Wyatt Earp 110 – Western: Mexico Man
Von William Mark
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Morgens klopfte es an die Tür Wyatt Earps. Es war Reverend John Walker, der Hausherr. Er sah den Marshal und Doc Holliday am Fenster stehen und die Straße durch die Gardine beobachten.
"Guten Morgen", grüßte er.
Die beiden erwiderten seinen Gruß.
"Glauben Sie immer noch, daß etwas an Ihrer Vermutung ist?" forschte der Geistliche.
Der Marshal zog die Schultern hoch und wandte den Blick nicht von der Straße.
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Wyatt Earp 110 – Western - William Mark
Wyatt Earp –110–
Mexico Man
Roman von William Mark
Morgens klopfte es an die Tür Wyatt Earps. Es war Reverend John Walker, der Hausherr. Er sah den Marshal und Doc Holliday am Fenster stehen und die Straße durch die Gardine beobachten.
»Guten Morgen«, grüßte er.
Die beiden erwiderten seinen Gruß.
»Glauben Sie immer noch, daß etwas an Ihrer Vermutung ist?« forschte der Geistliche.
Der Marshal zog die Schultern hoch und wandte den Blick nicht von der Straße.
»Das ist schwer zu sagen, Rev, wir müssen Geduld haben.«
»Ich muß gestehen, daß Sie sehr viel Geduld haben, Marshal.«
»Sie können überzeugt sein, Rev, daß ich früher sehr viel weniger geduldig war. Im Gegenteil, ich war sogar ein ziemlich unruhiger Bursche. Aber die Zeit hat mich gelehrt, Geduld zu üben. Ich habe das Warten bei den Indianern gelernt. Der alte Häuptling Rote Wolke hat einmal gesagt: Wer nicht warten kann, kann gar nichts. – Früher habe ich über diesen Satz gelächelt. Und es hat ziemlich lange gedauert, bis ich ihn richtig begriffen hatte.«
Der Geistliche blieb hinter den beiden stehen und blickte an ihnen vorbei auf die Straße hinunter.
»Es ist alles still in der Stadt. Ich habe nichts dagegen, daß Sie noch hier sind. Aber ich glaube, Sie vergeuden Ihre kostbare Zeit. Vielleicht braut sich inzwischen in einer anderen Stadt etwas zusammen, und Sie stehen hier bloß herum.«
»Das ist unser Risiko«, entgegnete der Marshal.
»Und wie lange gedenken Sie noch auszuharren?«
Da wandte der Missourier den Kopf.
John Walker blickte in ein hartes, tiefbraunes, markant gemeißeltes Männerantlitz, das von zwei dunkelblauen Augen beherrscht wurde.
In den Winkeln dieser gutgeschnittenen Augen saß ein kleines Lächeln.
»Diese Frage ist schwer zu beantworten, Rex. Bis jetzt habe ich es meistens gefühlt, wenn es Zeit war, aufzubrechen.«
Walker nickte. »Gut, dann will ich nicht schwächer sein als Sie und werde mich auch in Geduld zu fassen versuchen.«
Er ließ die beiden Männer wieder allein.
*
Die Galgenmänner hatten in Marana nicht zugeschlagen. Offensichtlich hatte die Bande nach der Niederlage in Casa Grande Lunte gerochen. Vergebens hatte der Marshal Earp auf den Big Boß gewartet. Die Banditen, die das Depot in Marana hatten sprengen wollen, waren kleine Tramps aus der Tombstoner Gegend gewesen, die sich die grauen Gesichtstücher der Galgenmänner hatten zunutze machen wollen.
War der Weg hinauf zum Roten See also umsonst gewesen? War das, was Wyatt Earp und Doc Holliday dort erfahren hatten, doch nicht so wertvoll gewesen, wie der Missourier zunächst angenommen hatte?
