Wyatt Earp 123 – Western: Ein Sattel im Schnee
Von William Mark
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Seit Wochen herrschte in Tombstone Grabesstille.
Die Galgenmänner-Bande, die die Stadt so lange tyrannisiert hatte, schien sie vom Erdboden verschluckt zu sein. Diese plötzliche Stille hatte etwas Unheimliches an sich.
Es war im Februar 1884.
Wyatt Earp hatte die ganze Stadt sozusagen auf den Kopf gestellt: ohne jeden Erfolg. Die Galgenmänner waren verschwunden. Und, was nicht weniger bemerkenswert war, die berüchtigten Tombstoner Outlaws hatten sich mit ihnen aus dem Staub gemacht.
Phin Clanton, der von Wyatt Earp zusammen mit Galgenmännern am Lue Lon River aufgegriffen worden war, hatte zwei Jahre Straflager aufgebrummt bekommen, war aber, wie man in Tombstone schon nach wenigen Tagen erfuhr, auf dem Transport nach Fort Worth ausgebrochen.
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Wyatt Earp 123 – Western - William Mark
Wyatt Earp –123–
Ein Sattel im Schnee
Roman von William Mark
Seit Wochen herrschte in Tombstone Grabesstille.
Die Galgenmänner-Bande, die die Stadt so lange tyrannisiert hatte, schien sie vom Erdboden verschluckt zu sein. Diese plötzliche Stille hatte etwas Unheimliches an sich.
Es war im Februar 1884.
Wyatt Earp hatte die ganze Stadt sozusagen auf den Kopf gestellt: ohne jeden Erfolg. Die Galgenmänner waren verschwunden. Und, was nicht weniger bemerkenswert war, die berüchtigten Tombstoner Outlaws hatten sich mit ihnen aus dem Staub gemacht.
Phin Clanton, der von Wyatt Earp zusammen mit Galgenmännern am Lue Lon River aufgegriffen worden war, hatte zwei Jahre Straflager aufgebrummt bekommen, war aber, wie man in Tombstone schon nach wenigen Tagen erfuhr, auf dem Transport nach Fort Worth ausgebrochen. Der Marshal, der den Dingen nachgegangen war, hatte in Erfahrung gebracht, daß der Transport, der von einigen Wächtern begleitet wurde, unterwegs überfallen worden war. Fest stand also, daß Phineas Clanton sich auf freiem Fuß befand: und da er kein Raubmörder war, erließ man keine Steckbriefe gegen ihn.
Der Marshal hatte Jonny Ringo, der mit seiner Bande einen Anschlag auf ihn und Doc Holliday ausgeübt hatte, selbst aus dem Jail herausgeholt und aus der Stadt gejagt, bevor der Richter kam.
Die anderen Desperados schienen sich nun Ringo angeschlossen zu haben. Das Haus der Flanagans war durchsucht worden, aber es war wie ausgestorben. Fergusons Dachbude war verriegelt. Das kleine Haus am River-West, in dem James Curly Bill zu hausen pflegte, stand leer. Auch die Bude, die Pete Spence junior über der Spelunke Jonny Millers in der Fremontstreet zu bewohnen pflegte, war verlassen.
Die grauen Ratten hatten Tombstone den Rücken gekehrt, so unglaublich sich das auch anhören mochte.
Daß die Tombstoner Desperados die düstere Stadt einmal verließen, war nichts Außergewöhnliches, denn sie waren ja schon öfters davongeritten, um irgendwann wieder aufzutauchen. Aber daß sich der Geheimbund der Galgenmänner so urplötzlich in ein Nichts aufgelöst haben sollte, war beängstigend.
Nach seinen gründlichen Nachforschungen in der Stadt, hatte der Marshal weite Ritte in die Umgebung unternommen und war auch bis hinunter an die Grenze gekommen, aber das graue Gesindel schien auch hier wie ausgerottet zu sein. In den Grenzstädten und an den zerklüfteten Südhängen der Blauen Berge, in denen die Galgenmänner sonst zu Hause waren, hatte er keine Spur mehr von ihnen entdecken können.
