Julia Saison Band 58
Von Lynne Graham
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Über dieses E-Book
Wild weht ihr langes Haar im Herbstwind, als Harriet verzweifelt versucht, ihre entlaufenen Pferde wieder einzufangen - nicht ahnend, dass sie dabei von einem attraktiven Mann beobachtet wird: Der millionenschwere Unternehmer Rafael, Nachbar ihres Anwesens in Irland, ist von der ungebändigten Schönheit fasziniert! Er will Harriet für sich gewinnen, und nach einem heißen Kuss in einer malerischen Küstenbucht glaubt er sich seinem Ziel ganz nah. Doch die Enthüllung eines dunklen Familiengeheimnisses macht aus ihrer stürmischen Romanze plötzlich einen gefährlichen Tanz auf den Klippen …
Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen. Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem Schreiben. Dieses Buch wurde von einem Verlag, nachdem sie noch einige Änderungen vornahm, gekauft. Das Hochgefühl, als sie das erste Mal in einem Geschäft ein Buch mit ihrem Namen sah, wird sie nie vergessen. Seitdem gehört sie zu den bekannten Autoren von Romances. Zu ihren Hobbys zählt das Kochen sowie der Garten, ihre Lieblingsfarbe ist Grün. Begeistert ist die leidenschaftliche Sammlerin von altem Spielzeug sowie schönen Steinen. Besonders wichtig ist es für Lynne, Weihnachten im Kreise der Familie festlich zu feiern. Sie mag keine Liebesfilme mit einem unglücklichen Ausgang. Geboren wurde Lynne Graham am 30. Juli 1956 in Nord-Irland, ihre Vorfahren stammen aus Irland sowie aus Schottland. Mit ihrem Bruder wuchs sie in einem Haus auf, welches direkt am Meer stand. Im Alter von 14 Jahren lernte sie ihren späteren Ehemann kennen. Allerdings beendete sie vor der Heirat ihr Studium an der Edinburgh University. Die Autorin wollte immer eine große Familie haben, sie hat ein leibliches Kind, welches bereits an einer Universität studiert sowie vier adoptierte Kinder. Zwei Neunjährige kommen aus Sri Lanka und die beiden Kleinen im Alter von drei und fünf Jahren sind aus Guatemala. Mit ihrer Familie sowie zwei Haustieren lebt sie in einem wunderschönen Landhaus auf einem riesigen baumreichen Grundstück in Nord-Irland.
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Buchvorschau
Julia Saison Band 58 - Lynne Graham
IMPRESSUM
JULIA SAISON erscheint vierteljährlich im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20354 Hamburg, Valentinskamp 24
© 2005 by Lynne Graham
Originaltitel: „Emerald Mistress"
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Uta Rockel
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA SAISON
Band 58 (3) 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Fotos: RJB Photo Library / gettyimages
Veröffentlicht als eBook in 07/2011 - die elektronische Version stimmt mit der Printversion überein.
ISBN: 978-3-86349-096-6
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
www.cora.de
1. KAPITEL
Aufgelöst fuhr Harriet Carmichael in ihrem Hotelbett in Manchester hoch. In dem eigentümlichen Zustand zwischen Schlafen und Wachen war ihr eine erschreckende Tatsache bewusst geworden: Ihr Leben entsprach ganz und gar nicht dem Bild, das sie sich stets erträumt hatte.
Diese Erkenntnis war beklemmend – doch Harriet beschloss, die negativen Gedanken zu verdrängen und sich nicht ängstigen zu lassen.
Bereits sehr früh hatte sie von ihrem Stiefvater gelernt, für das dankbar zu sein, was sie besaß. Es machte einfach keinen Sinn, sich nach etwas zu sehnen, was sie nicht haben konnte. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte sie diese bittere Lektion gelernt, als ihre extravagante Mutter sie an ihrem siebten Geburtstag wieder einmal versetzt hatte. Um die ständigen Verletzungen nicht mehr spüren zu müssen, gewöhnte sich Harriet deshalb an, nur die positiven Seiten ihres Daseins wahrzunehmen. So beschützte sie sich selbst.
