Wyatt Earp 117 – Western: Endloser Sand
Von William Mark
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Er hatte ein breitflächiges, brutales Gesicht. Sein blindes Auge war von einer schwarzen Binde verdeckt. Er trug einen verschlissenen Anzug und ausgetretene Schuhe. Seinen Händen sah man es an, daß er sie schon seit Tagen nicht mehr gewaschen hatte.
Und diese Hände waren von Handschellen gefesselt!
Der Mann hieß Bill McConner, war fünfunddreißig Jahre alt und gehörte zu jenen Menschen, die besser nie geboren worden wären. McConner hatte unten in Kansas einen Mord begangen. Es war sicher nicht der erste Mord, der auf sein Konto zu schreiben war, aber der Gouverneur hatte ihn begnadigt – zur lebenslänglichen Zwangsarbeit in Sescattewa!
Gnade? Sescattewa war keine Gnade, es war die Hölle. Aus den Steinbrüchen gab es keine Wiederkehr mehr.
Bill McConner war der Anführer einer berüchtigten Banditenbande, die ganze Landstriche in Kansas tyrannisiert hatte. Und ein einzelner Mann hatte ihm das Handwerk gelegt.
Der Marshal Wyatt Earp!
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Wyatt Earp 117 – Western - William Mark
Wyatt Earp –117–
Endloser Sand
Roman von William Mark
Er hatte ein breitflächiges, brutales Gesicht. Sein blindes Auge war von einer schwarzen Binde verdeckt. Er trug einen verschlissenen Anzug und ausgetretene Schuhe. Seinen Händen sah man es an, daß er sie schon seit Tagen nicht mehr gewaschen hatte.
Und diese Hände waren von Handschellen gefesselt!
Der Mann hieß Bill McConner, war fünfunddreißig Jahre alt und gehörte zu jenen Menschen, die besser nie geboren worden wären. McConner hatte unten in Kansas einen Mord begangen. Es war sicher nicht der erste Mord, der auf sein Konto zu schreiben war, aber der Gouverneur hatte ihn begnadigt – zur lebenslänglichen Zwangsarbeit in Sescattewa!
Gnade? Sescattewa war keine Gnade, es war die Hölle. Aus den Steinbrüchen gab es keine Wiederkehr mehr.
Bill McConner war der Anführer einer berüchtigten Banditenbande, die ganze Landstriche in Kansas tyrannisiert hatte. Und ein einzelner Mann hatte ihm das Handwerk gelegt.
Der Marshal Wyatt Earp!
Der Mann mit dem fünfzackigen Stern saß dem Banditen gegenüber. Es war in einem fast leeren Waggon der Union Pacific Railway. Der Zug quälte sich über seinen Eisenweg in die grauen Berge hinein.
Nun saßen sie einander seit Stunden schweigend gegenüber. McConner grübelte nach einem Ausweg. Es war ihm völlig klar, daß es für ihn kein Entrinnen mehr gab, wenn er erst einmal in Sescattewa war. Wo waren nur seine Männer? Diese feige Bande! Sie hatten doch mit angesehen, wie der Missourier ihm die Handschellen angelegt hatte. Die Burschen mußten doch erfahren haben, daß man ihn zur Zwangsarbeit in Sescattewa verurteilt hatte! Tagelang hatte er in einer Zelle darauf gewartet, daß seine Kumpane einen Versuch machen würden, ihn zu befreien. Aber nichts war geschehen. Das Straflager kam immer näher.
Vielleicht konnte er den Marshal bestechen? dachte der Bandit plötzlich. Sie waren doch alle Hungerleider, diese Sternschlepper.
»Earp, wie weit ist es noch?« unterbrach McConner das Schweigen.
Der Marshal hob den Kopf und blickte den Gefangenen an.
