Julia Saison Band 59
Von Sandra Marton
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Über dieses E-Book
Weiß liegt die verschneite Bergwelt Norwegens vor der jungen Skifahrerin Wendy Monroe. Leicht und frei gleitet sie den Hang hinab. Doch plötzlich wird ihr Wintermärchen zu einem Albtraum. Wendy stürzt schwer, und noch im Krankenhaus trennt sie sich von ihrem Freund Seth, der nicht von ihrer Seite gewichen ist. Nur so glaubt sie ihr Geheimnis sicher, warum es zu dem Unfall kam. Niemals darf er den wahren Grund erfahren! Erst Jahre später kehrt Wendy in ihre Heimatstadt zurück - und trifft überraschend auf Seth, der sie nie vergessen konnte …
Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich mehr und mehr für die Gemeinde zu engagieren. Bis mir eines Tages klar wurde, dass mein großer Traum gerade verloren ging. Also beschloss ich, etwas dagegen zu unternehmen.“ Sandra Marton setzte sich an ihren Schreibtisch und schrieb eine Geschichte, die von Liebe, Leidenschaft und dem Traum vom großen Glück handelte. „Als ich hörte, dass ein Verlag den Roman veröffentlichen wollte, konnte ich es selbst kaum fassen“, erinnert sie sich. Seitdem ist Sandra Marton ihrem Traum treu geblieben. Inzwischen hat sie über 80 Romane geschrieben, deren leidenschaftliche Helden die Leserinnen in aller Welt begeistern. Mit ihrem eigenen Helden lebt die Autorin weiterhin glücklich auf einer Farm in Connecticut.
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Buchvorschau
Julia Saison Band 59 - Sandra Marton
IMPRESSUM
JULIA SAISON erscheint vierteljährlich im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20354 Hamburg, Valentinskamp 24
© 2002 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Dancing In The Dark"
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd.; Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Karin Weiß
Fotos: gettyimages / RJB Photo Library
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA SAISON
Band 59 (4) 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Veröffentlicht als eBook in 07/2011 - die elektronische Version stimmt mit der Printversion überein.
ISBN: 978-3-86349-097-3
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
JULIA, ROMANA, BIANCA, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL
www.cora.de
1. KAPITEL
Es war ein kalter Tag. Außergewöhnlich kalt, selbst für den Winter in Norwegen. Vom strahlend blauen Himmel schien hell die Sonne, und ein leichter Wind wehte.
Inmitten des glitzernden Schnees stand Wendy ganz oben auf dem steilen Berghang und wartete darauf, dass das Startsignal ertönte. Adrenalin schoss durch ihre Adern, und prickelnde Vorfreude erfasste sie. Nie zuvor hatte sie sich so lebendig gefühlt.
„Konzentrier dich auf die Abfahrt, und denk an nichts anderes als an diesen Berg", sagte der Coach. Und dann erklang auch schon das Signal. Mit beiden Stöcken stieß Wendy sich ab und fuhr den Hang hinunter. Mühelos schoss sie durch das erste Tor, dann durch das zweite, das dritte …
Urplötzlich jedoch verwandelte sich das anfängliche Glücksgefühl in reine Panik. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie war zu schnell. Viel zu schnell. O nein, dachte sie verzweifelt. Ich darf die Kurven nicht so eng nehmen. Ich muss korrigieren! Wendy holte tief Luft und kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an. Bleib ganz ruhig, befahl sie sich. Es wird schon nichts passieren. Schließlich war sie eine außergewöhnlich gute Skirennläuferin.
Und dann war mit einem Schlag alles aus. Sie flog durch die Luft, prallte gegen das Netz am Rand der Piste und schoss darüber hinweg. Jemand schrie.
Das hätte nicht passieren dürfen, dachte sie ganz ruhig. Wie in Zeitlupe sah sie die Bäume auf sich zukommen, den weißen Schnee … und die grauen Felsen. Um sie herum wurde es schwarz.
„Meine Damen und Herren, willkommen am John F. Kennedy Airport. Bitte bleiben Sie sitzen, bis das Flugzeug steht."