Negative Gedanken vertrieb sie mit einer Art Mantra, indem sie im Stillen immer wieder aufzählte, wofür sie dankbar sein musste. Seit einiger Zeit war das ihr Verlobter Luke, der sich trotz ihrer Unvollkommenheit in sie verliebt hatte. Und dann gab es noch ihre wundervolle Familie. Außerdem hatte sie einen großartigen Job, der ihr so viel Geld einbrachte, dass Luke schließlich ganz von sich aus das Thema Heirat anschnitt.
Jetzt spielte ein strahlendes Lächeln um Harriets volle, weiche Lippen. Umflutet von einer Woge positiver Empfindungen, griff sie nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an.
„Angesichts der neuerlich sinkenden Aktienkurse sorgt Rafael Cavalieres Ankunft in London für Unruhe an der Börse."
Harriet fuhr in ihrem Bett hoch und musterte mit leicht zusammengekniffenen Augen die attraktive Erscheinung des italienischen Finanztycoons. Wie gewöhnlich hatte er seine Mitarbeiter und Bodyguards um sich. Gleichzeitig versuchte eine Horde von aufdringlichen Paparazzi, seine Aufmerksamkeit zu erregen, um gute Fotos schießen zu können. Inmitten dieses Pulks bewegte sich Cavaliere ruhig und unbeeindruckt stetig vorwärts.
Der unerschütterliche Eisblock, dachte Harriet bitter. Obwohl erst Mitte dreißig, vermittelte Rafael Cavaliere den Eindruck eines selbstsicheren und seiner Macht bewussten Geschäftsmannes. Ganz offensichtlich schien er sich auf dem gefährlichen und schlüpfrigen Parkett des internationalen Finanzwesens vollkommen heimisch zu fühlen. Sein ungeheurer Reichtum und das Gespür für lukrative Investitionen gingen einher mit einer gewissen Skrupellosigkeit.
Das markante dunkle Gesicht wirkte wie aus Granit gemeißelt und gab nicht die leiseste Regung preis.
Harriet fühlte, wie ein kalter Schauer über ihren Rücken lief. Mit einer ungeduldigen Handbewegung strich sie die dichten roten Locken aus der Stirn. Auf ihrem blassen, herzförmigen Gesicht lag ein missbilligender Ausdruck.
Zehn Jahre war es her, seit Rafael Cavaliere den Pharmakonzern übernommen hatte, in dem ihr Stiefvater arbeitete. Jeglichen aktiven Kapitals beraubt, ging die bereits kränkelnde Firma damals in Konkurs. Danach prägten Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit das Bild von Harriets Heimatstadt und zerstörten mehr als eine glückliche Familie.
Harriet verachtete aus tiefstem Herzen alles, wofür Rafael Cavaliere stand. Er baute nichts auf, sondern zerstörte nur. Und das auch noch im Namen des Fortschritts und des wirtschaftlichen Wachstums! Dabei ging es ihm ausschließlich um Macht und Profit!
Zu jener Zeit war Harriet ein typisches Mädchen vom Lande gewesen. Glücklich, wenn sie in der örtlichen Reitschule jobben konnte, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als irgendwann in ferner Zukunft mit Pferden arbeiten zu können. Deshalb war sie auch dementsprechend aufgeregt, als sie vor zwei Monaten unerwartet in den Besitz eines ganz besonderen Erbes kam. Eine Verwandte mütterlicherseits, die sie nie kennengelernt hatte, hinterließ ihr überraschend einen kleinen Pferdehof an der Westküste Irlands.
Zunächst verblüfft, dann erfüllt von Begeisterung, fühlte sich Harriet ziemlich überrumpelt, als sie feststellen musste, dass für diesen Besitz bereits ein großzügiges Kaufangebot bestand. Sie konnte es kaum abwarten, den ersten verfügbaren Flug nach Kerry zu buchen, musste aber bald erkennen, dass niemand aus der Familie und ihrem engeren Umfeld ihre Freude über den neuen Besitz und den Wunsch, ihre irische Herkunft zu erkunden, teilte.
