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Der erste Blick, der letzte Kuss und alles dazwischen: Romantisches Jugendbuch über die erste große Liebe
Der erste Blick, der letzte Kuss und alles dazwischen: Romantisches Jugendbuch über die erste große Liebe
Der erste Blick, der letzte Kuss und alles dazwischen: Romantisches Jugendbuch über die erste große Liebe
eBook235 Seiten3 Stunden

Der erste Blick, der letzte Kuss und alles dazwischen: Romantisches Jugendbuch über die erste große Liebe

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Über dieses E-Book

Die Buchvorlage zum erfolgreichen Film auf Netflix!

Ab morgen wird Clare an der Ostküste studieren und Aidan auf ein College in Kalifornien gehen. Clare ist skeptisch, ob ihre Beziehung trotz der Entfernung zwischen ihnen bestehen kann. Dennoch lässt sie sich darauf ein, gemeinsam mit Aidan all die Orte aufzusuchen, die für ihre Liebe eine Rolle gespielt haben. Können zwölf Stunden Clares Entschluss beeinflussen? Im Morgengrauen ist der Moment der Wahrheit gekommen: Ist es eine Trennung auf Zeit oder ein Abschied für immer?

"Smith ist ein echter Gewinn!"
VOYA

"Ein neuer cleverer Geniestreich von Jennifer E. Smith"
Kirkus Reviews

SpracheDeutsch
HerausgeberDragonfly
Erscheinungsdatum5. Feb. 2018
ISBN9783959677356
Der erste Blick, der letzte Kuss und alles dazwischen: Romantisches Jugendbuch über die erste große Liebe
Autor

Jennifer E. Smith

Jennifer E. Smith hat in Schottland an der St. Andrews Universität studiert und ihren Master in kreativem Schreiben gemacht. Bisher sind in ihre Jugendbücher in 35 Sprachen übersetzt worden. Derzeit lebt und schreibt sie in New York City.

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    Buchvorschau

    Der erste Blick, der letzte Kuss und alles dazwischen - Katja Strauß

    HarperCollins YA!®

    Copyright © 2018 by HarperCollins

    in der HarperCollins Germany GmbH

    Titel der amerikanischen Originalausgabe:

    Hello, Goodbye and Everything in Between

    Copyright © 2015 by Jennifer E. Smith, Inc.

    erschienen bei: Poppy, Hachette Book Group, New York

    Covergestaltung: Formlabor, Hamburg

    Coverabbildung: Elena Naumchenkova, Premium Vector / Shutterstock

    Redaktion: Imke Rösing

    ISBN E-Book 9783959677356

    www.harpercollins.de

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    Widmung

    Für Jenn,

    mit ganz viel Dankbarkeit

    Prolog

    Als Aidan die Tür öffnet, stellt Clare sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen, und für einen Moment fühlt es sich so an, als wäre heute ein ganz normaler Abend.

    »Hi«, sagt sie.

    Er lächelt. »Hi.«

    Sie schauen sich einen Augenblick an, nicht sicher, wie sie anfangen sollen.

    »Also«, meint Clare schließlich.

    Aidan versucht es erneut mit einem Lächeln. »Also.«

    »Ich schätze, es ist so weit.«

    Er nickt. »Das schätze ich auch.«

    »Unsere letzte Nacht«, erwidert sie, und er neigt den Kopf etwas.

    »Du weißt, dass es nicht die letzte sein muss.«

    »Aidan …«

    »Ich weiß, ich weiß.« Er hebt die Hände. »Doch du kannst es mir nicht verübeln, oder? Mir bleibt nur das bisschen Zeit, um dich umzustimmen.«

    »Nur zwölf Stunden.« Sie blickt auf ihre Uhr. »Nicht zu fassen, dass das alles sein soll.«

    »Und das auch nur, wenn wir nicht schlafen.«

    »Wir werden auf keinen Fall unsere Zeit mit Schlafen verschwenden.« Sie holt ein gefaltetes Blatt Papier aus der Tasche ihres Kleides. »Wir haben so viel zu tun.«

    Langsam zieht Aidan eine Augenbraue hoch. »Das ist hoffentlich keine Liste mit Gründen, warum wir uns trennen sollten …«

    »Nein.« Sie reicht ihm den Zettel und sieht dabei zu, wie er irritiert zu lesen beginnt. »Ich dachte bloß, ein Plan wäre gut.«

    »Und das ist er?«

    Sie nickt. »Das ist er.«

    »Okay.« Er holt tief Luft. »Dann sollten wir besser anfangen.«

    Sie laufen zum Auto, aber auf halber Strecke stoppt Clare plötzlich. Mit einem Mal ist sie nervös, das Herz hämmert wild in ihrer Brust. Ängstlich schaut sie Aidan an. »Es ist schon verrückt, oder?«

    »Was?«, fragt er.

