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Avenae
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eBook304 Seiten4 Stunden

Avenae

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Über dieses E-Book

"Alles begann, als ich noch ein Mädchen war. Ein junges, unschuldiges Ding, das keinen hatte aber gern allein war.
Es begann in einer Nacht, an die ich mich noch heute sehr lebhaft erinnere. Ich bin zwar schon alt, aber das, was damals mit mir und der Existenz allen Lebens passierte, das werde ich nie vergessen."

Die Stimme der alten Frau füllte jeden einzelnen Raum und auch die Herzen der Menschen, die ihr zuhörten.
Eine Reporterin, Danielle Evans, eine von vielen, die später über die Frau in den Zeitungen schreiben würde, lauschte ihrer sanften Stimme und dachte darüber nach, wie schön diese Frau einmal gewesen sein musste. Danielle umklammerte ihre Ausgabe des Buches, das nun von der Frau vorgelesen wurde. Es war ein Wahnsinn, das eine so alte Frau eine so unglaubliche Geschichte schreiben würde. Eine so wirkliche und unmögliche Geschichte. Sie bildete sich ein, dass die Alte sie ansah und sie anlächelte. Fast dachte Danielle, dass sie ihre Gedanken lesen konnte. Dann fuhr die Frau mit der Vorlesung fort und Danielle hörte ihr bewundernd zu. Sie sog jedes einzelne Wort des Buches in sich auf:


Avenae ist eine junge Frau, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Ist der süße Polizist Tom der Richtige für sie? Oder doch der verschlossene Jared, der sich als jemand ganz anderes herausstellt, wie er zu sein scheint?
Durch eine mysteriöse Nachricht beginnt für sie ein neues, abenteuerliches Leben. Wird sie dadurch endlich herausfinden, wer sie ist und warum ihre Mutter sie in einem Waisenhaus abgegeben hat, als sie erst ein Jahr alt war?
Was hält dieses Abenteuer alles bereit?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum14. Jan. 2022
ISBN9783754182161
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    Buchvorschau

    Avenae - Lisa W. Barbara

      స 1 స

    Ich sah sie deutlich vor mir. Hörte die Stimme meiner Mutter, die meinen Namen flüstere. Sah die Bilder. Eine junge Frau mit schwarzen, vom Regen nassen Locken hetzte eine dunkle Gasse entlang. Sie hielt etwas in ihren Armen. Ein Baby. Vor einem großen weißen Haus blieb sie stehen. Zögernd sah sie sich um. Nichts regte sich in der Gasse. Kein Geräusch war zu hören, nur das Trommeln des Regens und das Keuchen der Frau. Das Kind in den Armen der Frau wachte langsam auf. Es regte sich unter den nassen Leinentüchern, die hastig um das Kind geschlungen worden waren. Es quietschte leise. Die Frau hob es hoch, so dass ihr Gesicht auf gleicher Höhe wie das des Babys war. Aus ahnungslosen, unschuldigen Augen blickte das kleine Mädchen seine Mutter an. Die Frau lächelte, obwohl ihr im Moment wirklich nicht danach war. Grüne Augen hatte die Kleine. Grüne Augen, genauso wie sie selbst. Das Kind lachte. Es wand sich in den Leinentüchern, ganz so, als wollte es ihre Mutter mit seinen Händen berühren, ihr das Wasser aus dem Gesicht streichen, ob es nun vom Regen kam oder ob es Tränen waren. Immer noch lächelnd strich die Frau dem Kind über den Kopf. Seufzend drückte sie es wieder an ihre Brust, als wollte sie es nie wieder loslassen. Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Lange blieb sie so stehen und umklammerte das kleine Mädchen. Nach einer Ewigkeit, die der Frau nur wie Sekunden vorkamen, löste sie das Kind aus ihrer Umklammerung und küsste es auf die Stirn.

