Das Mädchen und der Prinz
Von Bronwyn Scott
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Über dieses E-Book
Seine Augen haben die Farbe von schokoladenbrauner Seide, und der Blick ist so verführerisch wie eine Liebkosung: In Evie erwacht ein nie gekanntes Verlangen, als sie Dimitri das erste Mal begegnet. Doch für einen waschechten Prinzen ist ein einfaches Mädchen wie sie ganz bestimmt keine angemessene Gattin …
Bronwyn Scott
Bronwyn Scott ist der Künstlername von Nikki Poppen. Sie lebt an der Pazifikküste im Nordwesten der USA, wo sie Kommunikationstrainerin an einem kleinen College ist. Sie spielt gern Klavier und verbringt viel Zeit mit ihren drei Kindern. Kochen und waschen gehören absolut nicht zu ihren Leidenschaften, darum überlässt sie den Haushalt am liebsten ihrem Ehemann, der früh morgens und spät abends am College unterrichtet, sodass er tagsüber als Hausmann glänzen kann. Nikkis ganzes Leben steht im Zeichen des Schreibens. Schon in der vierten Klasse nahm sie an Nachwuchsautoren-Konferenzen der Schule teil und ist immer noch sehr stolz auf ihren ersten Roman, den sie in der sechsten Klasse fertigstellte – ein mittelalterliches Abenteuer, das ihre Mutter auf einer elektrischen Schreibmaschine für sie abtippte. Mittlerweile besucht sie RWA-Konferenzen und besitzt natürlich ihren eigenen Computer. Sie ist sehr an Geschichte interessiert, recherchiert gern, immer auf der Suche nach Stoff für neue Geschichten. Es macht ihr viel Spaß, sich mit anderen Autoren und LeserInnen über ihre Lieblingsbücher und den Prozess des Schreibens auszutauschen.
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Buchvorschau
Das Mädchen und der Prinz - Eleni Nikolina
IMPRESSUM
Das Mädchen und der Prinz erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2016 by Nikki Poppen
Originaltitel: „Awakening The Shy Miss"
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON
Band 51 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Eleni Nikolina
Umschlagsmotive: Getty Images / Kharchenko_irina7
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733716028
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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1. KAPITEL
10. August 1821
Diesem Mann hätte Evie Milham sehr gern die Kleider vom Leib gerissen. Nach dem ausgesprochen großen Andrang von Frauen zu urteilen, die sich an diesem warmen Augustabend in den kleinen Versammlungssaal in Little Westbury gezwängt hatten, war sie jedoch offenbar nicht die Einzige mit diesem Wunsch. Allerdings bezweifelte Evie sehr, dass der Rest der weiblichen Anwesenden denselben Grund hatte wie sie.
Ganz abgesehen davon, hatte es wohl in der ganzen Geschichte von West Sussex noch nie eine so gut besuchte archäologische Vorlesung gegeben – vielleicht sogar in der Geschichte von ganz England. Nicht einmal die Parthenon-Marmorskulpturen, die Lord Elgin aus Athen mitgebracht hatte, waren so enthusiastisch begrüßt worden. Allerdings sahen die Skulpturen auch nicht aus wie er, Dimitri Petrovich, der Prinz von Kuban. Er war hochgewachsen mit glattem schwarzem Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte, und seine markanten Züge wiesen unzweifelhaft auf exotische Vorfahren hin. Viele Frauen reisten meilenweit, nur um diese hohen Wangenknochen bewundern zu können. Und seine Kleidung, lieber Himmel, seine Kleidung! Er sah darin aus wie ein Gott. Evie spürte, wie es ihr in den Fingern juckte. Wie gern würde sie seine Hose in die Hände bekommen! Wenn sie sie nur einige Augenblicke lang untersuchen dürfte! Wer immer sein Schneider sein mochte, er war ein wahres Genie.