    »Dass wir morgen weggehen.« Ihre Stimme ist schriller als gewöhnlich. »Nach allem, was geschehen ist, bleiben uns nur noch zwölf Stunden. Ich meine … wir sind endlich angekommen. Am Ende des Weges.«

    »Oder am Anfang.«

    Clare antwortet nicht; sie möchte ihm so gern glauben, doch das kann sie nicht, dazu ist die Veränderung, vor der sie stehen, zu gewaltig.

    »Vertrau mir.« Aidan greift nach ihrer Hand. »In zwölf Stunden kann viel passieren.«

    Station # 1

    Die Highschool

    18:24 Uhr

    Aidan zögert, bevor er den Autoschlüssel ins Zündschloss steckt, und einen kurzen Moment lang stellt Clare sich vor, sie würden einfach nur zusammen Essen gehen oder ins Kino oder sonst wohin fahren, ziellos und ohne Sorgen, weil sie wie so oft zuvor nichts anderes zu tun haben.

    Aber dieser Abend ist anders.

    Denn das ist kein Anfang. Es ist das Ende.

    Aidan hält die Hand immer noch über den Schlüssel, und Clare blickt auf den Notizzettel in ihrem Schoß. Während ihres kurzen Spaziergangs zum Haus der Gallaghers – ein Weg, den sie in den letzten beiden Jahren sicher tausendmal gelaufen ist – hat sie das Blatt so oft gefaltet, dass es bereits ganz weich und zerknittert ist.

    »Vielleicht sollten wir abhauen oder so was.« Aidan sieht sie von der Seite an. »Einfach fahren, bis wir in Kanada sind.«

    »Kanada, ja?« Clare zieht die Augenbrauen hoch. »Sollen wir uns aus dem Staub machen?«

    Er zuckt die Achseln. »Na schön. Dann eben nur bis Wisconsin.«

    Sie legt die Hand in seinen Nacken, sein rötliches Haar ist frisch geschnitten, so kurz, dass er älter aussieht als sonst. »Ich muss gleich morgen früh los«, erklärt sie sanft. »Das Auto ist schon halb beladen. Und dein Flug geht mittags.«

    »Ich weiß«, erwidert er, ohne sie anzuschauen. Den Blick hält er auf die geschlossene Garagentür gerichtet. »Das meine ich ja. Lass uns das alles vergessen.«

    »Das College?«, fragt sie lächelnd und lässt die Hand sinken.

    »Genau.« Er nickt. »Wer braucht das schon? Lass uns türmen. Nur für ein Jahr oder so. Wir beginnen ein neues Leben. Auf dem Land. Oder besser noch auf einer einsamen Insel.«

    »Du würdest in einem Baströckchen sicher toll aussehen.«

    »Ich meine es ernst«, entgegnet er, doch ihr ist klar, dass das nicht stimmt. Er ist nur verzweifelt und traurig, nervös und aufgeregt, schrecklich verunsichert, weil sie auf diese unsichtbare Grenze zusteuern, die ihr Leben in ein Vorher und Nachher teilen wird. Sie fühlt genauso.

    »Aidan«, sagt sie leise, und diesmal blickt er sie an. »Es wird passieren. Morgen. So oder so.«

    »Ich weiß.«

    »Und deswegen müssen wir überlegen, wie wir damit umgehen.«

    »Richtig, aber …«

    »Nein«, unterbricht sie ihn und hält den Zettel hoch. »Schluss mit Reden. Wir haben den ganzen Sommer über geredet, und es hat uns nicht weitergebracht. Wir haben uns ständig im Kreis gedreht: zusammen bleiben, trennen, zusammen bleiben, trennen …«

    »Zusammen bleiben«, ergänzt Aidan leicht grinsend.

    Leise lacht Clare. »Es hat sowieso keinen Sinn, und deswegen hören wir auf zu reden. Lass uns losfahren, okay?«

    Er beugt sich vor und dreht den Zündschlüssel um.

    »Okay«, stimmt er zu.

