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Sail Away: Band 1 - Der Skipper
Sail Away: Band 1 - Der Skipper
Sail Away: Band 1 - Der Skipper
eBook493 Seiten7 Stunden

Sail Away: Band 1 - Der Skipper

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Über dieses E-Book

Ein fast erwachsener Teenager und ein junges Mädchen verlieben sich ineinander. Die Mutter des Mädchens, eine berühmte Schauspielerin, tut alles, um die Beiden auseinanderzubringen. Doch das ist gar nicht so leicht. Denn unerwartet bekommt das junge Paar Hilfe von einem mächtigen Mann, der die wütende Mutter immer wieder ausbremst. Bis auf einmal, da kommt er zu spät. Die Katastrophe ist nicht mehr aufzuhalten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Mai 2015
ISBN9783738028829
Sail Away: Band 1 - Der Skipper

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    Buchvorschau

    Sail Away - Detlef Wolf

    Sail Away - Band 1: Der Skipper

    Sail Away

    Teil 1

    Der Skipper

    Detlef Wolf

    Autor: Detlef Wolf

    Coverdesign: MeinBestseller.de

    ISBN: 9789462543089

    © Detlef Wolf, 2012

    Diese Geschichte ist frei erfunden. Es gibt keine Verbindung zu lebenden oder verstorbenen Personen. Namensgleichheiten, die irgendjemandem auffallen könnten, sind zufällig, und wenn es solche geben sollte, dann hoffe ich, niemandem zu nahe getreten zu sein.

    Natürlich denke ich beim Schreiben manchmal an Leute, die ich kennengelernt habe oder von deren Existenz ich weiß, aber die Handlungen dieser Personen und ihre Charaktereigenschaften in dieser Geschichte, entspringen meiner Phantasie und haben mit den realen Personen nichts zu tun. Sollten sie wirklich so sein, wie ich es hier beschrieben habe, dann ist das ein Zufall und keineswegs beabsichtigt.

    Ebenso gilt das für die Schauplätze. Manche gibt es tatsächlich, aber viele habe ich mir auch ausgedacht. Wenn Sie sie kennen und sie in der Wirklichkeit anders sind als hier beschrieben, na ja, dann wissen Sie es eben besser. Ich jedenfalls habe sie mir so zurechtgebastelt, wie ich sie für meine Geschichte brauchte.

    Also, sind Sie bitte nicht so streng mit mir, und haben Sie trotzdem viel Freude an meiner Erzählung.

    1 Heimreise

    „Martin Schöller." Der Klassenlehrer hielt Martin das Zeugnis hin. Martin nahm es ihm aus der Hand, verstaute es sorgfältig in einer Plastikhülle und steckte es in eine der Mappen in seiner Schultasche. Ohne es gelesen zu haben. Er brauchte nicht hinzusehen, er wußte ohnehin, was drinstand. Versetzt in die nächste Klasse, Oberprima, Klasse dreizehn. Noch ein Jahr, dann würde er sein Abitur machen. Matura, wie es hier hieß.

    Martin verließ den Klassenraum zusammen mit den Anderen, achtzehn insgesamt, die mit ihm in der gleichen Klasse waren. Große Abschiedsszenen gab es keine an diesem letzten Schultag vor den großen Ferien. Ein flüchtiger Gruß. Achtlos hingeworfene Wünsche nach schönen Ferien. Die meisten von ihnen, die Internatsschüler zumindest, würden sich ohnehin noch einmal treffen, um die Versetzung zu feiern, bevor sie sich auf den Weg nach Hause machten, gleich heute Nachmittag, für diejenigen, die über ein eigenes Auto verfügten oder am nächsten Tag, wenn die Heimreise mit Flugzeug oder Zug erfolgte.

    Auf dem Gang herrschte Gedränge. Schüler kamen aus den Klassenräumen, gingen oder rannten zum Ausgang, je nach Temperament und Alter, oder sie standen allein oder in Gruppen zusammen und diskutierten mehr oder weniger lautstark den Inhalt ihrer Zeugnisse. Martin drängte sich hindurch und ging hinaus auf den Hof zwischen dem Schulgebäude und der „Villa", in der die Schlafräume lagen. Auch auf dem Schulhof wimmelte es von Schülern aller Altersstufen. Nicht alle wohnten auf dem Gelände, im Internat, so wie er, die meisten kamen aus der Stadt oder der Umgebung, wo sie bei ihren Eltern lebten. Draußen auf der Straße stauten sich die Schulbusse. Die Menge der Schüler setzte sich langsam in Bewegung dorthin. Bald würde der Schulhof leer sein, nur die etwa hundertzwanzig Internatsschüler blieben.

    Martin ging hinüber zur „Villa", einem prachtvollen, etwa hundert Jahre alten Jugendstilbau, der, einst von einem reichen Industriellen erbaut, nun einem Teil der Internatsschüler als Wohnhaus diente. Dort teilte er sich ein Zimmer mit Christoffer, einem Winzerssohn aus dem Badischen, der sich nach der Zeugnisausgabe gleich aus dem Staub gemacht hatte. Hinunter in die Stadt, die Versetzung feiern. Martin hatte dafür weder die Lust noch das Geld. Ein Stipendium ermöglichte es ihm, dieses sündhaft teure Internat im österreichischen Klagenfurt zu besuchen.

