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Drei Krimis Spezialband 1006
Drei Krimis Spezialband 1006
Drei Krimis Spezialband 1006
eBook371 Seiten5 Stunden

Drei Krimis Spezialband 1006

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis

von Thomas West:



Wenn du erbst, bist du tot

Tödliche Nebenrolle

Verhängnisvolle Erpressung



Es scheint ein genialer Plan zu sein, um einen Schwerverbrecher aus dem gut bewachten Rikers Island herauszuholen: Gleich mehrere Wächter unter Druck zu setzen und zur Mitarbeit zu erpressen, das gilt besonders für den Gefängnisdirektor, dessen Frau entführt wurde. Als das FBI eingeschaltet wird, scheint es bereits zu spät zu sein. Doch geht es wirklich um Rabian und seinen Kumpan? Als Trevellian und Tucker eingreifen, scheint plötzlich alles verkehrt zu laufen.
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum21. Okt. 2022
ISBN9783745224689
Drei Krimis Spezialband 1006

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    Drei Krimis Spezialband 1006 - Thomas West

    Drei Krimis Spezialband 1006

    Thomas West

    Dieser Band enthält folgende Krimis

    von Thomas West:

    Wenn du erbst, bist du tot

    Tödliche Nebenrolle

    Verhängnisvolle Erpressung

    Es scheint ein genialer Plan zu sein, um einen Schwerverbrecher aus dem gut bewachten Rikers Island herauszuholen: Gleich mehrere Wächter unter Druck zu setzen und zur Mitarbeit zu erpressen, das gilt besonders für den Gefängnisdirektor, dessen Frau entführt wurde. Als das FBI eingeschaltet wird, scheint es bereits zu spät zu sein. Doch geht es wirklich um Rabian und seinen Kumpan? Als Trevellian und Tucker eingreifen, scheint plötzlich alles verkehrt zu laufen.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    COVER A. PANADERO

    © dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Wenn du erbst, bist du tot

    Krimi von Thomas West

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 121 Taschenbuchseiten.

    Der Tod von June Berkeley war unvermeidbar, denn ihre Partnerin Donna Richardson ist daran interessiert, die plötzlich aufgetauchte Erbschaft selbst in die Finger zu bekommen. Jesse Trevellian und seine Kollegen werden bei einer Kanu-Tour von einem seltsamen Kauz aus einem reißenden Fluss gerettet. Niemand hätte daran gedacht, dass ausgerechnet Brian Silverwood der einzige noch lebende Verwandte der Toten ist. Als Donna davon erfährt, reift in ihr ein skrupelloser Plan, den die FBI-Agenten zunächst nicht durchschauen.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Alle Rechte vorbehalten.

    w ww.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    1

    Freitagvormittag. Gegen elf wachte Donna auf und tat, was sie in letzter Zeit oft zu tun pflegte. Beunruhigend oft zu tun pflegte. Sie griff nach der Ginflasche auf dem Nachttisch, schenkte sich das gebrauchte Glas daneben halbvoll ein und steckte sich eine Zigarette an. Und begann zu grübeln.

    Grübelte wie jeden Morgen in letzter Zeit darüber nach, wie sie aus der verdammten Tretmühle ihres Lebens ausbrechen könnte. Aus ihrer chronischen Finanzkrise. Aus ihrem öden Job als Maskenbildnerin am Roundabout-Off-Theater am Broadway, wo sie einen Spitzenjob als everybody′s Arschloch hatte. Und aus ihrer festgefahrenen Beziehung mit der todlangweiligen und zwanzig Jahre älteren Jane Berkeley.

    Dann klingelte es. Donna ignorierte es zunächst. Doch wer immer da vor der Haustür stand und klingelte – er schien sich für wahnsinnig wichtig zu halten. Denn er klingelte ein zweites Mal. Und ein drittes Mal. Donna stieß einen Fluch aus und stieg aus dem Bett.

    Damit tat sie den ersten Schritt aus der Tretmühle ihres Lebens. Den ersten Schritt zu einer tödlichen Veränderung.

    Davon hatte sie natürlich nicht die Spur eines Schimmers, als sie in Janes schwarzen Morgenmantel schlüpfte und zur Wohnungstür schlurfte. Sie drückte den Türöffner. Im Erdgeschoss hörte sie die Haustür aufgehen. Rasche Schritte eilten die vier Treppen ins zweite Obergeschoss hinauf.