Harriets Mutter Eva war als schwangerer Teenager aus Irland nach London geflohen. Ihre Erinnerungen waren bitter und geprägt von Unversöhnlichkeit. So weigerte sie sich auch hartnäckig, Harriet den Namen ihres leiblichen Vaters zu verraten. Dabei hätte die sich wenigstens etwas moralische Unterstützung für ihren Plan gewünscht, den kleinen Ort Ballyflynn aufzusuchen, um dort vielleicht endlich einen Hinweis auf ihren Vater zu erhalten.
Doch das Schicksal hatte es offensichtlich anders gewollt, da ihr bereits am nächsten Morgen die Papiere für den Verkauf des Mietstalls vorgelegt werden sollten. Von allen Seiten bedrängt, hatte Harriet sich schließlich dazu überreden lassen, ihr neues Besitztum ungesehen zu veräußern. Sich dagegen aufzulehnen, hätte ihr Leben nur unnötig kompliziert.
In diesem Augenblick klingelte ihr Handy. Obwohl sie voller Wehmut wegen der verpassten Chance war, meldete sie sich doch mit professioneller Freundlichkeit.
„Harriet, weißt du, ob mein Armani-Anzug immer noch in der Reinigung ist?", fragte Luke am anderen Ende kurz angebunden.
„Lass mich nachdenken …" Harriet ging in Gedanken zum letzten Wochenende zurück, das wie so ziemlich jedes andere in gewohnter Hetze zwischen etlichen Verpflichtungen und viel zu knapper Zeit verstrichen war. Luke hatte sie gebeten, den Anzug abzuholen, und sie hatte versprochen, es zu tun. Aber war sie auch tatsächlich zur Reinigung gefahren?
Seit sie noch Überstunden an den Wochenenden leistete, fiel es Harriet zunehmend schwerer, sich um die alltäglichen Dinge des Lebens zu kümmern.
„Harriet!, drängte Luke. „Ich bin spät dran!
„Ich habe den Anzug abgeholt …", entschied sie mehr für sich.
„Aber er hängt nicht im Schrank." Luke war in seiner Ungeduld so scharf und eindringlich, wie es wohl nur ein Anwalt fertigbrachte. Ähnlich hatte er reagiert, als sich herausstellte, dass Emerald Isle, also Irland, nur deshalb so saftig grün war, weil es dort die meiste Zeit des Jahres regnete. Somit entsprach es ganz sicher nicht seiner Traumvorstellung von einem perfekten Feriendomizil. „Was ist nun?"
Harriet sah ihn direkt vor sich: sein blondes Haar, nach hinten aus der hohen Stirn gekämmt, das lebhafte, sonnengebräunte Gesicht, das von den funkelnden grünen Augen beherrscht wurde. Sofort wurde ihr heiß vor Liebe und Verlangen. Angestrengt versuchte sie sich daran zu erinnern, wie sie am Samstag voll bepackt mit Lebensmitteltüten, den Armani-Anzug über dem Arm, sein Apartment betreten hatte. „Einen Moment noch, gleich hab ich’s …"
„Warum musst du nur immer so schrecklich unorganisiert sein?", fuhr er sie in plötzlich aufwallendem Zorn an.
Verletzt durch den ungerechtfertigten Ausbruch, presste Harriet die Lippen zusammen, schloss die Augen und sah den Anzug jetzt deutlich vor sich. „Er hängt an der Rückseite der Küchentür", entgegnete sie entschieden.
„Er ist bitte wo …? Ach, schon gut", murrte Luke undankbar.
„Das war das letzte Mal, dass ich dir an einem Samstag so einen Gefallen getan habe, nur damit du dich mit deinen Freunden im Fitnesscenter treffen kannst", erklärte Harriet kühl. „Und ich bin nicht unorganisiert, nur völlig überlastet."
Am anderen Ende war es plötzlich still. „Tut mir leid, bequemte Luke sich schließlich zu sagen. „Das war nicht fair von mir. Sehe ich dich später noch?