    Er packte die Sachen, die er während der zweimonatigen Sommerferien brauchen würde in einen mittelgroßen Koffer. Allerlei Krimskrams, der sich im Laufe des Jahres angesammelt hatte und den er ebenfalls mit nach Hause nehmen wollte, verstaute er in Taschen und Tüten. Alles zusammen trug er hinunter zu seinem Auto, einem uralten Golf in einer schmutzigblauen, im Laufe der Jahre matt gewordenen Farbe, den er von seinem im vergangenen Jahr verstorbenen Großvater geerbt hatte. Die Großmutter hatte das Auto auf ihren Namen umschreiben lassen, bezahlte Steuern und Versicherung und hatte es ihm überlassen. Es nahm sich reichlich schäbig aus auf dem Parkplatz, zwischen all den hochglanzpolierten und chromblitzenden Cabrios und Sportwagen, die einige seiner Schulkameraden fuhren. Aber das war ihm gleichgültig. Er war unendlich froh über diesen fahrbaren Untersatz, und er hütete ihn wie seinen Augapfel. Endlich nicht mehr die elend lange Zugfahrt von Schleswig-Holstein im Norden Deutschlands nach Kärnten in Österreich, mit mehrmaligem Umsteigen, wo man mit dem Gepäck aufpassen mußte, sowohl der eigenen, beschränkten Transportkapazität wegen, als auch im Hinblick auf den unzureichenden Stauraum in den Reisezugwagen. Ein großer Automechaniker war er nicht gerade, aber mit den Freunden und Bekannten zu Hause schaffte er es, den Wagen trotz des hohen Alters, tiptop in Schuß zu halten.

    Die letzte Tasche war verstaut. Er schlug den Kofferraumdeckel zu und rieb sich zufrieden die Hände. Heute würde er noch im Internat übernachten und morgen dann, in aller Frühe, nach Hause fahren. Acht Wochen Sommerferien.

    Auf dem Weg zurück in die „Villa" wurde er aufgehalten.

    „Du, sag mal, Du bist doch der Martin Schöller aus der Zwölf?"

    Ein Mädchen stand vor ihm und blickte ihn aus großen, braunen Rehaugen und mit kessem Gesichtsausdruck an. Er kannte es vom Sehen, nicht näher. Sie hatten noch nie miteinander gesprochen, er wußte nicht einmal, wie sie hieß, noch, in welche Klasse sie ging. Nur daß sie ebenfalls im Internat wohnte. Mit der Zeit prägten sich die Gesichter ein, denen man beim Frühstück oder den anderen Mahlzeiten immer wieder begegnete.

    Auf jeden Fall war sie um einiges jünger als er, fast einen Kopf kleiner und ziemlich hübsch, wie er auf einen kurzen Blick hin feststellte, hübsch genug, um noch einmal hinzusehen. Sie trug einen reichlich kurzen Jeansrock und ein verwaschenes, hellblaues T-Shirt, das entweder eingelaufen oder ihr von vorneherein zwei Nummern zu klein war und das sich nun über ihren winzigen Brüsten spannte und ein Stück ihres Bauches freiließ. Ihre dünnen Arme und Beine ließen sie zerbrechlich aussehen. Die Riemchensandalen wirkten klobig an den zierlichen, nackten Füßen. Die langen, glatten, braunen Haare fielen beinahe bis zum Bund ihres Minirocks über ihren Rücken. Das hübsche Gesicht mit den leicht hervorstehenden Wangenknochen zierte ein Stubsnäschen, ein fein geschwungener Mund mit blaßrosa Lippen und ein energisches Kinn.

    Martin fand sie recht niedlich. Er grinste sie an. „Falsch. Das heißt, der Name stimmt schon. Aber die Klasse nicht. Seit einer Stunde dreizehn, nicht mehr zwölf."

    Sie schnitt eine Grimasse. „Ha-ha-ha, sehr witzig. Aber okay. Ich wollte Dich mal fragen, ob Du mich mitnehmen kannst?"

    Er war verblüfft. „Mitnehmen? Wie, mitnehmen? Wohin denn mitnehmen? Ich geh auf keine Zeugnisparty, wenn Du das meinst."

    Sie schüttelte den Kopf. „Nee, das mein ich nicht. Nicht auf ‘ne Party, nach Hause. Du fährst doch bestimmt jetzt nach Hause. In die Ferien. Ich hab gesehen, wie Du Dein Zeug ins Auto geladen hast. Und da würd ich gern mitfahren."

    „Ja schon. Sicher fahr ich nach Hause. Allerdings nicht jetzt sondern erst morgen früh. Aber weißt Du denn überhaupt, wo ich hinfahre?"

    Sie nickte. „Neustadt bei Kiel. Ungefähr meine Richtung. Und Du bist der Einzige, der in diese Richtung fährt. Ich hab mich erkundigt."

    Er betrachtete sie noch einmal. Eigentlich hatte er sich auf eine lange Autofahrt ohne Gesellschaft gefreut. Früh aufstehen, in den Sonnenaufgang hineinfahren, Musik hören, die Gedanken schweifen lassen und vor allem, mit niemandem reden müssen. Jetzt kam diese Kleine daher und bat darum, mitfahren zu dürfen. Dreizehn war sie, vielleicht vierzehn, ein giggelnder, schnatternder nerviger Teenager im schlimmsten Alter. Wahrscheinlich würde das Geschnatter von der Abfahrt bis zur Ankunft nicht aufhören, und wenn, dann nur, um Klagen über das unbequeme Auto, die langsame Fahrweise, die scheußliche Musik, die stickige und heiße Luft, den unerträglichen Durst oder das Bedürfnis nach dem Gegenteil dazwischenzuschieben. Er konnte es sich genau vorstellen. Schon ihr Gesichtsausdruck hatte etwas ungeheuer Hochnäsiges. Ein Prinzeßchen, das gewohnt war, nur mit den Fingern zu schnippen, um jedesmal genau das zu bekommen, wonach ihm gerade der Sinn stand. So jemand hatte ihm gerade noch gefehlt. Fast war er soweit, ihre Bitte abzulehnen. Aber dann lächelte sie ihn an, und ihr Lächeln war einfach hinreißend, unwiderstehlich.

    Er entschied sich gegen sein Gefühl. „Na, gut, ich nehm Dich mit, hörte er sich sagen und war überrascht darüber. Darum schränkte er gleich ein: „Nur, ich werd ziemlich früh losfahren, so gegen vier morgen früh, damit mußt Du Dich abfinden. Er hoffte, damit das Ende ihrer Mitfahrgelüste heraufbeschworen zu haben.