    Der Briefträger. Ein Neuer. Ein junger Afro, dessen Gesicht glänzte, wie die Haut einer gewienerten Avocado. „Mrs. Jane Berkeley?‟, strahlte er.

    „So ist es.‟ Donna stemmte die Hände in die Hüften und streckte die Brust heraus, so dass die Kragenaufschläge des Morgenmantels etwas auseinanderfielen, und die Ansätze ihres nicht eben spärlichen Busens sichtbar wurden. Und sie sagte Ja. Einfach so.

    „Ein Einschreiben.‟ Der junge Schwarze reichte ihr einen Brief und dann eine Schreibkladde, auf die eine Liste geklemmt war. „Eine Unterschrift bitte, Mrs. Berkeley.‟

    „ber ja doch, junger Mann.‟ Donna zwinkerte ihm zu. Anders als Jane stand sie auch auf Männer. Sie suchte Janes Namen in der linken Spalte und setzte ihre unleserliche Unterschrift in die rechte. Nur den Nachnamen – Richardson. Ein undeutliches Gekritzel. Es hätte genauso gut Miller, Brown oder Washington heißen können.

    Der junge Afroamerikaner verschlang die zierliche Frau mit dem wasserstoffgebleichten Kurzhaarschnitt mit sehnsüchtigen Augen. Dann nahm er die Kladde wieder entgegen, tippte mit dem Zeigefinger seiner Rechten an seine Schirmmütze und lief die Treppe hinunter. Donna schloss die Wohnungstür und ging mit dem Brief zurück in ihr Bett. Oder genauer gesagt: In Jane Berkeleys Bett.

    Sie hätte den Brief in Janes Arbeitszimmer auf den Schreibtisch neben Janes PC legen können. Oder in die Küche auf die Anrichte, wo sich die Tageszeitungen und die Post der letzten drei Tage stapelten. Seit Jane auf Dienstreisen war. Oder wenigstens auf den Telefontisch neben der Wohnungstür.

    Aber Donna nahm ihn mit ins Bett und öffnete ihn. Indem sie das tat, entschied sich das Schicksal von einem halben Dutzend Menschen. Donnas Schicksal mit eingeschlossen.

    Der Brief war von einem Züricher Rechtsanwalt. Ein Rechtsanwalt, der eine Schweizer Bank vertrat. Er sei bevollmächtigt, so entnahm Donna dem Brief, Mrs. Jane Berkeley davon in Kenntnis zu setzen, dass sie und ihr Onkel nach langen Bemühungen der Bank als Rechtsnachfolger eines Kontoinhabers bei der betreffenden Bank ausfindig gemacht worden seien. Eines Kontos, auf dem eine beträchtliche Summe Geld ruhte.

    Eine beträchtliche Summe Geld, so hieß es in dem Brief. Donna drückte ihre Zigarette aus. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett und las ein zweites Mal.

    Es ging um ein Konto aus den vierziger Jahren. Ein Konto, auf dem ein jüdischer Industrieller sein Vermögen vor den Nazis in Sicherheit gebracht hatte. Ein Großvater mütterlicherseits von Jane Berkeley. Und ein Onkel, ebenfalls mütterlicherseits, von Jane Berkeley. Also ein Bruder ihrer Mutter, oder wie ...?

    Donna schwirrte der Kopf. Zusammen mit Jane hatte sie den jüngeren Bruder von Janes Mutter einmal besucht. Als er nach einem Bergunfall mit gebrochenen Rippen und gequetschten Nieren halbtot auf der Intensivstation des North General Hospitals lag. Und danach noch zweimal, während er sich zuhause von seinem Unfall erholte. Ein merkwürdiger Kauz. Mit einem merkwürdigen Gesicht, das Donna nie vergessen hatte.

    Sie leerte ihr Glas, griff nach der Flasche und füllte es bis zum Rand. Dann zündete sie sich eine Marlboro Light an und las zum dritten Mal.