    Nur widerwillig konnte sie sich von den grünen Augen ihres Kindes losreisen, die sie flehend ansahen. Die Frau legte das Mädchen auf die Stufen, die zu dem weißen Haus führten. Darauf bedacht, dass das kleine zierliche Köpfchen des Kindes nicht in die Pfützen fiel, strich sie dem Mädchen noch einmal über die Wange, schluchzte und drehte sich um. Ohne sich noch einmal umzuschauen, lief sie die verlassene Gasse entlang. Hinter ihr auf den Stufen fing das Baby an zu schreien, als es merkte, dass seine Mutter weglief und es allein ließ. Das Schreien des Babys zerriss der Frau das Herz, doch sie lief einfach weiter, die verlassene dunkle Gasse entlang, mitten in den Tod.

    Lange dachte ich über diesen Traum nach. Diesen Traum, den ich schon seit dem ich denken kann fast jede Nacht träumte. Ich kannte ihn mittlerweile in und auswendig.

    Während ich versuchte, dass die Bilder des Traums nicht vor meinem geistigen Auge verblassten, was sie immer taten, heulte der Sturm draußen unentwegt weiter. Zweige kratzten an den Fenstern meines Zimmers als beteten sie, der Wind würde sie verschonen. Ab und zu erhellte ein Blitz mein Zimmer, gefolgt von einem tiefen Donnergrollen. Ich fand den Sturm nicht schlimm. Ich fand ihn schön. Der Wind konnte tun und lassen was er wollte. Ungestört über das Land streifen und spontan entscheiden, ob er sich zum Orkan oder nur zum leichten Sommerwind verwandeln sollte. Er hatte sicher schon die ganze Welt gesehen. Er war frei. Etwas, was ich nie sein würde.

    Seufzend drehte ich mich auf die andere Seite und versuchte wieder einzuschlafen, versuchte mich wieder an die Bilder zu erinnern, an das Gesicht der Frau.

    Ich hörte den Windböen zu, die an mein Fenster schlugen. Sie schienen etwas zu erzählen. Eine Legende. Oder ein Märchen. Jedenfalls etwas Trauriges.

    Ich schien die Geschichten zu kennen, als wären sie meine eigenen. Wenn ich sie doch nur verstehen könnte. Wenn ich doch nur hören könnte, was der Regen erzählte.

    Viel wusste ich nicht über mich. Eigentlich gar nichts. Nur das, was mir die Schwestern im Waisenhaus erzählt hatten. Doch selbst davon wusste ich nicht einmal, ob es stimmte.

    Der Regen wurde schwächer und rötliches Licht schien durch die Vorhänge, die schwer das Fenster verhüllten. Seufzend schaute ich auf die roten Zahlen des Weckers, die mir die Uhrzeit zeigten. Halb sechs.

    Ich stand auf und ging durch das halbdunkle Zimmer zum Fenster. Wie jeden Morgen zog ich die weißen Vorhänge auf und lies die Sonne herein. Die Wärme strich sanft über meine Haut. Ein tolles Gefühl. Es hieß ja, dass Sonnenstrahlen Endorphine freisetzen, doch es war ja wie zu erwarten, bei mir wieder nicht. Manchmal fragte ich mich, ob ich mich nur in einer depressiven Phase befand (was dann schon mein bisheriges Leben anhielt) oder ob es einfach diese Stimmung hier war. Warum war ich nur so seltsam?

    Tatsächlich war ich das. Ich gab mir zum Beispiel überhaupt keine Mühe zu den anderen nett zu sein. Zwar musste ich das nicht unbedingt, denn ich wohnte in einem Mietshaus am Rande Rügens wo eh fast keiner seinen Nachbarn kannte, doch ein bisschen sozialen Kontakt könnte mir nun wirklich nicht schaden.