    Doch sie zuckte gleichmütig die Achseln. „Macht nix. Ich werd’s überleben. Um vier Uhr also, hier bei Deinem Auto?"

    Er nickte. „Aber sei bitte pünktlich."

    „Gut, Ich werde dasein. Bis dann also." Sie hob grüßend die Hand, drehte sich um und ging. Ihr kurzes Röckchen wippte bei jedem Schritt, ebenso wie die langen Haare. Sie sah wirklich niedlich aus.

    Martin sah ihr verwundert nach. Was war das jetzt? Aus heiterem Himmel quatscht ihn ein hübsches Mädchen an und bittet um einen Lift. Nicht einmal ihren Namen hatte sie genannt. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie nur eine Mitfahrgelegenheit gesucht hatte. So eine wie die hat sowas nicht nötig. Andererseits war es noch viel unwahrscheinlicher, daß sie hinter ihm her war. Das paßte schon vom Alter her nicht. Und außerdem, was sollte eine wie die schon an ihm finden? Er war gespannt, ob sie tatsächlich auftauchte. Eine Viertelstunde würde er ihr geben, mehr nicht, dann würde er losfahren. Mit ihr oder ohne sie, das lag an ihr.

    ***

    Sie wartete seit einer Viertelstunde. Sagte sie jedenfalls. Martin kam um drei Minuten vor vier auf den Parkplatz und fand dort ein vor Kälte schlotterndes Mädchen. Kein Wunder, mit ihrem dünnen Spaghettiträgertop, den Shorts und den nackten Füßen in den Riemchensandalen war sie passend gekleidet für den Gang ins Freibad aber nicht für die Kühle einer eben zu Ende gehenden Sommernacht. Zitternd saß sie auf ihrem großen Koffer und hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen.

    Martin war diesbezüglich passender gekleidet. In seinem Sweatshirt, den Jeans und den Turnschuhen fühlte er sich ganz behaglich.

    „Mädchen, wie läufst Du denn hier rum? Du holst Dir ja den Tod. Er schloß das Auto auf und öffnete die Beifahrertür. Los, rein mit Dir. Das kann man ja nicht mit ansehen."

    Sie lächelte ihn an mit blauen Lippen und ihrem unwiderstehlichen Lächeln, und er fand sie wirklich bezaubernd. Lachend und kopfschüttelnd streckte er ihr die Hand hin und half ihr auf die Füße. Stirnrunzelnd betrachtete er ihren voluminösen Reisekoffer.

    „Na, das wird knapp", meinte er.

    Tatsächlich mußte der Koffer auf der Rückbank verstaut werden, keine Chance, ihn im Kofferraum unterzubringen. Es war umständlich bei dem zweitürigen Auto, aber es klappte. Fünf Minuten nach der geplanten Abfahrtszeit waren sie unterwegs. Geredet wurde nicht. Martin konzentrierte sich auf die Straße, seine Mitfahrerin sah schweigend geradeaus. Bereits als sie auf der Autobahn den ersten Tunnel Richtung Villach passierten, war sie eingeschlafen. Martin betrachtete sie kurz. Noch immer hatte sie blaue Lippen und eine Gänsehaut. Also hielt er auf dem nächsten Parkplatz an, kramte eine Decke aus dem Kofferraum und deckte sie damit zu. Den Sitz kurbelte er ein wenig weiter nach unten. So lag sie bequemer. Sie bemerkte nichts davon. Nur einmal knurrte sie kurz im Schlaf und wickelte sich in die Decke ein. Kopfschüttelnd betrachtete er sie noch einmal, als er wieder losfuhr.

    Sie schlief wie ein Engel. Und sie war ebenso hübsch. Obwohl sie keine blonden Haare hatte, sondern braune. Und auch keine Locken, sondern glatte Haare, die jetzt wie ein Vorhang ihr Gesicht bedeckten. Noch einmal überlegte er, wie alt sie wohl sein mochte. Auf jeden Fall noch sehr jung, dreizehn, vierzehn vielleicht. Obwohl, das niedliche Stubsnäschen ließ sie jünger aussehen als sie möglicherweise war. Sie gefiel ihm, das mußte er zugeben.

    Trotzdem fragte er sich, was ihn geritten hatte, sie mitzunehmen. Wo er doch sonst nie jemanden mitnahm. Anhalter schon gar nicht. Selbst wenn sie darum baten, so wie dieses junge Pärchen, das ihn auf einer Raststätte im Sauerland angesprochen hatte, als er nach den Osterferien nach Klagenfurt zurückfuhr. Freundlich aber bestimmt hatte er den Beiden zu verstehen gegeben, daß er lieber alleine bleiben wollte. Sie hatten es ohne weiteres akzeptiert. Und jetzt lag auf einmal dieses Mädchen neben ihm. Noch schlief sie ja, so daß es kaum einen Unterschied machte, aber ewig würde dieser Zustand kaum anhalten. Dann würde sie wach sein und vermutlich ungeheuer präsent. Bei dem Gedanken daran blies er die Backen auf und ließ die Luft zischend entweichen.

    Tatsächlich schlief sie bis hinter Salzburg, nachdem sie die Grenze nach Deutschland passiert hatten, und Martin auf dem leeren Parkplatz hinter der Loithal-Brücke anhielt. Der einzige Lastwagen, der dort gestanden hatte, fuhr gerade weg, als Martin das Auto ausrollen ließ. Sobald er den Motor abgestellt hatte, wachte sie auf.

    Er lächelte sie an. „Na, gut geschlafen? Wie wär’s denn mit Frühstück?"

    Ächzend kam sie aus ihrem Sitz hoch. Sie brauchte eine Weile, um sich zu orientieren, doch dann lächelte sie zurück und sah sich um. „Wo sind wir denn?" Sie schälte sich aus ihrer Decke heraus.