    Ihr erster Halt ist nicht weit entfernt, schweigend lassen sie all die vertrauten Orte vorbeiziehen: die Brücke über der Schlucht, die von Pinien gesäumte Straße, den Pavillon im Park. Clare versucht, jedes einzelne Bild festzuhalten. Wenn sie an Thanksgiving wieder hier ist, wird sie womöglich bereits ein komplett anderer Mensch sein, und dann wird ihr alles hier anders vorkommen. Weil der Gedanke ihr Angst einjagt, strengt sie sich an, sich alles genau einzuprägen. Jeden Baum, jede Straße, jedes Haus.

    So hat heute Morgen, als sie aufwachte, auch alles angefangen. Es versetzte sie in Panik, wie oft sie sich noch würde verabschieden müssen. Nicht nur von Menschen: von Aidan selbstverständlich und von ihrer besten Freundin Stella; von Aidans Schwester Riley; von seinem Kumpel Scotty und von einer Handvoll anderer Freunde, die noch nicht weg sind.

    Auch von der Stadt selbst. Von all den wichtigen Stationen ihrer Kindheit. Sie kann nicht gehen, ohne noch einmal den Park gesehen oder ein Stück Pizza in ihrem Lieblingsladen gegessen zu haben.

    Und nicht, ohne noch einmal am Strand gewesen zu sein, eine letzte Party zu feiern, ein letztes Mal an ihrer Highschool vorbeizufahren.

    Also begann sie, eine Liste zu schreiben, wobei ihr schnell klar wurde, dass so ziemlich alles, was ihr etwas bedeutet, untrennbar mit Aidan verbunden ist. Sie lebt praktisch in einer Geisterstadt, die gespickt ist mit Meilensteinen und Erinnerungen an ihre beinahe zweijährige Beziehung.

    Und somit soll aus diesem Abend, aus dieser Nacht, etwas anderes werden: ein Nostalgietrip, eine Reise in die Vergangenheit, ein Schwelgen in Erinnerungen. Auf diese Weise will sie sich von der kleinen Stadt verabschieden, in der sie ihr ganzes Leben verbracht hat, und vielleicht – irgendwie – auch von Aidan.

    Sie erschauert bei diesem Gedanken und drückt auf den Knopf, um das Fenster zu schließen.

    Aidan sieht sie an. »Kalt?« Als sie nickt, macht er ebenfalls sein Fenster zu. Aber der Fahrtwind ist nicht der einzige Grund, der sie frösteln lässt. Es ist dieses eiskalte Grauen, das sie jedes Mal überfällt, wenn sie daran denkt; nicht nur an den Abschied, sondern an alles, was danach kommt: der Schmerz, der sie beide hundertprozentig bis ans jeweils andere Ende des Landes begleiten wird, so heftig, dass sie ihn schon jetzt spüren kann, obwohl Aidan nur Zentimeter von ihr entfernt ist.

    Um ehrlich zu sein, wartet sie noch immer darauf, dass ihr Herz endlich die Entscheidung akzeptiert, die ihr Kopf längst getroffen hat. Aber die Zeit spielt gegen sie.

    Während sie die lang gezogene Auffahrt ihrer Highschool erreichen, runzelt Aidan die Stirn. Er hält auf einem der vielen Parkplätze. »Also sag schon. Warum genau sind wir hier?«

    Es ist früh an einem Freitagabend Ende August, das Gebäude steht still und verlassen da. Obwohl sie vier Jahre lang diese Schule besucht hat, kann Clare sich kaum noch an das Gefühl erinnern, wenn es hier von Schülern nur so wimmelte und alle in der Pause durch die Holztüren auf die Rasenfläche strömten. Es ist erst zwei Monate her, doch es kommt ihr viel länger vor.

    Sie dreht sich zu Aidan um. »Weil die Schule der erste Punkt auf meiner Liste ist.«

    »Das weiß ich«, entgegnet er. »Doch wieso?«

    »Hier haben wir uns kennengelernt.« Sie steigt aus. »Und die Idee ist, mit dem Anfang zu beginnen.«

    »Dann wird das hier also eine chronologische Schnitzeljagd.«

    »Keine Schnitzeljagd. Ich betrachte es eher als Auffrischungskurs.«

    »Auffrischungskurs in was?«

    Sie lächelt ihn an. »In uns.«

    »Also geht es sozusagen um unsere Greatest Hits.« Er lässt den Schlüsselbund um seinen Finger kreisen, läuft um das Auto herum auf sie zu, und einen Moment lang ist es so, als ob alles noch gar nicht passiert wäre. Für eine Sekunde ist er nicht der Mensch, den sie am besten auf der Welt kennt, sondern wieder der fremde Junge mit dem roten Haar, den Sommersprossen, fast schon lächerlich groß, der am ersten Tag des Junior Year wie aus dem Nichts auftaucht und ihr Leben auf den Kopf stellt.