    Diesen eben genannten Kontakt bekam ich nur in meinem Job, wenn man es denn einen Job nennen konnte. Ich besaß ein kleines Café (Café Red, ein Sonnenstrahl an einem tristen Tag? Oder ein tolles Angebot an Getränken, warm oder kalt, Snacks und Mittagskarte) gleich neben einer Polizeistation. Es war immer sehr interessant, wenn gerade ein Verbrecher, was er nun auch immer angestellt hatte, den Polizisten eine über die Rübe zog oder wenn die blauen Männchen ihre ach so teuren Wägelchen direkt an das Parken-verboten-Schild setzten.

    Aber so viel genug zu meinem Job, der zurzeit das einzige in meinem Leben war, an das ich mich klammern konnte. Denn Freunde hatte ich kaum welche. Wie das Schicksal es so wollte hatte es mir nicht nur ein langweiliges Leben sondern auch noch ein wahnsinnig vorlautes Mundwerk gegeben. Bei mir hielt es keiner länger als 10 Minuten aus, meistens nur um sich die neueste Ausgabe der Zeitung zu kaufen.

    Deshalb gab es auch keinen Mann in meinem Leben. Zwar fehlte mir diese komplizierte Spezies überhaupt nicht (nur manchmal, wenn ich wieder so einsam war, aber das hatte ich noch nie laut gesagt) aber doch wäre es mal schön, ein bisschen Zärtlichkeit zu erfahren.

    Aber es half ja nichts. Je mehr ich darüber nachdachte, desto größer wurde meine Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe. Dennoch musste ich mich jetzt auf das Wesentliche konzentrieren, was mit meiner Miete zu tun hatte, also verwarf ich den Gedanken wieder.

    Ich öffnete das Fenster und griff nach einem dunkelbraunen Haargummi, ging zum großen Wandschrank und sah in den Spiegel, der an der Schranktür hing. Aus einem blassen Gesicht starrten mir zwei blaue Augen entgegen. Das einzige, was mich noch an mein früheres Leben erinnerte. Mein früheres Leben war dieses eine Jahr, wo ich bei meinen Eltern gelebt hatte. Doch an meinem ersten Geburtstag hatte mich meine Mutter vor einem Waisenhaus abgegeben und sich seither nicht mehr gemeldet. Manchmal war ich sehr wütend auf sie gewesen, auf diese Frau, an deren Stimme ich mich nicht mehr erinnern konnte. Darauf, dass sie mich einfach im Stich gelassen hatte. Denn das Waisenhaus war die Hölle gewesen. Die Schwestern (ja es waren richtige Nonnen) hatten mich nicht sonderlich leiden können, was nicht zuletzt an meinem Charakter lag. Es ist echt eine Schande, dass man sich als Mensch erst mit ungefähr drei Jahren an etwas erinnern konnte. Doch manchmal bildete ich mir ein, ich würde meine Mutter sehen. Sie in den vielen Gesichtern auf der Straße erkennen. Als ich noch kleiner war, hatte ich bei einem Ausflug mit den Schwestern in den Zoo eine Frau gesehen. In ihr hatte ich zum ersten Mal meine Mutter gesehen. Jedenfalls hatte ich sie mir so vorgestellt. Ich war am nächsten Tag von dem Waisenhaus weggelaufen und in den Zoo, nur um sie wiederzusehen. Doch sie war nicht da und ich war bis zu meinem achten Lebensjahr davon überzeugt, dass das meine Mutter gewesen war. Und ja, ich hatte Märchen und Geschichten geliebt und mir immer gewünscht, dass sie mich holen würde.

    Bei dem nächsten Besuch im Schwimmbad war sie wieder da. Ich hielt es damals als kleines Kind für ein Wunder, aber ich war zu schüchtern, um mit ihr zu reden. Sie sah traurig aus und als sie zu uns rüber kam, um sich mit der Schwester zu unterhalten, hatte ich nicht einmal den Mut, sie anzusehen.

    Und dann, dann war es soweit. Sie und ihr Mann kamen in das Waisenhaus, um ein Kind zu adoptieren. Ich war davon überzeugt, dass sie niemals mich nehmen würden, doch als mich die Frau zum ersten Mal bewusst ansah, wusste ich, dass sie es war. Sie kam zu mir und redete mit mir, spielte mit mir und ich weinte fast vor Glück, als sie mich mit zu ihnen nach Hause nahmen.