    Die Adresse Ihres Onkels, so hieß es in dem Brief, konnten wir leider nicht ausfindig machen. Den US-Behörden ist ein Bürger obengenannten Namens nicht bekannt. Bitte setzen sie sich mit uns in Verbindung, und teilen Sie uns die von Ihnen gewünschten Modalitäten der Geldtransaktion und die Adresse und gegebenenfalls den neuen Namen Ihres Onkels mit. Selbstverständlich ist mein Mandant, hier folgte der Name der Schweizer Bank, daran interessiert, mit Ihnen als Rechtsnachfolger des obengenannten Kontoinhabers auch in Zukunft in beiderseitigem Interesse ..., und so weiter, und so weiter.

    Donna legte den Brief auf den Nachttisch. Eine beträchtliche Summe Geld ... Sie starrte auf ihre grau lackierten Zehennägel. In ihrem Hirn jagte ein Gedanke den nächsten. Eine beträchtliche Summe Geld …

    Ein Gesicht schälte sich aus den vielen Bildern in ihrem Kopf. Das Gesicht eines Mannes, den sie einmal für eine Casting Agentur fotografiert, und der ihr hinterher den einen oder anderen Gefallen getan hatte.

    Sie betrachtete das Gesicht auf ihrer inneren Bühne mit den Augen einer Maskenbildnerin. Das Gesicht gefiel ihr. Als sie aufstand und zum Telefontisch ging, hatte sie längst eine Entscheidung gefällt, die man nicht jeden Tag fällt. Eine Entscheidung, die nur wenige Menschen in ihrem Leben fällen. Die Entscheidung zu töten.

    Donna wählte die Nummer der Auskunft der New York Telephone Company.

    „Bitte geben Sie mir die Nummer von Mr. Louis Mood‟, sagte sie. „Louis Mood, genau ... nein, ich kenne seine genaue Adresse nicht, er wohnt nördlich der East Hundertfünfundzwanzigsten ... in der Bronx, genau ...‟

    2

    Es gibt Tage, die vergisst man nicht. Der Sonntag, an dem ich Brian Silverwood kennenlernte, war so einer, schätze ich. Man läuft nicht allzu oft einem verrückten Freak wie Brian über den Weg. Und auch dem Tod läuft man nicht allzu oft über den Weg. Selbst in unserer Branche nicht.

    An jenem Tag liefen wir beiden über den Weg. Erst dem Tod, und dann Brian.

    Wir hatten uns für ein langes Wochenende in die Adirondack Mountains verzogen. Milo, Orry und ich. Und ein paar Wildwasserkanuten des Kanu-Clubs der Columbia University.

    Ein Professor für Kunstgeschichte war mit von der Partie. Drei seiner Studenten und zwei Medizinstudentinnen. Ein munteres Völkchen. Ein bisschen sportversessen vielleicht, aber sehr gesellig. Wir hatten eine Menge Spaß miteinander. Jedenfalls während der ersten zwei Tage.

    Vor allem die beiden Frauen sorgten für Stimmung. Nancy und Liz. Dicke Freundinnen. Sie konnten 'herumalbern und Witze reißen, bis die ganze Gruppe vor Lachen wieherte. Es steckte einfach an. Liz hatte eine Art, frivole Witze zum Besten zu geben, die selbst dem abgebrühten, über sechzigjährigen Professor die Schamröte ins Gesicht trieb – bevor er in Tränen ausbrach vor Lachen.

    Natürlich wurde um die Wette geflirtet. Die zwei Frauen waren nicht nur sympathisch, sondern ausgesprochen attraktiv – und Nancy war noch zu haben. Alle wetteiferten um ihre Gunst. Alle – außer Orry.

    Liz war nämlich Orrys Freundin zu der Zeit. Und die größte Supermacht der Welt hatte sie gerade erst in ihren süßen Würgegriff genommen. Deswegen hielt er sich mit dem Flirten ziemlich zurück, deswegen seine plötzliche Begeisterung für Kanu-Ausflüge in wilden Gewässern, und deswegen unsere Connection zu den Sportleuten. Milo und ich, immer offen für etwas Neues, hatten uns ein paar Wochen zuvor von Orry in den Kanuten-Verein mitnehmen lassen. Und wie es so geht: Wir fanden Spaß daran, in Gebirgsflüssen durchs Grüne zu paddeln, und hatten uns nach ein paar Lehrgängen auf eine Kanu-Exkursion im Quellgebiet des Hudsons eingelassen.

