Wyatt Earp 119 – Western: Ich bin der Boß!
Von William Mark
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In Naco herrschte Friedhofsstille.
Der schwere Schlag, den Wyatt Earp gegen die Bande der Galgenmänner geführt hatte, saß der Stadt noch in allen Gliedern.
Ein trüber Januarmorgen stieg im Osten über den Sandhills auf und warf ein fahles Licht auf die Stadt.
Gegen sieben Uhr in der Frühe war der Marshal schon unterwegs. Er kam von der presbyterianischen Kirche her, auf den Boot Hill zu, wo er einen Mann beobachtet hatte, der dort langsam wie suchend durch die Gräberreichen ging.
Der Missourier blickte über die nur mannshohe Fenz und entdeckte den breiten Rücken des Mannes unten in einer der letzten Gräberreihen.
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Buchvorschau
Wyatt Earp 119 – Western - William Mark
Wyatt Earp –119–
Ich bin der Boß!
Roman von William Mark
In Naco herrschte Friedhofsstille.
Der schwere Schlag, den Wyatt Earp gegen die Bande der Galgenmänner geführt hatte, saß der Stadt noch in allen Gliedern.
Ein trüber Januarmorgen stieg im Osten über den Sandhills auf und warf ein fahles Licht auf die Stadt.
Gegen sieben Uhr in der Frühe war der Marshal schon unterwegs. Er kam von der presbyterianischen Kirche her, auf den Boot Hill zu, wo er einen Mann beobachtet hatte, der dort langsam wie suchend durch die Gräberreichen ging.
Der Missourier blickte über die nur mannshohe Fenz und entdeckte den breiten Rücken des Mannes unten in einer der letzten Gräberreihen.
Obgleich ihn noch etwa zweihundert Yard von dem Mann trennten, erkannte er ihn sofort.
Diese wuchtige Gestalt, die er selbst auf noch größere Entfernung erkannt hätte, und die er bis ans Ende seiner Tage nicht vergessen würde. Es war der gleiche Mann, der ihn in der Nacht durch sein plötzliches Auftauchen in Naco aufgeschreckt hatte: Ike Clanton, der Tombstoner Rancher, der bis vor wenigen Jahren die berühmteste Bande angeführt hatte, die der Westen jemals gesehen hatte.
Was hatte diesen Isaac Joseph Clanton wirklich hierher an die mexikanische Grenze geführt? Hatte schon Luke Shorts Bericht von seinem Zusammentreffen mit Ike Clanton oben bei Tombstone nahe der verlassenen Pferdewechselstation den Marshal verwundert, so wirkte das Auftauchen Ike Clantons ausgerechnet hier in Naco jetzt geradezu schockierend auf den Gesetzesmann, der davon überzeugt war, dem Big Boß der Galgenmänner dicht auf der Fährte zu sein.
Was suchte Ike Clanton in Naco? Und weshalb ging er jetzt in der frühen Morgenstunde über den Friedhof hier?
Mit schmalen Augen beobachtete ihn der Marshal, und schließlich ging er weiter um die Friedhofsmauer herum und trat durch den Eingang.
Langsam ging er in die letzte Gräberreihen, bis er hinter dem Rancher stand.
Obgleich Ike Clanton die Schritte gehört haben mußte, wandte er sich nicht um.
Wyatt hörte seine heisere Stimme an sein Ohr dringen: »Hallo, Marshal!«
Es war einen Augenblick still, dann meinte der Rancher: »Verdammt armseliger Ort so ein Graveyard.«
Was trieb ihn nur immer wieder auf den Friedhof? Wie oft hatte der Missourier ihn schon auf dem Tombstoner Graveyard getroffen.
Es war die seltsamste Marotte, die der Marshal je bei einem Menschen beobachtet hatte. Eine seltsame und makabre Gewohnheit.
Ike war stehengeblieben und starrte auf einen frischen Grabhügel, dessen Decke noch nicht eingesunken und nicht einmal mit einem Blumenstrauß geschmückt war. Auf dem frischen Holzkreuz stand nur ein Name:»JESSE HAMMOND
»Es muß ein elendes Gefühl sein, an einem so erbärmlichen Platz begraben zu liegen«, brummte Ike Clanton.
