Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Doc Holliday Staffel 3 – Western: E-Book 21-30
Doc Holliday Staffel 3 – Western: E-Book 21-30
Doc Holliday Staffel 3 – Western: E-Book 21-30
eBook1.354 Seiten17 Stunden

Doc Holliday Staffel 3 – Western: E-Book 21-30

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der Bostoner Zahnarzt war einer der berüchtigtsten Revolverschwinger seiner Zeit. Beidhändig schoss er sich seinen Weg frei. Ohne sein Markenzeichen, zwei versilberte Six-Guns, ging er nicht vor die Tür. Gehen Sie mit und erleben Sie fesselnde Abenteuer seiner Zeit.

E-Book 21: Feuerweg durch Oklahoma
E-Book 22: Gentleman Jonny
E-Book 23: Gambler-Song
E-Book 24: Iowa City
E-Book 25: Duell mit Kid Ohio
E-Book 26: Indian Charly
E-Book 27: Cascade Falls
E-Book 28: Cheyenne
E-Book 29: Ottawa
E-Book 30: Navajo Hills
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum28. Aug. 2018
ISBN9783740917982
Doc Holliday Staffel 3 – Western: E-Book 21-30

Mehr von Frank Laramy lesen

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Doc Holliday Staffel 3 – Western

Titel in dieser Serie (3)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Westliche Literatur für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Doc Holliday Staffel 3 – Western

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Doc Holliday Staffel 3 – Western - Frank Laramy

    Doc Holliday – Staffel 3 – E-Book 21-30

    Inhalt

    Feuerweg durch Oklahoma

    Gentleman Jonny

    Gambler-Song

    Iowa City

    Duell mit Kid Ohio

    Indian Charly

    Cascade Falls

    Cheyenne

    Ottawa

    Navajo Hills

    Doc Holliday

    – Staffel 3–

    E-Book 21-30

    Frank Laramy

    Feuerweg durch Oklahoma

    Weithin gellte der Pfiff der Westernlok über das erwachende Land. Unten, am Flußufer des Canadian River, hob ein Wapitihirsch erschreckt sein stolzes Haupt, dann verschwand er mit weiten Sätzen im nahen Dickicht.

    Donnernd rasselten die schweren Waggons über die hölzerne Flußbrücke.

    Auf eine Anhöhe nahe des Bahndamms verharrten reglos zwei Reiter. Die roten Strahlen der Sonne schillerten auf ihren bronzefarbenen Körpern.

    Es waren zwei Indianer vom Stamm der Seminolen, friedliche Rothäute, die sich auf Geheiß der Regierung in die Reservate zurückgezogen hatten.

    Der eine von ihnen war alt, und sein Haar hatte die Farbe des Bergschnees. Seine Augen mochten schon viele Sommer und viele Winter gesehen haben. Schräg in seinem Schopf steckten zwei blutrote Adlerfedern.

    Es war ein großer Häuptling der Seminolen, aber er hatte seinen stolzen Namen »Silberner Löwe« mit dem Kriegsbeil begraben, als er vor Jahren mit seinem Stamm ins Reservat gezogen war.

    Der andere Indianer war noch jung, aber auch in seinem blauschwarzen Haarschopf heftete eine Adlerfeder. Er war der Sohn des Häuptlings.

    Er, der kaum neunzehnjährige Indianer, kannte die große Zeit seines Volkes nur aus den Erzählungen der Alten.

    Der Häuptling wartete, bis auch die letzten Wagen des Zuges seinen Blicken entschwunden waren, dann wandte er sich halb nach seinem Sohn um. »Manitu mag geben, daß jetzt unsere Weiber und Kinder nicht mehr zu hungern brauchen.«

    Der junge Indianer schüttelte unmerklich den Kopf. »Die Worte der Bleichgesichter sind wie der Rauch des Lagerfeuers, sie verwehen beim ersten Wind.«

    »Ich kenne deine Meinung, mein Sohn«, erwiderte der Alte bitter. »In deinem Blut brennt noch das Feuer der Jugend.«

    »Und in den Mägen unserer Kinder brennt der Hunger.«

    »Das wird vorbei sein, wenn unsere Vorräte in den eisernen Wagen kommen. Sie sind verschlossen, und nur die Häuptlinge der Stämme dürfen sie öffnen. So hat es der weiße Vater in Washington befohlen.«

    Der junge Indianer wollte an dieses Versprechen nicht glauben. Er war wie die meisten heranwachsenden Krieger dafür, den Kampf gegen die Weißen wieder aufzunehmen.

    Das wußte der alte Häuptling. Aber nicht das Alter, sondern die Weisheit hatte ihn veranlaßt, sein Volk ins Reservat zu führen. Der Kampf gegen die weißen Eroberer war ein sinnloser Kampf, eine Selbstvernichtung der roten Rasse. Die Großen dieses Volkes, die Führer, hatten das schon lange eingesehen und daher die Reste ihrer Stämme in die abgeteilten Gebiete gebracht.

    Aus der Ferne war noch das Rattern des Zuges zu vernehmen. Die Bahn mußte jetzt bald den North Fork River erreicht haben, die Brücke, die über den kleinen Fluß führte.

    Da gellte wieder das Signal der Lok über die Berge, lang und anhaltend, wie der Schrei eines sterbenden Tieres.

    Die beiden Indianer blickten sich an.

    »So hat das Feuerroß noch nie geschrien«, sagte der Alte dumpf. Dann zog er sein Pferd herum und schritt langsam zum Bahndamm hinunter.

    Sein Sohn folgte ihm.

    *

    »Damned, was soll denn das heißen?« fluchte der Lokführer und streckte sein rußgeschwärztes Gesicht aus dem Führerstand.

    Der Heizer blickte ebenfalls hinaus. »Das siehst du doch.«

    Yeah, es war nicht zu übersehen. Auf der Brücke war eine Barriere errichtet worden.

    Schwere Baumstämme versperrten den Weg zum anderen Ufer.

    »Verflucht, geht das hier also auch los«, knurrte der Zugführer. »Außer der Post und einigen Passagieren haben wir doch nichts geladen.«

    Der Heizer hatte inzwischen das Gelände mit den Augen abgesucht. »Verdammt merkwürdig, Boß«, brummte er. »Es ist kein Mensch zu sehen. Am Ufer nicht, am Bahndamm nicht und auf der Brücke erst recht nicht.«

    »Wir müssen zurück«, meinte der Lokführer. »Ich kann den Zug nicht solange auf der Brücke stehenlassen.«

    Aber es gab kein Zurück mehr für die beiden Männer. Der Tod stand bereits hinter ihnen. Sie fühlten kaum die harten Schläge, die ihre Schädel trafen. Stumm brachen sie nebeneinander zusammen.

    Den wenigen Passagieren in den zwei Reisewagen mußte es nicht anders ergangen sein. Sie waren tot, bevor sie überhaupt wußten, was vor sich ging.

    Dann begann, von niemandem gesehen, eine grausige, fieberhafte Arbeit. Die Toten wurden von der Brücke in die Tiefe gestürzt. Der North Fork River nahm sie auf und schloß schweigend über ihnen seine Wellen.

    Der Spuk war vorbei, nachdem auch die Baumstämme der Weg in die Tiefe gefunden hatten.

    Die Strecke nach Norden war wieder frei. Der Tod war weitergeritten und ließ ein unlösbares Rätsel zurück.

    Eine halbe Stunde später kamen die beiden Indianer. Als sie die Brücke vor sich sahen, hob der Häuptling die Hand.

    »Wir wollen warten. Es ist etwas geschehen.«

    Es war ein seltsam toter Anblick, der sich den beiden Männern bot. Eine dunkle Rauchsäule quoll lotrecht aus dem Schlot der Westernlok und stieg anklagend in den jungfräulichen Morgenhimmel.

    Der junge Indianer wurde unruhig. »Wollen wir nicht nachsehen, was geschehen ist? Irgendwo müssen doch die Menschen sein, die in diesem Eisenbahnzug gefahren sind.«

    »Wir bleiben noch«, bestimmte der Alte und beobachtete aus seinen Falkenaugen die Brücke.

    Der Sohn des Häuptlings wurde immer ungeduldiger. »Weshalb warten wir noch? Laß uns nachsehen, wo die Weißen geblieben sind. Sie können doch nicht mitten auf der Brücke eingeschlafen sein.«

    Der Alte wandte den Blick nicht von den Waggons. Seine scharfen Augen glitten von Fenster zu Fenster.

    »Ich befürchte, daß sie eingeschlafen sind«, erwiderte er dumpf.

    Sein Sohn hatte ihn noch nicht verstanden. »Aber als der Sonnenball über die Berge kam, sind sie doch noch an uns vorübergefahren.«

    Der Häuptling nickte. Sein Gesicht war starr und bewegungslos. »Viele Männer sind im Leben an mir vorübergeritten, mein Sohn, weiße und rote. Manche waren voller Hoffnung, die anderen trugen Schmerz in ihren Augen. Nur wenige Stunden später bin ich ihnen wieder begegnet – und sie schliefen.«

    Der junge Indianer schien seinen Vater allmählich zu begreifen. Mit einer vagen Bewegung deutete er auf den Zug. »Du meinst also, auch sie da unten schliefen – für immer?«

    Der Alte neigte müde sein Haupt. »Ich weiß es, mein Sohn.«

    Aber die jugendliche Neugier des Sohnes wollte sich mit dieser Antwort nicht zufriedengeben. »So laß uns doch nachsehen. Vielleicht können wir noch einem der Männer helfen.«

    Der Alte blickte seinen Sohn durchdringend an. »Hattest du ›helfen‹ gesagt? Seit wann hat sich dein Sinn geändert?«

    Der junge Indianer senkte den Kopf. Er schämte sich seiner Neugier.