    So weit, so gut – jedenfalls kam dann dieser unvergessliche Sonntag. Wir verbrachten die Nacht in einer Blockhütte in der Gegend der Blue Mountains. Die Kanutenfanatiker von der Universität wollten einen kleinen Gebirgsfluss zum Indian Lake hinunterfahren. Und natürlich hatten Milo, Orry und ich nichts dagegen einzuwenden.

    Wir standen also sehr früh auf, packten unsere Sachen, und ließen die Kanus zu Wasser. Das Flüsschen strömte nicht gerade behäbig vor sich hin, machte aber auch keinen besonders gefährlichen Eindruck. Während der ersten sechs, sieben Meilen jedenfalls nicht. Am späten Vormittag zog sich der Himmel zu, und zwar innerhalb weniger Minuten.

    „Hast du den Wetterbericht gehört?‟, rief ich Milo zu, der hinter mir paddelte. Er schüttelte den Kopf. Auch Orry hatte keinen Wetterbericht gehört. Der Professor hatte ihn sicher gehört, aber der paddelte an der Spitze der Gruppe.

    Es fing an zu regnen. Was heißt: Es fing an zu regnen! - Wie aus tausend gebrochenen Hauptleitungsrohren klatschte das Wasser auf einmal aus den schwarzen Wolken. So dicht war der Regen plötzlich, dass ich Orry vor mir zeitweise aus den Augen verlor.

    Praktisch von einer Sekunde auf die andere schossen rechts und links von uns Wasserfontänen aus dem zerklüfteten Felsufer in den Fluss, und die wilden Fluten warfen unsere Kanus hin und her wie Papierschiffchen.

    „Ans Ufer!‟, hörte ich Milo hinter mir brüllen, und Orry vor mir machte ein Handzeichen, das genau dasselbe sagen wollte. Offenbar hatten auch unsere Profikanuten an der Spitze gerafft, dass die Sintflut ausgebrochen war. Aber paddel mal ans Ufer, wenn die Wasser unter dir mit der Kraft und der Geschwindigkeit einer panischen Wildpferdeherde vorwärts schießen!

    Ich tat mein Bestes. Stieß das Paddel rechts und links ins Wasser, verlagerte blitzschnell mein Körpergewicht, schrammte an Steinen vorbei und balancierte das Kunststoffboot über peitschende Wogen und durch schäumende Wirbel.

    Und dann war es zu spät, ans Ufer zu steuern. Das Unwetter hatte uns uns kurz vor einem Steiluferabschnitt des Flusses erwischt. Rechts und links von uns ragten plötzlich zerklüftete Felswände auf. Das wild gewordene Wasser warf sich gegen sie, verspritzte in ihren schroffen Aushöhlungen und tobte an ihnen hoch, als wollte es aus dem Flussbett ausbrechen.

    Wir hatten null Chance, unsere Boote irgendwo ans Ufer zu setzen.

    Rasend schnell schossen Steilwände und Felsbrocken an uns vorbei. Wir waren nur noch damit beschäftigt, das Kentern unserer Boote zu verhindern. An Steuern war längst nicht mehr zu denken – die entfesselte Kraft des Wassers riss uns einfach mit sich.

    Durch den Schleier des Platzregens hindurch sah ich die Verengung. Die Felswände schienen fast zusammenzustoßen, und die Wasser drängten sich mit atemberaubender Geschwindigkeit auf das Nadelöhr zu. Es war noch etwa dreihundert Meter von uns entfernt.

    Es gab kein Entkommen – jeder von uns würde unweigerlich in die Stromschnelle hineingerissen werden. Schon sah ich die ersten Boote kentern. Farbtupfer wirbelten durch den Regenschleier – Schwimmwesten der Kanuten vorne an der Spitze. Sie tauchten auf und unter, versuchten, sich an ihren umgekippten Booten festzuhalten, und wurden in das Nadelöhr hineingedrückt, wo das Wasser zu einer mächtigen Springflut anschwoll.