»Der Mann merkt nichts mehr davon«, entgegnete der Marshal.
»Nein, nein, ich weiß. Aber vielleicht ist er früher einmal hiergewesen und hat diesen Platz gesehen.«
»Möglich ist es schon«, erwiderte der Marshal einsilbig.
Ike sog die Luft tief ein, hob den Kopf und blickte über die Friedhofseinzäunung hinweg hinaus in die Savanne auf die Hänge hinunter, die zur Grenze führten, hinein ins ferne Mexiko.
»Wenn ich einmal sterbe, dann möchte ich gerne hinter unserem Ranchhaus liegen, auf dem kleinen Hügel, auf dem der große Tecarillabusch steht. Da, wo mein Vater liegt. Ich läge sehr gern da. Aber wahrscheinlich wird es dann niemanden mehr geben, der sich dafür interessiert.« Und plötzlich verzog sich sein Gesicht zu einer diabolischen Grimasse. Er schob das Kinn vor und zischte wie eine Kobra: »Sie werden nicht danach fragen, wo ich liegen will. Sie werden mich nach Tombstone schaffen, auf diesen verdammten sonnenglühenden Fleck werden Sie mich schleppen und irgendwo da einbuddeln, da, wo Billy liegt. Ich kann mir nichts Schlimmeres denken, als diesen höllischen schattenlosen Flecken da oben auf dem Graveyard.«
Verwundert blickte der Marshal auf den breiten Rücken des Ranchers. Welch ein sonderbarer Mann war doch dieser Isaac Joseph Clanton! Sollte ihn wirklich dieser Gedanke so furchtbar quälen, daß sie ihn eines Tages hinauf auf den heißen Stiefelhügel von Tombstone schleppen würden, um ihn dort irgendwo neben seinem Bruder Billy in die Erde zu legen?
Zur eigenen Verwunderung hörte sich der Missourier plötzlich sagen: »Wenn ich dann noch leben sollte, Ike, dann werde ich dafür sorgen, daß Sie nicht nach Tombstone gebracht werden.«
Unendlich langsam wandte der Rancher den Kopf.
Unter weißblonden Brauen blickten seine opalfarbenen Augen in das Gesicht des Missouriers, unverwandt heftete sich sein Blick auf dessen dunkelblaue Augen.
»Hören Sie, Wyatt. Das ist ein Wort, das Sie da eben gesagt haben. Und ich werde Sie beim Wort nehmen. Sie werden an diesem Tag noch leben. Und ich erwarte dann von Ihnen, daß Sie dafür sorgen, daß ich nicht nach Tombstone gebracht werde.«
In den Augenwinkeln des Missouriers stand ein winziges Lächeln.
»All right, Ike. Ich werde dafür sorgen, daß Sie auf dem kleinen Tecarillahügel hinter Ihrem Ranchhaus in die Erde gebracht werden – wenn ich dann noch leben sollte.«
Ganz leise kam es jetzt von den spröden Lippen des Ranchers: »Sie werden dann noch leben, Wyatt. Ich weiß es genau.«
Der Marshal wandte sich langsam ab und ging dem Friedhofsausgang zu.
Draußen in der engen Gasse, schräg gegenüber von Katikows Boardinghouse, blieben die beiden Männer stehen und blickten die Gasse hinauf zur Mainstreet.
Wie nebenbei sagte der Marshal plötzlich: »Was suchen Sie eigentlich auf dem Graveyard, Ike?«
Der Rancher, der mit der Linken in die Reverstasche gegriffen und sich eine seiner langen schwarzen Strohhalmzigarren herausgeholt hatte, riß ein Zündholz an den steingefügten Torpfeilern des Boot Hill an und hielt es vor die Spitze seiner Zigarre.
»Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, Wyatt: Ich suche Phin!«
»Phin? Wie kommen Sie darauf, daß er hier auf dem Graveyard liegen könnte?«
Ike schob die Virginia in den linken Mundwinkel und richtete den Blick seiner harten Augen auf den Marshal.
»Er kann auf jedem Boot Hill liegen, Marshal.«
Der Missourier durchforschte das kantige Gesicht des Ranchers und suchte in ihm zu lesen.