    Der Häuptling half dem Sohn über die Verlegenheit hinweg. »Höre zu. Dort unten ist ein Verbrechen geschehen. Wir wissen nicht, wer es begangen hat, und wenn wir es wüßten, selbst wenn wir es gesehen hätten, uns würde niemand ein Wort glauben. Noch ist der rote Mann dem Weißen nicht gleichgestellt. Wir werden wieder zurück zu unseren Wigwams reiten, und niemand soll erfahren, was wir am Fluß gesehen haben.«

    Damit wendete er sein Pferd und ritt davon. Sorgsam suchte er sich am Boden die felsigen Stellen aus, um keine Spuren zu hinterlassen. Der alte Silberlöwe der Mountains war zum Fuchs geworden, aus dem Jäger der Gejagte.

    Das taktmäßige Zischen der Westernlok verklang hinter den Hügeln in ihrem Rücken.

    An diesem Morgen war der Friede von Oklahoma gestorben, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft begraben. Ein sinnloser Kampf begann.

    *

    Dan Ellington stand nun bereits zwei geschlagene Stunden auf ein und demselben Fleck und blickte den Schienenstrang entlang nach Norden.

    Der alte Railroader fluchte still vor sich hin. Er hatte das neugebaute Stationsgebäude verlassen, um den lästigen Fragen der wartenden Passagiere zu entgehen.

    »Damned, wo mögen die Kerle nur bleiben?« brummte er wütend.

    Da betrat ein Mann das Bahngelände. Er kam nicht aus dem Stationsgebäude, sondern von der Straße her. Bei Ellington blieb er stehen.

    »Es wird etwas dazwischengekommen sein«, sagte er ruhig und diese Worte taten dem Bahnmann irgendwie wohl.

    »So wird es sein, Mister Mordock«, erwiderte er und blickte wieder den Bahndamm entlang.

    Aber immer noch war keine Rauchfahne zu entdecken. Ellington versuchte, seine Unruhe vor Mordock zu verbergen. Aber es gelang ihm schlecht.

    »Befürchten Sie ein Unglück?« fragte Mordock.

    Der Bahnmann hob unwillig die Schultern. »Wie kann ich das sagen? Der Zug kann irgendeinen Maschinenschaden gehabt haben. Er wird schon noch kommen.«

    »Und wenn er nicht kommt?« ließ Mordock sich vernehmen.

    Ellington fuhr herum. »Was soll das heißen?«

    »Es war ja nur eine Vermutung.«

    Robby Mordock war seit vierzehn Tagen in der Stadt. Er schien enorm reich zu sein, denn er war mit einem eigenen Reisewagen und Fahrer gekommen. Auf der anderen Seite war dieser Mordock nicht eingebildet. Er saß Abend für Abend im neuen Saloon, unterhielt sich mit den Zimmerleuten und Cowboys ebenso wie mit dem Townmayor und dem Sheriff.

    Es war unbestimmt, was er in der Stadt wollte. Er sprach davon, daß er Bücher schreibe und daher durch die Staaten reise, und so mußte es auch sein, denn er saß tagsüber lange Stunden in seinem Zimmer und schrieb Briefe, die er dann regelmäßig zu den Zügen brachte.

    Auch jetzt hatte er wieder ein solches Bündel unter dem Arm.

    Dan Ellington fühlte sich mehr als unbehaglich unter den Augen der Männer, die offensichtlich nur ihm die Schuld für das Ausbleiben des Zuges zuschieben wollten.

    »Ich werde meinen Gaul holen und ein Stück den Bahndamm hinunterreiten«, platzte er heraus. »Diese verdammte Warterei ist nicht zu ertragen.«

    »Warten Sie«, sagte Mordock. »Ich werde mit Ihnen kommen.« Er wartete keine Antwort ab, sondern verließ das Bahngelände, überquerte die Straße und betrat dann den Saloon, in dem er wohnte.

    Nach wenigen Minuten kam er auf dem Rücken eines Pferdes zurück. Er hatte sich das Tier beim Salooner geliehen.

    Mordock machte eine gute Figur im Sattel. Alles an diesem Texaner war sympathisch: das schmale, wetterbraune Gesicht, die dunklen Augen, die offene Art, wie er sich gab. Er war immer hilfsbereit, gab gut Ratschläge, die zu verwerten waren.

    Dan Ellington hatte inzwischen auch einen alten Gaul hinter dem Stationsgebäude hervorgezogen. Als er Mordock sah, zog er sich sofort in den Sattel und ritt los.

    *

    Die Nacht war schon hereingebrochen, als der überfällige Zug in McAlester einlief.

    Fast die ganze Stadt war auf der Station versammelt. In ihrer Freude bemerkten die Menschen nicht, daß nur die Stirnlampe der Lok brannte, die Fenster der Waggons waren dunkel und starrten öde auf die Menschen, die das Bahngleis säumten.

    »Na, also, da seid ihr ja endlich!« rief der dicke Getreidehändler und rieb sich die Hände. »Habt wohl einen über den Durst genommen unterwegs?«

    Plötzlich verebbte das Stimmengemurmel auf dem Bahngelände. Alle Augen richteten sich auf den Führerstand der Lok, auf die beiden Männer, die die eiserne Leiter herunterstiegen.

    Es waren Ellington und Mordock.

    Und solange die Menschen auch hinstarrten, es folgte den beiden niemand mehr. Es kamen auch keine Menschen aus den dunklen Waggons. Die standen wie ein düsteres Mahnmal auf den Gleisen, stumm und verlassen.

    Mordock und der Railroader blieben vor der Maschine stehen. Ihre Gesichter wirkten bleich und müde.

    Aus der Gruppe der Wartenden löste sich ein Mann. Er mochte vierzig Jahre als sein, war untersetzt und hatte ein grobes, breitflächiges Gesicht. Aber das bullige Aussehen dieses Mannes wurde durch die etwas zu engstehenden, aber gutmütigen Augen gemildert.

    Es war der Sheriff von McAlester.

    Nic Garner hieß der Mann. Er trug in dieser Stadt zum erstenmal den Stern und war stolz auf sein Amt. Bisher hatte er sich als Holzfäller und Cowboy durchgeschlagen. Er war froh, endlich einen festen Posten zu haben.

    Garner trat zu den beiden Männern an der Lokomotive. »Ist etwas geschehen?« fragte er.

    »Geschehen?« erwiderte Ellington, und seine Stimme überschlug sich dabei. »Der Satan mag wissen, was geschehen ist.«

    Da schaltete sich Mordock ein und berichtete sachlich und kurz, wie sie den Zug vorgefunden hatten.

    Auf der Station herrschte für eine lange Minute lastendes Schweigen.

    Was hier passiert sein sollte, war unfaßbar. Nichts war gestohlen worden, nichts demoliert oder zerstört, das Gleis war unbeschädigt und frei.

    Der Sheriff kletterte als erster in die Wagen. Einige Männer wollten ihm folgen, aber er hielt sie zurück.

    »Wartet, vielleicht kann ich irgendeine Spur entdecken«, meinte er. Dann ging er hinein und zündete die Kerosinlampen an.

    Aber er fand nichts. Das Gepäck der Reisenden lag in den Netzen oder stand unter den Bänken, so, als seien die Menschen nur für einen Moment ausgestiegen, um einen Imbiß zu sich zu nehmen.

    Man stand vor einem Rätsel.

    Dan Ellington verschloß die Waggons, nachdem er die Lichter gelöscht hatte. Seine Bewegungen waren müde, und wenn er ging, hatte man den Eindruck, daß er eine schwere Last auf seinen Schultern zu tragen habe.

    Der Bürgerausschuß trat noch in dieser Nacht zusammen, und es wurde beschlossen, daß am kommenden Morgen der Sheriff und einige Männer zum North Fork River hinaufreiten sollten.

    Als der Morgen graute, saß fast die halbe Stadt im Sattel. Jeder wollte dazu beitragen, diesen geheimnisvollen Fall aufzuklären.

    Fast den ganzen Tag über waren die Männer unterwegs. Yard um Yard hatten sie den Boden in der Umgebung der Brücke abgesucht, aber das Unternehmen blieb erfolglos. Sie fanden nichts, aber auch gar nichts.

    Als sie am Abend zurückkamen, wurden die ersten Stimmen laut, daß einen solch teuflischen Überfall nur die Rothäute zustandegebracht haben könnten.

    Aber das klang wenig überzeugend. Indianer überfielen keinen Zug, ohne ihn zu plündern. Sie nahmen auch die Leichen ihrer Opfer nicht mit. Außerdem sollte die Bahn auch ihnen Vorteile bringen.

    Und als man sich darüber klar wurde, lenkte sich der Verdacht auf die Indianeragenten. Vielleicht steckten diese Burschen dahinter. Die dunklen, anrüchigen Geschäfte dieser Männer waren in den ganzen Staaten bekannt.

    Doch auch diese Vermutung schien ziemlich haltlos zu sein. Einige der Agenten befanden sich im Saloon. Als sie hörten, was über sie gemunkelt wurde, begannen sie ein wildes Geschrei und zogen drohend ihre Colts.

    Der Sheriff mußte energisch dazwischentreten, sonst wäre es noch zu einer Schießerei gekommen.

    Da meldete sich ein früherer Fahrer der Wells Fargo Company zu Wort. Ein übler Bursche, Ritchy Brand hieß er. Sein pockennarbiges Gesicht schien aus Hinterlist und Boshaftigkeit zusammengesetzt zu sein.

    Die Company mußte ihn vor einem Jahr entlassen, da er fortlaufend das Gepäck der Fahrgäste gestohlen hatte.

    Jetzt glaubte Brand, die Stunde der Rache sei gekommen.