Evie reckte den Hals, um besser sehen zu können. Wenn sie gewusst hätte, dass er so auserlesen gekleidet sein würde, hätte sie sich weiter nach vorn gesetzt. Allerdings hatte sie nicht seinetwegen weiter hinten Platz genommen, sondern vielmehr wegen eines anderen Mannes. Andrew Adair saß lediglich zwei Reihen vor ihr, sodass sie den Blick immer wieder auf seinem goldblonden Schopf ruhen lassen konnte. Nur glitt ihr Blick öfter, als sie erwartet hätte, zu Prinz Dimitri Petrovich hinüber. Es war auch nur zu verständlich. Wenn sie nicht seine bemerkenswerte Hose bewunderte, starrte sie fasziniert seine Hände an. Er gestikulierte nicht wie ein Engländer. Seine Bewegungen besaßen eine Geschmeidigkeit, die ihn nur noch fremdartiger erscheinen ließ. Warum sollte sie auch nicht hinschauen? Schließlich war es Andrew herzlich gleichgültig, was sie tat, wenn er sich ihrer Anwesenheit überhaupt bewusst war.
Der heutige Abend sollte das eigentlich ändern. Er sollte ihr die Gelegenheit geben, nach sechs Jahren endlich Andrews Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dabei waren sie Nachbarn, seit Evie denken konnte. Drei Jahre war er allerdings auf seiner Grand Tour in Europa gewesen, während sie in London debütiert hatte. Dieses Jahr musste alles anders werden. Sie war in die Gesellschaft eingeführt worden, und er war wieder daheim. Darüber hinaus hatte er kurz vor Ende dieser Saison verkündet, dass er auf der Suche nach einer Frau war. Evie holte tief Luft. Sie würde ihn dazu bringen, sie zu bemerken.
Wieder ließ sie den Blick von Andrews blondem Kopf zur Bühne schweifen. Dort machte der Prinz – es mussten die Bundfalten sein, die seiner Hose erlaubten, sich so makellos an seine schmalen Hüften zu schmiegen – eine seiner fesselnden Gesten, mit der er den Lakaien, die den Gästen Champagner reichten, ein Zeichen gab. Entschlossen zwang Evie sich, wieder zu Andrew hinüberzusehen. Wenn sie in der vergangenen Saison etwas gelernt hatte, dann, dass sich nichts änderte, wenn man sich nicht vorher selbst änderte. Sie durfte nicht einfach darauf warten, dass Andrew sie beachtete. Hatte nicht die Tatsache, dass ihre Freundin Claire vor nur wenigen Wochen mit dem Diplomaten Jonathon Lashley eine stürmische Liebesheirat eingegangen war, bewiesen, wie klug dieser Leitspruch war? Claire war es gelungen, dass Jonathon sein Augenmerk auf sie gerichtet hatte. Und nun brauchte sie, Evie, lediglich dasselbe mit Andrew zu tun, und ihrem Glück würde nichts mehr im Wege stehen. Schließlich konnte man Andrew keinen Vorwurf daraus machen, dass sie ihm noch nicht aufgefallen war, wenn sie nichts tat, um ihm ein wenig dabei zu helfen.
