Wyatt Earp 121 – Western: Kampf am Lue Lon
Von William Mark
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Siebenunddreißig Meilen westlich der Banditenanstalt Naco lag Marcart, eine graubraune Kistenholzstadt mit drei Dutzend Häusern, ebensovielen Stallungen, einigen Scheunen, einer neuen City Hall und einer römisch-katholischen Kirche.
Die Menschen von Marcart stammten aus Schottland, genauer gesagt, von der Insel Skye. Nur ganz wenige hier kamen aus Arizona.
Die kleine Stadt direkt an der mexikanischen Grenze hatte bis zu diesem Tag den offenen und versteckten Angriffen der Galgenmänner-Bande standgehalten. Es wurmte den Anführer der Verbrecher-Crew längst, daß er bisher vergeblich versucht hatte, dies zähe Bollwerk zu erobern.
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Wyatt Earp 121 – Western - William Mark
Wyatt Earp –121–
Kampf am Lue Lon
Roman von William Mark
Siebenunddreißig Meilen westlich der Banditenanstalt Naco lag Marcart, eine graubraune Kistenholzstadt mit drei Dutzend Häusern, ebensovielen Stallungen, einigen Scheunen, einer neuen City Hall und einer römisch-katholischen Kirche.
Die Menschen von Marcart stammten aus Schottland, genauer gesagt, von der Insel Skye. Nur ganz wenige hier kamen aus Arizona.
Die kleine Stadt direkt an der mexikanischen Grenze hatte bis zu diesem Tag den offenen und versteckten Angriffen der Galgenmänner-Bande standgehalten. Es wurmte den Anführer der Verbrecher-Crew längst, daß er bisher vergeblich versucht hatte, dies zähe Bollwerk zu erobern.
Jim McIntyre, der vierschrötige rußige Mann an der Schmiedeesse, war seit sieben Jahren Bürgermeister von Marcart. Er stand mit dem kleinen hageren Jesse Hillard in der Werkstatttür und stieß einen Fluch durch die Zähne:
»Damned! Soweit ist es also schon gekommen, daß man in Tucson unser armseliges Nest nur deshalb erwähnt, weil es noch keine Festung der Galgenmänner geworden ist.«
Jesse Hillard hatte seinen zerschlissenen, abgegriffenen Filz vom Kopf genommen und fuhr sich durch sein kurzes stoppeliges Grauhaar. »Ja«, krächzte er, »es ist eine Schande!« Er faltete das Zeitungsblatt mit der Notiz über Marcart zusammen, schob es in die Tasche, öffnete mit der Linken die Jacke und polierte den jetzt zum Vorschein kommenden großen sechskantigen Stern, ohne sich dessen bewußt zu sein.
Jesse Hillard war ebensolange Sheriff von Marcart, wie McIntyre dort Mayor. Es waren keine Sonnenjahre voller Stille und Zufriedenheit, die hinter den beiden Männern lagen, die ganz sicher nicht. Aber die Stadt hatte doch alle Gefahren abwehren können.
Lange Zeit hatten ihnen die Indianer schwer zu schaffen gemacht. Kein Geringerer als der berüchtigte Apachenchief Geronimo hatte die Stadt dreimal bedroht und zweimal angegriffen. Damals war Marcart noch sehr klein und zählte kaum ein Dutzend Häuser. Mit blutigen Nasen war die rote Herde von McIntyre und Hillard heimgeschickt worden.
Dann war Blesse Ivoogar gekommen mit seinen Boys. Er hatte böse in der Town gehaust, aber schließlich hatten ihn McIntyre, Hillard und die Leute des Aufgebots doch so schwer angeschlagen, daß er aufgab und verschwand.
Burt Fortsyde allerdings kam nicht von sonstwoher, sondern aus Marcart. Ein Bursche aus der Stadt, ein hemmungsloser Trinker und gewalttätiger Mann, hatte im Oktober 1877 zwei Männer niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt. Da streckte ihn Hillard in einem mörderischen Gunfight vor der Kirche nieder.