Wendy schreckte auf. Es war nur ein Traum. Ein Traum, den sie schon so lange nicht mehr gehabt hatte. Heute kehrte sie zum ersten Mal seit dem Unfall vor neun Jahren nach Cooper’s Corner zurück. Und prompt träumte sie wieder von dem schrecklichen Unfall. Willommen zu Hause, Wendy. Du kannst deine Pläne immer noch ändern, flüsterte ihr eine innere Stimme zu. Vielleicht war es besser, sofort nach Paris zurückzufliegen, wo sie die letzten sieben Jahre gelebt hatte. Zwar hatte sie ihre kleine Wohnung dort aufgegeben, weil sie nicht wusste, wie lange sie wegbleiben würde. Aber es wäre bestimmt kein Problem, bei einer ihrer Freundinnen unterzuschlüpfen, bis …
Ja, bis wann? Wendy hatte nicht vor, in Paris weiterhin Englischunterricht zu erteilen, obwohl sie ihre Arbeit liebte. Aber täglich mehrere Stunden in einem Klassenzimmer voller französischer Schulkinder zu sitzen war auf Dauer nicht das Richtige für sie. Sie vermisste den Schnee, die Berge und das Skilaufen. Wenn sie jemals wieder Rennen fahren wollte, musste sie nach Hause zurückkehren. Zumindest für eine gewisse Zeit.
Schließlich kam das Flugzeug zum Stehen. Die Passagiere lösten die Sicherheitsgurte, standen auf und strebten mit ihrem Handgepäck den Ausgängen entgegen. Wendy nahm ihre Tasche in die Hand und folgte den anderen durch die Zollkontrolle.
Es war zu spät für Zweifel. Jetzt gab es keine Ausreden mehr. Ihre Mutter war außer sich vor Freude, dass sie endlich nach Hause kam. Allerdings kannte sie auch noch nicht den wahren Grund für Wendys Besuch. Nur ihr Vater wusste, warum sie zurückkam. Und er hatte versprochen zu schweigen.
Außerdem war ihre Freundin Alison schon auf dem Weg nach Albany, um Wendy dort am Flughafen abzuholen. Ihre Eltern hatten ihr angeboten, sie dort in Empfang zu nehmen. Aber das hatte sie abgelehnt.
„Ihr braucht euch den Tag nicht extra freizunehmen, hatte sie beim letzten Telefongespräch erklärt. „Ich weiß doch, wie viel ihr zu tun habt. Allie und ich haben uns auch bestimmt viel zu erzählen.
Das war nicht mal nur eine Ausrede. Seit neun Jahren hatte sie ihre beste Freundin nicht gesehen. Deshalb freute sich Wendy darauf, mit Allie allein zu sein und erst einmal in Ruhe anzukommen.
Bei der Zollkontrolle reichte Wendy dem Beamten ihren Reisepass und das ausgefüllte Einreiseformular.
„Haben Sie etwas zu verzollen?", fragte er.
„Nein, nichts", erwiderte sie wahrheitsgemäß.
Aber ich habe so ein komisches Gefühl im Bauch, weil ich nach Hause gekommen bin, um mich von einem berühmten Arzt operieren zu lassen. Und das, obwohl mir alle davon abraten, dachte sie.
In der Nacht vor dem Abflug nach Norwegen haben Sean und ich uns zum ersten Mal geliebt, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Sie wusste selbst nicht, woher der Gedanke kam. Sie stöhnte leise auf.
„Ist alles in Ordnung?", erkundigte sich der Zollbeamte prompt.
„Ja, danke." Wendy lächelte betont unbekümmert, nahm ihren Reisepass entgegen und ging in die Halle.
Dort blieb sie kurz stehen, um sich zu orientieren und die Abflughalle für die Inlandsflüge zu finden. Nach dem langen Flug schmerzte das verletzte Bein, und sie hinkte etwas. Die Ärzte hatten sie vor dem stundenlangen Stillsitzen gewarnt. Ihre nur durch Schrauben zusammengehaltenen Gelenke konnten eine derartige Anstrengung nicht ohne weiteres verkraften.
„Miss?"
Wendy blinzelte und sah den Mann mittleren Alters an, der ihr seinen Platz anbot.
„Möchten Sie sich setzen?"
Gern hätte sie Ja gesagt. Doch sie zauberte ein Lächeln auf die Lippen und erwiderte: „Nein, vielen Dank. Es geht schon." Ihr war klar, dass er ihr leichtes Hinken bemerkt hatte. Rasch nahm sie sich zusammen und ging weiter, ohne sich umzudrehen. Sie war das ewige Mitgefühl leid. Am liebsten hätte sie den Leuten erklärt, dass sie kein armer Krüppel, sondern eine berühmte Skirennfahrerin war.
