Wyatt Earp 122 – Western: Um 12 Uhr am O. K. Corral
Von William Mark
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Die großen Räder des schweren Planwagens gruben sich tief in den gelben Arizonasand. Der grauhaarige Mann auf dem Kutschbock hatte ein blasses, müdes Gesicht und dunkle Augen. Neben ihm saß ein sechzehnjähriges Mädchen, das ebenfalls blaß, aber recht hübsch war.
Hinter den beiden streckte ein kleiner zwölfjähriger Junge seinen Blondschopf durch die Plane und blickte nach Westen.
"Oh, ist das da hinten eine Stadt?"
Der Vater nickte. "Ja, Jimmy, es ist Tombstone."
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Buchvorschau
Wyatt Earp 122 – Western - William Mark
Wyatt Earp –122–
Um 12 Uhr am O. K. Corral
Roman von William Mark
Die großen Räder des schweren Planwagens gruben sich tief in den gelben Arizonasand. Der grauhaarige Mann auf dem Kutschbock hatte ein blasses, müdes Gesicht und dunkle Augen. Neben ihm saß ein sechzehnjähriges Mädchen, das ebenfalls blaß, aber recht hübsch war.
Hinter den beiden streckte ein kleiner zwölfjähriger Junge seinen Blondschopf durch die Plane und blickte nach Westen.
»Oh, ist das da hinten eine Stadt?«
Der Vater nickte. »Ja, Jimmy, es ist Tombstone.«
»Tombstone?« kam es verblüfft von den Lippen des Jungen. Seine Augen waren kugelrund vor Verwunderung. »Richtig, Tombstone?«
»Na, klar«, meinte das blasse Mädchen, dem jedoch ein leises Schauergefühl dabei über den Rücken lief.
»Tombstone!« wiederholte der Junge fast andächtig.
»Ist es das gleiche Tombstone, von dem wir in New Orleans so oft gehört haben? Die Stadt von Wyatt Earp und Ike Clanton?«
Der Mann auf dem Kutschbock zog die Brauen düster zusammen. Er dachte mit Schrecken daran, daß er den Kurs doch nicht gründlich genug studiert hatte.
Tombstone! Was barg dieser Name nicht alles. Nicht allein, daß es schon makaber genug war, einer Stadt den Namen Grabstein zu geben, hatte dieses Tombstone einen Ruf, dessen Düsternis und Gespenstigkeit bis hinunter an die Küste der Staaten gedrungen war.
Die Stadt von Wyatt Earp und Ike Clanton! Der Junge hatte es gesagt. Aber es war ja mehr, viel mehr, was hinter diesen beiden Namen steckte. Wyatt Earp war der berühmte Marshal, der Gesetzesmann, und Ike Clanton ein berüchtigter Bandenführer, über den noch vor anderthalb Jahren bis nach New Orleans hin alle Gazetten voll waren. Und vor einem Monat tauchte sein vergessen geglaubter Name plötzlich wieder in den Zeitungen auf, in Verbindung mit der fürchterlichen Galgenmännerbande.
»Vater«, meinte der Junge nach einer Pause, ohne den Blick von den graubraunen Dächern zu lassen, die fern im Westen am Horizont aufgetaucht waren, »lebt Wyatt Earp eigentlich noch?«
»Ich habe nicht gehört, daß er gestorben ist«, entgegnete der Mann wortkarg.
»Und Ike Clanton? Lebt der noch?«
Da wandte sich Luzy nach dem Bruder um.
»Frag doch nicht soviel Unsinn, Jimmy. Woher soll Vater denn wissen, ob Ike Clanton noch lebt? Wahrscheinlich wird dieser Bandit längst unter der Erde liegen.«
»Ike Clanton auf dem Boot Hill?« sagte der Junge mit belegter Stimme. »Nein, das glaube ich nicht. Wenn er tot wäre, gäbe es doch überhaupt keine Banditen mehr!«
Wieder war es eine Weile still.
Und als der Knirps erneut zum Sprechen ansetzen wollte, verwies ihm die ältere Schwester mit einem Blick das Wort.