Dieser Umstand konnte den Marshal nicht etwa beruhigen; im Gegenteil, die verschwundenen Galgenmänner beunruhigten ihn mehr als die, die er hier in seiner Stadt gewußt hatte. Schließlich war ja bekannt, daß die Bande trotz der großen Niederlagen und Verluste, die sie erlitten hatte, immer noch sehr stark war.
Wohin hatten sich die Ratten verzogen?
Vor allem: weshalb hatten sie die Stadt und das County verlassen? Was plante der Große Chief? Er hatte doch schon alles, was man an Hinterhältigkeit und Gemeinheit loslassen konnte, abgeschossen – sollte man meinen.
Es war am Morgen des vierten Februar. Irgendwo in einer winkligen Vorstadtstraße draußen vor den Miner Camps war ein kleiner Junge geboren worden. Der Vater, der oben in der Stadt in einer Schlosserei arbeitete, tauchte kurz vor neun im Sheriffs Office auf.
Luke Short war hinaus auf eine Ranch geritten, auf der irgend etwas passiert war. Und die Deputies waren auf Streifgängen in der Stadt unterwegs. Wyatt Earp saß am Schreibtisch und hatte die Post eben durchgesehen, als er Sid Cruger in der Tür stehen sah.
»Hallo, Marshal«, grüßte der Schlosser und tippte mit einer linkischen Geste an seinen Hutrand. »Ich will Sie nicht lange stören. Habe nur eine Frage. Ich habe einen Jungen bekommen…«
»Sie?« fragte der Marshal und blickte auf.
»Na ja, meine Frau natürlich. Ich meine nur… Wir haben keine Verwandten in der Stadt. Und ich… Well, also ich wollte fragen, weil wir ja katholisch sind und einen Taufpaten brauchen, ob Sie vielleicht…« Er brach ab. Das Vorhaben, das ihn hierhergeführt hatte, schien ihm plötzlich doch ein zu großes Ansinnen an den Marshal zu sein.
Aber zu seiner Verwunderung nickte der Missourier und fragte:
»Wann ist die Taufe?«
»Am Montag um acht Uhr in der kleinen Kirche«, entgegnete Cruger mit frohen Augen.
»All right, ich werde kommen.«
Glückstrahlend zog Cruger davon.
Er hatte wohl kaum drei oder vier Schritte auf dem Vorbau hinter sich gebracht, als ein Schuß die Stille des Vormittags zerriß.
Cruger bekam einen Stoß in den Rücken, torkelte noch einige Schritte vorwärts und stürzte dann auf die Straße, wo er mit weitausgestreckten Gliedern liegen blieb.
Sofort peitschten noch zwei Schüsse auf und zerschlugen krachend die Fensterscheiben am Oriental Saloon.
Wyatt Earp war schon nach dem ersten Schuß in der Tür.
Es war niemand zu sehen. Die Schüsse mußten drüben aus dem Südende der Fifth Street gekommen sein.
Mit weiten Sprüngen überquerte der Missourier die Straße und blieb vor dem Haus von Trasker und Tridham stehen.
Und in diesem Augenblick spie die Gassenmündung drei Reiter aus. Sie schossen wie wild auf einen Mann, den der Marshal erst jetzt entdeckte.
Er stand drüben in der gegenüberliegenden Verlängerung der Fifth Street am Ende des Vorbaus vom Crystal Palace. Eiskalt stand er da, hielt die Winchester halbhoch und jagte zwei Schüsse über die Straße.
Einer der Reiter kippte aus dem Sattel. Der zweite suchte nach rechts in die Allen Street zu entkommen, aber dort sah er sich plötzlich einem neuen Widerstand gegenüber: dem Marshal.
Wyatt war auf die Straße gesprungen und versperrte ihm den Weg. Der Mann riß sein Pferd hoch, um den neuen Gegner niederzureißen. Da aber hatte der Missourier mit der Rechten die Zügelleine des Fuchses ergriffen, packte mit der Linken den Mann am Stiefel und riß ihn mit einem harten Ruck aus dem Sattel.