    „Auf der A8, Richtung München. Kurz hinter der Grenze", antwortete Martin.

    „Was, so weit schon? Da hab ich aber lange geschlafen."

    „Hast Du. Ganz lieb und ganz friedlich."

    Noch einmal sah sie sich um. „Gibt’s hier ‘n Klo? Ich muß mal."

    Martin zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, hab nicht drauf geachtet."

    Sie stiegen aus. Martin streckte sich und machte ein paar Lockerungsübungen. Das Mädchen hüpfte unruhig von einem Bein aufs andere und suchte die Umgebung des Parkplatzes ab. Auch Martin sah sich jetzt um.

    Er schüttelte den Kopf. „Sieht nicht so aus, als ob’s hier’n Klo gibt. Du mußt Dich wohl in die Büsche schlagen. Er öffnete den Kofferraum und nahm eine Packung Papiertaschentücher heraus. „Hier, vielleicht geht’s ja damit.

    Sie nahm ihm die Taschentücher ab und lief die Böschung hinunter ins Gebüsch. Martin zog sich derweil um. Die Temperaturen waren jetzt bereits so, daß es das Sweatshirt und die warme Jeans nicht mehr brauchte. Also tauschte er sie gegen Shorts und T-Shirt. Dann kümmerte er sich ums Frühstück.

    Auf dem schmalen Streifen Wiese zwischen der asphaltierten Fläche und der Böschung waren einige Tische und Bänke aufgestellt. Martin hatte vor einem davon angehalten und machte sich nun daran, den Tisch zu decken. Er war am gestrigen Nachmittag noch im Supermarkt gewesen und hatte eingekauft, Brot, Butter, Wurst, Käse, Obst und etwas zum Trinken. Dazu Pappteller, Plastikbesteck, Papierservietten und Becher. Sogar einen Spirituskocher hatte er dabei und eine große Kanne mit klarem Wasser.

    „Willst Du Kaffee oder Tee? fragte er seine Begleiterin, als sie zwischen den Büschen wieder zum Vorschein kam. Er gab ihr ein Erfrischungstuch. „Hier, damit kannst Du Dir die Hände saubermachen.

    Sie schüttelte staunend den Kopf. „Ist ja irre, was Du alles dabei hast."

    Er zuckte die Achseln. „Raststätte ist mir zu teuer. Da muß ich eben selber für meinen Kram sorgen. Er deutete auf den gedeckten Tisch. „Setz Dich. Also was jetzt, Tee oder Kaffee?

    „Tee bitte, sagte sie und setzte sich. „Kaffee ist nicht so mein Ding.

    „Meins schon. Auch wenn’s nur Pulverkaffee ist."

    „Sowas hab ich noch nie gemacht, sagte sie, als sie sich am Tisch gegenübersaßen und frühstückten. „Frühstück auf’m Rastplatz an der Autobahn. Ist aber gemütlich.

    Martin lachte. „So mach ich das immer. Wenn schönes Wetter ist. Ich find’s urig. Vielleicht nicht besonders bequem, aber dafür preiswert."

    Sie hielt ihren Becher mit beiden Händen fest. Martin sah es, sprang auf, holte die Decke aus dem Auto und legte sie ihr um die Schultern. „Du frierst ja noch immer", meinte er.

    Sie lächelte ihn an. „Danke, das ist lieb von Dir."

    „Sag mal, wie heißt Du eigentlich? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wen ich da durch die Gegend kutschiere."

    „Franziska von Weerendonk, stellte sie sich vor, mit einer leichten Verbeugung des Kopfes. „Ich bin die Tochter.

    „Die Tochter?" Martin verstand nicht recht.

    „Ja, die Tochter. Meine Mutter ist Angelika von Weerendonk." Sie sah ihn erwartungsvoll an.

    Es dauerte eine Weile, dann fiel der Groschen. „Angelika von Weerendonk? Du meinst, die Schauspielerin? Du bist ihre Tochter?"

    Franziska nickte. „Bin ich. Sehr zum Leidwesen meiner Mutter, die es gar nicht gerne hat, mit einer vierzehnjährigen Tochter in Verbindung gebracht zu werden. Sowas schadet dem jugendlichen Image. Deshalb hat sie mich auch auf dieses bescheuerte Internat abgeschoben. So störe ich ihre Kreise nicht." Es klang ziemlich bitter.

    „Aber wenn man so eine hübsche Tochter hat, dann muß man die doch nicht verstecken." Martin war ziemlich erstaunt. Erstens über das, was er da zu hören bekam und zweitens, wie leicht ihm Komplimente von den Lippen zu gehen schienen.

    „Gerade dann muß man das. Konkurrenz, verstehst Du?"

    „Blödsinn! Eine Vierzehnjährige macht doch einer erwachsenen Frau keine Konkurrenz. Selbst wenn sie so hübsch ist wie Du."

    „Vielen Dank für die Blumen, aber Du irrst Dich. Meine Mutter betrachtet jedes weibliche Wesen, das jünger ist als sie selber, als Konkurrenz. Selbst unsere Katze."

    Martin lachte. „Jetzt übertreibst Du aber. Deine Mutter ist doch eine wunderschöne Frau. Ich hab sie neulich im Fernsehen gesehen, und da dachte ich noch, wow, sieht die gut aus."

    „Denkst Du. Sie hat da andere Ansichten. Mittlerweile ist sie über dreißig, da schleicht sich schonmal das eine oder andere Fältchen ins Gesicht. Besonders morgens, wenn’s nachts zuvor wieder mal besonders hoch hergegangen ist, auf irgendeiner Yacht in Saint Tropez oder Monte. Was das angeht, da bin ich ihr noch um einiges voraus."

    Martin lachte sie an. „Naja. Fältchen hast Du keine. Aber dafür winzige Grübchen in den Wangen, wenn Du lachst."

    „Du willst mich veräppeln."