Sie weinten nicht um ihn, aber es gab auch niemanden, der glücklich darüber gewesen wäre; war er doch einer der ihren gewesen, der unselige Burt Fortsyde, dessen Grab auf dem Boot Hill noch heute zu jedem Allerseelentag von Unbekannten geschmückt wird.
Die schlimme Gefahr für die kleine Stadt hatte aber doch die Clanton Gang gebildet. Nicht, daß sich die Bürger von Marcart den Banditen damals angeschlossen hätten, aber ganz in der Nähe der Stadt führte der Trailweg vorbei, auf dem die Viehdiebe die in Mexiko gestohlenen Rinder forttrieben. Die Nachbarschaft dieser Trecks war eine große Gefahr für die Schottenansiedlung. Doch die Bürger von Marcart hatten sich in eisiger Abwehr wie eine Mauer gegen die Clantons gestellt, ohne daß ihnen je recht bewußt wurde, daß Ike Clanton zu keiner Zeit besonderes Interesse an der Stadt gehabt hatte.
Und jetzt grassierte eine Seuche im Land: Die Galgenmänner. Eine Bande, die gar nicht so wild und wüst schien, deren Gift aber schleichend und deshalb um so gefährlicher war.
Der geheime Anführer der Graugesichter gedachte jedoch nicht, auf die Stadt zu verzichten. Er wollte auch hier einen Stützpunkt haben. Und sei es nur, um die allgemeine Angst der Bevölkerung zu seinen Zwecken ausnutzen zu können.
Aber es war bis zu diesem Tag unmöglich gewesen, einen Spion in dieses schottische Bollwerk zu schleusen. Was dem Chief sogar in Tombstone geglückt war – hier in dem kleinen Marcart wollte es ihm nicht gelingen.
So hart er von dem Marshal Earp bedrängt wurde, und obgleich er in Tombstone selbst nur um Haaresbreite entgangen war, hielt der Big Boß der Desperados an dem Plan fest, in die kleine Grenzstadt einen Vorposten seiner Bande zu setzen.
Es war der 11. Januar 1884.
Die Stadt hat dieses Datum nie vergessen. Es stand in ihren Annalen, bis der große Brand sie fast dreiundzwanzig Jahre später, kurz nach der Jahrhundertwende vom Erdboden wegfegte wie ein Staubkorn.
Am Morgen dieses 11. Januar war eine strahlende Sonne über der Stadt aufgegangen und warf in die breite Mainstreet orangerote Strahlenbündel, deren Licht bis in die verborgensten Winkel reichte.
Von Nogales her kam die Overlandpostkutsche, die bei der Pferdewechselstation Lockiel, kurz vor Marcart, halt machte.
Der Stationshalter war ein alter Mann in den Siebzigern, mit martialischem Schnauzbart, wettergebräuntem Gesicht und wachen, hellen Augen. Er warf einen kurzen Blick in den Wagen und sah nur einen einzigen Mann.
Der Fahrgast war groß, hager, hatte graue Augen in einem blassen Gesicht. Es war kein sehr angenehmes Gesicht, aber nicht gerade auffällig. Ein weißes Hemd ließ die gipsfarbene Haut noch blasser erscheinen, und der schwarze Anzug steigerte den Eindruck, vielleicht ungewollt.
Der alte Braddock kniff das linke Auge ein und krächzte:
»Schöner Tag heute, Mister.«
Der Fremde nickte mit einer seltsam hölzernen Bewegung.
»Ja, ja«, sagte er mit einer heiseren, hohlen Stimme.
»Wollen Sie noch weit?«
»Nein, nicht sehr.«
»Jetzt kommt gleich Marcart, das Schottennest.«
»Aha.«
Braddock merkte schon, daß mit dem Fremden in kein Gespräch zu kommen war. Er wandte sich ab, spie vor Ärger den noch nicht völlig ausgelaugten Priem aus und blickte sich nach dem Kutscher um.