    Wie Pfeile schossen zwei Kanus über die Stromschnelle, wurden von ihr in die Luft katapultiert, und verschwanden dann aus meinem Blickfeld. Leere Kanus …

    „Das überlebt keiner!‟, brüllte Orry über die Schulter zurück. „Wir kentern lieber und versuchen, uns an irgendeinem Stein festzuhalten!‟ Er schrie heraus, was mir auch durch den Kopf geschossen war. Plötzlich sah ich einen grünlichen Schatten im Felsen fünfzig Meter vor und knapp zwei Meter über uns. Ein Mensch – er winkte! Dann wirbelte etwas durch den Regenschleier auf die andere Uferseite – ein Seil! In der Felswand der anderen Uferseite entdeckte ich einen zweiten Schatten. Sekunden später straffte sich ein Seil über die tosenden Wildwasserfluten.

    „Das Seil!‟, brüllte ich. Orry gab meinen Schrei weiter. Schon klammerten sich die ersten Kanuten an der rettenden Leine fest. Ich sah, wie Orry sein Paddel wegwarf, die Arme ausstreckte, und nach dem Seil griff. Die Spitze seines Kanus bäumte sich auf, Orrys Körper glitt aus der Spritzdecke, das Boot versank in den Fluten, tauchte auf, tanzte fast senkrecht auf den Wogen und schoss dann der Todesfalle entgegen.

    Das Gewicht von vier oder fünf Kanuten zog das Seil tief auf die Wasseroberfläche hinunter. Ich ließ das Paddel los und griff zu. Sekunden später sprang Milo neben mir in die Rettungsleine.

    Langsam arbeiteten wir uns durch das Wasser und über die Steine. Immer noch klatschte der Regen aus dem schwarzen Himmel. Nacheinander erreichten wir das Steilufer. Eine Strickleiter hing aus der Felswand in den Fluss herab. Ich wartete, bis Orrys Beine aus meinem Blickfeld verschwanden. Dann fasste ich nach den Sprossen und zog mich hoch.

    Eine Hand streckte sich mir entgegen. Sie griff kurz und hart zu und riss mich auf den Felsvorsprung. Für Augenblicke sah ich in ein stoppelbärtiges, zerfurchtes Gesicht. Schmale, graue Augen blitzen mich an.

    Zwei Stunden später saßen wir in warme Decken gehüllt in einer Kote. Ein Feuer brannte in der Mitte des Zeltes. Der Rauch zog durch die Öffnung in der Zeltspitze ab.

    Der Professor und Nancy fehlten.

    Wir schlürften heißen Tee und schwiegen. Mir gegenüber hockte der Mann mit dem Stoppelbart und dem Furchengesicht. Über sein Handy telefonierte er mit der Rangerstation in Atwell. Gleich vom Fluss aus hatte er die Parkaufsichtsbehörden alarmiert. Längst waren Rettungsspezialisten in Hubschraubern unterwegs, um nach Nancy und dem Professor zu suchen.

    „Nichts Neues‟, knurrte der Mann und steckte sein Handy weg. „Jeder Idiot, der heute morgen den Wetterbericht gehört hat, hat gewusst, dass ein Unwetter aufzieht!‟ Vorwurfsvoll blitzte er uns an. Weißgraues Stoppelhaar überzog seinen schmalen Schädel. Im linken Ohr glänzte ein kleiner Goldreif.

    „Wir dachten, wir würden den Indian Lake noch vor dem Unwetter erreichen‟, verteidigte einer der Studenten uns kleinlaut. Zum ersten Mal erfuhr ich, dass einige unserer Gruppe über die Wetterlage informiert waren.

    „Das Denken ist nicht jedermanns Sache‟, knurrte der Mann.

    „Danke, Mister‟, sagte ich, „Ich glaube, Sie haben uns das Leben gerettet.‟

    „Glaub′ ich auch ...‟

    Wir stellten uns vor. Der Graukopf musterte jeden von uns mit einer Mischung aus Wachsamkeit und Misstrauen. „Freut mich‟, brummte er, als wir alle unsere Namen genannt hatten. „Ich bin Brian Silverwood. Sagt Brian zu mir.‟

    Wir erfuhren nicht viel von ihm. Nur soviel, dass er als eine Art Privatscout Überlebenstraining in der Wildnis durchführte.

    Die Sorge um Nancy und den Professor wollte keine erleichterte Stimmung über unsere eigene Rettung aufkommen lassen. Ständig sah ich die verdammte Stromschnelle vor mir, und sah die leeren Kanus durch die Luft schießen.

