Ein Mann in den besten Jahren: Toni der Hüttenwirt 394 – Heimatroman
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"Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser.
Toni kam aus Kirchwalden. Er parkte seinen Geländewagen auf dem Hof vor dem Wirtshaus und der Pension »Beim Baumberger«, die seinen Eltern gehörte. Verwundert schaute er sich um. »Des Auto schaut aus, als wäre es des Vehikel von der Ria«, sagte Toni leise vor sich hin. Mit großen Schritten ging er um das Haus herum und betrat die Küche über die Veranda. »Du bist's wirklich, kleine Schwester!« rief er freudig aus. Toni schloß seine Schwester Maria herzlich in die Arme. »Mei, des ist ja eine Überraschung. Hast die Kinder auch dabei?« »Nein! Die sind bei einer Freundin. Ich bin nur schnell vorbeigekommen, weil es etwas zu erzählen gab, was ich unbedingt sofort loswerden mußte.« Toni warf seinen Eltern einen Blick zu. »Des was die Ria da gehört hat, des mußt dir mal anhören. Des ist ein Schmarrn. Da müssen wir sofort etwas dagegen tun! Ich habe den Fell-bacher schon angerufen.
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Buchvorschau
Ein Mann in den besten Jahren - Friederike von Buchner
Toni der Hüttenwirt
– 394 –
Ein Mann in den besten Jahren
Friederike von Buchner
Toni kam aus Kirchwalden. Er parkte seinen Geländewagen auf dem Hof vor dem Wirtshaus und der Pension »Beim Baumberger«, die seinen Eltern gehörte.
Verwundert schaute er sich um.
»Des Auto schaut aus, als wäre es des Vehikel von der Ria«, sagte Toni leise vor sich hin.
Mit großen Schritten ging er um das Haus herum und betrat die Küche über die Veranda.
»Du bist’s wirklich, kleine Schwester!« rief er freudig aus.
Toni schloß seine Schwester Maria herzlich in die Arme.
»Mei, des ist ja eine Überraschung. Hast die Kinder auch dabei?«
»Nein! Die sind bei einer Freundin. Ich bin nur schnell vorbeigekommen, weil es etwas zu erzählen gab, was ich unbedingt sofort loswerden mußte.«
Toni warf seinen Eltern einen Blick zu.
»Des was die Ria da gehört hat, des mußt dir mal anhören. Des ist ein Schmarrn. Da müssen wir sofort etwas dagegen tun! Ich habe den Fell-bacher schon angerufen. Wir treffen uns morgen mittag alle bei ihm im Rathaus, leider hat er heute keine Zeit. Der Pfarrer kommt und auch der Albert Weisgerber, da er als Sägewerkbesitzer am meisten betroffen ist. Aber net nur er, wir alle. Ich habe gedacht, daß wir Unterschriften sammeln.«
Toni verstand kein Wort.
»Nun mal langsam! Warum regst dich so auf? Sage mir, um was es geht!«
Tonis Vater, Xaver Baumberger deutete auf seine Tochter.
»Ria, erzähle dem Toni genau, was du gehört hast. Ich zapfe inzwischen des Bier.«
Toni setzte sich zu seiner Schwester an den Küchentisch.
»Mir ist da durch Zufall ein Gerücht zu Ohren gekommen.«
»Ein Gerücht? Also, dummes Gerede?« warf Toni ein.
»Jetzt höre erst einmal, was Ria zu erzählen hat!«
Nach und nach erfuhr Toni alles. Seine Schwester Maria, die mit ihrem Mann in der etwas weiter entfernten Stadt lebte, war einkaufen gewesen. Sie hatte in einem der führenden Sportgeschäfte nach einem Trampolin für ihre Kinder gesucht. Dabei traf sie eine ehemalige Nachbarin. Diese erzählte ihr begeistert von der neuen Surf- und Tauchschule, die in Waldkogel eröffnet werden soll.
