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Woanders das Zuhause finden
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eBook136 Seiten1 Stunde

Woanders das Zuhause finden

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Über dieses E-Book

Unterhaltsame Kurzgeschichten über Menschen, die sich daheim und in ihren Beziehungen nicht wirklich geborgen fühlen. Die Geschichten erzählen unter anderem von Begegnungen auf einer Zugfahrt, von einer nackten und einer stummen Frau im Bayerischen Wald, von fünf Schulfreunden, die eine falsche Wahl treffen und von Menschen, für die das Leben auf dem Dorf schwieriger ist als gedacht.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum29. Nov. 2018
ISBN9783746786179
Woanders das Zuhause finden

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    Buchvorschau

    Woanders das Zuhause finden - Helfried Stockhofe

    Helfried Stockhofe

    Woanders das Zuhause finden

    Woanders das Zuhause finden

    Helfried Stockhofe

    Copyright: © 2018 Helfried Stockhofe

    Verlag: Helfried Stockhofe, 93455 Traitsching

    helfried.stockhofe(at)web.de

    Druck: epubli, ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

    Vorwort

    Bei allen meinen Bücher geht es mir darum, die Leserinnen und Leser zu unterhalten. Meistens verbinde ich aber fiktive Handlungen mit realistischen Informationen.

    Als ehemaliger Psychotherapeut kann ich dabei über psychotherapeutische Verfahren und die Berufswelt von Psychotherapeuten berichten und als Bayerwald-Bewohner zum Beispiel auch über Wanderziele in der oberpfälzischen und niederbayerischen Waldlandschaft.

    Das ist in diesem Buch aber anders! Hier verzichte ich auf solche Kombinationen. Die acht kurzen Erzählungen enthalten keine der angesprochenen Informationen, sie sind also nur „ganz normale Unterhaltung", natürlich nicht frei von mehr oder weniger versteckten Wertungen dazu, was im Leben wichtig und unwichtig ist. Aber klar, es geht auch in diesem Buch in erster Linie um die Beziehungen zwischen Menschen. Sie suchen bei anderen ein Zuhause.

    Ich wünsche beim Lesen „gute Unterhaltung"!

    Am Muttertag im Zug

    1

    Es waren ungefähr 20 Meter, also vielleicht 30 Schritte, vom Treppenaufgang der Bahnunterführung bis an die Stelle, wo jemand auf sie wartete. Vermutlich waren es mehr Schritte, denn die Frau zog einen Rollkoffer hinter sich her, aber keinen schweren. Und wenn, dann ließ sie sich das Gewicht nicht anmerken. Und schon gar nicht bemerkte sie selbst sein Gewicht. Den Koffer konnten die Fahrgäste im wartenden Zug nicht hören, obwohl auf dem Bahnsteig 1 noch ein Granitpflaster lag, ein moderneres zwar, mit großen hellgrauen Platten aus Flossenbürg, doch durch die Scheiben des Zugabteils, und neben dem Motorengeräusch der in Bereitschaft stehenden Lokomotive, war der Koffer sowieso nicht zu hören.

    Sie war eine junge Frau, noch keine 30. Viele sahen sie, denn der Zug war voll und was soll man schon tun, wenn er auf einem Bahnhof hält. Die Frau war aber nicht diesem Zug entstiegen, denn sie kam aus der Gleisunterführung, hatte den Koffer an der Hand auf dem schwarzen Rollband hochbefördert und oben, sobald sie ihren Blick den Bahnsteig entlang richtete, strahlte sie. Und sie wendete ihren Blick nicht, auch wenn ihr manche spät kommenden Reisenden die Sicht versperrten. Sie strahlte 30 Schritte lang und wendete nie den Blick. „Sie hatte ein strahlendes Lächeln!, wie oft gesagt wird. Aber nie hatte es mehr Berechtigung als hier, vielleicht mit der Erweiterung, dass es ein strahlendes Gesicht war. „Sie strahlte über das ganze Gesicht! ist also zutreffender. Eine genauere Beschreibung ist unnötig, überflüssig, womöglich in die Irre führend. Mit dem Strahlen ist alles gesagt.