    Am späten Nachmittag dann die niederschmetternde Nachricht: Man hatte Nancy und den Professor aus dem Wasser gefischt. Mit Schädelfrakturen und gebrochenen Rippen und Beinen. Beide lagen im Koma und schwebten in akuter Lebensgefahr. Keiner von uns sprach ein Wort. Schweigend drückten wir Brian und seinen Leuten die Hände und stiegen in zwei Helikopter, die uns in unser Basislager brachten.

    Ein paar Wochen noch, und wir würden uns intensiver mit Brian beschäftigen, als uns lieb sein konnte …

    3

    Auf dem Schreibtisch stapelten sich die Akten. Stickige Luft stand im Raum. Jane Berkeley riss das Fenster ihres Büros auf. Zwölf Stockwerke unter ihr hasteten Menschen durch frühsommerlichen City Hall Park. Frauen und Männer mit Aktenkoffern unterwegs in die City Hall, zur Wallstreet oder einem der benachbarten Bürotürme.

    Jane war ziemlich groß für eine Frau – hundertsechsundsiebzig Zentimeter, um genau zu sein – sie trug streichholzkurzes, schwarzgefärbtes Haar. Ein anthrazitfarbener Hosenanzug in klassischer Linie verhüllte den dürren Körper der 46jährigen.

    Sie atmete tief durch. Dann drehte sie sich um und betrachtete das Chaos auf ihrem Schreibtisch. So sehr sie die Abwechslung einer Dienstreise schätzte – die Rückkehr in ihr Chefbüro der Manhattaner Verkehrsbehörde war jedes Mal ein Albtraum. Natürlich hatte sie einen Stellvertreter – aber die meisten Chefsachen landeten dennoch auf ihrem Schreibtisch.

    Die Woche in Washington hatte ihr gut getan. Andere Gesichter, andere Kneipen. Sie hatte an einer Konferenz von Verkehrsspezialisten aller Ostküstenstaaten teilgenommen. Die Infrastruktur des Straßennetzes für das neue Jahrtausend musste angedacht werden.

    Jane seufzte. Das Gesicht der kleinen Sekretärin des Senators für Verkehrswesen blitzte auf ihrer inneren Bühne auf. Die letzten beiden Nächte hatte sie ihr Einzelzimmer mit der jungen Frau geteilt …

    Jane ließ sich in ihren hochlehnigen Ledersessel fallen, rollte an den Schreibtisch heran, und schaltete ihren Computer ein. Dann begann sie, sich durch den Aktendschungel zu arbeiten.

    Konzentriert arbeitete sie sich bis zur Mittagszeit durch. Sie hatte ihre Chefsekretärin angewiesen, alle Termine, Telefonate und so weiter auf den frühen Nachmittag zu verlegen. Natürlich wollte sie ihre leitenden Mitarbeiter über das Ergebnis der Tagung informieren. Und eine Menge Leute, die sie die Woche über nicht erreicht hatten, würden am Nachmittag anrufen.

    In der Kantine des Municipal Buildings aß sie einen gemischten Salat und trank eine Flasche Wasser. Danach ging es sofort wieder ins Büro. Ein Blick auf die Uhr – noch genau eine halbe Stunde Zeit bis zum Meeting mit ihren Abteilungsleitern.

    Ihr Handy orgelte los. „Shit ...‟ Jane liebte keine Privatgespräche während der Arbeitszeit. Trotzdem griff sie nach dem Handy. „Jane Berkeley?‟

    „Hi, Darling – was wünscht du dir heute Abend zum Essen.‟ Donnas aufgekratzte Stimme.

    Jane verdrehte die Augen. „Gott, Donna! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich nicht in der Behörde anrufen sollst!‟ Jane Berkeley war eine furchtlose Frau. Sonst hätte sie es nicht bis ins Chefzimmer der Manhattaner Verkehrsbehörde gebracht. Was sie aber fürchtete, war die ständig wie ein Damoklesschwert über ihr hängende Möglichkeit, einer ihrer Mitarbeiter könnte ihre sexuelle Vorliebe für Frauen herausfinden.

    In den Manhattaner Chefetagen war man in letzter Zeit ziemlich rigide, was den Umgang mit Homos und Lesben betraf. Da machte auch die Stadtverwaltung von Manhattan keine Ausnahme.