    Weil er direkt im Licht steht, muss Clare die Augen zusammenkneifen, um ihn einige Sekunden nachdenklich betrachten zu können. »Habe ich dir jemals erzählt, dass ich immer extra zu spät zum Englischunterricht gegangen bin, nur um dich auf deinem Weg zum Mathekurs zu treffen?«

    »Also, jetzt fühle ich mich irgendwie schlecht«, erwidert Aidan, und es bilden sich Lachfältchen um seine Augen. »Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich pünktlicher gewesen.«

    »Das hätte keine Rolle gespielt.« Sie muss daran denken, wie er immer um die Ecke gebogen kam, die Bücher wie einen Football unter den Arm geklemmt, stets nach dem Klingeln, anfangs, weil er sich verlaufen hatte, und später, weil er die Zeit vergaß. »Ich hätte den ganzen Tag gewartet. Wahrscheinlich sogar bis in alle Ewigkeit.«

    Das meint sie natürlich nicht ernst, aber in seinem Lächeln liegt Wehmut. »Ach ja?«

    Sie zuckt mit den Schultern. »Ja.«

    »Ich wünschte, das wäre noch immer so«, sagt er, nicht böse, er spricht es leise aus, ruhig, denn es handelt sich um eine simple Tatsache und einen aufrichtigen Wunsch.

    Und doch versetzt es ihr einen Stich.

    »Du musst damit aufhören«, stößt Clare hervor. »Hör auf, der Romantische von uns beiden zu sein.«

    Aidan wirkt überrascht. »Was?«

    »Das ist nicht fair«, sagt sie. »Ich hasse es, dass ich hier die Böse sein soll. Es ist ja nicht so, dass ich mit dir Schluss machen will. Es bringt mich schier um, darüber auch nur nachzudenken, aber ich versuche einfach, vernünftig zu sein. Ab Morgen werden wir eine Million Meilen voneinander entfernt sein, und es hat keinen Sinn, es irgendwie anders zu machen. Also musst du damit aufhören.«

    »Aufhören … romantisch zu sein?«, hakt Aidan amüsiert nach.

    »Ja.«

    »Und hast du mal überlegt, dass du vielleicht weniger vernünftig sein solltest?«

    Clare seufzt. »Einer von uns muss es ja sein.«

    »Und zwar diejenige, die für unseren letzten Abend eine romantische Schnitzeljagd geplant hat?« Er schlingt einen Arm um ihre Schultern und drückt sie leicht.

    Sie verdreht die Augen. »Das ist keine Schnitzeljagd.«

    »Nun, egal, was es ist, mir kommt das ziemlich romantisch für jemanden vor, der so schrecklich vernünftig ist.« Er zieht sie an sich. Ihr Kopf landet an seiner Brust, sie muss das Kinn heben, um ihn anzuschauen. Er beugt sich herab und küsst sie. Obwohl sie sich schon tausendmal geküsst haben – sogar genau hier auf diesem Parkplatz –, spürt sie das Kribbeln im Bauch. Und auf einmal packt sie die Angst, weil sie nur noch so wenige Küsse vor sich haben.

    Zusammen schlendern sie zur Eingangstreppe der Schule. Clare zerrt am Griff der großen Holztür, aber die bewegt sich nicht. Sie klopft ein paarmal für den Fall, dass sich darin ein Wachmann befindet, doch niemand öffnet.

    »Die Schule geht erst in ein paar Wochen wieder los«, meint Aidan. »Ganz sicher ist an einem Freitagabend niemand hier.«

    »Ich dachte, es gäbe vielleicht Sommerkurse oder so was …«

    »Lass uns einfach mit dem nächsten Punkt weitermachen, was auch immer es ist.«

    Clare schüttelt den Kopf. Sie weiß nicht, wie sie ihm klarmachen soll, worum genau es geht. Zwei komplette Jahre in eine einzige letzte Nacht zu packen; alle Puzzleteile aus der Schachtel zu schütten und sie dann in der richtigen Reihenfolge zusammenzufügen, damit sie das ganze Bild vor sich sehen können.

    Und sich davon verabschieden können.

    Aber um das zu tun, müssen sie mit dem Anfang beginnen.

