Dr. Laurin 66 – Arztroman: Ich sage nein zu der OP
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
Mit sehr ernsten Blicken betrachtete Dr. Leon Laurin die Patientin, die nun, nachdem er sie eingehend untersucht hatte, wieder vor seinem Schreibtisch saß.
Christine Böhm, vierzig Jahre, Mutter von drei Kindern, seit zwanzig Jahren verheiratet, hatte immer, wenn sie zu ihm kam, auf ihn den Eindruck einer schüchternen Frau gemacht.
Dr. Leon Laurin war ein erfahrener Frauenarzt. Er wusste, dass eine bestimmte Art von Frauen nie die Scheu verlor, einen Gynäkologen aufzusuchen, selbst wenn sie schon ein paar Kinder zur Welt gebracht hatten. Das lag nicht nur an der Erziehung, das lag einfach im Wesen begründet, denn selbst moderne Mädchen der Gegenwart gab es, die da keine Ausnahme bildeten.
Er gehörte zu jenen selten gewordenen Gynäkologen, die dafür Verständnis aufbrachten, der behutsam, taktvoll und vorsichtig war. Aber die Psyche mancher Frau war nicht zu erforschen, wenn sie nie ein Wort über ihre Ehe, ihren Ehemann äußerte.
Vielleicht hätte er einen anderen Kontakt zu Christine Böhm gefunden, wenn sie ein Kind in seiner Klinik zur Welt gebracht hätte, aber die Böhms wohnten erst drei Jahre in dem Nachbarort, und da waren Christine Böhms Kinder schon fünfzehn, zwölf und neun Jahre alt gewesen, als Helmut Böhm Abteilungsleiter in der Möbelfabrik wurde, die Lukas Jakobsen gehörte.
Von diesem Helmut Böhm konnte Dr. Laurin sich keine Vorstellung machen. Nicht ein einziges Mal hatte seine Frau über ihn gesprochen.
»Sie haben mit Ihrem Mann gesprochen?«, tastete er sich langsam vor. »Ich rate nicht zu einer Operation, wenn ich sie nicht für sehr dringlich halte und wenn sie vermeidbar wäre.«
»Ja, ich weiß
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Buchvorschau
Dr. Laurin 66 – Arztroman - Patricia Vandenberg
Dr. Laurin
– 66 –
Ich sage nein zu der OP
Patricia Vandenberg
Mit sehr ernsten Blicken betrachtete Dr. Leon Laurin die Patientin, die nun, nachdem er sie eingehend untersucht hatte, wieder vor seinem Schreibtisch saß.
Christine Böhm, vierzig Jahre, Mutter von drei Kindern, seit zwanzig Jahren verheiratet, hatte immer, wenn sie zu ihm kam, auf ihn den Eindruck einer schüchternen Frau gemacht.
Dr. Leon Laurin war ein erfahrener Frauenarzt. Er wusste, dass eine bestimmte Art von Frauen nie die Scheu verlor, einen Gynäkologen aufzusuchen, selbst wenn sie schon ein paar Kinder zur Welt gebracht hatten. Das lag nicht nur an der Erziehung, das lag einfach im Wesen begründet, denn selbst moderne Mädchen der Gegenwart gab es, die da keine Ausnahme bildeten.
Er gehörte zu jenen selten gewordenen Gynäkologen, die dafür Verständnis aufbrachten, der behutsam, taktvoll und vorsichtig war. Aber die Psyche mancher Frau war nicht zu erforschen, wenn sie nie ein Wort über ihre Ehe, ihren Ehemann äußerte.
Vielleicht hätte er einen anderen Kontakt zu Christine Böhm gefunden, wenn sie ein Kind in seiner Klinik zur Welt gebracht hätte, aber die Böhms wohnten erst drei Jahre in dem Nachbarort, und da waren Christine Böhms Kinder schon fünfzehn, zwölf und neun Jahre alt gewesen, als Helmut Böhm Abteilungsleiter in der Möbelfabrik wurde, die Lukas Jakobsen gehörte.