    „Stell dich nicht so an, Darling‟, kicherte Donna. „Ich hab′ extra die Handynummer benutzt. Also – was willst du essen? Ich koch′ dir was Schönes.‟

    Jane runzelte die Stirn. Schon gestern Abend, nach ihrer Rückkehr aus Washington, war Donna ungewöhnlich nett gewesen. Als würde sie ahnen, was die Stunde geschlagen hatte.

    „Du hast schon seit Wochen nicht mehr für mich gekocht‟, sagte sie.

    „Sei nicht nachtragend, Darling‟, flötete Donna. „Ich hatte eine Krise. Vergessen und vorbei. Jetzt wird alles wieder wie früher. Also, raus mit der Sprache – was willst du essen?‟

    Alles wieder wie früher ... Jane dachte an die kleine Sekretärin des Senators. „Hör zu, Donna – vergiss die Küche und bestell uns einen Tisch in der Oyster Bar, sagen wir für neun Uhr. Bis um acht brauch′ ich heute sicher, bis ich das Chaos vom Schreibtisch hab′. Ich lad′ dich zum Fischessen ein.‟

    „Hey! Wir waren schon wochenlang nicht mehr essen!‟, jubelte Donna. „Ich freu′ mich, Darling.‟

    Jane legte das Handy neben ihre Telefone und starrte es an. „Es wird unser letztes gemeinsames Essen sein, Donna ...‟, murmelte sie.

    Eine Woche Abstand von ihrer Freundin hatten ihr genügt, um die lange fällige Entscheidung zu treffen. Und natürlich die kleine Sekretärin ... Heute Abend würde sie Donna den Laufpass geben.

    Seit zwei Jahren hielt sie die Fünfundzwanzigjährige aus. Seit Donna wieder zu schnupfen und zu trinken angefangen hatte, gab es keinen Tag ohne Streit mehr. Außerdem hielt Jane sie inzwischen für eine egozentrische Schlampe. Tagsüber faulenzte sie im Bett herum, und nachts – nach zwei, drei Stunden sogenannter Arbeit – tobte sie in irgendwelchen Theaterkneipen herum. Alles auf Janes Kosten.

    „Schluss damit‟, zischte Jane. Allein die einmal getroffene Entscheidung erfüllte sie mit ungeahnter Erleichterung. Aber sie machte sich nichts vor: Sie würde mit harten Bandagen kämpfen müssen, bis Donna endlich ihre Siebensachen packen und verschwinden würde.

    Jane konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. Akten, Akten, Akten. Dann das Meeting mit den Abteilungsleitern. Dann Telefonate ohne Ende fast bis zum Schluss der üblichen Bürozeit. Für Jane Berkeley gab es keine übliche Bürozeit. Ab fünf also wieder Akten, Akten, Akten. Bis gegen halb neun.

    Ein Blick auf die Uhr. Bis um neun in der Fischbar am Grand Central Terminal – unmöglich. Sie tippte Donnas Nummer in ihr Handy. „Tut mir leid, Donna – ich komm′ zwanzig Minuten später.‟

    „Kein Problem‟, flötete Donna, „überhaupt kein Problem. Ich warte auf dich. Fahr bloß vorsichtig ...‟

    Jane wunderte sich über die Toleranz ihrer Freundin. Normalerweise ordnete Donna jede Unpünktlichkeit als Beziehungskrise ein.

    Jane hastete zum Aufzug und fuhr in die Tiefgarage des Municipal Buildings hinunter. Die Absätze ihrer Pumps knallten auf den Betonboden. Janes Schritte hallten aus der weiten Garage wieder.

    Sie schloss ihren schwarzen Golf auf und ließ sich hinter das Steuer fallen. Ein fremdartiger Geruch machte sie stutzig. Als hätte jemand in ihrem Wagen geraucht. Jane, eine fanatische Nichtraucherin, schnupperte kalten Zigarettenrauch sofort. Sollte Donna während ihrer Abwesenheit den Wagen benutzt haben? „Schlampe‟, zischte Jane und startete den Motor.