„Champagner, Miss?" Ein Diener hielt ihr ein Tablett voller Champagnergläser hin. Und nicht nur Champagner, sondern kühlen Champagner. Eiskalter Champagner auf dem Lande, noch dazu mitten im August, war wirklich ein bemerkenswerter Luxus. Evie nahm sich ein Glas, und der Diener ging weiter. Vorne war der Prinz im Begriff, einen Toast auszusprechen, und das Publikum stand auf. Plötzlich kam Evie ein Einfall. Wenn sie sich nun einfach ein, zwei Reihen weiter nach vorn bewegen würde? In der Menge würde es niemandem auffallen, wenn sie sich plötzlich an Andrews Seite gesellte, oder? Ein perfekter Plan. Daraufhin würde Andrew sich zu ihr umdrehen und sie wahrnehmen. Er würde mit ihr anstoßen müssen und ihr dabei in die Augen sehen …
Beweg dich schon, sagte sie sich ungeduldig. Man würde den Toast gesprochen haben, und sie würde noch immer von dem Moment träumen, während er schon längst vorbei war! Evie kratzte all ihren Mut zusammen und huschte entschlossen zu Andrew hinüber. Ihr Herz klopfte schneller. Noch nie hatte sie es gewagt, sich Andrew so zielgerichtet zu nähern. Der Prinz sprach, aber sie war zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftig, um mehr als nur gelegentliche Wortfetzen aufzuschnappen. „Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ich mir für den Zweck der Ausgrabung hier in Little Westbury … bin stolz darauf, bei diesem Vorhaben von so begeisterten Geschichtsliebhabern begleitet zu werden, wie … Sie hörte die Namen nicht, bis er den letzten erwähnte. „Und vor allem wird mir ein Freund und Reisegefährte zur Seite stehen, Mr. Andrew Adair, ohne den dieses Unterfangen gar nicht möglich wäre.
Das weckte allerdings schon ihr Interesse. Andrew und der Prinz waren Freunde? Andrew interessierte sich für Geschichte? All diese Jahre hatte sie sozusagen Tür an Tür mit ihm gelebt und hatte keine Ahnung gehabt. Sie war gerade bei Andrew angekommen, als die Anwesenden miteinander anzustoßen begannen. Im ganzen Saal klang es, als würden Kristallglocken läuten. Andrew stieß mit dem Herrn zu seiner Rechten an, dann mit den Leuten in der Reihe vor ihm, und schließlich wandte er sich nach links. Er zog erstaunt die hellen Augenbrauen zusammen und brauchte sichtlich einen Moment, um Evies Anwesenheit zu verarbeiten. „Oh, du bist es, Evie. Was tust du denn hier?" Er stieß mit ihr an, und sie suchte angestrengt nach einer Antwort.
„Ich wollte den Vortrag des Prinzen hören. Was in gewisser Weise auch stimmte. „Ich gratuliere dir übrigens zu dem gelungenen Abend.
„Oh. Ja", antwortete er vage. Schon glitt sein Blick wieder zur Bühne. Seine ganze Aufmerksamkeit galt wieder dem Prinzen statt ihr, wie Evie geplant hatte.
Sie räusperte sich vernehmlich, und er wandte sich ihr wieder zu. „Ich wusste nicht, dass du so sehr …", begann sie, doch er unterbrach sie, indem er mit der Hand wedelte, um sie zum Schweigen zu bringen.
„Wenn du mich einen Moment entschuldigen möchtest, Evie." Und damit ging er einfach an ihr vorbei und blieb im Gang stehen. Wenn sie ihn nicht besser gekannt hätte, hätte sie sein Benehmen als rüpelhaft bezeichnet. Unter anderen Umständen hätte seine abrupte Art sie vielleicht gekränkt, aber sie verstand den Grund dafür. Als enger Freund des Prinzen musste Andrew natürlich seinerseits einen Toast ausbringen. Sie hätte damit rechnen müssen. Er war nicht unhöflich, er tat nur seine Pflicht.
Sobald der Lärm sich gelegt hatte, erhob er sein Glas, und die Bewegung zog alle Blicke auf ihn. Und damit auch auf Evie. Zu spät erkannte sie, dass die Blicke aller Anwesenden auch auf ihr ruhten.
Andrew begann jetzt, souverän und mit fester Stimme zu der versammelten Menge zu sprechen. „Auf den Prinzen!" Im Nu war er auf der Bühne, wo er sich zu dem Prinzen gesellte. Und Evie blieb zurück. Wieder einmal. Das war es also. Ihr Versuch, Andrew auf sich aufmerksam zu machen, war fehlgeschlagen.