Dann blinkte auf der Anzeigetafel schon der Anschlussflug nach Albany auf. Wenig später ließ sich Wendy erleichtert auf ihren Sitz im Flieger sinken.
In Albany war es ein Grad unter null, obwohl es sich wegen des kalten Windes wie minus zehn Grad anfühlte.
Als Wendy schließlich durch die Ankunftshalle in Richtung des Ausgangs ging, erinnerte sie sich beim Anblick des vielen Schnees sogleich an die Vergangenheit. Auf dem Jiminy Peak hatte sie als Kind mit dem Skilaufen angefangen und ihre Liebe zu diesem Sport entdeckt. Deshalb würde dieser Berg für sie immer etwas ganz Besonderes sein.
Werde ich etwa sentimental?, fragte sie sich sogleich. Durch den kalten Wind, der ihr beim Verlassen des Flughafengebäudes ins Gesicht blies, fing sie an zu zittern. Rasch schlug Wendy den Kragen ihres Mantels nach oben. Dann knotete sie ihren Schal fester und sah sich suchend nach Alison um.
Es fing an, in dichten Flocken zu schneien. Ihrer Freundin gegenüber hatte sie betont, dass sie nur zu Besuch käme. Das war alles. Nur ein Besuch. Sie war aus einem bestimmten Grund hier. Und wenn ihr Vorhaben glückte, wollte sie weder in Cooper’s Corner noch in Paris leben. Sie würde einen Ort finden, der völlig frei war von den Schatten der Vergangenheit. Einen Ort, an dem nichts an Sean und ihre damaligen Zukunftspläne erinnerte.
„Wendy? Eine Frau in einem warmen Tweedmantel eilte auf sie zu. „Wendy! Du bist es wirklich!
„Allie! Tränen der Freude standen Wendy in den Augen, während sie Alison Fairchild liebevoll umarmte. „Wie lange haben wir uns nicht gesehen!
Sekundenlang hielten sich die beiden Frauen fest umschlungen. Dann schüttelten sie sich die Hände und sahen sich lächelnd an.
„Du siehst fantastisch aus", sagte Alison schließlich.
Wendys Lächeln wirkte leicht gequält. „O ja, natürlich."
„Ich meine es ernst. Du hast kein Gramm zugenommen. Aber wenn wir noch länger hier herumstehen, werden wir zu Schneemännern. Gib mir mal deine Tasche. Mein Auto steht da drüben auf dem Parkplatz. Wir können mit dem Bus hinfahren."
„Nein, danke. Ich kann laufen und die Tasche selbst tragen, Allie."
„Ich wollte dich nicht …"
„Schon gut, ich wollte es nur klarstellen. Ich bin völlig gesund, kann wieder laufen, schwer tragen und alles machen, was ich will. Sie verzog die Lippen. „Nur Ski laufen kann ich nicht
, fügte sie traurig hinzu, nahm sich jedoch rasch wieder zusammen. „Aber jetzt lass uns gehen."
„Ja. Was hältst du von einem Kurzbesuch im Barn?"
„Im Barn? Wendy hakte sich bei Alison ein. Sie überquerten die Straße und liefen in Richtung Parkplatz. „Meinst du Barns Restaurant? Gibt es das noch?
„Was für eine Frage! Natürlich gibt es das noch, antwortete Alison gespielt empört. „Vielleicht ist das Essen dort nicht mehr nach deinem Geschmack, aber ich …
„Ehrlich gesagt finde ich, das ist eine super Idee.", unterbrach Wendy sie lachend.
Auf der Fahrt durch die Taconic Mountains, die sanft in die Hügel der Berkshires übergingen, stellte Wendy fest, dass sich nichts verändert hatte. Sie betrachtete die gemütlich wirkenden alten Häuser, die schneebedeckten Weiden und die vielen Wälder. Die Zeit scheint hier stillzustehen, dachte sie und lehnte sich zurück.
„Ich hatte ganz vergessen, wie friedlich es hier ist. Gibt es etwas Neues in Cooper’s Corner?"
„Ja, im Sommer wurde ein Tourist vermisst. Er war Gast im Twin Oaks und …"
„Im Twin Oaks?"