Von diesem Helmut Böhm konnte Dr. Laurin sich keine Vorstellung machen. Nicht ein einziges Mal hatte seine Frau über ihn gesprochen.
»Sie haben mit Ihrem Mann gesprochen?«, tastete er sich langsam vor. »Ich rate nicht zu einer Operation, wenn ich sie nicht für sehr dringlich halte und wenn sie vermeidbar wäre.«
»Ja, ich weiß das jetzt. Ich habe darüber lange nachgedacht, Herr Doktor«, sagte sie mit leicht zittriger Stimme, »aber mein Mann …« Sie geriet ins Stocken.
Dr. Laurin ergriff ihre Hände. »Sie müssen mir vertrauen, Frau Böhm, sonst kommen wir zu keiner Lösung«, sagte er eindringlich. »Sie sind doch schon ziemlich lange verheiratet.«
»Das ist es ja, für ihn zu lange«, erwiderte sie tonlos. »In unserer Ehe stimmte es nur nach außen hin. Er brauchte mich, bis er diese Stellung bekam. Er konnte es sich nicht leisten, sich von mir zu trennen, weil wir zum großen Teil vom Erbe meiner Eltern lebten. Sie denken jetzt sicher, dass ich mich reinwaschen will.«
Lautloses Schluchzen war in ihrer Stimme, aber Tränen kamen ihr nicht. Ihre Augen waren leergeweint, das wurde Dr. Laurin jetzt bewusst.
»Nein, das denke ich nicht«, sagte Leon Laurin. »Reden Sie, damit ich mich auf Ihr Seelenleben einstellen kann. Ich muss das, wenn ich Ihnen helfen soll. Sie haben doch Kinder und wollen für diese Kinder leben.«
»Ja, sie brauchen mich noch«, flüsterte sie. »Ich komme morgen früh, wenn Sie Platz für mich haben. Ich werde mit meinen Kindern sprechen. Katja, sie ist erst zwölf, wird mich wohl noch nicht verstehen, aber Ulrike und Thomas sind vernünftig. Sie merken längst, dass bei uns nichts mehr stimmt. Man kann sich nicht Jahre beherrschen. Immer wieder beherrschen und der Umwelt das Bild einer heilen Welt vorgaukeln. Ich will leben, Herr Dr. Laurin, für meine Kinder, und auch für den einzigen Freund, der mir geblieben ist und der mir Mut gemacht hat, mich Ihnen anzuvertrauen.«
Sie zitterte wie Espenlaub.
»Überwinden Sie Ihre Ängste, Frau Böhm«, sagte Dr. Laurin beruhigend. »Ich erwarte Sie morgen.«
Sie nahm aus ihrer großen schwarzen Tasche ein Schulheft. Ein klägliches, verzerrtes Lächeln legte sich um ihren hübschen, weichgeschwungenen Mund.
»Mein Tagebuch«, sagte sie tonlos. »Ich komme morgen früh, aber heute werde ich allen Mut zusammennehmen müssen, um meinen Kindern alles zu sagen.«
Das konnte er ihr nicht abnehmen, aber er sagte aufmunternd: »Ich werde Ihre Kinder hoffentlich bald kennenlernen.«
Sie blickte zu Boden. »Sie stehen zwischen ihrer Mutter und ihrem Vater. Ich weiß nicht, für wen sie sich entscheiden werden, aber ich weiß, dass sie über kurz oder lang ihre Mutter doch brauchen würden.«
Er nahm das Büchlein aus ihrer Hand, die er dann mit warmem Griff umschloss.
Sie ging mit gesenktem Kopf, eine schlanke hübsche Frau, ziemlich groß, mit auffallend schönen langen Beinen.