Nein. Geh ihm nach! Das klang genau wie Claires Stimme in ihrem Kopf. Claire wäre niemals wie eine willenlose Puppe hier stehen geblieben. Plötzlich entschlossen, zwängte Evie sich durch die Menge und wurde gleich darauf von anderen Gästen, die begierig waren, den Prinzen kennenzulernen, und zur Bühne drängten, mit nach vorn geschoben. Als die Drängelei aufhörte, stand sie wieder neben Andrew und beobachtete voller Erstaunen, wie der Prinz von Kuban ihn in eine brüderliche Umarmung zog. „Mein Freund! Wie schön, dich zu sehen. Hat dir der Vortrag gefallen?"
Andrew erwiderte die Umarmung, wenn auch ein wenig unbeholfen, als wäre ihm der ungewohnte Kontakt mit einem Mann nicht sehr angenehm. „Sehr. Was du über die große Bedeutung der Geschichte gesagt hast, war wirklich sehr treffend ausgedrückt, antwortete er und lächelte charmant. „West Sussex bekommt dir, alter Junge. Du siehst ausgesprochen gut aus.
Der Prinz lächelte breit. „Das stimmt in der Tat! Er breitete die Arme aus, als wollte er die ganze Welt umarmen. „Was für ein wunderschönes Fleckchen Erde du dein Zuhause nennst. Du bist ein sehr glücklicher Mann.
Und er meinte es ernst, erkannte Evie. Der Prinz strahlte eine so ungezwungene Aufrichtigkeit aus, dass er eher menschlich als königlich wirkte. Doch dann drehte der unverhofft menschliche Prinz den Kopf, und der Blick seiner dunklen Augen heftete sich auf sie. Evie erstarrte. Sie war nicht mehr der Beobachter einer Unterhaltung, sondern ein Teilnehmer. Seine Augen hatten die Farbe von schokoladenbrauner Seide, und sein Blick war genauso innig wie seine Umarmung. Evie war, als würde er bis in ihr Innerstes sehen und alles erkennen können – Evie, die Näherin, Evie, die Schneiderin, Evie, die ihrem Vater bei dessen historischer Forschung half. Außerdem hatte sie das Gefühl, er würde sie nicht bedauernswert finden oder gar gesellschaftlich peinlich. „Andrew, wir sind sehr nachlässig. Wer ist diese bezaubernde junge Dame?"
Sein Ton klang leicht vorwurfsvoll. Wie es aussah, benahm Andrew sich heute schon zum zweiten Mal ihr gegenüber nicht so, wie es sich für einen Gentleman gehört hätte. Eine Dame durfte nie in die Verlegenheit geraten, sich selbst vorstellen zu müssen. Andrew zögerte kaum merklich, während er sich von seiner Überraschung erholte, sie schon wieder an seiner Seite zu entdecken. Insgeheim wünschte Evie, er würde aufhören, ihre Anwesenheit als so rätselhaft zu empfinden.
Er lächelte. „Das ist Evie Milham, meine Nachbarin. Fast wäre Evie zusammengezuckt. Er hatte sie „Evie
genannt, noch dazu vor dem Prinzen! Vor einem Prinzen wäre doch gewiss etwas mehr Förmlichkeit angebracht gewesen. Auch der Prinz schien ihrer Meinung zu sein. Fragend ließ er eine dunkle Augenbraue in die Höhe schnellen.
Evie blieb nichts anderes übrig, als stolz das Kinn zu recken. So wenig Andrew es wahrscheinlich beabsichtigt hatte, so hatte er sie doch geringschätzig behandelt. Sie knickste vor dem Prinzen und nahm die Vorstellung selbst in die Hand. „Ich bin Miss Milham." Sie wusste, dass man ihr Respekt schuldete, und falls nötig, würde sie den Mut aufbringen müssen, diesen einzufordern. Wenn sie sich nicht selbst wertschätzte, würde es auch sonst niemand tun.