„Du kennst doch das große Haus oben auf dem Hügel, oder? Cooper, der frühere Besitzer, ist gestorben und hat es seiner Nichte und seinem Neffen hinterlassen. Sie sind Geschwister und haben in New York gelebt. In ihrer Kindheit waren sie aber scheinbar häufig hier. Jedenfalls sind sie gekommen, um sich das Haus anzusehen und haben dann spontan beschlossen, eine Frühstückspension daraus zu machen."
„Warum meine Eltern mir das nie erzählt haben, ist mir rätselhaft. War das Gebäude nicht ziemlich heruntergekommen?"
„Ja, aber Clint und Maureen haben ein kleines Wunder vollbracht. Sie haben es vollständig renoviert. Auf dem Dachboden gab es viele alte Möbel, die sie gut gebrauchen konnten. Es wurden neue Badezimmer und eine moderne Küche eingebaut und …"
Es fiel Wendy immer schwerer, sich auf das zu konzentrieren, was Alison ihr erzählte. Sie bekam Herzklopfen. Bald war sie wieder zu Hause, und es hatte sich fast nichts verändert. Viele Touristen würden durch die Hauptstraße bummeln und alles fotografieren, was ihrer Meinung nach typisch für New England war.
Alison hielt vor einer Ampel an, die gerade auf Rot umsprang. Mehrere Menschen in dicken Wintermänteln, Parkas und Anoraks überquerten die Straße und eilten auf die kleinen Geschäfte zu, die sich rechts und links neben der Kreuzung befanden. Wendy betrachtete sie aufmerksam, aber es war unmöglich, in dem dichten Schneetreiben jemanden zu erkennen. Natürlich rechnete sie nicht damit, hier …
„… Sean", hörte sie in dem Moment Alison sagen.
„Was ist mit ihm?"
Offenbar hatte ihre Stimme nicht so gleichgültig geklungen, wie Wendy es sich gewünscht hätte, denn Alison sah sie besorgt an.
„O Liebes, es tut mir leid. Ich wollte dir nur erzählen, was hier geschehen ist, und habe nicht daran gedacht, dass … Vergiss einfach, dass ich ihn erwähnt habe, okay?"
„Allie, das ist doch kein Problem. Was wolltest du sagen?"
„Er hat das Twin Oaks restauriert."
„Was macht er beruflich?"
„Hauptsächlich stellt er wunderschöne Möbel her. Wie es aussieht, wird er … Alison zögerte. „Wendy, willst du das wirklich hören?
„Warum denn nicht? Es ist doch alles längst vorbei. Wendy räusperte sich. „Ich bin nur überrascht, das ist alles. Damals hatte Sean am College Kunstkurse belegt.
„Ja, das weiß ich. Nach deinem … Unfall hat er das Studium aufgegeben und in Stockbridge gearbeitet. Einige Jahre später hat er sich in Cooper’s Corner selbstständig gemacht. Weiß er noch nicht, dass du nach Hause kommst?"
„Nein. Es sei denn, du hast es ihm erzählt, Allie."
„Das habe ich natürlich nicht getan, erwiderte Alison leicht vorwurfsvoll. „Das hatte ich dir doch versprochen.
„Entschuldige."
„Ist schon in Ordnung."
Das war es jedoch nicht, wie Wendy spürte. „Allie, begann sie leise. „Nach Hause zu kommen ist schwieriger, als ich gedacht habe. So viel Zeit ist vergangen, seit …
Sie schluckte. „Vielleicht bin ich einfach nur erschöpft."
„Das tut mir leid. Ich wollte dich nicht überfallen. Die Ampel zeigte Grün, und Alison fuhr weiter. „Aber ich verstehe nicht, warum du ihn nicht sehen willst.
„Es ist einfach schon lange vorbei."
„Genau das ist der Punkt. Ehe du nach Norwegen geflogen bist, wart ihr beide unzertrennlich. Und dann war plötzlich alles aus. Sean wollte nicht darüber reden, und du bist nach Paris gezogen. Alle haben darüber gerätselt."
Alison fuhr langsamer und bog auf den Parkplatz von Barns Restaurant ab. Nachdem sie den Wagen geparkt hatte, drehte sie sich zu Wendy um. „Wir alle haben uns Sorgen um dich gemacht. Die ganze Stadt war auf den Beinen, um sich von dir zu verabschieden. Erinnerst du dich noch an die vielen Spruchbänder an den Fenstern der Häuser entlang der Main Street? Man hat dir viel Glück und gute Heimkehr gewünscht. Als dann …"
„Allie, bitte. Wendy legte ihre Hand auf Alisons. „Das ist Vergangenheit. Die Olympischen Spiele, der Unfall, Sean, das alles ist vorbei. Ich habe mir ein neues Leben aufgebaut.
