmalen Augen nach. Wood. Wood. Wood. Dazu fiel ihm nur ein Vorname ein: Nathalie. Aber das war ja ein Hollywoodstar. Delmer Wood.

    „Nie gehört", stellte Bount Reiniger fest.

    „Toby Rogers hat sofort zwei Leute losgeschickt, berichtete die Detektiv-Volontärin weiter. June schürzte die Unterlippe. „Fehlanzeige. Alte Adresse. Wood wohnt nicht mehr dort.

    „Und wo ist das?", erkundigte,sich Bount. Er hatte einen kleinen Hintergedanken.

    „Tremont."

    Bount Reiniger leerte sein Glas und verlangte die Rechnung. „Wenn Delmer Wood in Tremont zu Hause war, dann kennt ihn bestimmt Stevie Kenna."

    „Stevie Kenna?", fragte June verwundert.

    Bount schmunzelte. „Was wäre ein Privatdetektiv ohne einen sorgsam, über New York verteilten Spitzelstab."

    „Kenna spitzelt für dich?"

    „Der Junge ist einer meiner zuverlässigsten V-Männer überhaupt. Ich denke, es könnte Früchte tragen, wenn ich mich mal bei Gelegenheit zu ihm bemühen würde."

    12

    Bevor Bount Reiniger jedoch nach Tremont fuhr, machte er einen Abstecher zu Robert Vickers Wohnung. Als er sich aus seinem 450 SEL faltete, bekam ein kleiner schwarzer junge suppentellergroße Augen, „Mann, ist das ein schicker Wagen, Mister, sagte der Kleine ehrfürchtig. „Wie schnell kann man denn mit so was fahren?

    „Zweihundertzehn km/h", antwortete Bount lächelnd.

    Der Kleine rollte beeindruckt mit den Augen. „Wie viel PS?"

    „Zweihundertfünfundzwanzig."

    „O Jesus. Bei wie viel Umdrehungen?"

    „Fünftausend in der Minute."

    „Ob ich mir den mal kaufen kann, wenn ich groß bin?"

    „Ganz bestimmt, sagte Bount grinsend. „Und sollten dir zehn, fünfzehn Dollar auf den Kaufpreis fehlen, dann komm zu mir, ich geb sie dir.

    Der Junge strahlte. „Ehrlich?"

    „Ehrlich", nickte J.o. Er ging weiter. Der Junge schlich mit glänzenden Augen um den Mercedes. Mit seinen schwarzen, samtweichen Fingerkuppen strich er vorsichtig über den silbergrauen Lack. Er konnte sich an dem Fahrzeug einfach nicht sattsehen.

    Bount betrat das Haus, in dem Vicker gewohnt hatte. Radiogeplärr im Erdgeschoss. Indianergeheul aus dem TV-Gerät dazu. Hinter einer Tür hustete, räusperte sich und spuckte jemand.

    Reiniger lief die Treppen hoch. Dritter Stock. Robert Vickers Wohnung. Er holte ein kleines Etui aus der Innentasche seines Jacketts. Darin bewahrte er sein Spezialbesteck auf, das immer dann zur Anwendung kam, wenn gerade der nötige Schlüssel nicht zur Hand war. Diesmal geschah das Öffnen des Türschlosses mit Talitha Banks’ ausdrücklicher Genehmigung. Reiniger war also gedeckt.

    Eine Minute benötigte er für sein Werk. Dann war er in der Wohnung. Schon in der Diele empfingen ihn Zeitungsausschnitte in Bilderrahmen, die mit fetten Lettern verkündeten, was für ein prima Fighter Robert Vicker gewesen war. Dazwischen waren die Wände mit Veranstaltungsplakaten tapeziert, auf denen Vickers Name so groß stand, dass ihn nicht einmal ein Blinder ohne Stock hätte übersehen können.

    Nur ein Analphabet hätte jetzt noch meinen können, sich nicht in Robert Vickers Wohnung zu befinden.