Der dritte Reiter hatte ein Gewehr in der Hand und feuerte wie wild um sich. Er suchte jetzt in das Westende der Allenstreet zu sprengen, wurde aber durch eine Kugel des Mannes, der hinterm Crystal Palace stand, vom Pferd gestoßen. Er sprang aber sofort wieder auf, da er offenbar nur leicht verletzt war.
Da sah er den Mann mit dem Stern vor sich.
Wyatt hielt ihm den Revolver entgegen.
»Hände hoch!«
Da ließ der Mann die Waffe fallen und hob seine Hände.
Im gleichen Augenblick krachte vom Crystal Palace her ein Schuß, traf den Mann wie ein Keulenschlag und warf ihn um.
Wyatt blickte sich um und sah jetzt oben an der Straßenecke den Mann auftauchen, der mit den dreien gekämpft hatte.
Es war ein hochgewachsener Mann mit breiten Schultern, kantigem, braunem Gesicht und pulvergrauen Augen. Es war ein gutgeschnittenes Gesicht, das von der Krempe eines grauen Stetsonhutes beschattet wurde. Der Mann trug braunes gefüttertes Lederzeug und einen patronengespickten Waffengurt. Links auf seiner Brust blinkte ein sechszackiger Stern.
Aber auch ohne dieses Zeichen hatte der Marshal diesen Mann sofort erkannt. Es war niemand anderes als Larkin, der Sheriff von Naco.
Da kam der Mann, den der Missourier aus dem Sattel gerissen hatte, zu sich und richtete sich auf das linke Knie auf. Mit der Rechten tastete er nach dem Revolver.
Schon riß Larkin das Gewehr herum, und wieder brüllte es zweimal auf. Der Getroffene kippte hinten über und blieb mit dem Gesicht unterm Vorbau liegen.
Langsam setzte sich der Missourier in Bewegung und ging auf den Sheriff zu, der jetzt vorm Eingang des Crystal Palace an der Vorbaukante stand.
Es waren diamantharte Augen, in die der Marshal blickte. Larkin verzog keine Miene, als er das Gewehr absetzte und mit seiner etwas rauhen, schnarrenden Stimme sagte:
»Thanks, Marshal, das war Hilfe im letzten Augenblick.«
Der Marshal war dem sonderbaren Sheriff schon mehrmals begegnet. Unten in Naco hatte er erleben müssen, daß der Mann, von dem er keine oder nur wenig Hilfe erwartet hatte, in einem brennenden Augenblick plötzlich neben ihm aufgetaucht war und ihm beigestanden hatte.
Langsam wandte der Marshal den Blick von diesem harten Gesicht und sah sich auf der Straße um.
»Die sind alle tot, Larkin«, sagte er halblaut.
Der Sheriff entgegnete kühl: »Falls etwas wie ein Vorwurf in dieser Bemerkung liegen sollte, Marshal, dann würde ich den mit ihren drei Namen ersticken: Howland, Brest und Cunningham.«
Wyatt kniff das linke Auge ein. Was denn? Diese drei Männer sollten das berüchtigte Mördertrio Howland, Brest und Cunningham sein? Diese Bande wurde seit vielen Monaten in Texas und auch in New Mexico gesucht, und um Weihnachten herum hatte sie sich am Rande Südarizonas herumgetrieben. Nur die Jagd nach den Galgenmännern hatte die Aufmerksamkeit des Marshals von diesem Trio ablenken können.
Larkin kam mit harten, sporenklirrenden Schritten vom Vorbau herunter, ging an dem Marshal vorbei und blieb neben dem Mann stehen, den er niedergeschossen hatte, als Wyatt ihn bereits gestellt hatte.
»Das ist Cyrill Brest, achtundzwanzig Jahre alt, sieben Morde.«
Der Sheriff von Naco wandte sich ab und ging auf den Mann zu, den er gleich in