Wyatt Earp 111 – Western: Um irischen Hanf
Von William Mark
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Es war Abend, als er in die Stadt einritt. Er saß auf einem hochbeinigen grauen Wallach. Er hing links ein wenig zurück im Sattel und hatte die Rechte mit dem Zügel etwas angehoben.
Jake Lead hatte ein kantiges hageres Gesicht, das von einem schiefergrauen Augenpaar beherrscht wurde. Der Stetson saß ihm tief in der Stirn, fast bis über der Nasenwurzel. Vielleicht wäre nichts Auffälliges an ihm gewesen, wenn ihm nicht die obere Hälfte des linken Ohres gefehlt hätte.
Er trug ein verwaschen blaues Hemd, ein mißfarbenes Halstuch und derbes graues Tuchzeug. An der linken Seite des patronengespickten abgeschabten Waffengurts hing ein schwerer 45er Smith & Wesson Revolver.
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Wyatt Earp 111 – Western - William Mark
Wyatt Earp –111–
Um irischen Hanf
Roman von William Mark
Es war Abend, als er in die Stadt einritt. Er saß auf einem hochbeinigen grauen Wallach. Er hing links ein wenig zurück im Sattel und hatte die Rechte mit dem Zügel etwas angehoben.
Jake Lead hatte ein kantiges hageres Gesicht, das von einem schiefergrauen Augenpaar beherrscht wurde. Der Stetson saß ihm tief in der Stirn, fast bis über der Nasenwurzel. Vielleicht wäre nichts Auffälliges an ihm gewesen, wenn ihm nicht die obere Hälfte des linken Ohres gefehlt hätte.
Er trug ein verwaschen blaues Hemd, ein mißfarbenes Halstuch und derbes graues Tuchzeug. An der linken Seite des patronengespickten abgeschabten Waffengurts hing ein schwerer 45er Smith & Wesson Revolver.
Er hatte genau vor drei Jahren, an seinem einundzwanzigsten Geburtstag, seine Heimatstadt Fairbanks verlassen, besser gesagt, er hatte sie verlassen müssen. Mit schweren eisernen Handfesseln war er von Sheriff Douglas und seinem Deputy Joe Calhoun aus der Stadt hinausgeführt und in das berüchtigte texanische Straflager Fort Worth gebracht worden.
Vor drei Jahren, im Spätherbst 1881, war eine bemerkenswerte Zeit. Am 25. Oktober waren drüben im acht Meilen entfernten Tombstone die Schüsse im O.K. Corral gefallen. Lead hatte damals mit brennendem Herzen und weitoffenen Ohren die Nachricht vernommen. Der Hilfssheriff Joe Calhoun, der große braungebrannte Bursche, der mehr noch als der Sheriff für Ordnung in Fairbanks sorgte, hatte in Websters Saloon von dem Fight berichtet.
In der Morgenfrühe des nächsten Tages war Jake Lead nach Tombstone geritten. Er hatte sein Pferd vorm Oriental Saloon stehen lassen und war die dritte Straße hinauf in die Fremontstreet gegangen.
Zu seiner namenlosen Verwunderung sah er keinen Menschen vor dem Eingang des O.K. Corrals stehen. Die Leute schienen offenbar kein so großes Interesse an dem Kampf zu haben wie er. Auch der Corral war menschenleer.
Lead war auf die hölzernen Torpfosten zugegangen und sah mehrere große Risse im Holz und die Kugeleinschläge in der Adobewand von Fleys Photogallery. Hier also hatten Wyatt Earp und Doc Holliday mit zwei Brüdern des Marshals gegen die berüchtigte Clanton Gang gekämpft!
Der große Fight war zugunsten der Earps ausgegangen. Drei Männer waren auf der Walstatt geblieben.
Eine Stunde lang hatte der junge Mann aus Fairbanks im Eingang des Corrals gestanden und hatte an die Dinge gedacht, die am vergangenen Tag hier geschehen waren.