Toni fing laut an zu lachen.
»So? In Waldkogel soll jetzt gesurft und getaucht werden? Des klingt nach einem Aprilscherz, Ria.«
»Des ist es aber nicht, Toni! Ihr Mann ist in der Werbung tätig. Die Firma, in der er arbeitet, die entwirft schon die Werbung.«
»Vater! Mutter! Habt ihr etwas davon gewußt?«
»Naa! Denkst, ich würde mich sonst so aufregen?«
Toni prostete seinem Vater zu.
Dieser erklärte sofort, daß die Pläne Fellbacher, Weißgerber und Zandler ebenfalls unbekannt waren. Fritz Fellbacher müßte als Bürgermeister etwas davon gewußt haben und Weißgerber und Pfarrer Zandler ebenfalls, da sie im Gemeinderat saßen.
»Da wird ein großes Freizeit-
zentrum geplant«, erklärte Ria. »Die
Idylle an unserem stillen Bergsee wäre dahin. Das würde mir in der Seele weh tun. Da dachte ich mir, ich komme gleich her und frage euch. Was ist mit unserem schmalen Grundstück, das an den Bergsee grenzt?«
»Nix ist damit, Ria! Da stehen Bäume drauf. Die wachsen, und wenn sie in ein paar Jahrzehnten hoch genug sind, dann werden sie gefällt und es wird neu aufgeforstet. Euer Großvater hat damals Bergkiefern angepflanzt. Damals war Holz von Bergkiefern in Mode. Des wurde gern im Möbelbau verwendet. Na ja, zu meiner Lebzeit wird der kleine Wald nimmer abgeholzt, des überlasse ich euch, Ria und Toni, oder euren Kindern!« bemerkte Xaver Baumber-
ger.
»Waldkogel ist ein Bergdorf. Die Touristen sollen herkommen, weil sie die Schönheit und Ruhe der Berge suchen und erleben wollen. Und da gehört der Bergsee dazu. Zum Glück ist er sehr kalt. So kalt, daß selbst im Hochsommer niemand aus Kirchwalden zum Baden kommt«, faßte es Toni zusammen.
Mit einem Schmunzeln erinnerte er sich an seine Kindheit. Da war es eine Mutprobe, wer von den Buben es am längsten im kalten Wasser aushielt.
»Wenn es solche Pläne gibt, dann kommt damit auch Lärm ins Tal. Wenn dann auf dem Bergsee Motorboote rumfahren, dann schallt des Geknatter bis hinauf auf die Berghütte. Naa, naa! Des muß verhindert werden. Außerdem geht es doch gar net so einfach. Da sind doch Genehmigungen erforderlich, denke ich. Vater, was hat der Fritz gesagt?«
»Der weiß von nichts! Der ist aus allen Wolken gefallen. Der hat mich gefragt, ob ich am frühen Morgen etwas getrunken hätte und phantasiere. Des meinte er natürlich nur im Scherz.«
»Ja, wo am Bergsee soll des sein, Ria? Hat deine Bekannte etwas Genaueres gesagt?«
Maria zuckte mit den Schultern.
»Das Ganze ist sehr merkwürdig! Sie war sich sicher, daß es sich bei der Sache um den Bergsee in Waldkogel handelt. Deshalb bin ich auch gleich hergefahren. Ich muß auch wieder zurück.«
Maria stand auf.
Toni hielt seine Schwester fest.
»Bitte, Ria, überlege dir genau, was deine Bekannte erzählt hat. Die kleinste Nebensächlichkeit ist wichtig.«
»Sie ist eine begeisterte Taucherin und freut sich auf die unterirdischen Höhlen, sagte sie. Dabei gibt es doch keine unterirdische Höhlen. Ich sagte ihr, sie müßte da etwas verwechseln. Doch sie bestand darauf, daß es sich dabei um den Bergsee in Waldkogel handelt.«
»Da haben wir’s! Doch, es gibt alte Höhlen, deren Eingänge einige Meter unter Wasser liegen. Die Eingänge wurden mit Eisenstäben gesichert. Des ist damals gewesen, als das neue Wehr gebaut wurde. Da bin ich noch ein Bub gewesen«, erinnerte sich Tonis Vater.