    „Nein, will ich nicht. Warum sollte ich? Das ist mir schon aufgefallen, noch bevor ich wußte, daß Du die Tochter der schönen Angelika von Weerendonk bist. Mir gefällt das nämlich."

    „Was? Daß ich ihre Tochter bin?"

    „Quatsch, das doch nicht. Nein, Deine Grübchen. Die lassen Dich so lieb aussehen."

    „Ich bin aber nicht lieb. Ich bin eine Kratzbürste und außerdem verwöhnt, eingebildet und zickig."

    „So? Das hast Du bis jetzt aber ganz gut versteckt."

    „Bis jetzt wollte ich ja auch was von Dir. Und außerdem hab ich die ganze Zeit gepennt. Da war ja gar keine Zeit um kratzbürstig oder eingebildet zu sein."

    „Na, dann kann ich ja nur hoffen, daß Du gleich weiterschläfst. Martin hob die Kanne mit dem Wasser an. „Möchtest Du noch Tee?

    Sie nickte und hielt ihm den Becher hin. „Gerne."

    Er schüttelte den Kopf und nahm ihr den Becher ab. „Nee, so wird das nix. Du verbrennst Dir ja die Finger. Er stellte den Becher auf den Tisch, gab einen frischen Teebeutel hinein und goß das heiße Wasser darüber. „Schön vorsichtig sein, mahnte er.

    Sie lächelte. „Du bist ganz anders als die Leute, die ich kenne. So ruhig und so besonnen. Überhaupt nicht hektisch oder laut. Ich find das gut."

    „Warum soll ich hektisch sein? Ich habe keine Eile, es sind Ferien, und es ist so ein traumhaft schöner Morgen. Der verträgt es auch nicht, daß man laut ist. Er sah sich um. „Eben, da hast Du noch geschlafen, da sind wir direkt in den Sonnenaufgang hineingefahren. Das war so toll, schade, daß Du das nicht gesehen hast. Ich wollte Dich erst wecken, aber das hab ich mich dann doch nicht getraut. Ich bin extra so früh losgefahren, weil ich das sehen wollte. Das hab ich schon öfter gemacht. Normalerweise hör ich Musik dazu. Beethoven oder Händel oder Vivaldi. Aber das ging ja heute nicht.

    Franziska sah ihn mit großen Augen an. „Du bist ja richtig romantisch."

    Martin machte eine wegwerfende Handbewegung. „Weiß ich nicht. Mir gefallen eben solche Sachen. Deshalb bin ich auch ganz gern allein. Da sieht man sowas eher."

    „Warum hast Du mich denn dann mitgenommen?"

    „Warum denn nicht? Du hast mich doch drum gefragt."

    „Aber Du hättest doch auch Nein sagen können."

    „Warum hätte ich das tun sollen? Du hast ordentlich und nett gefragt, Du wolltest in meine Richtung, warum hätte ich da Nein sagen sollen?"

    „Wenn Du doch lieber allein bist."

    „Ja, schon, gelegentlich. Aber doch nicht immer. Den Gefallen mochte ich Dir jedenfalls nicht abschlagen. Abgesehen davon…, er kicherte leise, „ich war in dem Moment so verdattert, daß ich gar nicht anders konnte als Ja sagen. Ich meine, wie kommt ein so hübsches Mädchen wie Du auf die Idee, ausgerechnet jemand wie mich mit meiner Uraltchaise zu fragen, ob ich es mitnehmen kann? Da gibt’s doch bestimmt ‘ne ganze Menge Leute, die Dich liebend gern mit ihrem schicken Sportwagen bis zum Ende der Welt chauffieren würden.

    Franziska zuckte die Achseln. „Vielleicht. Aber ich wollte nunmal mit Dir fahren. Ich wußte, Du fährst in meine Richtung, und außerdem kamst Du mir weniger überdreht vor als die anderen Typen, die einen immer gleich anbaggern wollen."

    „Und woher weißt Du, daß ich Dich nicht anbaggern will?"

    „Du machtest nicht den Eindruck. Du hast gleich Ja gesagt, keine großen Fragen gestellt, und ich hatte auch nicht so den Eindruck, daß Du Dich sonderlich gefreut hast oder sonstwie aufgeregt warst. Du hast eben einfach Ja gesagt und daß wir um vier Uhr losfahren, und das war’s dann."

    „Kein Wunder, lachte er, „ich war ja auch völlig platt.

    „Und, bist Du immer noch platt?"

    „Nee, jetzt nicht mehr. Obwohl ich, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet hatte, daß Du tatsächlich auftauchen würdest. Ich hab gedacht, Du willst mich verladen."

    „Und wenn?"

    „Ich hätte Dir ‘ne Viertelstunde gegeben. Dann wär ich gefahren."

    „Aber ich war da."

    „Allerdings, das warst Du. Und sogar früher als ausgemacht."

    „Und jetzt?"

    „Jetzt freu ich mich. Es kann auch schön sein, Gesellschaft zu haben. Allerdings, wenn Du den Rest der Fahrt auch noch verpennst, dann hab ich natürlich wenig davon."

    Franziska lachte. „Keine Angst. Ich glaub, jetzt bin ich langsam ausgeschlafen. Außerdem hab ich gut gefrühstückt."

    Martin machte sich daran, die übriggebliebenen Lebensmittel einzupacken. Franziska sah ihm dabei zu. Seine ruhigen, besonnenen Bewegungen faszinierten sie. Jemand, der mit sich und seiner Umgebung völlig im Reinen war. Keinerlei Hektik, nichts Eiliges, so als sei das Abräumen des Frühstückstisches jetzt das Wichtigste auf der Welt. Als er fertig war, sah er sie lächelnd an.

    „So, sollen wir wieder?"

    Sie nickte.

    Behutsam nahm er die Wolldecke von ihren Schultern. „Ich glaube, die brauchst Du jetzt nicht mehr."

    Seine kurze Berührung ihrer Schultern jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

    „Oder ist Dir etwa immer noch kalt?" fragte er erstaunt.