»Sie werden es schon erfahren, wenn wir da sind.«
»Was haben Sie eigentlich davon, Marshal?«
»Wovon?«
»Daß Sie mich und andere nach Sescattewa bringen. Daß Sie ständig Menschen jagen.«
»Ich bekomme hundert Dollar im Monat dafür, McConner.«
Der Einäugige grinste. »Hundert Dollar? Nicht gerade viel. Ich würde Ihnen das zehnfache geben, wenn Sie mir nur die Handschellen abnehmen wollten.«
»Sie haben keinen Cent mehr in der Tasche. Und könnten Sie mir auch hunderttausend Dollar bieten, es würde nichts ändern. Ich bringe Sie nach Sescattewa. «
»Ich biete Ihnen zweitausend.«
»Hören Sie auf, Mann. Sie können mir keinen Cent bieten, und ich würde auch keinen Cent von Ihnen nehmen.«
»Sie werden es bereuen.«
»Meine Sorge.«
*
Seit vielen Jahren stand er schon auf dem Führerstand der Western Lok. Joe Baxter war alt, verwittert, doch seine Augen waren noch klar. Aber den Baumstamm, der quer über den Gleisen lag, den sah er zu spät. Er versuchte noch, die Fahrt zu bremsen, aber es gelang ihm nicht mehr. Die tonnenschwere Lok sprang aus den Gleisen, bäumte sich auf wie ein sterbendes Tier, sprühte Funken und weißen Gischt. Mit ohrenbetäubendem Lärm barst der stählerne Leib der Maschine auseinander. Die Wagen, von ihren Fesseln befreit, stürzten wie Spielzeuge in den dreißig Yard tiefen Abgrund. Es gab nur noch das Zischen, das dem stählernen Leib der Lokomotive entquoll.
Dann Totenstille. Kein Ruf, kein Stöhnen, kein Schmerzensschrei.
Aus den Büschen am Bahndamm tauchten mehrere Gestalten auf, Männer, denen man ihr Handwerk ansah. Der ältestes von ihnen, ein graubärtiger Bursche namens Tim Nowak, blickte gebannt auf die rauchenden Trümmer des Zuges.
»Damned, das hätte nicht zu passieren brauchen. Jetzt sind sie alle hin«, knurrte er.
»Wollen wir nicht erst einmal nachsehen?« fragte ein glatzköpfiger Geselle.
»All right, vielleicht finden wir noch ein paar Brieftaschen.«
Sie ritten hinunter.
Die Pferde ließen sie am Bahndamm stehen. Mit gezogenen Revolvern näherten sie sich den Trümmern des Zuges.
Sie hätten ihre Colts in den Halftern lassen können. Es gab keine Gegenwehr. Sie fanden ihren Boß und den Mann, der ihn begleitet hatte. Beide lagen leblos unter verbogenem Gestänge.
Nowak zog McConner aus den Trümmern des Waggons. Er beugte sich über ihn.
»Hell and devils, er lebt noch!« rief er heiser.
Diese Feststellung schien seine Kumpane nicht besonders zu interessieren. Sie wühlten in den Waggons herum, um Beute zu machen. Und erst recht kümmerte sich niemand um den Marshal, der tot oder bewußtlos unter zerrissenen Eisen lag.
Vielleicht hätten sie McConner liegenlassen, wenn er nicht so gerissen gewesen wäre, die Beute seiner Bande auf einer nur ihm bekannten Bank zu deponieren.
Sie hatten eine Vereinbarung getroffen, fünf Jahre lang hart zu »arbeiten«, und dann sollte jeder seinen Anteil ausgezahlt bekommen. Für McConner war das die einzige Möglichkeit gewesen, diese wilden Burschen zusammenzuhalten.
Sie ritten davon, gnadenlos alles zurücklassend, was noch atmete…
Es war viele Stunden später, als oben am Bahndamm ein Reiter anhielt. Er blickte in den Abgrund hinunter, auf die Trümmer des Zuges. Dann stieg er aus dem Sattel. Nachdem er seinen Rapphengst an einen Baum gebunden hatte, kletterte er den Hang zur Unglücksstelle hinunter.
Zuerst fand er den Lokführer Baxter. Der sah böse aus, aber er war bei Besinnung.
»Wer sind Sie? Ich habe nichts. Weshalb haben Sie das getan?« keuchte der Railroader.
»Ich bin kein Bandit. Was ist geschehen?« fragte der Fremde.