    »Was ratet ihr noch herum, Gents«, keifte er. »Die Wells Fargo mußte nach Fertigstellung der Oklahoma-Bahn ihre beste Nord-Süd-Linie stillegen. Glaubt ihr vielleicht, das hätte diesen Geldsäcken geschmeckt? Sie haben einen verdammt langen Arm und können gern auf das lumpige Gepäck einiger Reisenden verzichten. Die Burschen arbeiten noch mit ganz anderen Mitteln«, log er dreist weiter. »Wenn ich erst mal auspacken würde! Ich sage euch, die und kein anderer haben diesen perfekten Überfall zustandegebracht.«

    Und der Zufall wollte es, daß zwei der vermißten Passagiere Wells-Fargo-Männer gewesen waren. Der Sheriff hatte bei der Durchsicht der Gepäckstücke zwei Taschen gefunden, die mit Frachtbriefen und Verträgen der Company gefüllt waren.

    Als Ritchy Brand das hörte, stieß er einen triumphierenden Schrei aus. »Da haben wir’s? Diese verdammten Schurken. Aber das soll ihnen teuer zu stehen kommen. Ich werde mit ihnen aufräumen…«

    Da unterbrach der Sheriff seinen Redefluß. »Schreien Sie hier nicht so herum! Wenn Sie etwas vorzubringen haben, können Sie das beim Richter tun. Es wird eine Verhandlung über diesen Vorfall stattfinden.«

    Die Verhandlung fand auch am nächsten Tage statt. Ebenfalls im neuen Saloon, da die Stadt noch keine City Hall hatte.

    Aber auch der alte Richter konnte diesen gordischen Knoten nicht entwirren. Alles stützte sich nur auf Vermutungen, da ja nicht der geringste Beweis vorhanden war.

    So verlief denn zunächst alles im Sande.

    Der Unglückszug hatte McAlester wieder verlassen, mit dem Gegenzug war neues Personal gekommen. Das Leben in der Stadt ging weiter, wenn auch um einiges langsamer und träger.

    Aber noch hatten die Bürger von McAlester den Mut nicht verloren. Sie hofften, daß sich eines Tages das mysteriöse Unglück doch noch aufklären werde.

    Aber sie mußten ihre Hoffnung zu Grabe tragen, als sie der zweite, furchtbare Schicksalsschlag traf…

    *

    Der große Herbstregen hatte früher eingesetzt als in den vergangenen Jahren. Unerschöpfliche Wassermassen fielen vom Himmel und verwandelten das staubige Land in eine Wüste von Schlamm und Morast.

    Die Flüsse hatten sich ungestüm über ihre Ufer erhoben und wälzten sich gurgelnd und vernichtend durch die Täler.

    Und mitten durch diese Welt der Urgewalten ritt ein Mensch. Sein scheckiges Indianerpferd schien die Gefahr des reißenden Sturmes zu kennen, es lief in weitem Abstand von den Ufern und stemmte trotzig seinen kleinen Kopf gegen den Regen.

    Der Reiter hatte sich in einen weiten Umhang gehüllt, der regendurchnäßte Hut war tief in die Stirn gezogen. Er hielt die Zügel lose in der Hand und überließ es seinem Pferd Migo, den richtigen Weg zu finden.

    Der regendurchnäßte Mann im Sattel war der Doktor John Henry Holliday. Er kam aus Colorado und war auf dem Weg nach Luisiana. Er wollte den Winter im Süden verbringen.

    Aber der Winter war noch weit und sein Wille einem tragischen, unabänderlichen Schicksal unterworfen.

    Der Georgier hatte von der neuen Oklahoma-Bahn gehört. Er wollte sie zwar nicht benutzen, denn sie hätte ihn nicht an das Ziel seines Weges gebracht, er dachte an die Brücke, die die Railroader über den Fluß geschlagen hatten.

    Nur auf diesem Weg konnte er den reißenden Strom überqueren, andernfalls hätte er das Ende der Regenzeit im Flußdreieck des North Fork und Canadian River abwarten müssen.

    Nach seiner Berechnung mußte er die Brücke bald erreicht haben.

    Und plötzlich tauchten der Bahndamm und die Brücke aus dem Regenschleier vor ihm auf. Grau, verwaschen und naß schälte sich die Holzkonstruktion aus dem trüben Dunst.

    Der Georgier hielt sein Pferd an und blickte hinüber. Es war ein kühner Bau, den die Railroader hier fertiggestellt hatten.

    Eine Sprengwerkbrücke aus schweren Holzstämmen verband die beiden Steilhänge miteinander.

    Und tief unten gurgelte machtlos der reißende Fluß.

    Hier hatte der Mensch die Natur bezwungen!

    Holliday prüfte die Berghänge, um einen günstigen Aufstieg für sich und sein Pferd zu finden. Die Sicht war schlecht, aber er fand doch einen Pfad, der offenbar von der Bahnarbeitern benutzt worden war, um am Fluß Wasser zu holen.

    Der Georgier wendete sein Pferd und ritt bis zum Berghang. Dann stieg er aus dem Sattel und nahm das Tier am Zügel. Kaum hatte er drei Schritte getan, da hörte er in der Ferne das langgezogene Heulen einer Lokomotive. Der Ton kam dumpf und wattig an sein Ohr. Das Rauschen des Regens verschluckte fast jedes Geräusch.

    Holliday hielt Migo an und blickte zur Brücke hinauf. Da kam der Pfeifton wieder, diesmal schon bedeutend näher und lauter.

    Der Lokführer gab immer vor den Brücken dieses Zeichen, um die Menschen zu warnen oder Tiere zu verscheuchen, welche die Brücke als Übergang über den reißenden Fluß benutzten.

    Zum drittenmal gellte der Pfiff gegen den grauverwaschenen Himmel und füllte das Tal mit seinem Heulen aus.

    Dann kam der Zug.

    Wie ein riesiger, eiserner Wurm quoll er hinter einem Berghang hervor. Der rauschende Regen verschluckte das Stampfen der Maschine und das Rattern der Räder. Die riesige Stirnlampe der Lok funkelte wie ein Zyklopenauge. Der schwarze Rauch vermischte sich mit dem Grau der Wolken. Rotglühende Funken taumelten hoch, um gleich darauf in den Wassern des Himmels zu erlöschen.

    Der Zug hatte die Brücke erreicht, er raste schon auf die Mitte zu – da geschah etwas Grauenerregendes.

    Dem Georgier stockte der Atem bei der entsetzlichen Szene, die sich vor seinen Augen abspielte.

    Auf der Mitte der Brücke wendete sich die Lokomotive plötzlich um einige Gerade nach rechts. Zuerst war der Schienenräumer über dem Abgrund, dann folgten die Räder, der erste Waggon, der zweite, der dritte…

    Der Zug in seiner ganzen Länge schwebte für den Bruchteil einer Sekunde frei in der Luft. Das Zyklopenauge der Lok funkelte böse. Das Rauschen des Regens und der gurgelnde Fluß verschluckten jedes Geräusch dieser gespenstischen Szene.

    Dann neigte der Eisenkoloß seine Stirnseite unendlich langsam nach unten.

    Die erste Wagenkupplung riß.

    Frei von der Last, die sie viele Meilen über Prärien, Steppen und Berge gezogen hatte, richtete sich die Westernlok noch einmal auf. Eine Lohe rotglühender Funken schoß aus dem Schlot, dann gellte ein irrsinniges, markerschütterndes Heulen durch das brodelnde Tal. Weiße Dampffontänen zischten aus dem berstenden Kessel, brennende Holzscheite wirbelten wie Geschosse durch die Luft.

    Wie ein riesiger Felsstein schlug die Maschine in den brodelnden Hexenkessel des Canadian River.

    Ihr folgten die Wagen. Sie hatten sich auseinandergerissen, überschlugen sich taumelnd wie das Spielzeug eines Riesen, tanzten noch für eine lange Minute wie plumpe Boote auf den aufgewühlten Wellen, dann wurden auch sie von den reißenden Wassern des Canadian River verschlungen.

    Fassungslos vor der Ungeheuerlichkeit dieses Verbrechens stand der Mann auf der Holzbrücke. Er spürte den Regen nicht, der ihm von der völlig aufgeweichten Hutkrempe in den Nacken rann.

    Sein Kopf war dumpf und leer, in der Kehle brannte ein würgendes Gefühl.

    Hier hatten Verbrecher mit wahrhaft bestialischer Gründlichkeit gearbeitet. Sie hatten einen Gleisstrang gelöst, um ihn anschließend wieder fachgerecht über den Rand der Brücke hinweg zu befestigen.

    Holliday wischte mit der Hand über sein regennasses Gesicht. Er blickte das Gleis entlang, bis zum Bahndamm hinüber. Er fühlte buchstäblich die Augen, die ihn beobachteten.

    Der Georgier nahm die Zügel seines Pferdes. »Komm, Migo, hier können wir nicht mehr helfen«, sagte er leise.

    *

    Sein Gesicht war bleich und fahl. Am grauen Haaransatz hatten sich kleine Schweißperlen gebildet. Nervös wischten seine Hände über die beschlagenen Fensterscheiben.

    Der Stationsmaster war ohne jede Hoffnung.

    Draußen herrschte eine wahrhaft ägyptische Finsternis. Der Regen trommelte monoton aufs Holzdach.

    Es war eine Stunde nach Mitternacht.

    Sie waren in einem Raum der Railway Station von McAlester.

    Dan Ellington, Robby Mordock, der Sheriff, Etterny, der Townmayor und einige Männer vom Bürgerausschuß.

    Dan Ellington stand am Fenster und starrte verzweifelt in die Nacht.

    Seit sechs Stunden war der Zug überfällig. Bisher hatte niemand einen Verdacht geäußert. Aber unausgesprochen ahnten sie alle, was geschehen war. Doch niemand wollte das verhängsnisvolle Wort aussprechen. Sie wußten alle, was für die Stadt davon abhing, wenn wieder ein Zug überfallen worden war.