    Als ich ungefähr 12 war, erzählte sie mir wieder, dass sie nicht meine echte Mutter war. Sie wollte das so und erzählte mir das oft. Doch da wurde es mir zum ersten Mal richtig bewusst. Aber dennoch, ich liebte die beiden, die mich wie ihre Tochter behandelten. Und dann, war alles vorbei. Mein Kindheitstraum von einer normalen Familie mit Eltern, die mich liebten. Denn sie bekamen ein Baby. Eine kleine Tochter und auf einmal liebten sie das Kind mehr wie mich. Als ich dann 17 war, lief ich von ihnen weg. Ich suchte mir eine Wohnung, gab ein falsches Geburtsdatum an (es ist ziemlich einfach, wenn man adoptiert ist, die Vermieter davon zu überzeugen, dass das Datum auf der Urkunde des Waisenhauses nicht richtig war).

    Ich meldete mich nie wieder bei den Meyers, auch nicht, als die Polizei vor meiner Tür stand. Ich wollte sie nie wieder sehen.

    Ich weiß, das ist ziemlich dumm gewesen, immerhin hatten sie ihre eigene Tochter bestimmt nie mehr lieb wie mich. Doch so war ich.

    Aber diese Zeit war jetzt vorbei. Seit drei Jahren wohnte ich nun schon in dieser Wohnung und versuchte mich durchzuschlagen. Eigentlich hätte ich das Abitur machen sollen, so wie die meisten in meinem Alter. Doch nach der Sache mit meinen Adoptiveltern wollte ich nicht noch länger in die Schule gehen. Zwar sagten immer alle, dass ich intelligent war, doch es nervte mich zu sehen, wie alle in meiner Klasse den ersten Freund hatten, die erste Trennung, und wie alle gleich aussahen. Wirklich, wenn ich mir heute das Klassenfoto von vor zwei Jahren ansehen würde, wüsste ich nicht mehr wer wer war. Die einzige, die ich am ehesten als Freundin bezeichnen konnte war Bea, die ich seit der 5. Klasse kannte. Wir hatten uns gut verstanden, sie war die einzige, die mir kontra geben konnte und die einzige, die immer zu mir gehalten hatte. Ja, eigentlich war sie die einzige und beste Freundin, die ich hatte.

    Seufzend griff ich nach meinen Haaren und band sie hinten am Kopf zu einem Zopf zusammen.

    Ich ging mit einem Grummeln im Magen zur Tür, während ich überlegte, welches Frühstück mein begrenztes Budget hergab. Es würde doch wohl bloß wieder eine heiße Schokolade aus meinem Café sein. Was war das für eine Ungerechtigkeit, wenn man sich nicht mal ein anständiges Frühstück leisten konnte?

    Wie jeden Tag strich ich über die Möbel. Sie waren aus weißer weicher Eibe gefertigt worden, mein Lieblingsholz. Es ließ das Zimmer hell und einladend erscheinen, damit wenigstens etwas positives in dieses Zimmer kam. Die Wände hatte ich in einem dunklen Rosé-Ton gestrichen, die einen richtig schönen Kontrast mit den weißen Möbeln gaben. Die Möbel bestanden aus einem großen (sehr großen) Schrank in dem eigentlich meine ganzen Habseligkeiten verstaut waren. Außerdem besaß ich noch ein Bett mit pinken Bettbezügen und unzähligen lila, pinken und weißen Kissen. Dann noch einen Schreibtisch, worauf mein Laptop stand. Meine Stereoanlage und mein Fernseher standen auf einer kleinen weißen Kommode, die eine kleinere Ausgabe des Schranks war. Mein schwarzer Ledersessel diente mir auch noch als Schreibtischstuhl und Kleiderständer. Das schöne Parkett wurde halb von einem schweren weißem Teppich bedeckt und einem Klavier, auf das ich wahnsinnig stolz war.