Hatte Wyatt Earp doch allen Grund zu der Annahme gehabt, daß er nun endlich den so lange gejagten Anführer der Graugesichter stellen konnte. Am Roten See war beschlossen worden, daß nach dem Überfall der Arizona-Bank in Casa Grande eine Elitegruppe der »Galgenmänner« den großen Coup landen sollte. Und diese Gruppe wollte der Big Boß selbst anführen.
Wyatt Earp vermochte nicht daran zu glauben, daß die Galgenmänner ihren Plan nun aufgeben würden. Der große Coup würde noch kommen, wenn auch nicht zu dem ursprünglich geplanten Zeitpunkt.
Die Bande würde auf diesen Coup nicht verzichten. Die Tatsache, daß sie in Casa Grande aufgehalten worden waren, bedeutete für eine so große Verbrecherorganisation noch nicht allzuviel. Schon deshalb nicht, weil es ja nur untergeordnete Bandenmitglieder waren, die den Überfall durchgeführt hatten.
War es aber Marana, das dem Big Boß ins Auge stach? Oder hatte Wyatt Earp sich verrechnet? Plante der geheimnisvolle Chief der Graugesichter seinen Coup irgendwo anders zu landen?
In den beiden vergangenen Tagen hatte sich der Marshal immer wieder Gedanken über diese brennende Frage gemacht. Wo konnte die Bande zuschlagen? Eigentlich in jeder Stadt, denn in jeder Stadt gab’s eine Bank. Aber wenn der Anführer der Bande selbst mit dabei war, wenn er den Überfall zu leiten gedachte, dann konnte es keine gewöhnliche Bande sein, auf der nur zwei-, drei-, oder nur höchstens sieben- oder achttausend Dollar zu holen waren.
Hier in Marana aber lag das große Railway-Depot, vermutlich mit einer ganz beachtlichen Summe schöner blanker Dollars, die den Graugesichtern den persönlichen Einsatz ihres besten Mannes wert sein mochte. Aber leider war das ja nur eine Vermutung. Ebensogut konnte der Überfall irgendwo anders stattfinden.
Beispielsweise in Gila Bend, wo die große Cow-Bank war, auf der sehr viele Rancher ihr Herdengeld zu hinterlegen pflegten. Aber Wyatt hielt es nicht für sehr wahrscheinlich, daß die Graugesichter sich Gila Bend auserkoren hatten. Zu dieser späten Jahreszeit war nicht damit zu rechnen, daß sich eine bedeutende Geldsumme auf der Cow-Bank befand. Ebenso stand es mit der Military-Bank in Phoenix. Und die Western Union-Bank in Chandler hatte auch längst nicht mehr die Geldvorräte, die sie in den Jahren unmittelbar nach dem Kriege einmal besessen hatte.
So blieb eigentlich nur Marana in der näheren Umgebung.
Zweifellos mußten die Graugesichter von dem unsinnigen Versuch der Tramps gehört haben, einen Angriff auf das Marana-Depot zu machen. Damit verbunden war der Name Wyatt Earp, da der Marshal diesen Versuch vereitelt hatte.
Aber würde diese Tatsache nicht gerade in dem Verbrecherhirn des Big Boß den Gedanken auslösen: Jetzt ist es besonders günstig, denn wer wird auf den Gedanken kommen, daß gleich nach diesem gescheiterten Überfall ein zweiter ausgeführt wird?
Das war der Gedanke, der den Marshal seit zwei Tagen beschäftigte.
Am hellichten Nachmittag hatte er zusammen mit Doc Holliday die Stadt verlassen, um mitten in der Nacht zurückzukommen. Wenn die Bande wirklich einen Überfall auf das Railway-Depot plante, dann war es widersinnig, irgendwo in der Nähe zu warten. In diesem Fall mußte der Marshal an Ort und Stelle sein, um rechtzeitig eingreifen zu können.
Aber inzwischen waren zwei Tage verstrichen, ohne daß sich irgend etwas ereignete. Die beiden Dodger hatten sich bei dem Reverend von Marana einquartiert.