Was trieb diesen sonderbaren Mann wirklich umher? Hatte ihn der furchtbare Kamp im Tombstoner O.K. Corral tatsächlich so verändert, daß nur ein Schatten von dem einst lebenssprühenden, vitalen, urkräftigen Bandenchief übriggeblieben war? Ein Mensch, der waffenlos durch das Land ritt, die Gottesäcker aufsuchte und sich in düsteren Reden erging.
Oder war das alles nur Maskerade? Eine Farce, entsprungen dem raffinierten Hirn eines brillanten Verbrechers? War dieser Isaac Joseph Clanton doch nicht der biedere Mann, den er gerne abgeben wollte? Ja, war er vielleicht der Boß der Galgenmännerbande, die seit Monaten das ganze Land in Angst und Schrecken versetzt hatte? War er der geheime Boß, dem der Marshal Earp seit langen Wochen folgte und den er doch nicht zu stellen vermochte?
Der Argwohn, den der Missourier gegen seinen alten Widersacher hegte, loderte in dieser Minute hier unten in der kleinen Grenzstadtgasse wieder hoch auf.
Die Augen des Missouriers hatten etwas von der kristallenen Farbe gefrorener Bergseen an sich, als er jetzt sagte: »Ich habe nicht die Absicht, an Ihrem Grab zu stehen, Ike.«
»Das kommt schneller, als man denkt«, entgegnete der Rancher schroff. »Sehen Sie doch Billy an. Morgens um elf Uhr schickte ich ihn noch zum Barber in Tombstone, damit er sich einen anständigen Haarschnitt verpassen sollte; und nur mürrisch betrat er den Shop. Und ein paar Stunden später lag er dann vor uns im Eingang des O.K. Corrals.«
»Warum sprechen Sie denn immer wieder von diesen Dingen?« fuhr ihn der Marshal an.
Da schienen die Augen des einstigen Bandenchiefs diamanthart zu werden.
»Was denken Sie denn? Soll ich es vergessen? Glauben Sie denn, daß ich es je vergessen könnte?«
»Werfen Sie das mir vor?« donnerte ihn der Marshal an.
»Nein, ich werfe es Ihnen nicht vor. Ich werfe es mir selbst vor, Marshal, mir selbst. Mir allein!« Mit seiner schweren behaarten Faust schlug er sich auf die Brust. »Nur mir werfe ich es vor. Nie werde ich die Stunde und den Tag vergessen können, an dem er im Sand der Fremontstreet lag. Tot! Ich habe ihn gesehen. Ich stand hinten neben dem Wagen. Ich konnte gar nicht aus dem Corral gehen, obgleich ich erst weggerannt war – vor Entsetzen! – als ich Frank und Tom fallen sah. Ich bin zurückgekommen, als Sie und Holliday auf der Straße standen. Ich sah ihn liegen, mit dem Gesicht im gelbroten Tombstoner Sand. Nie werde ich es vergessen können. Nie! Und auch Ihr Gesicht habe ich gesehen, Wyatt, als Sie auf ihn hinuntergeblickt haben. Es war ein hartes Gesicht, in dem Abscheu, Ekel, Zorn und Verzweiflung standen. Jawohl, all das habe ich gesehen. Und ich weiß, daß auch Sie diese Stunde nie vergessen werden. Obgleich Sie sie lebend überstanden haben – wie Ihre Brüder.«
»Mein Bruder Morgan hat sie zwar überstanden, aber nicht lange überlebt«, entgegnete der Missourier rauh.
»Ich weiß. Ich kann nichts für seinen Tod«, stieß Ike schroff hervor, indem er sich abwandte und die Strohhalmzigarre in den anderen Mundwinkel schob. Aber er ging nicht weiter. Er blieb auf dem Fleck stehen und starrte die Gasse hinauf.
»Es kann schnell gehen, Marshal, sehr schnell.« Dann deutete er mit dem Daumen über die Schulter zum Friedhof hinauf.
»Sehen Sie diesen Hammond, ich habe ihn noch vor ganz kurzer Zeit oben in Tombstone gesehen, in der Zweiten