    Die Gesellschaft hatte ohnehin schon die Absicht gehabt, die Strecke stillzulegen, da sie nach dem ersten mysteriösen Überfall unrentabel geworden war. Ein neues Unglück würde das unabwendbare Ende für die neuerstandene Stadt McAlester bedeuten.

    Dan Ellington blickte sich um und sah dann zur Wanduhr.

    Es war ein Uhr und fünfzehn Minuten.

    Dann brach der Railroader das Schweigen, er konnte einfach nicht mehr länger an sich halten.

    »Damned, nun müßten sie doch endlich hier sein«, stieß er hervor. »In Muskogee ist der Zug planmäßig abgefahren.«

    »Wir werden uns damit abfinden müssen«, sagte der Sheriff dumpf.

    Alle Augen wandten sich plötzlich auf ihn. Sie sahen ihn an, als ob er eine Schändlichkeit ausgesprochen hätte.

    »Womit müssen wir uns abfinden?« fragte der Townmayor entsetzt. Er war ein klappriger Mann von bald siebzig Jahren.

    Der Sheriff wandte sich hart nach ihm um. »Weshalb stehen wir hier herum und versuchen, uns gegeneinander etwas vorzumachen, Gents? Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen und etwas unternehmen.«

    »Der Meinung bin ich auch«, mischte sich Mordock ein. »Ich bin zwar ein Fremder in der Stadt, aber ich glaube, daß ich mir trotzdem ein Urteil erlauben kann.«

    Sheriff Nic Garner war froh, daß er in Mordock eine Unterstützung bekommen hatte. »Er ist kein Fremder mehr für uns«, sagte er eindringlich.

    Mordock stieß sich von der Wand ab, an der er bisher gelehnt hatte. Er ging zum Fenster und blieb zwischen Ellington und dem Sheriff stehen.

    »Sie haben eine Ersatzlok auf dem Abstellgleis stehen, Mister Ellington. Ich glaube, es wird Zeit, daß Sie die Maschine anheizen.«

    Diese Worte waren wie eine Erlösung für die Männer im Raum. Einstimmig schlossen sie sich diesem Vorschlag an.

    Kaum eine Stunde später – es war zwei Stunden nach Mitternacht – verließ die Lok die Station. Durch peitschenden Regen und blauschwarze Finsternis fraß der stählerne Koloß seinen Weg durch die Nacht. Meile um Meile rollten die Räder nach Norden, donnerten über Brücken und durchfuhren dunkle Täler.

    Den Männern auf dem Führerstand brannten die Augen. Sie spähten in die Nacht, aber die Suche blieb erfolglos.

    Im Dämmer des Morgens erreichten sie Muskogee. Übernächtigt kletterten sie von der Maschine und taumelten aufs Stationsgebäude zu.

    Sie brauchten keine Fragen an den Bahnmann der Stadt zu stellen. Der Mann wußte alles, als er die Ersatzlok von McAlester sah.

    »Wo liegt der Zug?« fragte er nur.

    Dan Ellington hob die Schultern. »Das werden wir vielleicht heute am Tag sehen. Die Strecke ist frei.«

    Nach zwei Stunden Ruhe fuhren sie zurück. Sie kamen auch über die Brücke am Canadian River. Schon in der Nacht hatten sie ahnungslos die Unglücksstelle passiert, aber auch am Tage bemerkten sie nichts.

    Die Gleise lagen so, wie sie immer gelegen hatten – und der Mann, der Zeuge des Unglücks gewesen war, ritt noch viele Meilen von McAlester entfernt nach Süden.

    Die Oklahoma-Bahn stellte am 28. September ihren Zugverkehr ein.

    Wie eine Bombe schlug diese Nachricht in McAlester ein. Grundstücksspekulanten, Händler, Kaufleute und Salooner sahen den drohenden Ruin vor Augen. Die Stadt an einer Bahnstrecke ohne Züge war dem Untergang geweiht.

    Dan Ellington zur Untätigkeit verdammt, saß vom frühen Morgen bis in die sinkende Nacht hinein im neuen Saloon und vertrank sein letztes Monatsgehalt. Mit ihm war nicht mehr zu sprechen. Die Company hatte ihm eine neue Stelle in Dakota angeboten, aber ihm war jede Lust vergangen.

    Die sterbende Stadt schien einen Geruch auszuströmen, der die Ratten der menschlichen Gesellschaft anzog.

    Der Teufel mag wissen, wo die Desperados und Banditen, die Falschspieler und Revolverschwinger plötzlich herkamen. Sie brachten ein unnatürliches Leben in die tote Stadt, es kam zu Schießereien und schließlich zu einem Mord.

    Ein Storebesitzer war von einem Banditen erschossen worden, nur, weil er sich geweigert hatte, dem Burschen zwei Pakete Tabak ohne Bezahlung zu geben.

    Sheriff Garner ließ den Verbrecher hängen.

    Und da begann für McAlester die Hölle.

    Die Frauen der Bürger konnten sich nicht mehr auf der Straße blicken lassen, sie waren gezwungen, in ihren Häusern zu bleiben. Viele Familien überließen dem Townmayor einfach den Verkauf ihrer Häuser – für jeden Preis.

    Und diesen Preis boten die Banditen. Aber da schaltete sich Mordock ein.

    Es war an einem Abend. Der Sheriff hatte die noch verbliebenen Bürger der Stadt in den Saloon gerufen.

    Sie nahmen an einem großen Ecktisch Platz und brauchten ihr Gespräch nicht zu dämpfen, denn im Saloon herrschte ein unwahrscheinlicher Trubel.

    Das angeschwemmte Gesindel fühlte sich in der Stadt bereits zu Hause.

    Robby Mordock stand an der Stirnseite des Tisches. Sein Gesicht war ernst und sorgenvoll, als er begann.

    »Ich habe in Ihrer Stadt die hoffnungsfrohen Tage miterlebt und war auch Zeuge des Untergangs. Aber so darf es nicht weitergehen, Männer. Ich bin zwar nicht Bürger dieser Stadt, doch ich kann es nicht mitansehen, wie alles hier zugrundegeht.«

    »Was wollen Sie dagegen tun?« ließ sich der Sheriff mürrisch vernehmen.

    Mordock hob die Hand. »Ich werde die Häuser der Stadt kaufen, und das soll für Sie der Beweis sein, daß ich noch an die Zukunft von McAlester glaube.«

    Das war allerdings mehr als beachtlich.

    »Sie wollen also wirklich die wertlosen Häuser aufkaufen?« fragte der greise Townmayor erstaunt.

    »Yeah, das werde ich. Sie sollen den Menschen erhalten bleiben, die sie im Schweiße ihres Angesichtes und von den letzten Dollars errichtet haben.«

    Die Männer blickten den Texaner an, etwas wie Mitleid lag in ihren Augen. Wie konnte ein Fremder so wahnsinnig sein und seine guten Dollars in ein solch sinnloses Geschäft stecken?

    Aber dem Gespräch waren auch einige der Männer gefolgt, die sich nun seit Tagen in der Stadt breitmachten. Sie hatten sich bereits um den Kauf der Häuser beworben.

    Es waren Banditen. Ihr Anführer hieß Freddy Callister. Er hatte die Absicht, aus McAlester ein Banditennest zu machen. Was dieser nach seiner Meinung aufgetakelte Bursche da eben von sich gegeben hatte, paßte gar nicht in seinen Kram.

    Callister war ein drahtiger, mittelgroßer Mann. Sein Gesicht war tiefgebräunt und schmal. Die Augen lagen tief in den Höhlen und waren schwarz wie blanke Kohlen.

    Er hob die Hände und schob seine Männer auseinander, dann ging er langsam zum Tisch der Bürger.

    »Wenn ich mich nicht irre, Mayor«, sagte er zu Etterny, »dann habe ich meine Ansprüche etwas früher angemeldet als dieser Gent.«

    Der Townmayor warf dem Sheriff einen fragenden Blick zu.

    Nic Garner antwortete auch sofort. »Hören Sie, Mister«, sagte er dunkel zu Callister, »Sie können uns gern von Ihrer Anwesenheit in der Stadt erlösen. Zwei Männer haben sterben müssen, einer mit einem Loch im Rücken und der andere am Galgen. Das genügt uns für den Anfang.«

    Freddy Callister lief rot an. »Wollen Sie etwa damit sagen, daß ich hinter dieser Sache stecke?«

    »Ich wollte damit sagen, daß es einer Ihrer Männer gewesen ist!«

    Der Bandit blickte den Sheriff stechend an. »Wenn ich mich nicht irre, dann sind Sie die längste Zeit Sheriff in diesem verlassenen Nest gewesen.«

    Da schaltete sich plötzlich Mordock ein. Sein Gesicht war kaum wiederzuerkennen. Nicht, daß es sich zu seinem Nachteil verändert hätte, es war hart geworden, granithart.

    »Es geht hier wohl um mich, Mister Garner«, wandte er sich an den Sheriff. »Und ich bin gewohnt, meine Angelegenheiten allein auszutragen.« Dann löste er sich vom Tisch und trat knapp vor Callister. »Es wäre ganz gut, wenn Sie sich folgendes hinter die schmutzigen Ohren schreiben würden, Brother: In McAlester können Sie keine Dachlatte und keinen rostigen Nagel kaufen. Das einzige, was Sie und Ihr Gesindel hier erwartet, ist der Strick.«

    Im Saloon herrschte plötzlich Grabesruhe.

    Noch war Freddy Callister zu keiner Antwort fähig.

    Seine Männer standen hinter ihm wie geschnitzte Holzfiguren. Der Sheriff blickte Mordock aus entsetzensweiten Augen an.

    Und niemand achtete auf den Fremden, der in diesem Moment den Schankraum betrat.