„Das hat Sean auch getan."
„Du meinst, er ist Restaurateur geworden?"
„Das auch. Alison verstummte und wandte sich ab. „Aber da ist noch mehr.
Wendy befeuchtete ihre trockenen Lippen. „Ich verstehe. Du meinst, er ist verheiratet, oder?"
„Nein, das ist er nicht. Aber er hat eine Freundin. Sie heißt …"
„Es geht mich nichts an, mit wem Sean befreundet ist."
„Die beiden sind seit zwei Monaten zusammen. Alison warf Wendy einen kurzen Blick zu. „Wahrscheinlich hätte ich es dir schonender beibringen müssen, stimmt’s?
„Unsinn. Wendy versuchte, ein Lächeln auf ihre Lippen zu bekommen. „Wenn wir noch länger im Auto sitzen, erfriere ich.
„Mit anderen Worten, das Thema ist beendet?"
Wendy deutete ein Lächeln an. „Mit anderen Worten, du hattest mir einen Besuch im Barn versprochen."
„Ja, antwortete Alison, ohne sich zu rühren. „Aber da ist noch etwas. Ich weiß, du hast gesagt, es sei nur ein Besuch, aber ich habe gehofft … Willst du wirklich nicht hierbleiben?
Wendy schüttelte den Kopf. „Nein, ganz bestimmt nicht. Sagt dir der Name Rod Pommier etwas?"
„Sollte er das?"
„Rod Pommier ist ein Chirurg aus New York. Wendy atmete tief durch. „Er ist Orthopäde. Vor einigen Monaten wurde in allen möglichen Magazinen ausführlich über ihn berichtet. Er hat eine bahnbrechende Methode entwickelt, um komplizierte Knochenbrüche zu heilen.
„So? Wie macht er das?", fragte Alison.
„Bei mir haben die Ärzte Schrauben und Metallimplantate benutzt. Vereinfacht ausgedrückt, versucht Dr. Pommier die Knochen dazu zu bringen, sich mehr oder weniger selbst zu heilen. Das Problem ist nur, er nimmt keine neuen Patienten an, denn er ist für mehrere Jahre im Voraus ausgebucht. Außerdem ist die Methode nicht ganz ungefährlich. Jedenfalls habe ich Dr. Pommier angerufen, seine Sekretärin hat mich jedoch nicht mit ihm verbunden. Dann habe ich in dem Krankenhaus angerufen, wo er arbeitet. Auch dort wollte man mich nicht mit ihm verbinden. Deshalb habe ich ihm geschrieben und ihm mein Problem geschildert."
„Wie hat er reagiert?"
Wendy seufzte resigniert. „Er hat meinen Brief höflich beantwortet, sein Mitgefühl und Verständnis für meine Situation ausgedrückt und dergleichen. Aber …"
„Er war nicht interessiert", stellte Alison traurig fest.
„Genau. Er würde seine Meinung bestimmt ändern, wenn ich persönlich mit ihm sprechen könnte."
„Bist du denn ganz sicher, dass er dir mit dieser neuen Methode helfen kann? Der Unfall ist vor vielen Jahren passiert."
„Und meine Operation war eine Katastrophe, fügte Wendy hinzu. „Das war aber nicht die Schuld des Chirurgen. Er hat alles in seiner Macht Stehende getan. Doch Dr. Pommier könnte es schaffen, dass ich wieder Ski laufen kann.
„Meinst du?"
„Ich spüre es. Ich muss nur die Gelegenheit bekommen, mit ihm zu reden. Leider ist er sehr wachsam, was ich natürlich gut verstehen kann. Er wird von den Medien belagert und von verzweifelten Patienten verfolgt. Als Alison eine Augenbraue hob, errötete Wendy. „Okay
, fügte sie hinzu, wie um sich zu verteidigen, „von verzweifelten Patienten wie mir. Deshalb kommt er nach Cooper’s Corner."
Alison war verblüfft. „Wie bitte? Soll das ein Scherz sein?"
„Nein. Dr. Pommier will einige Tage ungestört und unbelästigt