„Nein, ich kann froh sein, wenn ich vor Mitternacht zu Hause bin." Selbst wenn sie noch nach London zurückfuhr, musste sie zuerst in die Agentur, ihre Chefin Saskia auf den neusten Stand bringen und einen detaillierten Bericht verfassen. Das monatliche Treffen mit den leitenden Angestellten des Zenco-Hauptbüros in Manchester war immerhin der wichtigste Termin in ihrem Kalender.
„Sehr schade, ich vermisse dich nämlich … Jetzt ließ Luke wieder seinen bewährten Charme spielen. „Wie auch immer, ich habe heute auch noch eine Menge zu tun. Also, mach dir keine Gedanken, falls ich mein Handy ausschalte. Hör zu, ich muss los … Ich ruf dich morgen an, Baby.
Baby? Gedankenverloren legte Harriet ihr Handy zur Seite. Lukes etwas seltsame Anrede verblüffte sie. Zum einen war es nicht seine Art, so mit ihr zu reden, und dann dieser spezielle Ausdruck …
Eigentlich kannte sie ihn nur von ihrer Halbschwester Alice. Aber die war schließlich ein so genanntes It-Girl mit einem Treuhandfonds und dem Ruf, eine absolute Trendsetterin in Sachen Mode und Zeitgeist zu sein.
Harriet lächelte unwillkürlich. Sie war sehr stolz auf ihre jüngere Halbschwester und dachte nicht zum ersten Mal, wie schade es war, dass die beiden Menschen, die ihr am nächsten standen, nämlich Luke und Alice, sich nicht ausstehen konnten.
Ihr Handy klingelte erneut, gerade als sie zum Meeting aufbrechen wollte.
„Sehen Sie sich die Morgennachrichten an?", wollte ihre Chefin in scharfem Ton wissen.
„Nein, warum?" Da Saskia bekanntermaßen gern dramatisierte, schlenderte Harriet ohne Eile zum Nachttisch hinüber, griff nach der Fernbedienung und schaltete das Gerät erneut an.
„Zenco stürzt ab! Sie gehen in Konkurs!" Saskias Stimme klang wie splitterndes Glas, und Harriets Magen krampfte sich zusammen. Mit schmalen Augen starrte sie auf den Bildschirm. Eine unübersehbare Menge von Angestellten drängte sich vor dem Eingang des Zenco-Firmengebäudes. Einige von ihnen hämmerten mit den Fäusten gegen die geschlossenen Türen, doch im Innern war niemand zu sehen. Auf den angespannten Gesichtern der Menschen standen Angst, Wut und Unsicherheit. Die Kamera schwenkte nun auf eine weinende junge Frau.
„Sie stehen die ganze Zeit mit Zenco in Verbindung. Wieso haben Sie nicht gemerkt, was sich da zusammenbraut?" Wie ein Messer schnitt Saskias scharfe Stimme in Harriets Bewusstsein und lenkte sie für einen Moment von den tumulthaften Szenen ab, die sich auf dem Bildschirm abspielten.
„Wenn Sie uns gewarnt hätten, wären wir in der Lage gewesen, uns rechtzeitig abzuseilen."
Diese unerwartete Attacke irritierte und ärgerte Harriet. „Aber Saskia, wie hätte ich denn …"
„Momentan bin ich absolut nicht daran interessiert, mir Ihre Ausreden anzuhören!, fuhr ihre Chefin sie beinahe hysterisch an. „Gehen Sie sofort rüber! Lassen Sie Ihre Beziehungen spielen, um herauszufinden, was genau dort läuft. Und dann kommen Sie so schnell wie möglich nach London zurück. Ohne den Zenco-Etat sind wir ganz schön aufgeschmissen.
Noch minutenlang stand Harriet auf dem gleichen Fleck und presste ihre kühlen Handflächen gegen die brennenden Wangen. Saskia war zwar bekannt für ihre scharfe Zunge, aber zum ersten Mal geriet Harriet selbst ins Visier.