    Doc Holliday blieb an der Tür stehen. Die Worte Mordocks hatte er schon auf dem Gehsteig vernommen.

    War denn nirgendwo Frieden in diesem verdammten Land? dachte der Georgier. Mußten die Menschen denn schießen und morden, rauben und betrügen?

    Zu weiteren Überlegungen kam Doc Holliday nicht.

    Es ging los.

    Der Bandit Callister hatte sich aus seiner ersten Erstarrung erholt. Er spreizte die Finger über dem Coltgriff wie eine Heugabel.

    »Ich habe mich doch soeben verhört, Boy?« sagte er spitz. »Und ich möchte Ihnen raten, mir das zu bestätigen. Ich möchte Sie sogar dringend dazu auffordern, wenn Sie noch länger als fünf Sekunden leben wollen.«

    Zum Entsetzen der Bürger schien Mordock diese fürchterliche Drohung nicht ernst zu nehmen. Mit einer wegwerfenden Handbewegung meinte er: »Spucken Sie hier nicht so große Bogen, mein Bester!«

    Das Gesicht des Banditen verkrampfte sich zu einer satanischen Maske. Mit den Ellbogen schob er seine Männer zurück. »Paßt auf, Boys, wie euer Boß einen geschniegelten Affen in die Hölle schickt.«

    Da stellte sich der Sheriff mutig zwischen die Männer. Garner glaubte noch an die Unantastbarkeit des Silbersterns.

    »Hier wird niemand zur Hölle geschickt, Mister…«

    Weiter kam er nicht.

    Callister hatte seinen Colt aus dem Halfter gerissen und schoß augenblicklich.

    Wie vom Blitzschlag gefällt, schlug der Sheriff zu Boden.

    Lähmendes Entsetzen war im Schankraum. Die Gesichter der Männer wurden grau angesichts dieser Ungeheuerlichkeit.

    Ein Bandit hatte es gewagt, den Sheriff vor ihren Augen niederzuschießen!

    Damit war das Schicksal der Stadt entschieden.

    Ganz gleich, was jetzt auch noch passieren mochte, es würde sich im ganzen Staat herumsprechen, daß der Sheriff von McAlester mitten in seiner Stadt aus den Stiefeln geschossen worden war.

    Nur zwei Männer im Saloon bewahrten ihre Ruhe und Kaltblütigkeit: Robby Mordock – und Doc Holliday!

    Holliday dachte gar nicht daran, einzugreifen. Was ging ihn diese Schießerei an?

    Aber dafür wurde Mordock aktiv. Keiner hätte ihm den Mut und die Schnelligkeit zugetraut.

    Plötzlich hatte er seinen dreiundvierziger Revolver in der Hand und schoß. Die erste Kugel traf den völlig überraschten Banditen in die linke Schulter.

    Callister warf sich zu Boden und entging so der zweiten Kugel, die hart über seinem Schädel hinwegheulte.

    Aber dann traten seine Männer auf den Plan.

    Mordock machte einen Sprung zur Seite, riß einen Tisch um und nahm dahinter Deckung.

    Doc Holliday bewunderte den Mut dieses Mannes. Er mußte verloren sein, wenn ihm nicht bald einer zu Hilfe kam.

    Aber Mordock stand allein gegen die Banditen. Er konnte nicht wagen, den Kopf hinter der Tischplatte zu erheben. Seine Lage schien aussichtslos zu sein.

    »Wir werden ihn hängen!« schrie triumphierend einer der Banditen, »damit er seine Häuser von oben besehen kann.« Dann hob der Mann seinen Colt und schoß in der Vorfreude wild durch den Saloon.

    Irgendwo schrie ein Mann, Scheiben klirrten, hinter der Theke zerbarsten Gläser.

    Und eine dieser wilden Kugeln schlug kaum zwei Inches neben dem Kopf des Georgiers in den Türpfosten.

    Diese eine Kugel, das kleine graue Stück Blei, sinnlos verschossen, entschied das Schicksal einer ganzen Stadt.

    Nicht in dieser Stunde, auch nicht in den nächsten Tagen, aber das Blei war heiß genug, um den Georgier mit dem Geschick von McAlester zu verschweißen.

    Die Frontier-Revolver schienen den Weg zu den Händen ihres Herrn zu kennen. Sie flogen buchstäblich aus den gewachsten Halftern und spien gelbrote Blitze aus.

    Zuerst fiel der Bandit, der Mordock so gern hängen sehen wollte. Eine Kugel hatte ihm die Brustseite zerrissen. Er war nicht tot, aber er mußte für seinen leichtsinnigen Wahnsinn ein Leben lang büßen.

    Dann kam Callister an die Reihe. Er hatte sich nach dem neuen Gegner umgewandt, seinen Colt gehoben und – wollte schießen. Aber dazu kam er nicht mehr.

    Eine Kugel des Georgiers schleuderte ihm die Waffe aus der Hand, der Colt wurde hochgewirbelt und schlug dann wie eine eiserne Faust gegen den Schädel des Banditen.

    Callister brach zusammen.

    Aber seine Männer gaben noch nicht auf. Einer von ihnen, ein schlitzäugiger Mestize, glaubte sich unbeobachtet und zielte mit aller Seelenruhe auf den Kopf des Georgiers.

    Doch es blieb nur beim Zielen. Noch ehe er den Abzugsbügel durchziehen konnte, traf ihn das Blei Doc Hollidays. Er stieß einen heiseren Schrei aus, drehte sich um seine eigene Achse und sackte dann in sich zusammen.

    Der Kampf hatte kaum eine Minute gedauert. Doc Holliday stand am Eingang. Das Regenwasser triefte von seinem Umhang und bildete eine dunkle Pfütze um seine Stiefel. Er war dabei, die Trommeln seiner Colts wieder aufzuladen.

    Sie blickten alle zu ihm herüber, sie fröstelten vor der Kälte, die von diesem Fremden ausging. Es war noch nicht ganz in ihr Bewußtsein eingegangen, was soeben geschehen war.

    Auch Mordock hatte sich erhoben. Der Anblick des dunkel gekleideten Fremden faszinierte ihn. Er konnte den Blick nicht von diesem kalten, gleichgültigen Gesicht wenden.

    Wer war dieser Stranger, der eine ganze Stadt vor der Schreckensherrschaft grausamer Banditen gerettet hatte?

    Holliday hatte seine Colts aufgeladen und in die Halfter zurückgeschoben. Er löste den Verschluß seines Umhangs und legte das nasse Kleidungsstück über eine Stuhllehne. Dann nahm er seinen aufgeweichten Hut ab und warf ihn auf einen Haken neben der Tür.

    Wie hypnotisiert folgten die Männer seinen Bewegungen. Dieser Mann war ihnen unheimlich.

    Robby Mordock hatte seine Waffe noch in der Hand. Er war der einzige, der an das Nächstliegende dachte.

    Drei Banditen knieten neben ihrem verwundeten Boß und versuchten, Callister wieder zu sich zu bringen. Ohne ihn waren sie ein hilfloses Rudel.

    Mordock nutzte die Situation aus. Er trat mit einem schnellen Schritt hinter die Männer, ließ hörbar den Hahn seiner Waffe einrasten und sagte scharf: »Kommt auf die Beine, Boys, und nehmt die Hände hoch!«

    Die Banditen waren nach ihrer Niederlage immer noch so verwirrt, daß sie augenblicklich der Aufforderung nachkamen. Sie hoben die Arme, und Mordock zog ihnen blitzschnell die Colts aus den Gürteln.

    Nachdem sich nun die Lage zugunsten der Bürger gewendet zu haben schien, zogen auch einige dieser mutigen Männer ihre Waffen. Aber sie bereuten ihre Heldentat sofort.

    Im neuen Saloon befanden sich außer Freddy Callisters Männer noch gut ein Dutzend anderer Banditen. Die Burschen kannten sich zwar kaum untereinander und wären bereit gewesen, sich gegenseitig für eine handvoll Dollars die Hälse durchzuschneiden, aber in diesem Fall hielten sie zusammen.

    Sie bildeten um Mordock und die wenigen Männer, die dem Texaner helfen wollten, einen drohenden Kreis.

    Robby Mordock schien die Gefahr in seinem Rücken noch nicht bemerkt zu haben. »Wir werden die Burschen einsperren, Mister Etterny«, sagte er zum Townmayor. »Und der eine wird hängen, er hat den Sheriff erschossen. Es gibt genug Zeugen.«

    Da mischte sich der pockennarbige Ritchy Brand mit seiner krächzenden Stimme ein:

    »Aber in McAlester gibt es keinen Richter mehr. Wenn ich mich nicht irre, ist der alte Trottel vor zwei Tagen abgereist.«

    »Wir brauchen keinen Richter«, hüstelte der greisenhafte Townmayor aufgeregt.

    »Und das aus Ihrem Mund?« versetzte Brand hohntriefend. »Sie reden doch sonst immer vom Gesetz, vom Recht, ohne das unser Land nicht lebensfähig sein sollte. Und jetzt wollen ausgerechnet Sie einen Mann lynchen lassen?«

    Doc Holliday warf einen Blick zu Brand hinüber. Er mußte zugeben, daß dieser Bursche gerissen war. Er hatte ja nicht die geringste Ahnung, was in der Stadt vor sich ging, aber es dämmerte ihm allmählich, daß es mit dem Zugunglück zusammenhängen mußte.

    Die übrigen Banditen grinsten dem Pockennarbigen aufmunternd zu. Das war ein Bursche nach ihrem Herzen.

    Der Texaner wandte sich um und ließ seine Augen über die Reihen der Banditen gleiten. »Also so sieht das aus«, sagte er nur und ließ seinen Revolver resigniert wieder ins Halfter gleiten.

    Callisters Männer ließen ihre Hände sinken.