Er hatte jetzt keine Zeit, in dem Heft zu lesen, auf das viele Tränen niedergefallen zu sein schienen, wie manche Flecken verrieten. Aber er wollte es in jedem Fall lesen, bevor er die Operation ausführte.
*
Auf Christine Böhm wartete ein Mann in einem Auto. Es war nicht Helmut Böhm. Es war Dr. Albrecht Angerburg, der vor dreiundzwanzig Jahren Christines Jugendfreund und Tanzstundenherr gewesen war.
Einer jener seltsamen, schicksalhaften Zufälle, die nicht zu erklären waren, hatte sie zusammengeführt, nachdem sie sich viele Jahre völlig aus den Augen verloren hatten.
Dr. Angerburg war der Rechtsanwalt von Lukas Jakobsen. Er wohnte sozusagen nur um die Ecke von jenem Haus, das Helmut Böhm mit seiner Familie bezogen hatte.
Dennoch waren acht Monate vergangen, bis Dr. Angerburg und Christine Böhm sich in dem kleinen Vorort von München, in dem sie beinahe Zaun an Zaun wohnten, wiedertrafen.
Dr. Angerburg lebte völlig zu-rückgezogen. Er lebte nur für seine Arbeit und seinen kleinen Sohn Alexander. Seine Mutter führte ihm den Haushalt. Er war einer der ganz wenigen Menschen, dem Lukas Jakobsen verzieh, dass er sich von seiner Frau hatte scheiden lassen, denn er trug nicht die geringste Schuld an dieser Trennung.
Christine hatte nicht gleich erfahren, welches Schicksal ihren Jugendfreund zu einem Eigenbrötler gemacht hatte. Erst seine Mutter, die sich noch gut an die reizende junge Christine erinnern konnte, die als fröhliche Tochter gut situierter Eltern mit ihrem ebenso lebensfrohen Sohn auf dem Tanzstundenball den Kaiserwalzer tanzte, hatte ihr seine Geschichte erzählt.
Sein Vater war sehr früh gestorben. Mit Sorgen belastet blieben Frau und Sohn zurück. Albrecht musste sich sein Studium als Werkstudent verdienen, und erst spät hatte er geheiratet.
Knapp drei Jahre hatte diese Ehe gehalten. Albrecht Angerburg liebte seinen Beruf und seinen kleinen Sohn. Er war viel zu anständig, um auch nur zu vermuten, dass seine Frau ihn betrog.
Christine war das alles unbegreiflich gewesen. Auch in ihrer Ehe stimmte wahrhaftig nicht alles, aber sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, sich von ihrem Mann zu trennen, ihre Kinder einfach zu verlassen.
Es dauerte lange, sehr lange, bis sie mit ihrem Jugendfreund Albrecht über die Konflikte, die auch sie in Gefahr brachten, sprechen konnte. Es war erst zwei Monate nach ihrer ersten Konsultation bei Dr. Laurin gewesen.
Zur Scheidung hatte ihr Albrecht nicht geraten, aber zur Operation.
»Es ist dein Leben, Christine«, hatte er gesagt. »Du musst auch an deine Kinder denken. Wenn dein Mann kein Verständnis für dich hat, ist es schlimm genug.«
Nein, Verständnis hatte Helmut für sie überhaupt nicht gehabt. Nicht erst, seit sie ihm sagte, dass Dr. Laurin ihr zur Operation geraten hatte.
»Nun, Christine?«, fragte Albrecht Angerburg.
»Morgen gehe ich in die Klinik«, erwiderte sie. »›Es ist fünf Minuten vor zwölf‹, hat Dr. Laurin gesagt. Ich möchte mein Testament machen.«
»Du wirst leben, Christine«, beschwichtigte der Mann. »Du musst leben. Ich brauche dich, und deine Kinder brauchen dich auch.«
»Du brauchst mich, Albrecht?«, fragte sie verwundert.
»Ja, Christine. Ich hätte es