Evie straffte die Schultern und versuchte, sich in der Gegenwart dieses Mannes nicht unscheinbar und schüchtern zu fühlen. Entschlossen bot sie dem Prinzen die Hand und hoffte inständig, er ahnte nicht, wie viel Überwindung diese schlichte Geste sie kostete. Es wäre so viel einfacher gewesen, wieder in der Menge zu verschwinden. Doch ihre Bemühung wurde belohnt. Er beugte sich über ihre Hand und küsste sie leicht, während er Evie weiterhin mit seinen schokoladenbraunen Augen ansah. Eine seltsame Hitze breitete sich in ihr aus. Er verlieh ihr das Gefühl, die einzige Frau im gesamten Saal zu sein. Vielleicht war das der Unterschied zwischen einem Prinzen und anderen Männern.
„Evie? Er sprach ihren Namen mit seinem fremden Akzent aus. „Ist das die Abkürzung für etwas?
Er gab ihr die Gelegenheit, sich von Andrews Kränkung zu erholen. Und das auf sehr elegante Weise.
„Evaine."
Er lächelte anerkennend, und Evie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. „Ah, Sir Lancelots Tante in Ihren Camelot-Legenden."
Evie schmolz regelrecht dahin. Kein Wunder, dass englische Mütter ihre Töchter vor dem Einfluss ausländischer Männer warnten. Dieser Mann wäre in der Lage, das Herz jeder Frau zu erobern, ohne sich besonders anstrengen zu müssen. Auch sie selbst war völlig hingerissen von ihm, dabei hatte er nicht einmal die Absicht gehabt, sie zu bezaubern. Evie wusste natürlich, dass der Handkuss und der freundliche Blick nichts als reine Höflichkeit ausdrückten. Der Himmel mochte der Frau beistehen, bei der er größere Glut an den Tag legte. Evie verdrängte hastig die Frage, wie eine solche Glut sich wohl zeigen mochte.
„Sie kennen sich gut mit unserer Literatur aus." Selten war ihr ein Gentleman begegnet, der belesen genug gewesen wäre, um um den Ursprung ihres Namens zu wissen. Die Herren in dieser Gegend zeichneten sich meist durch einen bemerkenswerten Mangel an Bildung aus, wenn es nicht gerade um Pferde oder Hunde ging. Evie warf Andrew einen verstohlenen Blick zu. Noch immer hatte sie sich nicht völlig von der Erkenntnis erholt, dass Andrew sich für Archäologie und Geschichte interessierte. Bisher hatte sie auch ihn eher in die Klasse der Hunde- und Pferdeliebhaber eingeordnet.
„Ich finde die Artuslegende faszinierend", erklärte der Prinz. Er war sehr geduldig, als würde nicht ein ganzer Saal sehr viel attraktiverer Frauen darauf warten, mit ihm ein Wort zu wechseln. Andrew allerdings war offenbar alles andere als geduldig, sondern vielmehr unruhig und begierig darauf, das Gespräch zu beenden und sich anderen Leuten zuzuwenden.
„Dann solltest du die Milhams irgendwann besuchen, sagte er knapp. „Evies Vater ist der hiesige Historiker.
Er sprach das Wort „hiesig" in einem leicht verächtlichen Ton aus, als würde es erklären, warum man ihren Vater nicht in die Liste der Investoren für die Ausgrabungsstätte aufgenommen hatte. Stattdessen bestand sie ausnahmslos aus Männern aus London, deren historische Interessen breiter gefächert waren.
Der Prinz sah Evie aufmunternd an, als würde er gern mehr über ihren Vater hören. „Ja, sagte sie schließlich. „Wir besitzen einen Wandteppich, der recht beachtenswert ist.
„Später, Evie. Wenn du ihm jetzt davon erzählst, gibt es nichts mehr für ihn zu entdecken, wenn er sich das gute Stück selbst ansieht. Andrew legte dem Prinzen die Hand auf den Arm, wieder ein Lächeln um die Lippen, dieses Mal allerdings ein sehr viel einschmeichelnderes. „Außerdem muss ich dir noch so viele Leute vorstellen, Dimitri.