    Rechts ging es ab in die Küche. Bount warf einen desinteressierten Blick hinein. Im Spülstein lag das Geschirr von drei Tagen. Reinigers Blick blieb am Kühlturm hängen. Er war durstig, deshalb öffnete er den Eisschrank. Vier Dosen Coke, drei Dosen Juice, zwei Dosen Bier standen ihm zur Auswahl. Er griff nach Coca Cola.

    Plötzlich ein Geräusch hinter Bount.

    Er zuckte herum, so schnell er konnte, die Cola-Dose zum Schlag erhoben. Aber der andere war im Vorteil. Die Sache spulte sich so schnell ab, dass Bount Reiniger nicht einmal mit dem Denken mitkam. Für den Bruchteil einer Sekunde schien ein matt schimmernder Totschläger in der Luft zu hängen. Genau über Bount. Umschlossen von einer Faust, an der ein protziger silberner Siegelring blitzte.

    Das waren so ziemlich die letzten Eindrücke, die Bount Reiniger wahrnahm. Dann kam der knallharte Schlag. Ein präziser Treffer. Er riss Bount förmlich die Beine unter dem Körper weg.

    Die Cola-Dose sprang Bount aus der Hand. Abwärts ging’s mit beiden – mit Bount und mit der Dose. Mitten am Tag war für Bount ganz plötzlich die schwärzeste Nacht angebrochen ...

    13

    Der Mann mit dem Siegelring steckte hastig den Totschläger weg.

    Seine stechenden Augen waren starr auf Bount Reiniger gerichtet. Hastig bückte er sich. Mit beiden Händen fasste er unter Reinigers Arme. So, wie man es beim Erste-Hilfe-Kursus lernt, schleppte der Gangster Bount aus der Küche. Reinigers Füße schleiften über den Boden. Der Verbrecher brachte Bount Reiniger ins Bad. Er blieb einige Minuten bei Bount. Dann verließ er das Bad, um den Detektiv darin einzuschließen.

    Nun setzte der Mann seine Arbeit, die er wegen Bount unterbrochen hatte, fort.

    Auf einem Highboard standen die Pokale von Robert Vickers Amateurkämpfen. Der Gangster fegte sie mit einem ungestümen Handstreich herunter. Er öffnete alle Schränke, jede Lade, verstreute den Inhalt auf den Boden, ging mit einer Gründlichkeit vor, die kaum mehr zu überbieten war.

    Nachdem er alle Räume durchgewühlt hatte, lief er zum Bad zurück. Er legte sein Ohr an das Holz und lauschte. Drinnen herrschte noch Ruhe. Der Verbrecher grinste breit. Er wandte sich von der Tür ab und verließ Vickers Wohnung.

    Ohne Eile ging er die Treppen hinunter.

    Vor dem Haus setzte er sich eine große Sonnenbrille auf die Nase. In einiger Entfernung vom Hauseingang parkte ein silbergrauer Mercedes, um den ein schmaler farbiger Junge herumschlich. Außer dem Jungen befand sich im Moment niemand auf der Straße. Der Mann wandte sich nach rechts und verschwand Augenblicke später um die nächste Ecke.

    Vier Straßen weiter betrat er eine kleine Cafeteria. Das größte im Lokal war die italienische Espressomaschine. Sie funkelte blankgeputzt und war der Stolz des Lokalbesitzers, eines schwindsüchtigen Kerls mit eingefallenen Wangen und spinnen dürren Armen. „Sir?", fragte das Klappergestell an der Maschine vorbei. Ein helles, freundliches Augenpaar war auf den Eintretenden gerichtet.

    „Cappuccino", sagte der Gangster. Seine Stimme war dunkel und kratzte ein wenig unangenehm.

    „Cappuccino. Sofort", sagte der Magere, und die schmale Fliege an seinem Hals zuckte auf und ab, weil sie dem knotendicken Adamsapfel im Wege war.

    Der Gangster ließ die vier Hocker vorläufig unbeachtet. „Kann man bei Ihnen telefonieren?", fragte er den Wirt.

