Süße Zeit der Wunder
Von Carla Kelly
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Über dieses E-Book
Ianthe hat es geahnt: Die glühenden Liebesbriefe ihres Verlobten hat in Wirklichkeit sein Freund Jeremiah Faulk verfasst. Nun ist sie Witwe, und kurz vor Weihnachten steht Jeremiah vor ihrer Tür …
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Historical Saison
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Buchvorschau
Süße Zeit der Wunder - Carla Kelly
IMPRESSUM
Süße Zeit der Wunder erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2009 by Carla Kelly
Originaltitel: „Christmas Promise"
erschienen bei: Harlequin Enterprises, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON, Band 50
Übersetzung: Barbara Kesper
Umschlagsmotive: kostins, ProVectors, Chinnapong / Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2021
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751513401
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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PROLOG
Der lange Krieg war vorüber. Napoleon hatte sich unter Protest auf der Atlantikinsel St. Helena einrichten müssen. Da war es doch gewiss höchste Zeit, dass das Parlament, befreit von den Sorgen des Schlachtenlärms, sich an eine die ganze Bevölkerung betreffende Gesetzesvorlage machte, nämlich an ein Gesetz gegen das Zaudern.
Ich kann nicht die Einzige in England mit Hang zum Aufschieben sein, dachte Ianthe Mears. Sie hockte auf ihrer Bettkante und betrachtete den Inhalt ihres offenen Kleiderschranks und die herausgezogenen Schubfächer ihres Schreibtischs. In den Möbelstücken hatte sich das Treibgut von zehn Jahren angesammelt. Ungeachtet der Tatsache, dass sie keineswegs eine reiche Witwe war. Sie hatte einfach zu viel Zeug angehäuft und hatte es immer wieder aufgeschoben, sich von etwas zu trennen – bis heute, als sie ihren Sachwalter ermächtigt hatte, ihr Haus zum Verkauf auszuschreiben.
Sie musste umziehen. Das Problem war, dass sie ebenfalls aufgeschoben hatte, Jem zu erklären, warum sie erst kürzlich eine Kaution auf eine Mietwohnung im oberen Stockwerk von einem der bescheideneren Speiselokale Torquays hinterlegt hatte. Gewiss, er war erst zehn Jahre alt und betrachtete die Sache als Abenteuer, weswegen er nicht verwundert gewesen war, als sie ihn auf Verschwiegenheit eingeschworen hatte.
„Wenn du nach Plymouth fährst, um Diana heimzubegleiten, sag ihr kein Wort davon", hatte sie gedrängt, als sie ihn auf das Frachtboot, das die Küstenroute fuhr, brachte und ihm außerdem ans Herz legte, Matrosen und anderen zwielichtigen Charakteren aus dem Weg zu gehen. Besser, sie selbst sagte es Diana. Das Haus zu verkaufen ging nämlich einher mit dem nicht so unwichtigen Detail, dass die häuslichen Sparmaßnahmen auch bedeuteten, die weitere Ausbildung für ihre geliebte Tochter in Miss Pyms Mädchenpensionat in Bath würde entfallen.
Wenn sie ihre Kinder erst wieder beide unter ihrem Dach hatte, würde sie ihnen natürlich irgendwann erklären müssen, warum sie sie ihrem bisherigen Heim entrissen und Dianas Internatskarriere – also ihre Studien in Italienisch, feiner Handarbeit und Weltliteratur – ein Ende gesetzt hatte.
Ärgerlich über sich selbst ließ Ianthe sich rücklings auf das Bett fallen, starrte an die Decke und wünschte zum zigsten Mal, ihr möge eine andere Möglichkeit einfallen, wie sie genug Geld für Dianas Mitgift beiseitelegen könnte und auch noch so viel übrig hätte, um Jem eine Lehre bei einem Kaufmann in Torquay oder Plymouth zu verschaffen. Wenn sie nicht jetzt Opfer brachten, würde es für keinen ihrer beiden Lieblinge eine Zukunft geben.
Sie stand auf und steckte diverse Kleider, die längst aus der Mode waren, in eine große Schachtel, bis die alten Uniformen ihres verstorbenen Gatten nicht mehr zu sehen waren. Zehn Jahre war es her, dass er bei Trafalgar gefallen war, und immer noch brachte sie es nicht über sich, die blauen Marineuniformen anzuschauen. Da deckte sie sie besser mit den übrigen Kleidungsstücken zu. Ein zufälliger Beobachter hätte Ianthe Mears Verehrung für ihren dahingeschiedenen Marinehelden – war nicht jeder, der bei Trafalgar dabei war, ein Held? – bedauert, hätte jedoch ihren Konflikt nie verstanden.