    Viele Augenpaare verfolgten es, wollten wissen, auf wen es gerichtet ist, wo es hingehört, wo es endet. Die Leute streckten die Hälse, bewegten ihre Gesichter nahe an die Scheiben, drehten die Köpfe. Die meisten dachten wohl an einen Mann, der die Frau zum Strahlen bringt – nicht an einen Ehemann - nein, ein Ehemann bringt seine Frau nicht so zum Strahlen, allenfalls noch am Tag der Hochzeit - nein, sie dachten an einen Liebhaber, einen Verliebten, einen zukünftigen Ehemann - vielleicht.

    Man hätte sich eine Zeitlupe gewünscht, wie in schnulzigen Filmen, untermalt mit sehnsuchtsvollen orchestralen Klängen.

    Doch auch ohne Musik kamen dem Rentner hinter der Scheibe die Tränen – und nicht nur ihm. Sie setzten genau in dem Moment ein, wo er das Kind sah, ein kleines Mädchen. In seinen Händen hielt es einen Zettel, eine Art Plakat, vom Vater geschrieben, aber mit Herzchen bemalt und bunten Sternen vom Kind beklebt:

    Herzlich willkommen, liebe Mami,

    und alles Liebe zum Muttertag!

    Das Kind lachte und der Vater hockte grinsend dahinter, half dem Kind beim Halten des Blatts.

    Nur ein kleines Kind bringt eine Mutter so zum Strahlen! Das war nun jedem klar. Der Mann war nur Beiwerk, natürlich auch geliebt, aber es war sicher: Die Frau hatte nur das Kind angestrahlt.

    Die Mutter kauerte sich nun nieder zum Kind, umarmte es, alle drei umarmten sich. Die Mutter nahm das Mädchen hoch und herzte es weiter. Dann gab sie, mit dem Mädchen auf dem Arm, dem Mann einen kurzen, aber innigen Kuss. Das war das Letzte, das die Zuggäste sahen. Der Zug war angefahren und entfernte sich schnell. Er entließ die junge Familie ins Privatleben.

    2

    Zum Muttertag besuchte der Rentner seine alte Mutter. Er war im Abteil mit Abstand der Älteste, aber was heißt „Abteil"? Ein Wagen mit vielen hintereinander angeordneten Sitzen, eng hintereinander, so eng wie im Flugzeug, alle in eine Richtung schauend, aber aufgelockert durch Vierer-Sitzgruppen mit einem Tisch zwischen den Reihen. An so einem Tisch saß er. Der Zug war voll.

    Eben war schnell noch eine Frau eingestiegen, die schnaufend den letzten der vier Tisch-Plätze besetzt hatte. Dem Rentner gegenüber ein Jugendlicher: Kopfhörer im Ohr, MP3-Player. Daneben ein nicht mehr so Junger: Kopfhörer mit Bügel, Smartphone wischend.

    Neben dem Rentner nun die schnaufende Frau, die sich zuerst sammeln musste, erst ankommen. Sie war die einzige mit Gepäck, einer Reisetasche. Sie verstaute sie mühsam über sich auf der Gepäckablage und über die Tasche legte sie noch vorsichtig einen Kleidersack. Keiner half ihr, vielleicht, weil sie so robust aussah. Immerhin war sie noch einige Jahre jünger als der Rentner, der es im Kreuz hatte. Er war mit seinen 65 Jahren der Älteste. Und seine Mutter war mit ihren 90 Jahren auch die Älteste. Besucht man da noch seine Mutter zum Muttertag? Als er jung war, so alt wie der MP3-Hörer gegenüber, war das selbstverständlich, nicht nur für ihn Wohlerzogenen. Und auch jetzt noch war es selbstverständlich. Seiner Mutter war jetzt sein Besuch aber egal. Vielleicht war er seiner Schwester wichtig. Wenigstens ein bisschen Unterstützung, für einige Tage zumindest. Dann würde es ihn eh wieder wegziehen. Dann würde er die Schwester wieder allein lassen in ihrem Elend mit der Mutter.

    Die demente Alte behandelte ihre Tochter wie eine Angestellte – und diese verhielt sich so wie ein Dienstmädchen, ließ sich alles gefallen, arbeitete sich auf, erduldete, ließ sich kränken ... Aber krank werden war unmöglich, sonst wäre die Mutter hilflos gewesen, denn auf den Bruder war ja kein Verlass, der kam nur alle heiligen Zeiten … Der Muttertag war so eine heilige Zeit.