    »Wo sind unsere Colts?« fragte einer scharf. Es war Ed Lassen, zweiter Mann in der Callister Crew. Er hatte ein verwüstetes Gesicht, vom Laster gezeichnet. Unter den verwaschenen Augen lagen tiefe Schatten. Seine Gesichtshaut war porös wie verschlissenes Glaspapier.

    Die Revolver lagen am Boden. Einer der Banditen bückte sich und hob die Waffen auf. Für einen Moment hielten die Männer die Colts drohend in der Hand.

    Aber Lassen gab ihnen einen Wink. »Steckt die Eisen weg. Wir haben Zeit.«

    Die Banditen gehorchten. Dann trugen sie die beiden Toten und den verwundeten Callister hinaus. Ed Lassen ging als letzter. An der Tür blieb er stehen und wandte sein Schmirgelgesicht Holliday zu.

    »Morgen früh um acht Uhr auf der Mainstreet, Amigo. Vergessen Sie aber nicht, sich vorher einen Sarg zu bestellen.«

    Holliday blickte den Mann mit entwaffnender Gelassenheit an. »Ich werde daran denken.«

    Ed Lassen wollte noch etwas sagen, aber er stieß nur einen lästerlichen Fluch aus und folgte den anderen.

    Im Saloon wurde es ruhiger. Die zurückgebliebenen Banditen gingen zur Theke und verlangten Whisky. Einige Männer nahmen den toten Sheriff auf und trugen ihn ins Office.

    Der größte Teil der Bürger verließ den Saloon. Sie standen noch für Minuten auf der Straße zusammen und beschlossen fast ausnahmslos, in den kommenden Tagen die Stadt zu verlassen.

    Außer den restlichen Banditen waren Dan Ellington, der Townmayor und Robby Mordock im Saloon geblieben. Die Männer wollten sich die Blöße nicht geben, vor den Banditen auszureißen. Sie saßen mit finsteren Gesichtern am Tisch und fraßen den Groll über ihre Niederlage in sich hinein.

    Mordock konnte den Blick nicht von Holliday wenden. Er mußte wissen, was dieser Mann in der Stadt wollte. Mit diesem Wunsch stand er auch nicht allein da.

    An einem Ecktisch saß eine Gruppe von Indianeragenten. Sie warfen dem Georgier mehr als mißtrauische Blicke zu. Diese Männer waren wetterharte Burschen, mit kalten, gefühllosen Gesichtern. Betrüger, denen es auch auf einen Mord nicht ankam. Diese Schurken waren vom Staat eingesetzt, um die Indianer in den Reservaten zu betreuen. Aber für sie galt eine Rothaut weniger als ein Stück Vieh.

    Sie hatten mit Genugtuung vom Verschwinden des zweiten Zuges gehört. Ihre Aktien stiegen wieder, denn sie warteten täglich auf die Aufforderung von Washington, ihre Transporte wieder aufzunehmen.

    Doch dieser Fremde paßte ihnen nicht in den Kram. Einer der Indianeragenten hatte einen Verdacht geäußert, der sich hartnäckig in ihren Schädeln festnistete. Der Fremde ist ein Beauftragter der Railway Company, hatte der Mann gesagt. Also war er ein Feind der Agenten! Er mußte verschwinden, und in der Art, wie dies zu geschehen hatte, waren die Indianeragenten nicht wählerisch.

    Die Banditen an der Theke sahen in Holliday alles andere als einen Railroader. Unter ihnen hatte sich die Meinung breitgemacht, daß der Fremde zumindest ein verkappter Staatenreiter, wenn nicht gar ein Beauftragter der Regierung war.

    Dann gab es noch eine dritte Gruppe, die den Fremden mit feindlichen Blicken voller Mißtrauen bedachte. Diese Gruppe bestand aus einem Mann: Dan Ellington. In seinem vernebelten Hirn hatte sich der Gedanke festgesetzt, daß Holliday ein Wells-Fargo-Mann sei. Er steigerte sich immer mehr in diese Wahnidee und sah schließlich in dem Fremden die Ursache seines eigenen Unglücks. Nur er und kein anderer mußte es gewesen sein, der die Züge verschwinden ließ, damit die Wells Fargo wieder ihre Trecks einsetzen konnte.

    Mit dieser irrsinnigen Theorie stand er nicht einsam im neuen Saloon von McAlester. Auch Ritchy Brand hatte sie sich zu eigen gemacht.

    Der Pockennarbige hatte die Gefährlichkeit des Strangers sofort registriert. Es war ihm ganz gleich, was oder wer diesen Mann in die Stadt geführt hatte, er mußte seine Tätigkeit unterminieren, gleichgültig, welcher Art sie auch sein sollte.

    Doc Holliday war umgeben von einer Mauer von Feinden – und er ahnte nichts davon. Er hatte sich beim Salooner ein Essen und einen Brandy bestellt. Es war das erste warme Essen nach Tagen. Auch für sein Pferd war bereits gesorgt worden, bevor er den Saloon betreten hatte. Migo stand gut abgerieben und gefüttert im Mietstall.

    Holliday hörte die Schritte, die sich seinem Tisch näherten. Er hob halb den Kopf und blickte dem Mann entgegen.

    Es war Robby Mordock, der Texaner. Er blieb vor Holliday stehen und deutete eine Verbeugung an. »Darf ich mich einen Moment zu Ihnen setzen?« fragte er in seiner liebenswürdigen Art.

    »Bitte«, erwiderte der Georgier nur und steckte sich eine seiner langen Papyrossizigaretten an.

    Mordock ließ sich nieder. »Wir bedauern alle, daß Sie in McAlester auf so merkwürdige Art begrüßt worden sind.«

    Holliday wandte den Kopf und blickte sich interessiert im Saloon um. Seine Augen trafen nur feindliche, ablehnende Gesichter.

    Der Gambler lachte unhörbar. »Sie mögen recht haben, Mister, man kann den Männern das Bedauern direkt vom Gesicht ablesen.«

    Mordock schluckte die Ironie hinunter. »Zählen Sie bitte das Gesindel nicht zu uns, Mister. Es ist erst seit einigen Tagen in der Stadt – seit das mit der Bahn geschehen ist. Ich weiß nicht, ob Sie davon gehört haben.«

    Holliday nickte zurückhaltend. »Ich habe einiges gehört.«

    »Dann wissen Sie sicher auch, daß vor Tagen ein ganzer Zug spurlos verschwunden ist.«

    De Georgier antwortete wahrheitsgemäß: »Ich weiß es.«

    Mordock zog für einige Sekunden die Brauen zusammen, aber dann nahm sein Gesicht wieder den gewohnten, liebenswürdigen Ausdruck an. »Sie haben sich für uns in Gefahr begeben, Mister«, begann er dann ein anderes Thema.

    »Sie irren. Ich habe mich lediglich gewehrt. Einer dieser Burschen hätte mir fast eine Kugel in den Schädel gejagt.«

    »Wollen Sie sich dann morgen früh wirklich mit diesem Burschen schießen?«

    »Er scheint es ja nicht anders zu wollen«, gab Holliday mit unbeweglichem Gesicht zurück.

    Der Texaner blickte sein Gegenüber aus zusammengekniffenen Augen für eine lange Minute an. Dann kam eine Frage von seinen Lippen, die er gar nicht aussprechen wollte. »Wer sind Sie eigentlich?«

    Der Georgier sah den Mann amüsiert an. »Ist das so wichtig?« fragte er ausweichend.

    Mordock hatte sich wieder gefaßt. »Entschuldigen Sie die aufdringliche Frage. «

    »Schon gut«, versetzte der Gambler. »Mein Name ist Holliday.«

    Für den Bruchteil einer Sekunde war ein Aufleuchten in den Augen des Texaners. Aber es erlosch im gleichen Moment. »Ich heiße Mordock, Mister Holliday.«

    Da erhob sich Dan Ellington von seinem Stuhl. Er mußte sich an der Lehne halten, um das Gleichgewicht zu bewahren. Mit schweren Schritten kam er an den Tisch der beiden Männer. Der Railroader war dem Gespräch so weit gefolgt, wie es ihm möglich war. Aber der Name Holliday hatte ihn elektrisiert.

    Jetzt endlich wußte er, woher er dieses kalte Gesicht kannte: aus Las Animas und Pueblo!

    »Darf ich mich auch zu Ihnen setzen?« fragte er mit schwerer Zunge. »Mit dem alten Townmayor kann man sich ja nur noch über Särge unterhalten.« Dann lachte er, als habe er einen guten Witz gemacht.

    Mordock warf Holliday einen fragenden Blick zu, dann wies er mit der Hand auf einen freien Stuhl.

    »Ich habe nichts dagegen.« Und zu Holliday gewandt, fuhr er fort: »Das ist der Stationmaster von McAlester…«

    Ellington fiel ihm ins Wort. »War«, sagte er gedehnt.

    »Oder war«, meinte Mordock ärgerlich. Ihm paßte die Unterbrechung gar nicht.

    Der Railroader blickte Holliday aus trüben Augen an. Weshalb er sich dazu entschloß, seine Wahrnehmung nicht zu verraten, wußte er im Moment selbst nicht. »Wo kommen Sie denn her?« fragte er plump.

    Der Georgier sah, daß der Mann angetrunken war. Er nahm ihm seine Art nicht übel. Außerdem glaubte er, den Grund für dessen Verbitterung zu kennen: Der Mann hatte seinen Posten verloren, weil die Bahnlinie eingestellt worden war. »Ich komme aus dem Norden«, gab er gutmütig zurück.

    »Sie kommen also aus dem Norden«, begann Ellington etwas fester. Er hatte die Absicht, den Georgier auszuhorchen. »Dieser verdammte Norden«, fuhr er in Gedanken fort. »Da irgendwo muß der Zug verschwunden sein. Einfach spurlos verschwunden.«

    Der Georgier wurde aufmerksam. Waren diese Männer tatsächlich ahnungslos? Wußten sie nicht, was am Canadian River geschehen war?