    An der Garagenausfahrt setzte sie den Blinker nach rechts. Etwas Kaltes, Hartes drückte sich von links gegen ihren Hals. Eiskalter Schauer jagte von Janes Herz aus in ihre Zehenspitzen hinunter und bis in ihre Haarspitzen hinauf. Sie schnappte nach Luft, wollte schreien, aber der Schrei blieb ihr im Hals stecken.

    „Du fährst die Park Row hinunter nach Süden‟, schnarrte eine Männerstimme. Sie klang rau und gleichgültig. Eine Faust legte sich von rechts auf ihre Brust. „Kapiert?!‟

    Warmer Atem strich an ihrem rechten Ohr vorbei. Atem, der nach Rauch stank. Jane sah auf ihre Brust hinunter. Und sah sehnige Fingerknöchel, die sich unter einem Lederhandschuh wölbten. Sie sah eine Faust sich um den Griff einer Pistole spannen. Und sie sah in das Loch eines Pistolenlaufs.

    Der Druck der Messerklinge an ihrem Hals verstärkte sich. „Mach schon!‟ Jane setzte den Blinker nach links und bog in die Park Row ein.

    Die raue Stimme hinter ihr dirigierte sie in zum Broadway, dann nach links in die Rector Street, und dann nach rechts über den Trinity Place in den Brooklyn Batterie Tunnel hinein.

    „Was wollen Sie von mir?‟, krächzte Jane, als sie ihre Sprache wieder gefunden hatte.

    „Lass dich überraschen ...‟ Die Stimme klang nicht mehr ganz jung. Im Rückspiegel sah Jane einen schmalen Schädel. Ein grauer Bürstenschnitt, kürzer als ihrer, überzog ihn. Um schmale Lippen und ein kantiges Kinn herum wucherte ein Dreitagebart. „Konzentriere dich auf den Verkehr!‟ Die Faust mit der Pistole schlug ihr gegen die Brust.

    Nach dem Tunnel verlangte die Männerstimme hinter Jane, dass sie den Golf in den Brooklyn Queens Express steuerte und Richtung Norden zum Ufer des East Rivers fuhr.

    „Wir können reden ...‟ Janes Stimme versagte. Sie schluckte und versuchte durchzuatmen. „Sagen Sie, was Sie wollen ... Geld?‟

    „So gefällst du mir schon besser‟, knurrte der Mann hinter ihr. „Geld ist vielleicht keine schlechte Idee.‟

    Die Ruinen des Sunset Parks tauchten auf. Kräne, Silos, Schornsteine, verrottete Werften – immer tiefer fuhr Jane in das ehemalige Industriegebiet hinein.

    „Wir ... wir könnten zu einem Geldautomaten fahren ...‟, stammelte Jane. ‟... ich heb′ Ihnen ab, was Sie brauchen ... Sie sind sicher in Not, oder ...? Ich hab′ auch Schecks dabei ...‟ Jane dachte an die kleine Walther Pistole in ihrer Handtasche.

    „Bieg erst mal in die alte Raffinerie da vorne ein‟, schnarrte die Stimme.

    Janes tat, was er verlangte. Ihre Knie schlotterten, als sie an ein paar Autowracks vorbeifuhr. Ihre Hände waren schweißnass und rutschten ständig vom Leder des Sportsteuers ab.

    „Halt an.‟ Jane würgte den Motor ab. Die linke Hintertür wurde aufgestoßen. Durch die Windschutzscheibe sah Jane die dunklen Wasser des East Rivers. Dahinter glitzerten die Lichter der Manhattan Skyline durch den Abenddunst. Ein Schatten tauchte vor dem Seitenfenster auf. Die Fahrertür wurde aufgezogen.

    „Wir können das gleich regeln.‟ Jane, die zu lächeln versuchte, erschrak vor dem hysterischen Kichern. Kam das aus ihrem Mund? Ihre Hände nestelten schon an der Handtasche herum. „Sie werden sehen – ich hab′ alles dabei: Schecks, Kreditkarten, Bargeld ...‟ Ihre zitternde Rechte griff nach der Walther. Sie zog sie heraus.

    Im gleichen Moment schloss sich eine harte, knochige Faust um ihr Handgelenk. Eine Faust in einem schwarzen Lederhandschuh.

    „Du Miststück!‟, fauchte der Kerl. Er riss Jane aus dem Auto. Sie schrie, als er ihr das Handgelenk zurückbog. Die

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