»He, Bill, vorwärts, schirr die Schinder aus! Ich hole die Wechselgäule.«
Der Mann im Wagenfond gönnte dem Vorgang des Pferdewechselns keinen Blick. Es war zwar nichts Besonderes, dieses Bild auf den Wechselstationen, aber die Passagiere sahen doch im allgemeinen das Aus- und Einschirren als Abwechslung in der Eintönigkeit ihrer oft endlosen Fahrt an.
Nun war wieder alles soweit.
Der Driver stieg auf den Kutschbock und stieß mit vollen Backen einen kehligen Schrei aus, der die Pferde augenblicklich in Bewegung setzte. Die Overland zog an. Bald war sie in einer Staubwolke verschwunden.
Nur eine Dreiviertelstunde weiter östlich lag Marcart. Es war genau halb zehn, als die Overland mit kreischenden Bremsen vor dem Post Office hielt.
Joe McPhee nickte dem träge absteigenden Fahrer müde zu und winkte dem schmalbrüstigen rothaarigen Clerk, daß er den Postsack bringen sollte.
Er war fast leer, wie meistens, der Postsack, den Marcart mitzugeben hatte. Es kam immer mehr Post, als abging.
»Geizhälse, diese Schotten«, knurrte der Overlandkutscher in sich hinein, als er auf Dan O’Keefes ›Whiskyparadies‹ zuschlenderte, wo er sich im schönen Rhythmus der Gewohnheit stets einen doppelten Drink genehmigte. Diese Gewohnheit hatte der Driver übrigens nicht nur in Marcart – aber in dieser Stadt gab es den besten Scotch. Kein Wunder bei der Herkunft ihrer Einwohner.
Der Posthalter warf einen Blick in das Wageninnere – und erschrak. Dabei sah er nichts weiter als einen Rücken. Einen schwarzen, hageren Männerrücken, der auf eigenartig ruckhafte Weise auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Wagen zu rutschen schien.
Der Fremde stieg aus. Nicht da, wo jedermann ausstieg, an der Rampe der Posthalterei, sondern auf der Straßenseite. Den tiefen Abstieg vom Trittbrett schien er nicht zu scheuen.
McPhee fuhr sich durch den Kragen.
Was war denn los? Hatte er noch keinen Passagier gesehen, der auf der falschen Seite ausstieg? Nein – der Rücken des Mannes hatte ihn tatsächlich erschreckt.
Langsam ging er am Wagen vorbei und warf einen forschenden Blick auf den Fremden, der jetzt leicht vornübergebeugt auf Pat O’Neils City Hotel zuging.
Wie er ging! Er hatte einen merkwürdig stelzenden, staksigen Gang, so als habe er vierzehn Tage in dieser Kutsche gesessen und fühle jetzt erst wieder Boden unter seinen Stiefeln.
McPhee war so vertieft in den Anblick des Fremden, daß er zusammenschrak, als ihn der rothaarige Clerk anstieß und meinte:
»Es sind fünf Briefe dabei, Boß.«
Der Posthalter blickte in das einfältige Gesicht des Burschen und brüllte ihn unbeherrscht an:
»Ja, doch, du Hammel. Verschwinde ins Office, ich komme gleich. Niemand hat dich beauftragt, die Post täglich zu zählen, du Büffel!«
Der Clerk schien solche Anwürfe von dem sonst wortkargen McPhee nicht gewöhnt zu sein, fuhr sich verstört mit seiner riesigen Hand über das gerötete Gesicht und schlurfte dann ins Haus zurück.
McPhee wandte den Kopf – und hatte Augen und Mund vor Verblüffung weit offenstehen. Denn der Fremde war von der Straße verschwunden!
Unmöglich konnte er das Hotel schon erreicht haben.
Der Posthalter