Anfangs war Mr. Walker von dem Gedanken nicht begeistert gewesen, als er sich aber näher damit beschäftigt hatte, sah er die Notwendigkeit ein. Schließlich war es ja seine Stadt, deren Wohl und Wehe auf dem Spiel stand. Und letztlich hatte der Name des berühmten Dodger Marshals doch einen so guten Klang, daß auch der Gottesmann seine Hilfe nicht versagen konnte. So hatte er die beiden Männer denn aufgenommen und oben bei sich im Hause untergebracht.
Ihre Hengste standen in dem kleinen Stall des Priesters und wurden von dem alten Neger Samuel versorgt. Der Schwarze war eine treue Seele, und der Reverend versicherte, daß man sich auf ihn verlassen könne wie auf sich selbst.
Niemand außer diesen beiden Menschen wußte, daß der Marshal Earp in Marana weilte.
Infolge der nun schon zwei Tage dauernden unablässigen Beobachtung der Straße kannten die beiden Männer schon fast jedes Gesicht, so daß ihnen ein Fremder schon auffallen mußte.
Und der Mann, der soeben auf einem grauschwarzen Wallach von Westen her in die Stadt kam, war ein Fremder.
Es war ein mittelgroßer knorriger Mensch mit hagerem, scharfem Gesicht und gebogener Nase.
Er trug braunes Lederzeug, darüber einen Waffengurt und darin tief über dem linken Oberschenkel einen schweren Revolver, in dessen Knauf ein weißes Dreieck eingelassen war.
Es war der Spieler, der diese Entdeckung machte, während der Marshal noch das Gesicht des Reiters durchforschte.
»Sehen Sie sich mal die Kanone an, Marshal.«
Wyatt Earp kam dieser Aufforderung nach. Er stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne. »Zounds! Ein Dreieck.«
»Das will vielleicht weiter nichts bedeuten«, entgegnete der Spieler, »aber ich bin doch verdammt mißtrauisch gegen diese Dinger geworden.«
Der Marshal nickte.
»Ich kannte mal einen Mann, der ließ sich in seinem Revolverknauf einen Punkt machen. Ein anderer machte zwei Punkte hinein und ein dritter einen Strick. So kann sich dieser Mann hier ein Dreieck eingravieren lassen. Dann kannte ich auch einen Rancher, der überall das Zeichen seiner Ranch aufprägen ließ, auf dem Sattel, auf den Stiefelschäften, auf dem Waffengurt und überall, sogar auf dem Revolverknauf. Es war ein großes S. Der Anfangsbuchstabe seines Namens: Salinger.«
»Ja, ich erinnere mich an ihn. Es war James Salinger oben in Nebraska«, sagte der Spieler.
»Richtig. Ebenso kann dieser Mann zu einer Ranch gehören, deren Brandzeichen das Dreieck ist.«
»Natürlich, und der Bursche sieht ja auch ganz wie ein Weidereiter aus.«
Dennoch behielten die beiden ihn im Auge.
Der Reiter brachte sein Pferd vor der Schenke an, in der Wyatt Earp und Doc Holliday vor zwei Tagen von den Tramps überrascht worden waren, und rutschte aus dem Sattel.
Die Wirtsleute, die sich gegen den Marshal gestellt hatten, saßen mit den Banditen noch im Jail. Und der Saloon war geschlossen.
»Er wird ein paar Schritte weitergehen müssen«, meinte der Spieler.
Und das geschah auch. Der Reiter hatte von der Straße aus die nächste Schenke erspäht, die drüben an der Ecke lag.
»Schade, daß wir jetzt nicht hinuntergehen können«, meinte der Spieler.
»Ja, das ist schade, aber das würde unseren genauen Plan vereiteln. Niemand weiß, daß wir in der Stadt sind. Nur so haben wir eine Chance, daß sich die Banditen zeigen.«
Nach anderthalb Stunden erst kam der Mann wieder aus der Schenke heraus.
Er blieb einen Augenblick auf dem Vorbau stehen, und die beiden Beobachter sahen, daß er auf ihre