Knurrend zog er sich hinter den Planenschlitz zurück.
Luzy blickte den Vater von der Seite an, sah sein sorgenvolles Gesicht, das seit ein paar Minuten noch beklommener geworden zu sein schien.
»Woran denkst du, Vater?«
»Ach, an nichts Besonderes, Luzy.«
»An Tombstone?« forschte sie vorsichtig.
John Barker nickte. »Ja, Luzy, an Tombstone.«
»Kannst du nicht eine andere Straße nehmen?« fragte Luzy nach einer Weile.
Da schoß Jimmys Kopf plötzlich nach vorn.
»Nein, das kann er nicht! Wie kannst du Vater so etwas einreden! Du weißt genau, daß die Straße nach Westen die beste ist. Wenn wir nördlicher fahren, kommen wir auf die schlechtere Straße. Und im Süden liegt die mexikanische Grenze. Vater hat doch schon x-mal gefragt.«
»Sei ruhig!«
»Nein«, brummte Jimmy.
Barker hatte mit einem Kehllaut die beiden braunen Zugpferde angehalten.
Jimmys Gesicht war rot vor Ärger.
»Du bist eine ganz alberne Ziege, Luz, so!« knurrte er.
»Was fällt dir ein!« fuhr der Vater ihn an.
Der Bursche sprang vom Wagen und stand mit gesenktem Kopf neben den Pferden.
Da rutschte auch Barker vom Kutschbock, legte eine seiner schmalen Hände auf den Schopf des Jungen und blickte zum Horizont hinüber.
»Du hättest Tombstone gern gesehen, nicht wahr?«
Der Kleine nickte heftig. »Ja, Dad, sehr gern.«
»Man sollte es nicht für möglich halten.«
Das Mädchen, das auf dem Kutschbock sitzen geblieben war, schüttelte den Kopf. »Du würdest sehr enttäuscht sein. Dein Marshal ist längst nicht mehr in der Stadt. Wenn ich mich nicht irre, ist er in Dodge City daheim. Oder glaubst du im Ernst, er hätte dieses Nest, in dem er so viel Furchtbares erlebt hat, so schön gefunden, daß er da Wurzeln geschlagen hat? Und von den Clantons wirst du noch so viel sehen, wie du bis jetzt von den Indianern gesehen hast. Die gibt es auch längst nicht mehr.«
Jim warf den Kopf herum und sah die Schwester aus blitzenden Augen an.
»Das ist mir egal. Ich möchte den O.K. Corral gern sehen, die Allenstreet, den Crystal Palace und Wyatt Earps Office.«
Luzy Barker wischte sich durch das Gesicht und senkte den Kopf.
»Du bist ein Narr. Vater wäre schön dumm, wenn er deinetwegen durch dieses Verbrechernest führe. Wenn auch die Clantons nicht mehr leben, so ist es doch immer noch Tombstone, eine gefährliche Stadt. Eine Gefahr für jeden Menschen, der sich gegen Banditen nicht zur Wehr setzen kann. Vielleicht denkst du daran, daß dein Vater noch nie einen Revolver in der Hand gehabt hat, Mr. Jim! Daß er keine Ahnung hat, wie man sich mit dem schweren Eisenknüppel, der da vorm Kutschbock liegt, gegen einen Outlaw verteidigt.«
Jimmy war blutrot vor Ärger geworden. »Aber ich weiß es!« preßte er durch die Zähne.
»Seid endlich still!« mahnte der Vater die beiden, nahm den grauen Hut ab und fuhr sich durch sein kurzgeschorenes Grauhaar.
Der kleine Jim Barker blickte unverwandt zum Horizont hinüber, wo im hellen Mittagslicht der Januarsonne die sagenumwobene Stadt Tombstone lag. Wie konnte ein Mensch nur erwägen, an dieser Stadt vorbeizuziehen? Das ging einfach nicht in seinen Kopf hinein. Und wenn er nach hundert Jahren hier vorübergekommen wäre – er würde immer nach Tombstone gefahren sein, um die Stadt zu sehen!