    »Nein.« Sie blickt an dem Steingebäude hinauf. »Es muss einen Weg hinein geben. Hier haben wir uns zum ersten Mal gesehen …«

    Aidan lächelt. »In Mr. Coadys Erdkundeunterricht.«

    »Genau«, sagt sie. »Nicht, dass du dich daran erinnern könntest.«

    »Doch, natürlich erinnere ich mich.«

    »Tust du nicht. Zumindest nicht an diesen ersten Tag.«

    »Ach, jetzt komm schon.« Aidan lacht. »Wie könnte man dich vergessen?«

    »Unmöglich.« Sie ist sich sicher, dass es nicht stimmt. Man kann alles Mögliche von ihr behaupten – dass sie klug und witzig ist, ehrgeizig und talentiert –, aber unvergesslich gehört mit Sicherheit nicht dazu. Was sie auszeichnet – das, worauf sie am meisten stolz ist –, zeigt sich erst, wenn man sie besser kennt. Auf den ersten Blick ist sie völlig unscheinbar: braunes Haar, braune Augen, durchschnittliche Größe und durchschnittliches Aussehen. Meistens geht sie einfach unter, was sie aber vollkommen in Ordnung findet: Man kann es in der Highschool wirklich schlimmer treffen. Es bedeutet allerdings auch, dass vor Aidan niemand sie jemals wirklich wahrgenommen hat.

    An seinem ersten Tag setzte er sich an den Tisch direkt hinter ihr. Der Lehrer teilte Geoden aus, die herumgereicht werden sollten, und als sie an der Reihe war, nahm sie den Stein vorsichtig in beide Hände. Von außen sah er wie ein normaler Stein aus, doch innen war er mit glitzernden lila Kristallen gefüllt. Als sie sich umdrehte, um die Geode an den neuen Mitschüler weiterzugeben, hielt der den Blick fest auf den Stein gerichtet. Doch später – nachdem er sie endlich bemerkt hatte, nachdem ihnen beiden klar geworden war, dass hier etwas Neues begann – musste sie immer wieder an diesen Moment denken. Denn genau so fühlte sie sich, wenn sie bei ihm war … als wäre sie ihr Leben lang ein Stein gewesen, normal und langweilig, aber dann traf sie ihn, etwas riss in ihr auf, und sie begann – wie von selbst – zu funkeln.

    »Wir müssen da rein«, sagt sie jetzt mit einem verzweifelten Gefühl im Bauch.

    Aidan wirft ihr einen merkwürdigen Blick zu. »Ist das wirklich wichtig?

    »Ja.« Sie zerrt noch einmal an dem Türgriff, obwohl es keinen Sinn hat. »Wir müssen die Sache richtig beginnen.«

    Natürlich versteht er nicht, warum ihr das so wichtig ist, und wahrscheinlich könnte sie es ihm auch nicht erklären, selbst wenn sie es versuchte. Doch die Uhr tickt, bald beginnt der nächste Tag, an dem sich alles ändern wird. Und das hier – diesen Plan für ihre letzte gemeinsame Nacht –, das zumindest will sie kontrollieren können.

    Den ganzen Sommer über hat Clare Kursbeschreibungen, Campuspläne und Nachrichten ihrer baldigen Mitbewohnerin studiert, um ein klareres Bild von ihrem zukünftigen Leben zu kriegen. Aber soviel sie auch gelesen hat, soviel sie auch herauszufinden versucht hat, ist es doch unmöglich, sich die Einzelheiten vorzustellen. Und diese Ungewissheit ist das Schlimmste.

    Sie weiß nicht, ob sie gleichzeitig die Kurse Einführung in Psychologie und Japanologie wählen kann, ob sie in den ersten entscheidenden Tagen jemanden findet, der im Speisesaal mit ihr an einem Tisch sitzen will – denn bereits am Anfang bilden sich Gruppen und Freundschaften, die dann aushärten wie Zement, so viel weiß sie.

    Sie weiß jedoch nicht, wie sie sich mit ihrer Mitbewohnerin verstehen wird, Beatrice St. James aus New York City, die am liebsten erzählt, welche Band sie diesen Sommer live gesehen hat, und die, wie Clare befürchtet, die Wände ihres gemeinsamen Zimmers mit Konzertpostern zupflastern wird.

    Sie weiß nicht, ob es falsch ist, ihren Wintermantel bis Thanksgiving hierzulassen, ob es unerträglich sein wird, das Badezimmer mit zwanzig Leuten zu teilen, ob die Mädchen von der Ostküste sich anders kleiden als die Mädchen hier in Chicago. Sie weiß nicht, ob sie auffallen oder sich einfügen wird, schwimmen oder absaufen, ob sie vor Heimweh sterben oder unabhängig sein wird, glücklich oder traurig.

    Und vor allem weiß sie nicht, ob sie das alles

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