    „Aber natürlich. Alles können Sie bei mir. Wirklich alles. Gleich neben den Toiletten. Aber verwechseln Sie die Türen nicht, sonst rauscht es zu laut beim Sprechen." Der Schwindsüchtige kicherte jungmädchenhaft, während er die Espressomaschine in Betrieb nahm. Der Gangster setzte sich zu den Toiletten ab. Er kam an einem Tisch vorbei, an dem ein Liebespaar saß. Die beiden waren Zeit und Raum so weit entrückt, dass man ihnen den Tisch hätte stehlen können, ohne dass sie es mitbekommen hätten.

    Die Telefonzelle war beklemmend eng.

    Der Gangster suchte in seinen Taschen nach einer Münze, warf sie in den Apparat, wählte eine Nummer, die er im Kopf hatte. Am anderen Ende klingelte es acht Mal. Dann eine Männerstimme: „Ja?"

    „Ich bin’s. Ich war in der Wohnung."

    „Und?", fragte der andere.

    „Nichts."

    ,,Hast du dich auch bestimmt gründlich genug umgesehen?"

    Der Anrufer wurde wütend. „Wofür hältst du mich? Für einen Anfänger? Ich hab die Wohnung auf den Kopf gestellt. Wenn es etwas gibt, das uns belasten könnte – in dieser Wohnung hat Vicker es ganz bestimmt nicht aufbewahrt, dafür würde ich meinen Hintern verwetten."

    Der andere lachte. „Wer will den denn schon haben? Sehen wir uns heute?"

    „Kann sein. Weiß ich noch nicht."

    „Kannst mich ja anrufen."

    „Mal sehen", erwiderte der Gangster und hängte ein. Kein Wort von seiner Begegnung mit Bount Reiniger in Robert Vickers Wohnung. Die Sache schien ihm zu unbedeutend zu sein.

    14

    Bount machte einiges mit, als er zu sich kam.

    Er hatte das Gefühl, eine Dampfrolle würde seine Gehirnwindungen plattwalzen, und auf der Schädeldecke saß ein Schmerz, der stolz auf sich sein konnte, denn er machte seinem Namen alle Ehre. Mühsam schlug Bount Reiniger die Augen auf. Seine Zunge war aufgedunsen und irgendwie pelzig. Sie klebte am Gaumen. In Bounts Hals machte sich eine würgende Übelkeit bemerkbar. Alles das zusammengenommen, schmälerte Bounts Freude am Leben enorm.

    Ächzend quälte er sich hoch. Durst. Ach ja, dazu fiel ihm ein, dass er eine Cola hatte trinken wollen. Jemand schien sie ihm aber nicht gegönnt zu haben. Ein Kerl mit einem Siegelring und einem Totschläger.

    Verwundert, auf dem Boden sitzend, schaute sich Bount um. Was ihn da umgab, hatte so gar nichts von einer Küche an sich. Eher von einem Bad.

    Etwas rutschte über Bounts Brust. Sein Blick senkte sich. Es war seine Brieftasche. Er griff mit unsicherer Hand nach ihr und klappte sie auf. Natürlich. Der Knabe hatte nachgesehen, mit wem er es zu tun hatte, wessen Kopf er beinahe zu Brei geschlagen hätte. Die ID-Card und die Detektivlizenz steckten andersherum in den Fächern. Bount brachte das schnell in Ordnung und schob die Brieftasche dann wieder an ihren angestammten Platz.

    Er versuchte sich zu sammeln. Den Luxus, sich zu erheben, leistete er sich noch nicht. Dazu hatte er sich von dem gewaltigen Hammer noch nicht gut genug erholt.

    Überlegen, dachte Bount. Du musst überlegen. Dies hier ist Robert Vickers Wohnung. Du kommst hierher, um mal ein bisschen in verstaubten Ecken zu schnuppern. Und was passiert? Ehe du richtig mit Schnuppern beginnen kannst, macht einer aus deinem Kopf eine Dunkelkammer. War schon vor dir da, der Knabe. Sicherlich mit derselben Absicht wie du. Aber vermutlich mit mehr Erfolg.