Da drang das dumpfe Geräusch von Hufschlag an ihre Ohren.
Die drei wandten die Köpfe und sahen in der Ferne drei Reiter auf der Overlandstraße von Bisbee herankommen.
Obgleich ihnen unterwegs auf dem langen Treck von New Orleans herauf doch immer wieder einmal Reiter begegnet waren, schraken die drei jetzt doch zusammen.
»Es sind drei!« kam es leise von Jimmys Lippen.
»Ja, das sehen wir auch.« Luzy gab sich Mühe, das Zittern ihrer Stimme hinter raschem Sprechen zu verbergen.
Auch das Gesicht des Vaters hatte sich noch stärker bewölkt.
»Wie schnell sie reiten!« entfuhr es Jim.
Im raschen Galopp kamen die drei näher und erreichten kurz hinter dem Prärieschooner die Overlandstraße nach Westen. Je näher sie dem Wagen kamen, desto langsamer wurden sie.
»Jim, auf den Kutschbock!« gebot der Vater.
Und während der Junge rasch auf den Wagen stieg, blieb er neben den Pferden stehen und blickte den Reitern entgegen.
Jetzt war der vorderste herangekommen.
Es war ein Mann, bei dessen Anblick es nicht nur dem kleinen Jim die Sprache verschlug. Auch seine schon ›erwachsene‹ ältere Tochter blickte den Mann gebannt an.
Es war ein hochgewachsener Mensch mit breiten Schultern, schmalen Hüften, tiefbraunem, markantgeschnittenem Gesicht und einem Augenpaar von so strahlender Bläue, daß Luzy Barker hätte schwören können, nie faszinierendere Augen gesehen zu haben.
Der Mann trug einen breitrandigen, flachkronigen Hut, unter dem lackschwarzes starkes Haar hervorblickte. Sein Anzug war aus gefüttertem schwarzem Kalbleder, das Halstuch über dem grauen Kattunhemd aus hellrotem Leinen, und die Stiefel, über deren abgesteppte Schäfte die Hosen fielen, waren hochhackig und mit großen silbernen Sternradsporen besetzt. Der Reiter trug einen breiten Waffengurt aus schwarzem Büffelleder, der an beiden Hüftseiten je einen Revolver hielt.
Und hätte nicht schon das Äußere dieses Mannes die Blicke der drei gefesselt, so hätte es bestimmt sein Pferd getan. Der hochbeinige Schwarzfalbe war ein so edles Tier, daß es auch einen Menschen, der nicht gerade ein großer Pferdekenner war, mit Bewunderung erfüllte.
Jim vermochte den Blick nicht von dem Reiter zu nehmen.
Da war der nächste Mann schon hinterm Wagen hervorgekommen. Und sein Anblick bildete den krassen Gegensatz zu dem des ersten Reiters. Es war auch ein großer Mensch, aber sein Gesicht wirkte schwammig und leer. Seine hellen gelblichen Augen flogen unstet hin und her. Er trug einen braunen, unsauberen Hut, eine gefütterte braune Jacke und eine schwarze Hose, die von grauen Streifen durchzogen war. Auch er trug einen Waffengurt, aber keinen Colt im Halfter. Das Pferd, das er ritt, war ein Weißfuchs.
Seltsamerweise erfüllte dieser Mann die drei Fremden mit Ekel und Schrecken zugleich.
Luzy hatte ihre schlanke Rechte beim Anblick dieses Menschen instinktiv um ihre Kehle gelegt.
Da hörte das Mädchen hinter sich ein Geräusch, wandte sich um und sah in ein hartes, kristallklares eisblaues Augenpaar!
Der dritte Reiter hatte den Wagen auf der rechten Straßenseite passiert.
Es war ein großer, schlanker Mann mit einem scharfgeschnittenen, fast aristokratisch wirkenden Gesicht, das von den seltsam intensiven Augen beherrscht wurde. Der Mann hatte einen saubergetrimmten Schnurrbart, trug einen schwarzen neuen Hut, den er tief in die Stirn gezogen