Nur anderthalb Monate später hatte ihn drüben in Fairbanks das Geschick ereilt.
Es trug den Namen Edward Billinger.
Der texanische Cowboy Billinger war am 17. Dezember 1881 mit zwei anderen Burschen nach Fairbanks gekommen. Niemand hat je erfahren, wie die beiden anderen Männer hießen.
Es war am frühen Morgen gewesen. Billinger kaufte in Hannibal Johnsons Clothing Store ein frisches Hemd, blau und gelb kariert, ein paar neue Strümpfe und ein neues schwarzes Halstuch. Die beiden Kameraden waren da noch bei ihm.
Wie später aus dem Protokoll des Sheriffs hervorging, sollen sie ihm auch noch zum Barbier begleitet haben. Henry Patterson, der Barbier, hingegen erklärte, daß Billinger allein zu ihm gekommen sei.
Der blonde Texaner, ein riesiger Bursche mit breiten Wangenknochen, kurzer gerader Nase und gewaltigem Kinn, weit ausladenden Schultern und prankenartigen Händen, hatte sich im Rasierstuhl niedergelassen, als auch Jake Lead den Barber-Shop betrat.
Lead warf seinen Hut auf den Ständer und setzte sich in den Sessel neben Billinger.
Patterson machte sich daran, den Texaner einzuseifen, und wandte sich dann nach Lead um.
»Na, Jake, was wollen Sie denn?«
Vielleicht hatte er es nicht sehr freundlich gesagt. Lead jedenfalls stand sofort auf und stieß den Barbier so derb zurück, daß Patterson mit seinem Rasiermesser gegen Billingers Hand kam.
Der Schnitt war nur klein, und es kam etwas Blut. Der Texaner starrte verblüfft auf die Wunde, riß sich dann mit der anderen Hand das weiße Tuch vom Hals und sprang ebenfalls auf.
»He!« brüllte er. »Ich bin hierhergekommen, um rasiert zu werden, und nicht, um mich massakrieren zu lassen!«
Der Barbier wich zurück bis zum Eingang und stolperte auf den Vorbau. »Das war ein Versehen, Mister«, stotterte er mit kreidebleichem Gesicht.
Da wandte der texanische Cowboy den Kopf nach Lead um.
»He, oder haben Sie etwas mit der Sache zu tun?«
»Ja«, entgegnete Lead, »ich habe ihm den Stoß gegeben.«
Jake Lead war ein eigenartiger Bursche; schon von frühester Kindheit an liebte er es, in ständiger Opposition zu leben. Er hatte das Gefühl, daß er jedem widersprechen mußte. Nur er allein hatte immer recht. Daß er dabei überall auf Widerstand traf, schien ihm gar nichts auszumachen. Immer war er anderer Ansicht. Auch, als er noch ein halbwüchsiger Bursche gewesen war, hatte er sich nicht gescheut, mit Erwachsenen zu streiten. So hatte er denn sehr bald einen nicht gerade guten Ruf in der Stadt. Aber das schien dem unseligen Burschen nichts auszumachen.
Dieses Widerstreiten wuchs sich mit der Zeit in eine zähe, verbissene Art von Quälsucht aus, die dahinführte, daß die Mitmenschen den Burschen mehr und mehr mieden. Daß das ganze ein schlechtverdecktes Minderwertigkeitsgefühl war, bedachte niemand. Aber er hätte sich eben nicht so gehenlassen dürfen.
Der Texaner, der viel primitiver als Lead veranlagt war, knurrte: »He, ich sagte schon, daß ich nicht hergekommen bin, um mich massakrieren zu lassen. Mensch, Sie sind wohl verrückt.«
Lead wich einen Schritt zur Seite und winkelte den linken Arm an.
Da stemmte Billinger seine gewaltigen Fäuste in die Hüften.