Bis zu diesem Morgen hatte sie als eine der wichtigsten Angestellten gegolten, die auf der Welle des Erfolgs und des stetig wachsenden Werbebudgets von Zenco ganz oben schwammen. Doch wenn Zenco in Schwierigkeiten war, würde es ihr nicht anders ergehen.
Seit zwei Jahren gehörte Harriet zum Mitarbeiterstab von Dar Design. Anfangs war das Auftragsvolumen von Zenco noch sehr dürftig gewesen. Doch ihnen gefiel Dars kreative Werbekampagne, wobei Harriets überzeugende Präsentation schließlich den Ausschlag gab.
Der Rest war Geschichte. Dar Design musste rasch und flexibel expandieren, um den wachsenden Anforderungen des multinationalen Konzerns Rechnung tragen zu können.
Doch was, wenn die stetig sprudelnde Geldquelle plötzlich versiegte …?
Sechs Stunden später durchquerte Harriet gelassen das elegante, großzügige Foyer von Dar Design. Eine unheimliche Stille herrschte in der sonst so geschäftigen Agentur. Zufällig vorbeihuschende Kollegen wichen ihrem Blick aus und verschwanden in den Büros.
Noch bevor Harriet ihren Rückflug nach London gebucht hatte, war Saskia bereits weitere vier Mal in der Leitung gewesen. Jeder Angestellte musste dank ihrer schrillen, erhobenen Stimme inzwischen mitbekommen haben, dass Zenco der Agentur so viel Geld schuldete, dass Dar Design im Falle eines Bankrotts ebenfalls pleitegehen würde.
Ihre Bemühungen, mit Luke zu sprechen, gab Harriet auf, als ihr einfiel, dass er sein Handy hatte ausschalten wollen. Und von seiner Sekretärin erfuhr sie, dass er mindestens bis achtzehn Uhr in einer Konferenz sitzen würde.
Kaum hatte sie ihr Büro betreten, zuckte Harriet nervös zusammen, als hinter ihr die Tür aufflog und eine brünette Mittvierzigerin im pinkfarbenen Hosenanzug hereinwirbelte.
„So!", stieß Saskia anklagend hervor.
Harriet schloss die Tür hinter ihrer Chefin und lehnte sich gegen ihren Schreibtisch. „Es sieht wirklich nicht gut aus. Gerüchte besagen, dass es einige ungeklärte Leerstellen in der Finanzbuchhaltung von Zenco gibt und bereits gegen drei der Direktoren Ermittlungen laufen."
Saskia fluchte leise aus und musterte Harriet mit wachsendem Groll. „Und warum erfahre ich erst jetzt davon?"
„Korruption gehört nicht unbedingt zu den Themen, die ich mit meinen Kontaktleuten von Zenco diskutiere, entgegnete Harriet so kühl und beherrscht wie möglich. „Weder sie noch ich haben Zugang zu den höheren Etagen, wo sich so etwas abspielt.
Obwohl sie sich schon vor Jahren entfremdet hatten, beschloss Rafael, an der Beerdigung seines Vaters Valente Cavaliere teilzunehmen. Feindseligkeiten innerhalb der Familie waren einfach kein Thema, das in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt werden sollte. So sah er keinen Anlass, sich dieser altehrwürdigen Tradition zu entziehen.
Natürlich passte es ihm nicht, England verlassen zu müssen, während Zenco sozusagen in den letzten Zügen lag. Doch er traute sich durchaus zu, auch aus der übermäßigen Gier dummer Leute noch ein paar Millionen herausschlagen zu können.
Als er die antike Kapelle in Rom betrat, empfing ihn respektvolle Stille. Die Nachricht vom Tod seines Vaters hatte er ohne sichtbare Zeichen der Trauer oder Sentimentalität aufgenommen. Rafaels kühle Zurückhaltung war typisch für ihn und wäre von seinem Vater sicher honoriert worden. In seinen mehr als siebzig Jahren war es Valente zu seinem größten Bedauern nie gelungen, die kalte, stolze Haltung seines Sohnes zu übertreffen.
Aus lauter Frust und Wut, ihn nicht einschüchtern zu können, hatte