Die Jahre hatten den grausamen Schmerz über James’ Tod gemildert; nur gelegentlich entfloh ihr noch der ein oder andere Seufzer. Unmittelbar nach seinem Tod hatte sie nur unter Aufbietung all ihrer Willenskraft ihrem Zorn darüber Schweigen gebieten können, dass ihr Ehemann sie verarmt und mit einem Kind unter dem Herzen zurückgelassen hatte. Eine kurze Weile hatte sie Jim sogar gehasst, bis der Kummer überwog, ein Gram, so wahrhaft, dass er dem forschenden Blick jeder kritischen Matrone standhielt.
Die profane Überlegung, was aufbewahrt, was weggegeben werden sollte, besänftigte sie nun. Eben stellte sie die Schachtel mit Jims Briefen fort, als sie darunter einen einzelnen Brief entdeckte. Es war der, den Jeremiah Faulk ihr nach der Schlacht bei Trafalgar geschickt hatte, in dem sich auch Jims letztes, nur halb fertiges Schreiben befand. Schon wollte sie es zu den anderen in die Schachtel legen, da sah sie einen weiteren Brief.
Sie setzte sich wieder auf das Bett und drehte und wendete ihn zwischen den Fingern. Sollte sie ihn behalten? Sechs Monate nach Trafalgar hatte Miah ihn in kaum zu entziffernder Handschrift hingekritzelt und ihr darin mitgeteilt, ihm sei aufgetragen worden, ihr Jims Anteil am Prisengeld anzuweisen.
„Lügner. Du schicktest mir deinen Anteil!", sagte sie leise und trocknete sich mit dem Schürzenzipfel die Augen, die ihr selbst jetzt noch, nach zehn Jahren, feucht wurden, wenn sie an seine Großherzigkeit im Angesicht der eigenen kargen Mitteln dachte. Als sie damals die Bankanweisung erhielt, wusste sie, sie sollte das Geld zurückgeben, doch sie hatte es benutzt, um das Haus zu erwerben, in dem sie bis heute lebten und das sie nun zu verkaufen beabsichtigte. In einem kurzen Schreiben hatte sie ihm ihre Dankbarkeit bekundet, jedoch nie wieder etwas von ihm gehört. Sie hätte ihm gerne weiterhin geschrieben, war sich jedoch bewusst, wie ungehörig das gewesen wäre.
Ianthe fand, dass sie das Blatt nicht wegwerfen konnte, und legte es in die Schachtel. Sie schaute aus dem Fenster auf die winterlich kalte Tor Bay. Ihre Mutter hatte nie verstanden, warum sie nach dem Tode ihres Vaters nicht mit ihr nach Northumberland gezogen war. Wie entsetzt Mama gewesen wäre, wenn ihre hochanständige Tochter ihr gestanden hätte, dass sie in Torquay geblieben war, weil sich hier vielleicht eines Tages Captain Faulk auf ihrer Schwelle einfinden könnte.
Was er nicht tat. Sie wusste, er lebte noch – wer weiß wo – da sie den Pfarrer gebeten hatte, den Naval Chronicle regelmäßig durchzusehen, ein für Damen nicht als passend betrachteter Lesestoff. Vielleicht war, schlicht zu wissen, dass er noch lebte, ihr einziger Trost. Schließlich war sie eine praktische Frau und eine bravere Witwe als die meisten.
1. KAPITEL
Nur wenn ihm während der zweiundzwanzig Jahre des Seekrieges ein wenig Zeit geblieben war, Tagebuch zu führen, hatte Captain Jeremiah Faulk sich in innerer Einkehr geübt. Nun ergab er sich derselben, als er die beinahe leere Spartan durchstreifte – seine Fregatte und sein Heim während acht von jenen Jahren. Er fragte sich, ob vielleicht der Frieden das schlimmste Ereignis seiner Karriere in der königlichen Marine war. Mein Schiff gehört mir nicht mehr, dachte er, und ich bin heimatlos.
Dann tat er etwas Unvorstellbares; er stützte die Unterarme auf die Reling des Kommandodecks und sah zu, wie die Kanonen in die Höhe gehievt wurden.