»Es war ein besonders harter Winter mit viel Schnee. Seither habe ich soviel Schnee nimmer erlebt. Dann kam die Schneeschmelze schnell – zu schnell. Die Hauptstraße und ganz Waldkogel stand mehrere Wochen unter Wasser. Alle Keller waren voll und alle Ställe. Schlimm ist des damals gewesen. Die Menschen und das Vieh haben sehr gelitten.«
»Stimmt, Xaver! Ich erinnere mich auch noch! Für uns Kinder war des eine Freud’, wir sind Boot gefahren und haben ›Venedig‹ gespielt«, warf Tonis Mutter ein.
Sie lief ins Wohnzimmer und kam mit einer kleinen Schachtel mit alten Fotos zurück.
»Hier schaut, so war das damals! Dein Großvater hat des alles photographiert. Hier kannst es genau sehen. Des ist die alte Hauptstraße gewesen. Damals war die noch net so wie heute. Die schlängelte sich rauf und runter bis nach Kirchwalden. Hinter Marktwasen war ein Buckel. Da mußte man drüber. Für uns Kinder war des im Winter schön. Da war die Straße eine gute Schlittenbahn. Nur als des viele Wasser kam, dann staute sich das dort vor dem Buckel.«
Xaver nickte seiner Frau zu.
»Dann hat man die Straße umgebaut. Jetzt verläuft sie leicht steigend von Kirchwalden nach Waldkogel. Die Hügel, über die sie vorher gelaufen war, wurden eingeebnet. Um ganz sicher zu sein, daß sich so ein Unglück net wiederholen kann, wurde des Wehr am Ende des Bergsees erhöht.«
»Ah, ich verstehe, Vater! Damit der See die meisten Wassermassen auffangen konnte.«
»Richtig! Es wurde net viel erhöht, nur ein paar Meter. Geplant war, des Wasser im Sommer langsam abzulassen, das im Frühjahr den Wasserspiegel angehoben hatte. Aber es hat nie mehr so viel Schnee geben und irgendwann wurde des Wasser dann nimmer abgelassen. Alle richteten sich darauf ein, und der Bergsee ist so, wie man ihn jetzt kennt.«
Toni trank einen Schluck Bier. Er überlegte.
»Davon wußte ich nichts!«
»Toni, des ist lange her, fünfzig Jahre könnten es bald sein. Ich hab’ dir doch gesagt, daß ich noch ein kleiner Bub war. Es leben nimmer viele, die sich daran noch erinnern können.«
»Der Alois! Ich muß den alten Alois fragen!« sagte Toni leise vor sich hin.
»Richtig, der alte Alois, der ist noch ein Zeitzeuge, Toni. Der kann dir bestimmt viel mehr erzählen als deine Mutter und ich.«
Ria schaute auf die Uhr.
»Tut mir leid! Ich würde gern noch bleiben! Aber ich muß jetzt wirklich fahren, sonst wird mir die Zeit zu knapp. Aber an einem der nächsten Wochenenden komme ich mit der ganze Familie. Dann besuchen wir dich auch auf der Berghütte, Toni. Ich verspreche es dir.«
»Ria, ich nehme dich beim Wort!«
Toni begleitete seine Schwester zum Auto. Er trug ihr die Taschen mit dem frischen Gartengemüse und die Kisten mit Eingemachtem.
»Toni, Mutter denkt, wir verhungern in der Stadt!« blinzelte Ria Toni zu.
»Verhungern tut ihr sicherlich nicht. Aber so gute Sachen könnt ihr nicht im Supermarkt kaufen!«