    „Nein, nein, wehrte sie ab. „Ist alles okay.

    ***

    „Bis wohin willst Du denn mitfahren?" fragte er sie, als sie wieder über die Autobahn fuhren.

    „Fahr mal ruhig, ich sag’s Dir dann schon, lautete die vage Antwort. Sie sah ihn an. „Warum fragst Du? Willst Du mich loswerden?

    „Überhaupt nicht. Ich frage nur, damit ich weiß, wo ich herfahren muß."

    „Wo fährst Du denn normalerweise her?"

    „München, dann nach Norden, Richtung Würzburg, von da über Hannover und Hamburg, an Lübeck vorbei bis nach Neustadt."

    „Dann kommst Du also gar nicht über Münster?"

    „Nee, das wäre ein Umweg. Wieso, mußt Du da hin?"

    Franziska nickte. „In der Nähe von Münster, da bin ich zu Hause. Sie lachte bitter. „Ha, wie sich das anhört, zu Hause. Als ob das mein zu Hause wär.

    „Wieso nicht, wenn Du doch da wohnst?"

    „Tu ich ja gar nicht. Die meiste Zeit des Jahres bin ich im Internat. Zu Hause geb ich eigentlich nur Gastspiele. Wenn denn überhaupt jemand da ist. Meistens sind meine Eltern ja unterwegs, meine Mutter wegen ihrer Filmrollen und Papa, na, der ist geschäftlich auf Tour. Entweder in Asien oder in Amerika. So genau weiß man das nie. Tja, und dann bin ich allein in dem riesigen Haus mit der Haushälterin, der Putzfrau und dem Gärtner. Tolles Familienleben, was?"

    „Aber jetzt sind Deine Eltern doch wohl da?"

    Sie schüttelte heftig den Kopf. „Nee, Du, ganz bestimmt nicht. Ich weiß zwar nicht genau, wo sie sind, aber zu Hause sind sie mit Sicherheit nicht."

    „Und was machst Du dann da?"

    „Gute Frage. Keine Ahnung. Aber es wird mir schon was einfallen. Faulenzen vielleicht. Lange im Bett bleiben, schwimmen, in der Sonne liegen. Irgend sowas halt. Und Du, was machst Du?"

    „Ich hab mir ein Boot ausgeliehen. Von meinem Onkel. Der hat eine schöne Segelyacht, die kann ich in diesem Sommer haben, weil er selber mit meiner Tante in die Berge fahren wollte. Sie segelt nicht gerne, weil sie immer seekrank wird. Also fährt er meistens allein mit dem Boot raus, oder er nimmt mich mit, wenn ich zu Hause bin. In diesem Jahr hat’s nicht geklappt, darum hat er mir das Boot allein gegeben."

    „Und wohin willst Du?"

    Martin zuckte die Achseln. „Weiß noch nicht. Vielleicht nach Dänemark rauf oder nach Polen. Auf jeden Fall auf die Ostsee. Zwei Wochen lang. Das wird toll. Hoffentlich hält sich das Wetter. Sturm ist nicht so prickelnd, wenn man alleine ist."

    „Kannst Du das denn alleine?"

    „Na klar. Ich hab doch ‘n Segelschein. Und ich segle ja auch schon etliche Jahre mit meinem Onkel. Der hat’s mir beigebracht. Wenn ich’s nicht könnte, würde er mir das Boot ja auch gar nicht geben. Schließlich hat er dafür ein Vermögen bezahlt."

    „Ist Dir das denn nicht zu langweilig so ganz allein?"

    Martin schüttelte den Kopf. „Nö. Wenn man allein segelt, hat man fast immer was zu tun. Außerdem kann man auf dem Boot auch gut rumfaulenzen. Man liegt an Deck, hört Musik, blinzelt in die Sonne und läßt sich von den Wellen rumschaukeln. Ich find das ganz gut."

    „Freunde hast Du wohl gar keine?"

    „Hatte ich mal. Früher, als ich noch zu Hause gewohnt hab. Aber seit ich im Internat bin… Weißt Du, das verläuft sich dann. Man sieht sich ja kaum noch. Und dann hat man auch nichts mehr gemeinsam. Naja, und die Leute im Internat, die passen nicht so richtig zu mir. Ich hab ein Stipendium gekriegt, deshalb bin ich auf dieser Schule. Meine Eltern könnten sich das sonst gar nicht leisten. Und all diese reichen Schnösel, die mit Papas Kohle mächtig auf die Pauke hauen, da kann ich nicht mithalten. Außerdem sind die mir zu oberflächlich."

    „Und ‘ne Freundin hast Du wohl auch nicht?"

    Martin sah sie lachend an. „So fragt man Leute aus, wie?"

    „Nee, sag doch mal. Ich hab Dich jedenfalls noch nie mit einer gesehen."

    „Aha. Beobachtest Du mich etwa?"

    „Quatsch! Aber sowas würde doch auffallen."

    „Du bist gut. Bei den vielen Leuten in der Schule, da fällt Dir ausgerechnet bei mir auf, daß ich keine Freundin habe?"

    „Ja, weil Du die meiste Zeit allein bist. In den Pausen stehst Du auf dem Schulhof rum, nachmittags sitzt Du meistens alleine in der Bibliothek, und wenn Du mal weggehst, geht nie einer mit. Das fällt schon auf."

    „Na, dann weißt Du ja, daß ich keine Freundin hab. Wieso fragst Du dann?"

    „Ich hab gesehen, daß Du im Internat keine hast. Zu Hause weiß ich ja nicht."

    „Wie soll das wohl gehen? Das wär ‘ne schöne Freundschaft, wenn man sich nur in den Ferien mal sieht. Aber was ist denn mit Dir?"