»Wo sind wir denn hier? Ich habe das Gefühl, daß ich in ein Räubernest geraten bin. – Barbier! Sie werden nicht erwarten, daß ich für diese Behandlung etwas zahle!«
Mit großen Schritten stampfte er hinaus auf den Vorbau.
Lead starrte ihm mit weiten Augen nach.
Etwas Unerhörtes war geschehen! Ein Mann war ihm ausgewichen!
Bisher hatte er nur Verachtung gefunden, der streitsüchtige Jake Lead. Niemand hatte sich mit ihm angelegt, aber direkt ausgewichen war ihm auch niemand. Die Leute in der Stadt kannten ihn – und fürchteten ihn nicht. Man war unter sich, man hatte Stützen an den Nachbarn und wußte überall Hilfe. Wie sollte jemand auf den Gedanken kommen, Angst vor diesem Jake Lead zu haben, den man alle Tage auf der Straße sah?
Aber nun war ein Mann vor ihm geflüchtet! Einer hatte Angst gezeigt!
Jedenfalls hatte Jake Lead es so ausgelegt. Ein sonderbares Gefühl ergriff Besitz von ihm. Er stand noch sekundenlang wie paralysiert da und starrte hinaus auf den Vorbau, wo der lange Cowboy längst verschwunden war. Neben der Tür stand der kleine gelbgesichtige dickbauchige Barbier. Er hatte die Klinke noch in der Hand.
Da kam plötzlich Leben in die Gestalt Jake Leads. Er stieß einen Rasierstuhl zur Seite, so daß er polternd in eine Konsole stürzte und einen Seitenspiegel in Scherben schlug. Schon stand Jake in der Tür. Er sah gerade noch den Cowboy in Websters Saloon treten.
Jake wußte sicher nicht, was er tat, als er mit großen Schritten dem fremden Cowboy folgte.
Als er die Tür der Schenke aufstieß, stand Billinger schon drüben an der Theke und hatte seine Bestellung aufgegeben. Hatte er gespürt, daß ihm Lead gefolgt war, oder hatte er ihn oben in dem großen Thekenspiegel gesehen? Auch das ist niemals ermittelt worden.
Jedenfalls drehte sich der Cowboy plötzlich um. Die beiden Männer standen nur etwa neun Yards auseinander und maßen sich mit abschätzenden Blicken.
Und was in den nächsten Minuten geschah, ist in mehreren Versionen berichtet worden.
Der achtundfünfzigjährige Salooner Jimmy Winters hat dem Sheriff und später auch dem Richter erklärt, daß Billinger die Hand zwar ebenfalls angewinkelt, aber gar keine Anstalten zu einem Revolverduell getroffen hatte. Er behauptete, daß Lead den Kampf ohne jedes Wort und jeden Anruf ohne jede Warnung eröffnet hätte.
Der damals siebenundachtzigjährige Jeffrey Lonegan, der in der Stadt eine Schmiede betrieb, hatte gesagt, daß er von seinem Platz am Fenster aus nur Billinger hatte beobachten können. Lead habe noch zu nahe an der Tür gestanden, als daß er ihn hätte sehen können. Billinger hätte die Hände beide herunterhängen gehabt und überhaupt nichts getan, was darauf hindeutete, daß er einen Revolverkampf plante.
Die siebzehnjährige Esther Winters, die Nichte des Salooners, hatte erklärt, daß beide Männer die Arme angewinkelt hatten und dann gleichzeitig aufeinander geschossen hätten.
Diese Version klang am glaubhaftesten – aber niemand schenkte ihr Glauben.
Die vierte Erklärung hatte der siebenunddreißigjährige Joseph Cyril Flambush gegeben, der in dem großen Mietstall von Big Joe arbeitete. Mit großer Bestimmtheit hatte der Peon erklärt: »Lead hat ohne Anruf geschossen.«
Dann gab es noch drei weitere Zeugenaussagen, die aber