    »Haben Sie denn keine Spuren gefunden?« fragte er vorsichtig. »Es kann doch nicht einfach ein ganzer Zug verschwinden.«

    Ellington lachte schleppend. »Das haben wir auch gedacht, Mister. Aber er ist weg, einfach fort und nicht mehr aufzufinden. Eine tonnenschwere Lok und drei Waggons.«

    Der Georgier sah keine Veranlassung, die Männer länger über den Verbleib des Zuges im Ungewissen zu lassen. »Ich kann Ihnen sagen, wo der Zug geblieben ist«, sagte er ohne Pathos.

    Diese Worte schlugen wie eine Bombe im neuen Saloon von McAlester ein. Dan Ellington verdrehte die Augen, wischte mit dem Handrücken darüber und war dann vollkommen nüchtern.

    Robby Mordock kniff auf seine Art die Augen zusammen. Dann öffnete er die Lippen spaltbreit und fragte: »Haben wir Sie richtig verstanden, Mister Holliday? Sie wissen, wo der Zug geblieben ist?«

    Der Georgier nickte. »Ich war dabei, als das Unglück geschah.«

    Im Saloon hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so ruhig war es bei diesen Worten geworden.

    Der Railroader hatte sich von der ersten Überraschung erholt. Die geballten Arbeitsfäuste lagen vor ihm verkrampft auf dem Tisch. »Sie waren also im Zug? Und wo sind die anderen Männer geblieben?«

    »Ich war nicht im Zug. Ich habe die Katastrophe nur beobachtet. Es war an der Brücke, die über den Canadian River führte. Die Gleise waren verlegt. Der Zug ist in den Fluß gestürzt.«

    Es klang so einfach, sachlich und nüchtern, aber trotzdem ging ein kalter Hauch des Grauens durch den Saloon. Selbst die Banditen konnten sich dem Entsetzen nicht verschließen, das den Schankraum bis in den letzten Winkel auszufüllen schien.

    Robby Mordock hatte sich erstaunlich schnell gefaßt. »Konnten Sie denn noch helfen? Vielleicht irgend jemanden retten, Mister Holliday?«

    Der Georgier schüttelte kurz den Kopf. »Der Fluß war viele Yards über die Ufer getreten. Es gab keine Hilfe mehr.«

    »Und woher wissen Sie, daß die Schienen verlegt waren?«

    »Ich habe es gesehen, als ich die Brücke mit meinem Pferd überquerte.«

    Da erhob sich auch Mordock. Sein Gesicht war bleich. Über der Nasenwurzel hatte sich eine steile Falte gebildet. »Haben Sie Zeugen oder… waren Sie allein?«

    Der Georgier sah den Mann etwas verwundert an. Diese Unterhaltung schien ja in ein Verhör auszuarten. »Ich habe Ihnen gesagt, was ich weiß, Mister Mordock«, erwiderte er scharf, dann wandte er sich seinem Brandyglas zu.

    Der Texaner fühlte, daß er sich im Ton vergriffen hatte. »Entschuldigen Sie, Mister Holliday. Aber Sie können sich doch vorstellen, daß diese Nachricht uns buchstäblich überfällt.«

    Holliday gab ihm keine Antwort. Er trank in kleinen Schlucken sein Glas leer und schenkte sich von neuem ein.

    Dan Ellington war so schnell nicht zufriedenzustellen. Voller Aufregung trampelte er vor dem Tisch auf und ab. Es war mehr ein Selbstgespräch, das er begann, aber so laut geführt, daß jeder im Saloon ihn verstehen konnte.

    »Es ging also wieder einmal darum, den Zug, die ganze Oklahoma-Bahn zu vernichten. Kein Überfall, sondern blanker Mord, an den Menschen, an der Gesellschaft und an dem treuen Eisenvehikel. Da soll doch der Teufel reinschlagen. Die Roten haben kein Interesse daran, gewöhnliche Banditen waren es nicht…«, dabei warf er einen vielsagenden Blick auf die Männer an der Theke, »… also bleibt nur noch die Wells Fargo übrig.«

    »Das ist Blödsinn«, fiel Mordock grob ein. »Mit solchen Mitteln würde keine amerikanische Gesellschaft arbeiten.«

    »Ha, daß ich nicht lache«, meldete sich der Pockennarbige von der Theke her. »Diese Burschen sind zu ganz anderen Dingen fähig. Sie schicken sogar ihre Agenten los, damit sie sich an Ort und Stelle von der Wirkung ihrer Schandtaten überzeugen können.«

    Das war so offensichtlich auf Holliday gemünzt, daß die Männer im Saloon fast ausnahmslos den Georgier anblickten.

    Der Gambler warf dem Pockennarbigen einen so vernichtend kalten Blick zu, daß der Mann sofort den Kopf zwischen die Schultern zog.

    In diesem Moment schlurfte aus einer Saloonecke der greise Townmayor heran. Sein seniler Geist brauchte immer etwas länger, um das Gehörte zu verarbeiten.

    »Ich werde morgen ein Schreiben an die Regierung der Staaten verfassen und den Senat um Hilfe bitten. So geht es auf keinen Fall weiter. Good evening, Gents.« Damit verließ der Alte den Schankraum, um auf dem schnellsten Weg nach Haus zu eilen.

    Das Dazwischentreten des Townmayors hatte die Spannung gelöst.

    Ritchy Brand hütete sich, noch ein weiteres Wort zu sagen. Er hatte seine Giftpillen ausgelegt und konnte jetzt in Ruhe auf die Wirkung warten.

    Dan Ellington hatte seinen Trott immer noch nicht aufgegeben. Wie ein Bär stampfte er hin und her. Er sah etwas abgenutzt und müde aus.

    »Also haben sie die Gleise in der Nacht wieder repariert«, brummte er vor sich hin. »Ich werde morgen noch mal hinausfahren, vielleicht finde ich doch etwas.«

    Mordock hatte sich wieder an den Tisch gesetzt. Sein Gesicht war unzufrieden und grau. »Werden Sie in der Stadt bleiben?« fragte er Holliday.

    »Ich wollte den Regen abwarten«, erwiderte der Georgier. Er hatte kein Interesse mehr an einem Gespräch. Außerdem war er müde und sehnte sich seit Tagen nach einem weichen Bett. Er erhob sich, grüßte die beiden Männer kurz und trat an die Theke. »Kann ich ein Zimmer haben?« fragte er den Keeper.

    Der Mann nickte und reichte dem Gambler einen Schlüssel.

    Holliday verließ den Saloon und ging nach oben. Er fühlte die neugierigen Blicke, die sich in seinen Rücken bohrten. Aber auch das war er gewohnt. An den Gunfight am kommenden Morgen dachte er bereits nicht mehr.

    *

    Der neue Tag kroch wie ein graues Gespenst über die Stadt. Das fahle Licht vermochte kaum die Zimmer zu erhellen. Die Feuchtigkeit kroch durch alle Ritzen und nistete sich in Betten und Kleider ein.

    An diesem Morgen waren die meisten Bürger auf den Beinen. Der bevorstehende Gunfight hatte sich überall herumgesprochen. Solche Kämpfe übten immer einen gewissen Reiz aus, dem sich kaum ein Mann entziehen konnte.

    Doc Holliday kam kurz vor acht in den Saloon und bestellte sich beim Keeper einen Kaffee. Der Georgier machte einen ausgeruhten Eindruck. Ihm war nicht die geringste Aufregung anzumerken.

    Auch Robby Mordock und Ellington hatten sich eingefunden. Sie standen schon an der Theke, als Holliday nach unten gekommen war.

    Der Railroader war weniger aus Neugier gekommen, er hatte andere Sorgen, die angesichts eines bevorstehenden Revolverkampfes direkt absurd anmuteten.

    »Mister Holliday«, überfiel er den Georgier sofort. »Sie waren der einzige Zeuge des Unglücks. Ich kann es einfach nicht dulden, daß Sie sich jetzt erschießen lassen. Sie müssen zumindest damit warten, bis die Kommission der Company hiergewesen ist. Ich werde mit Ihrem Gegner verhandeln und dafür sorgen, daß der Kampf solange aufgeschoben wird.«

    Holliday konnte ein Lachen kaum unterdrücken. »Ich bin noch nicht tot«, sagte er nur, aber es klang so selbstsicher, daß Mordock den Kopf schüttelte.

    »Sie haben es mit abgefeimten Banditen zu tun, Mister Holliday«, gab er zu bedenken. »Und Sie müssen damit rechnen, daß sie Ihnen eine Falle stellen.«

    »Das weiß ich«, erwiderte Holliday wie nebenbei.

    Da fuchtelte der Railroader mit den Händen in der Luft herum. Plötzlich hatte er die Wells Fargo Company vergessen. Er sah in dem Georgier nur noch den einzigen Zeugen des Bahnunglücks.

    »Ich werde mit nach draußen gehen.« Dann stieß er seinen Zeigefinger energisch in Mordocks Brust. »Und Sie werden auch mitgehen!« bestimmte er. »Wir stehen neben diesem Mister Holliday und werden die Augen offenhalten, und der Teufel soll mich frikassieren, wenn die Burschen zu einem faulen Schuß kommen sollten.«

    Doch dann fiel ihm plötzlich Las Animas und Pueblo ein und all das, was man sich sonst über den berühmt-berüchtigten Gunfighter Doc Holliday erzählte.

    Ein stilles Grinsen ging über das Gesicht des Railroaders. Mit diesem kalten Burschen wurden auch diese Banditen nicht fertig – und wenn sie gleich in einem ganzen Rudel auf der Mainstreet auftauchen sollten.