    Vielleicht kamen ihm auf dem Bahnsteig auch deshalb die Tränen. Nein, nicht wegen des gemeinsamen Leids von Mutter und Schwester, sondern weil er nie ein Kind war, das von seiner Mutter so angestrahlt wurde.

    „Haben Sie vorhin das kleine Mädchen gesehen?", sprach ihn unvermittelt die schnaufende Frau an.

    Er nickte, schien froh um diesen Kontakt. Er drehte sich ein wenig seitlich, damit er die Frau besser anschauen konnte. „Ist sie Ihnen auch aufgefallen?", erwiderte er rhetorisch.

    „Ja, ich kam vom Ende des Bahnsteigs und da sah ich die Mutter strahlend auf mich zukommen!"

    Er nickte wieder. Seine Banknachbarin hatte ein sehr offenes Gesicht mit einem kleinen Lächeln, während sie von ihrem Erlebnis berichtete. Offenbar hatte es auch sie beeindruckt.

    „Aber dann sah ich natürlich die beiden am Boden, das Mädchen mit dem Vater. Ein süßes Kind!"

    „Die machten alle einen sehr glücklichen Eindruck!, bestätigte der Rentner. „Das Strahlen der Frau, das Lachen des Kindes … Das war etwas zum Herzerwärmen.

    „Den Mann kenne ich, ergänzte die Nachbarin und ihre Miene wirkte vielsagend. „Die Frau kaum.

    Und das Kind?, fragte sich der Rentner. Aber plötzlich hatte er keine Lust mehr. Er wollte wohl gar nicht wissen, was diese Frau wusste und was sie ihm scheinbar erzählen wollte. Seine Sitzposition veränderte sich – und seine Nachbarin spürte, dass er sich zurückzog.

    Wo war die strahlende junge Frau am Muttertag, bevor sie auf dem Bahnhof erschien? Wie lange war sie weg? Warum hatte sie das Kind nicht mitgenommen? Warum war sie nicht mit ihrem Mann verreist? Wohnt sie in dem Ort oder besucht sie die beiden nur?

    Der Smartphonewischer schräg gegenüber hob seinen Kopf. Seine Blicke trafen die des Rentners, obwohl dieser eher nachdenklich ins Leere geschaut hatte. Will er mir etwas sagen?, fragte sich der Rentner. Sein Blick dauerte etwas länger als bei einer zufälligen Begegnung. Aber dann senkte der Smartphoner doch wieder sein Haupt und starrte auf das Display. Sicher ist sicher.

    Der Junge gegenüber ließ sich von nichts beeindrucken. Erstaunlicherweise hatte sein MP3-Player eine moderate Lautstärke, so dass man seinen Musikgeschmack nicht erkennen konnte. Doch jeder ahnte die stampfenden und immer wieder gleichen Rhythmen, ohne variable Melodieführung und mit stumpfsinnigen Texten.

    Der Rentner holte seinen eigenen Player hervor und stöpselte die Hörer ins Ohr. Die Netrebko sang zwar brillant, doch er hatte nicht die junge Schönheit vor Augen, sondern eine Diva in einem voluminösen Kleid mit mindestens 10 Meter Stoff, weil die Ärmste wohl auch vom Cortison dick geworden war.

    Der rechte Ohrstecker fiel heraus. Der Rentner nahm den linken auch weg und packte alles wieder ein. Dann hielt er sich erneut an dem Strahlen fest. Doch er konnte es nicht mehr richtig genießen.

    3

    Ein paar Reihen weiter saß ein Schwarzafrikaner, ein Geflüchteter. Er war stark beschäftigt mit seinem Smartphone, konzentrierte sich heftig auf das, was er da sah und tat so, als ob er nichts anderes mitbekäme. An seiner Schulter lehnte ein dicker, ja eigentlich ein fetter Mann. Wenn einer so unappetitlich aussieht, darf man das ruhig so ausdrücken. Neben der Leibesfülle gab die unpassend gewordene Kleidung der Szenerie ihren Beigeschmack: Unter einem bunten engen Fußballtrikot

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