    Jetzt wagte Bount den Versuch. Eine Schmerzwelle durchraste sein Gehirn, als er sich aufrichtete. Er stöhnte und verzog das Gesicht, aber er blieb auf den Beinen, die zwar noch aus Gummi zu sein schienen, sich aber nach und nach wieder festigten.

    Benommen suchte er den Spiegel. Er wollte feststellen, ob er noch wie ein Mensch aussah.

    Da war ein Spiegel.

    Arg verschmiert. Oder nein. Nicht einfach sinnlos mit Dreck verkleistert, sondern bewusst – und mit Zahncreme. Der Spaßvogel mit dem Totschläger hatte mit Hilfe der Zahnpasta eine Nachricht für ihn auf den Spiegel praktiziert.

    Da stand: HALTE DEINE DRECKSNASE AUS DINGEN RAUS, DIE FÜR DICH GEFÄHRLICH WERDEN KÖNNTEN, SCHNÜFFLER!

    Bount zog die Mundwinkel nach unten. „Nicht mal ’ne Unterschrift", knurrte er. Dann drehte er das Kaltwasser auf, ließ die Waschmuschel volllaufen und steckte den Kopf so lange in das kühle Nass, wie seine Luft reichte. Hinterher fühlte er sich bedeutend besser. Er sah sich um und wollte das Bad verlassen. Ging aber nicht. Jedenfalls nicht so einfach, wie Bount sich das vorstellte. Verdrossen rammte er das Bein gegen die Tür. Krachend flog sie auf.

    Bount Stieg über Illustrierte, Pullover und Pokale hinweg.

    Chaos, wohin er schaute. In dieser Wohnung hatte sich jemand verdammt gründlich umgesehen? Wonach? Hatte Robert Vicker Material in Händen gehabt, das irgendjemand schwer belastete? Das wäre jedenfalls ein triftiger Grund gewesen, ihn umzupusten.

    Die Mühe, sich jetzt noch hier umzusehen, konnte sich Bount sparen. Wenn es in dieser Wohnung etwas zu finden gegeben hatte, dann war es garantiert bereits gefunden worden.

    Reiniger verließ Vickers Wohnung nicht, ohne die Cola getrunken zu haben, die ihm der Typ mit dem protzigen silbernen Siegelring nicht gegönnt hatte.

    15

    Stevie Kenna hatte ein Leben hinter sich, aus dem man einen Film hätte machen können.

    Sein Vater war Rechtsanwalt in Los Angeles gewesen. Vorwiegend Scheidungsangelegenheiten. Aber immer im Rahmen der oberen Zehntausend. Kennas Mutter hatte in mehreren Hollywoodfilmen der sogenannten B-Serie mitgemacht, für die man auch Ronald Reagan so häufig verpflichtet hatte. Keine Kassenschlager, aber sie spielten zumeist die Produktionskosten und ein bisschen Gewinn dazu ein.

    Das Geld war vorhanden, also ließ man Stevie Kenna Musik studieren. Nach dem Examen schrieb Stevie drei Filmmelodien, die sich auch auf Platte gut verkauften. Kenna kam allmählich besser ins Geschäft als seine Mutter, die sich damals bereits auf dem absteigenden Ast befand. Sie dachte, mit einem neuen Mann – einem aus der Filmbranche – wieder nach oben kommen zu können, und lachte sich Sam Harlock, den zu dieser Zeit berühmtesten Regisseur der Filmmetropole, an. Sam, selbst schon eine ganze Weile nicht mehr taufrisch, griff mit Begeisterung zu.

    Doch der Anwalt, der selbst so viele Scheidungen befürwortet hatte, konnte den eigenen ehelichen Schiffbruch nicht verkraften. Er drehte durch, griff zur Pistole und fuhr zu Sam Harlock. Er erwischte seine Frau mit Sam in einer peinlichen, eindeutigen Situation. Sie hatten beide keine Zeit, sich zu rechtfertigen. Es knallte in Harlocks Schlafzimmer insgesamt dreimal. Dann gab es

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