    Dan Ellington hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Er hatte das Für und Wider erwogen und war dann zum zweitenmal endgültig zu dem Schluß gekommen, daß Holliday mit den Zugunglücken in Verbindung zu bringen war. Daß der Georgier zufällig am Canadian River gewesen sein wollte, als die Bahn in den Abgrund stürzte, kam ihm zu merkwürdig vor.

    *

    Ed Lassen stand mitten auf dem Fahrdamm. Seine Texasboots waren bis zu den Knöcheln im Schlamm versunken. Breitbeinig und selbstbewußt stand er da. Das Schmirgelgesicht war siegessicher.

    Im Haus der Banditen hatte sich Callister von seinen Männern ans Fenster tragen lassen. Sie standen geschlossen hinter ihrem Boß, um die Straße und den Kampf zu beobachten.

    Callister wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger. Sollte er nicht doch seine Männer hinausschicken, um Lassen zu helfen?

    Doch es war zu spät. Drüben vor der Pendeltür des Saloons erschien bereits der Fremde.

    Der Bandit musterte den Mann zum erstenmal bewußt. Am vergangenen Abend war alles zu schnell gegangen.

    Callister fühlte ein kaltes Rieseln zwischen den Schulterblättern, als er die dunkle Gestalt des Strangers gegenüber auf den Stepwalkstufen sah.

    Holliday gab sich keineswegs so großspurig und pathetisch wie Ed Lassen. Man hätte den Eindruck haben können, er sei nur aus dem Saloon gekommen, um nach dem Wetter zu sehen.

    Aber Freddy Callister ließ sich nicht täuschen. Dort drüben stand ein Mann, der nicht zum erstenmal einen Revolverkampf auszufechten hatte. Ein Mann, der es verstand, mit seinen Colts umzugehen.

    Plötzlich war es Freddy Callister klar, wie dieser Kampf enden würde. Vielleicht waren Callister und Dan Ellington die einzigen Männer, die diesen Ausgang voraussahen, die anderen gaben dem Georgier gegen den Banditen keine Chance.

    Doc Holliday stieg die Vorbaustufen hinunter. Er warf einen Blick auf die verschlammte Straße und blieb vor dem Gehsteig stehen.

    Zwischen den Gegnern lagen fünfundzwanzig Yards, ein weiter Weg, wenn man durch den Schlamm waten mußte, aber für eine Kugel war diese Distanz keine Entfernung.

    Ed Lassen lachte höhnisch, als er sah, daß Holliday nicht auf die Mitte des Fahrdamms trat. »Du willst dir wohl die Schuhe nicht schmutzig machen, Boy?« meinte er höhnend und bleckte grinsend sein nikotingelbes Gebiß. »Damned, eigentlich ist es auch schade um deinen Anzug. Willst du nicht wenigstens die Jacke ausziehen, bevor du in der Brühe liegst?«

    Der Georgier reagierte auf das Gewäsch des Banditen mit keinem Wort. Die meisten Männer legten ihm das als Feigheit aus, aber sie nahmen ihm seine Haltung nicht übel. Niemand von ihnen hätte jetzt in den Stiefeln des Fremden stecken mögen.

    Holliday schlug mit den flachen Händen die dunklen Rockschöße zurück. Die beiden tiefhängenden elfenbeinbeschlagenen Colts wurden sichtbar.

    Für einen kurzen Moment wurde der Bandit stutzig. Dieser Stadtfrack trug zwei Colts? In dem Trubel am vergangenen Abend mußte ihm das entgangen sein. Aber dann schüttelte er die aufkommende Besorgnis von sich ab. Angabe, nichts als Angabe, beruhigte er sich. Es gab viele Männer, die zwei Revolver trugen und noch nicht einmal mit einem umzugehen verstanden.

    »Hübsches Spielzeug hast du da an den Beinen baumeln, Brother«, meinte er und verzog dabei die Mundwinkel nach oben. Aber das Grinsen gelang ihm diesmal nicht ganz. »Kannst du denn auch mit den polierten Eisen umgehen?«

    Doc Holliday gab zum erstenmal eine Antwort. »Vielleicht ist es besser, Sie reden nicht so viel.«

    »Hört, hört!« keifte Lassen. »Er hat zwar die Hosen voll, aber er kann noch reden.«

    Der Georgier mußte sich überwinden, weiterzusprechen. Aber er wollte den Versuch nicht unterlassen, diesem Kampf aus dem Weg zu gehen. Zwei Menschen hatten bereits sterben müssen, sinnlos. Sollte dieses verdammte Töten denn jetzt weitergehen?

    »Hören Sie zu, Mister«, begann er leise, »ich sehe keinen Grund, daß wir uns hier gegenseitig abknallen…«

    Weiter kam Doc Holliday nicht. Ed Lassen stieß einen wilden, triumphierenden Schrei aus. »Hab’ ich’s doch gewußt! Kneifen will diese aufgetakelte Hund. Los, hol deine Kanone raus! Ich gebe dir sogar eine Chance; du kannst früher ziehen.«

    Holliday bewegte sich nicht. Seine Hände hingen wie steif am Körper herunter. Die Lippen waren fest geschlossen und blutleer. Er hätte verzweifeln können an diesem verdammten Leben. Weshalb zwang man ausgerechnet immer ihn, den Colt in die Hand zu nehmen und zu töten?

    Dem Banditen riß der Geduldsfaden. Seine Augen waren drohend auf Holliday gerichtet. Er hatte sich die Stelle schon ausgesucht, wo er seinen tödlichen Schuß anbringen wollte. »Ich habe gesagt, du sollst ziehen«, knurrte er.

    Der Georgier öffnete kaum die Lippen. »Zieh, Freund, aber vergiß nicht zu zielen!«

    Das war zu viel für Ed Lassen. Holliday hatte den Mund kaum geschlossen, da lag der Colt schon in der Hand des Banditen. Wie ein Schrei brüllte der Schuß über die Straße.

    Einige der Männer auf dem Gehsteig hatten in diesem Moment die Augen geschlossen, die anderen blickten gebannt auf Holliday.

    Aber der Georgier stand. Er hatte blitzschnell eine halbe Körperdrehung gemacht, aber das war niemandem aufgefallen.

    Ed Lassen hielt den rauchenden Colt in der Hand und blickte den Georgier abwartend an. Sein Mund war gespalten, und hinter den stumpfen Zähnen gähnte ein dunkles Loch.

    Plötzlich schrie er wie ein Besessener: »Nun fall doch endlich um, verdammter Hund!«

    Aber der Georgier tat ihm nicht den Gefallen.

    Er blieb stehen und blickte seinen Gegner gelassen an.

    Inzwischen hatten auch die Männer auf den Gehsteigen bemerkt, daß der Fremde der ersten Kugel entgangen war. Aber weshalb blieb er stehen, warum schoß er nicht?

    »Knall ihn doch ab!« schrie einer mit sich überschlagender Stimme.

    Dieser Ruf brachte den Banditen wieder zu sich. »Du bist also zu feige, deine Colts zu ziehen, Boy?« krächzte er. Seine Stimme war plötzlich heiser geworden. »Dann werde ich dich so abknallen!«

    Langsam hob er seinen Revolver und zielte umständlich und genau.

    Dann fiel ein Schuß. Es war ein peitschender, harter Knall. Auf Holliday achtete niemand, und so wußte auch im ersten Moment keiner, wer geschossen hatte.

    Es war den Männern auf den Gehsteigen auch nicht klar, weshalb Ed Lassen plötzlich die Arme in die Luft warf, einen gurgelnden Schrei ausstieß und dann wie von einer Riesenfaust geschleudert, rückwärts in den Schlamm der Straße stürzte.

    Als sie ihre Köpfe wie mechanisch auf Holliday richteten, konnten sie nur noch sehen, wie der Georgier die Gehsteigstufen hochstieg. Er hatte keinen Colt in der Hand und machte den Eindruck, als habe er mit alledem nichts zu tun, was hier auf der Mainstreet geschehen war.

    Nur wenige Männer hatten das Ende des Revolverkampfes wirklich verfolgt.

    Und zu diesen Männern gehörte der Banditenboß Freddy Callister.

    Als der letzte Schuß gefallen war, hatte er einen dumpfen Laut ausgestoßen. »Ich habe es kommen sehen«, keuchte er atemlos hervor. »Dieser Idiot hat sich bluffen lassen. Verdammt möchte ich sein, wenn dieser Bursche nicht ebenso gut schießt wie Wyatt Earp.«

    Der Bandit hatte seine Verwundung vollkommen vergessen. Wütend schlug er mit der Faust aufs Fensterbrett.

    »Jetzt liegt er da und dann sein großes Maul nicht mehr öffnen. Läßt sich von der Hüfte heraus abschießen wie ein Kaninchen!« Dann wandte er sich an die ihm noch verbliebenen Männer: »Wenn wir diese Scharte nicht auswetzen, dann können wir unsere Decken hinter die Sättel schnallen und verschwinden.«

    »Vielleicht ist es besser, wir verschwinden für eine Weile, Boß«, meinte einer der Männer, den sie Ali nannten, weil er einen unmöglichen Türkenschnurrbart trug.

    Callister fuhr herum. »So ungefähr habe ich mir das vorgestellt. Wir bleiben, und das ist mein letztes Wort! Los, schafft Lassen von der Straße, dann reden wir weiter.«

    *

    Es war am 2. Oktober, als die Wolkendecke auseinanderriß und die letzten Regentropfen unter den Strahlen einer glutheißen Sonne verdampften.

    Es war an einem Morgen. Innerhalb von wenigen Stunden war der Schlamm der Mainstreet zu einem Mosaik von steinharten Lehmbrocken erstarrt.

    In McAlester hatte sich in den wenigen Tagen vieles geändert. Zwei Drittel der Häuser standen leer, öde starrten die gardinenlosen Fenster auf die Straße, die Türen waren zusätzlich

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1