    Franziska machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach Gott, wenn ich wollte, hätt ich Dutzende. Was glaubst Du, wie die alle um mich rumschleimen. Franziska, die Tochter von der großen Angelika von Weerendonk und mit einem Vater, der selber nicht mal weiß, wieviel Kohle er hat. So eine hat man doch gerne zur Freundin. Zum Angeben auf alle Fälle. Zum Reden weniger. Von irgendwelchen Problemen, die man vielleicht gelegentlich hätte, will keiner was wissen. Franzi hat zu funktionieren. Franzi muß lachen, immer gut gelaunt sein. Franzi ist eben Franzi. Franzi, Franzi, Franzi, Franzi. Wenn ich das schon höre. Nee, Du, da kann ich wirklich drauf verzichten."

    Die letzten Worte hatte sie ganz leise gesprochen. Martin sah sie wieder an. Sie blickte starr geradeaus. In ihren Augen lag ein feuchter Schimmer. Er hätte gerne ihre Hand genommen, aber das traute er sich nicht. Stattdessen sagte er: „Na, jetzt fährst Du ja mit mir zusammen, und wir reden. Und gut gelaunt sein mußt Du auch nicht unbedingt, wenn Du nicht magst. Ich kann Dich sicher auch schlecht gelaunt ertragen. Oder traurig, falls Du traurig bist."

    Sie gab ihm keine Antwort. Sie sah nur zu ihm hinüber und lächelte ein wenig. Schweigend fuhren sie weiter. Jeder hing seinen Gedanken nach. Martin sinnierte über das arme, reiche Mädchen neben sich, und Franziska dachte voller Groll an die langweiligen Ferien, die ihr bevorstanden und beneidete Martin, der sich auf seine Segeltour freute. Der Gedanke daran, wie selbstverständlich freundlich er sie umsorgte, ließ sie schließlich ihren Groll vergessen. Dafür regte sich ihr schlechtes Gewissen, daß er für sie jetzt einen Umweg fahren sollte.

    „Du kannst mich ja in Hannover absetzen, sagte sie nach einer Weile. „Ich fahr dann mit dem Zug weiter.

    Martin sah sie an und verzog das Gesicht. „Mit Deinem Riesen-Koffer, ich glaub’s Dir wohl. Kommt doch gar nicht in die Tüte."

    „Aber dann mußt Du doch einen Umweg machen."

    „Macht doch nix. Ich hab doch Zeit. Nee, nee, ich fahr Dich schon bis nach Hause. Jetzt hab ich einmal gesagt, daß ich Dich mitnehme, jetzt zieh’n wir das auch durch. Wir fahren Richtung Münster, und dann sagst Du mir, wo ich herfahren muß, okay?"

    „Warum machst Du das?"

    Martin zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Vielleicht weil ich Dich mag."

    „Weil ich die Tochter von Angelika von Weerendonk bin?"

    „Sei nicht albern, Franziska", entgegnete Martin schroff.

    „Naja, kann doch sein, daß Du über die Tochter an die berühmte Mutter rankommst."

    „Und was hätte ich davon? Außerdem, als Du mich gefragt hast, ob ich Dich mitnehme, hab ich ja nicht mal gewußt, wer Du bist. Da stand einfach nur ‘n Mädchen, das nach ‘ner Mitfahrgelegenheit gefragt hat. Und was hab ich auch mit deiner Mutter zu tun?"

    Franziska winkte ab. „Du hast ja keine Ahnung, was bei uns manchmal für Leute vor der Tür stehen. Einige kommen sogar bis aufs Grundstück. Wir haben schon die Polizei rufen müssen, um die wieder loszuwerden."

    „Mag ja sein, aber ich bin keiner von denen. Deine Mutter ist eine prima Schauspielerin, und ich guck sie mir auch gern im Fernsehen an, aber sonst ist sie mir herzlich egal. Ich habe nicht das Verlangen, sie kennenzulernen, ich will nicht mal ‘n Autogramm von ihr. Weil ich sowas albern finde. Und ob Du jetzt die Tochter von Angelika von Weerendonk oder die Tochter von Lieschen Müller bist, ist mir ebenso egal. Also vergiß das mal ganz schnell. Ich werde Dich nach Hause bringen, weil ich’s nicht besonders galant finde, Dich schmächtiges Persönchen mit einem Ungetüm an Koffer an irgendeiner Bahnstation zurückzulassen."

    „Bist Du jetzt sauer?"

    „Quatsch. Ich bin nicht sauer, ich will nur nicht, daß Du Dir so’nen Blödsinn zusammenphantasierst."

    Sie senkte den Kopf. „Entschuldige."

    „Entschuldige was?"

    „Na, das eben."

    Er blickte sie wieder an. Einen Moment sah es so aus, als wolle er seine Hand auf ihren Oberschenkel legen, aber dann zog er sie doch wieder zurück. „Es gibt keinen Grund für eine Entschuldigung, sagte er leise. „Wir haben was geklärt, das war alles. Vielleicht reden wir jetzt wieder von was anderem.

    Sie lächelte ihn an. Er zwinkerte ihr zu. Sie legte ihre Hand auf seine. „Danke", sagte sie und nahm die Hand wieder weg.

    ***

    Je näher sie München kamen, um so voller wurde die Straße. Der Berufsverkehr hatte eingesetzt. Martin mußte sich auf den Verkehr konzentrieren. Die Leute hatten es eilig, es wurde gerast, gedrängelt, geschnitten. Er klemmte sich zwischen zwei LKW auf der rechten Spur. Dadurch kamen sie zwar nur sehr langsam voran, aber es war ein deutlich entspannteres Fahren als zwischen den vielen eiligen PKW.

    „Warst Du schonmal in München?" fragte Franziska, nachdem sie den Münchener Autobahnring verlassen hatten und weiter auf der A9 Richtung Nürnberg fuhren.

    „Nur auf dem Hauptbahnhof. Er grinste. „Als ich noch nicht über dieses schicke Gefährt verfügte, mußte ich immer in München umsteigen. Mehr als die Bahnhofshalle kenne ich von München also nicht. Und Du?