Die Botschaft hätte nicht deutlicher sein können.
Der Prinz wich jedoch nicht von der Stelle, bevor er sich formvollendet verabschiedet hatte. „Ich freue mich schon auf den Wandteppich, Miss Milham." Sie hatte das Gefühl, dass er sich für die abrupte Unterbrechung ihres Gesprächs entschuldigen wollte. Andererseits entging ihr auch nicht, dass es Andrew weiterzog. Wieder einmal hatte sie die Situation nicht richtig eingeschätzt. Sie hätte sich klarmachen sollen, dass Andrew an diesem Abend keine Zeit haben würde.
„Ich mich auch." Evie knickste und sah ihnen nach, bis sie sich unter die vielen anderen Gäste gemischt hatten, die sie begierig mit ihren Fragen bestürmten. Nach einem so kurzen Moment in Andrews Nähe war Evie wieder allein. In gewisser Weise fühlte sie sich noch niedergeschlagener, jetzt, da sie erfahren hatte, wie es war, neben ihm zu stehen.
Doch sie musste mit dem Selbstmitleid aufhören! Was hatte sie schließlich erwartet? Dass Andrew sie bei seinem Rundgang an diesem Abend mitgenommen hätte? Selbstverständlich waren der Prinz und Andrew sehr populär. Schließlich waren sie beide sehr attraktiv – der Prinz mit seinem dunklen Haar und den freundlichen Augen, und Andrew mit seinem goldblonden Haar. Außerdem hatten sie auch eine gewisse Pflicht gegenüber ihren Gästen.
Evie musste lächeln, da sie Andrews Benehmen bereits zu rechtfertigen begann. Es war für ihn ein sehr wichtiger Abend, und er musste den Überblick bewahren und den Prinzen so vielen Leuten vorstellen. Wie selbstsüchtig von ihr, ihn ganz für sich allein haben zu wollen. Sie würde sich damit zufriedengeben, dass sie immerhin einen ersten Schritt getan hatte. Und sie war wirklich zufrieden. Claire, Beatrice und May wären stolz auf sie gewesen. Sie hatte sich nicht gleich bei der ersten Gelegenheit geschlagen gegeben, sondern war zur Bühne gegangen und hatte sich bemerkbar gemacht. Das war schon für sich genommen ein großer Schritt – einer von vielen, die sie würde wagen müssen, wenn sie Andrews Zuneigung gewinnen wollte. Wie ihr Vater immer gern sagte: Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Evie begab sich an den Rand des Saales, nun da sie das Ziel für den heutigen Abend erreicht hatte. Sie musste ihre Siege feiern und nicht wegen ihrer Niederlagen in Selbstmitleid zerfließen.
2. KAPITEL
Der Abend war ein Erfolg gewesen! Dimitri Petrovich, Prinz von Kuban, erlaubte sich den seltenen Luxus, es sich lässig in einem von Andrews fadenscheinigen, behaglich gepolsterten Sesseln gemütlich zu machen. Es war ihm gelungen, die Menschen für sein Projekt zu begeistern. Er machte sich allerdings nichts vor. Ihm war klar, dass die Menschen sich nur für sein Projekt interessierten, weil er in ihren Augen ein Exot war. Prinz zu sein, hatte seine Vorteile, selbst wenn er dafür eine ganze Menge kriecherischer Schmeicheleien hinnehmen musste. Doch der Zweck war all das wert.
Er löste sein Krawattentuch und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. „Ah, das fühlt sich schon besser an." Alles deutete darauf hin, dass er die Gelder bekommen würde, auf die er gehofft hatte. Bisher war er es allein gewesen, der für das Projekt die Mittel hatte aufbringen müssen, doch am Ende würde er es den Menschen von Little Westbury übergeben, und die würden es schließlich allein tragen müssen. Er musste sich zwar um die nächsten Schritte kümmern und Arbeiter einstellen,