»Das sehen Sie doch! Ein Baumstamm lag auf den Gleisen, ich konnte nicht mehr bremsen. Sehen Sie nach den Fahrgästen, wir brauchen einen Arzt.«
»Ich bin Arzt und werde nach ihnen sehen.«
»Sie sind Arzt? Wie kommen Sie denn jetzt hierher?«
»Mit einem Pferd, Mister.«
»Ich heiße Baxter.«
»Mein Name ist Holliday.«
»Doc Holliday…?«
Die Augen des Lokführers wurden groß und rund. Über Doc Holliday hatte er schon viel gehört.
»Sie sind wirklich Doc Holliday?«
»Wenn ich nicht irre, sagte ich Ihnen das. Wo sind Sie verletzt?«
»Es ist nicht so schlimm. Ich glaube, ich habe mir ein paar Rippen gebrochen. Sehen Sie erst nach den anderen.«
Holliday ging weiter.
Zum Glück war der Zug kaum besetzt gewesen. Er konnte einige Männer aus den Trümmern bergen, die nur geringe Verletzungen davongetragen hatten. Und dann fand er ihn, Wyatt Earp!
Der Marshal war hilflos zwischen den Trümmern des Waggons eingeklemmt. Seit Stunden schon hatte er versucht, sich zu befreien, aber es war ihm nicht gelungen. Als er den Spieler kommen sah, richtete er sich auf, soweit es ihm möglich war.
»Wo kommen Sie denn her, Doc?« ächzte er.
»Vom großen Manitu, Marshal«, erwiderte der Spieler. »Er hat mir erzählt, daß hier irgendwo Wyatt Earp zu finden sei. Wie geht’s? Sind Sie verletzt?«
Wyatt keuchte: »Ziehen Sie mich erstmal hier raus.«
Holliday zerrte die Trümmer auseinander, einige Männer halfen ihm. Nach zwei Minuten hatten sie den Marshal befreit.
»Na, noch alles heil?«
Wyatt Earp streckte sich. »Es scheint so, Doc. Was ist mit den anderen?«
»Sie sind mehr oder weniger angeschlagen, aber Tote scheint es nicht gegeben zu haben.«
»Und wo ist der Mann mit den Handschellen?«
»Ich habe keinen gesehen.«
In diesem Moment kam der Lokführer Joe Baxter angehumpelt.
»Hölle, da haben wir noch einmal Glück gehabt«, meinte er.
»Wie ist das passiert?« wollte der Marshal wissen.
»Ein Baumstamm lag quer über den Gleisen. Ich konnte nicht mehr bremsen.«
Wyatts Augen wurden schmal. »So ist das also, ein Baumstamm. Und der Mann mit den Handschellen ist verschwunden. Ich war eine Zeitlang ohne Bewußtsein.«
»Ich nicht«, warf Baxter ein. »Es waren mehrere Reiter hier. Ich habe sie nicht sehen können, aber gehört habe ich sie.«
Wyatt Earp wußte genug. Der Zug war von McConners Bande überfallen worden, um den Boß zu befreien.
»Doc, wir müssen sofort hinter ihnen her!«
»Wie wollen Sie das anstellen? Hier kann man keine Pferde kaufen, und das Dampfroß ist zum Teufel.«
»Geben Sie mir Ihr Pferd, Doc! Ich werde Männer herschicken, die euch abholen.«
»Damned, wäre ich doch bloß weitergeritten. Weshalb kümmere ich mich auch immer um Dinge, die mich nichts angehen? Well, nehmen Sie den Gaul. Ich werde hier inzwischen ein Lazarett aufmachen«, knurrte Holliday.
Das harte Gesicht des Marshals wurde um eine Nuance weicher. Er war vielleicht der einzige, der diesen seltsamen Doktor John Henry Holliday wirklich verstand.
Man nannte ihn den größten Gambler des Westens und den King of the Gunfighters, den König der Schießer.
Dieser Holliday hatte eine schnelle Hand. Sie schien ihm angeboren zu sein.
Und am Pokertisch war er allen überlegen. Er war ein brillanter Bluffer, aber kein Falschspieler.
Aber damit war doch noch nicht alles über den Doc gesagt, sonst wären er und Wyatt Earp, diese beiden Menschen, die Welten zu trennen schien, nicht Freunde geworden.
Eine seltsam unausgesprochene Freundschaft. Seit Jahren hatte das Schicksal den Marshal und den Spieler immer wieder zusammengeführt – so wie an diesem Tag.