    Sie nickte. „Ich war schon ziemlich oft hier. Meine Mutter hat mich immer mitgeschleppt zu irgendwelchen Galas oder sowas. Da konnte sie mit mir noch Punkte holen, da war ich ja noch niedlich."

    „Ich finde, Du bist jetzt auch noch niedlich", sagte er beiläufig.

    „Du spinnst. Wo bin ich denn niedlich?"

    „Na, überall eben. Obwohl, es stimmt schon, was Du sagst. Ziemlich kratzbürstig kannst Du sein. Vor allem, wenn Du über Deine Eltern redest."

    „Wie sind Deine eigentlich?"

    „Meine Eltern? Och, die sind ganz okay. Vaddern war früher Fischer. Aber das lohnte sich dann nicht mehr. Jetzt arbeitet er auf der Werft in Kiel. Meine Mutter ist Krankenschwester. Geschwister hab ich keine. Leider."

    „Wieso leider? Ich bin ganz froh, daß ich keine hab. Noch mehr Familie, das wär ja nicht auszuhalten."

    „Hm, nö, also, kann ich nicht sagen. Ich hätt gern noch ‘n jüngeren Bruder, oder ‘ne Schwester. So eine wie Dich. Die könnt ich dann betüddeln. Das wär schon ganz schön."

    Franziska lachte. „Vorausgesetzt, die würde sich auch betüddeln lassen. Also, ich würd das nicht wollen. Obwohl, Du hast ja sogar schon damit angefangen. Hast mich in die Wolldecke eingepackt, mir Tee gekocht, mir was zu essen gemacht. War eigentlich gar nicht schlecht."

    „Na, siehst Du. Auch solche wie Du mögen das."

    „Wie, solche wie ich?"

    „Na, solche Kratzbürsten."

    Sie drehte sich zu ihm hin und hob drohend die Hand. „Ooch, Du!" sagte sie aufgebracht.

    „Hast Du selber gesagt, daß Du eine bist."

    „Das ist ja auch was anderes. Ich darf das von mir sagen. Du noch lange nicht."

    „Aha. Und was darf ich von Dir sagen?" Martin amüsierte sich.

    „Gar nichts. Ich bin wie ich bin und das läßt sich von anderen nicht beschreiben."

    „Soso. Dann denk ich mir eben meinen Teil. Das kannst Du mir ja nicht verbieten."

    „Und was denkst Du Dir?"

    „Sag ich nicht. Soll ich ja nicht. Also tu ich’s auch nicht."

    „Du bist gemein. Du willst mich nur verscheißern."

    „Gar nicht. Du hast doch verlangt, daß ich nichts über Dich sage. Jetzt tu ich’s auch nicht, und jetzt zickst Du rum. Wie alt bist Du eigentlich?"

    „Vierzehn. Und Du?"

    „Ich werd im September neunzehn. Also hab ich doch richtig geraten."

    „Was hast Du richtig geraten?"

    „Na, wie alt Du bist. Als Du mich gestern gefragt hast, ob Du mitkommen kannst, hab ich geschätzt, Du wärst dreizehn oder vierzehn."

    „Dreizehn, Du spinnst wohl. Ich wird bald fünfzehn."

    „So, wann denn?"

    „Im März."

    Martin prustete los. „Im März. Na Du bist vielleicht gut, das sind ja noch neun Monate bis hin."

    „Na und? Ich fühl mich aber jetzt schon so."

    „Ach was, streiten wir uns nicht, wiegelte Martin ab. „Du bist eben so alt wie Du Dich fühlst.

    „Siehst Du, nicht mal richtig streiten kann man sich mit Dir. Du bügelst gleich alles glatt."

    „Warum sollten wir uns auch streiten? Doch nicht wegen sowas. Außerdem streite ich mich überhaupt nicht gerne."

    „Ich eigentlich auch nicht, sagte sie versöhnlich. „Nur, manchmal kommt das eben so. Und die meisten anderen zanken dann auch zurück.

    „Ich nicht. Mir ist das zu blöd. Unnütze Energieverschwendung. Bringt nix und macht nur böse Leute. Ich finde nett sein viel schöner."

    „Friedensengel."

    Martin zuckte mit den Schultern. „Damit kann ich leben."

    Franziska lachte.

    „Siehst Du, so siehst Du richtig lieb aus. Viel besser, als wenn Du so ’n grimmiges Gesicht ziehst. Meinetwegen könntest Du ruhig öfter lachen."

    Sie sagte nichts mehr, sondern warf sich zurück in die Sitzpolster und schaute nach draußen. Nachdem sie eine Weile still dagesessen hatte, beugte sie sich vor und drückte auf den Einschaltknopf des Autoradios. Es schaltete sich jedoch nicht das Radio ein sondern der CD-Spieler.

    „Was ist das denn?" rief sie angewidert.

    „Beethovens sechste Symphonie, antwortete Martin. „Die wollte ich eigentlich heute früh hören, als die Sonne aufging.

    „Und warum hast Du nicht?"

    „Weil Du so schön friedlich neben mir geschlafen hast. Ich mochte Dich nicht wecken."

    „Müssen wir das jetzt hören?"

    „Nein, natürlich nicht. Schalt’s einfach wieder aus, wenn’s Dir nicht gefällt."

    „Aber Dir gefällt’s?"

    „Klar, sonst würd ich’s mir ja nicht anhören."

    „Dann laß ich’s."

    „Aber warum denn? Wenn Du’s doch nicht magst."

    „Vielleicht mag ich’s ja doch. Keine Ahnung. Ich hab sowas noch nie gehört. Außerdem kann ich ja auch mal was tun, was Du möchtest. Bisher hast Du immer nur getan, was ich wollte."

    Martin lachte. „Wie komm ich denn dazu?"

    „Weil ich das so will. Weil ich das tun will, was Du möchtest."

    Er amüsierte sich über ihre sonderbare Logik, sagte aber nichts dazu.

    Dann lauschten sie

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