    Mein Zimmer war sehr groß und ich hatte viel freie Fläche, was nicht sehr gut war, denn Parkett, Kuschelsocken und meine nicht vorhandene Koordination vertrugen sich überhaupt nicht. Anfangs hatte ich meinen Schreibtisch geschrottet, weil ich mit meinen Kuschelsocken ausgerutscht und direkt auf das gute Holz gefallen war, was unter meinem Gewicht natürlich nachgab. Es krachte so laut, dass das gesamte sechste Stockwerk unter mir (ich wohnte im siebten Stock) in einem Protestmarsch vor meiner Tür stand, inklusive Vermieter. Ich hatte sie so laut angeschrien, dass sie es anscheinend für das beste hielten, wieder zu verschwinden, doch der Vermieter sah meinen kaputten Schreibtisch, und dass er eine winzigkleine Kerbe auf dem Boden verursacht hatte, die ihn fast zur Weißglut brachte. Doch bezahlen musste ich es nicht, dank meiner Überzeugungskraft. Er zog ein wenig später schlechtgelaunt von dannen.

    So viel zum Thema große Klappe und Koordination.

    Hier war einer der wenigen Orte, an denen ich mich geborgen fühlte. Ich liebte das Alte und Romantische. Ich weiß, romantisch passte zwar überhaupt nicht zu mir, zu meiner zynischen und beleidigenden Art, doch ich hatte mir so viele Liebesfilme reingezogen, dass ich mit den Taschentüchern einen ganzen Winter heizen konnte. Ja, ich hatte auch einen kleinen Kamin. Sie wissen gar nicht, wie wunderschön es ist sich vor den Kamin in eine warme Decke zu kuscheln, sich einen neuen Liebesfilm anschauen, den ich von Geld gekauft hatte, was ich eigentlich gar nicht besaß und eine schöne Tasse dampfende heiße Schokolade zu schlürfen.

    Ich zuckte aus meinen Tagträumen als es plötzlich klingelte. Ich rappelte mich schnell hoch und wollte schon zur Tür rasen, als ich über meine Tasche fiel, die mitten im Raum stand und ich knallte der Länge nach auf das harte Parkett. Einen Moment sah ich nur noch Sterne und ich wusste ehrlich nicht, wo ich überhaupt war. Nach gefühlten zehn Minuten rappelte ich mich wieder auf und humpelte zur Tür. Doch draußen stand niemand. Ich fluchte laut. Hatte ich jetzt wirklich einen weiteren blauen Fleck in meiner nicht unbeträchtlichen Sammlung auf meinen Beinen für nichts und wieder nichts?

    Wollte mich jemand veräppeln? Na, der kann was erleben! Wütend spähte ich durchs Treppenhaus, doch als ich nichts und niemanden sah, den ich zusammenstauchen konnte, wollte ich wieder in meine Wohnung gehen, als ein Geräusch an meine Ohren drang. Es war ein Wimmern, fast nicht zu hören, aber es war so bittend, dass ich einfach nachsehen musste.

    Da ich einer der größten Angsthasen war, den es auf der Welt gibt, griff ich nach meinem Föhn, der an meiner Tür hing, nur um ganz sicher zu gehen, dass sich nicht ein Irrer auf mich stürzte.

    Ich zog die Tür hinter mir zu, wobei ich im Eifer einen Schlüssel vergessen hatte, was mir fast jeden Tag passierte, fluchte leise und schlich die Treppen hinunter.

    Keiner begegnete mir auf meinem Weg. Gelegentlich hörte ich jemanden hinter einer Tür schnarchen oder im Schlaf murmeln.

    Dann, im fünften Stock erblickte ich die Wohnung, deren Türe nur leicht angelehnt war.

    Ich atmete langsam durch, straffte die Schultern, hob den Föhn kampfbereit vor mich hoch und drückte die Tür auf. Immerhin bin ich sehr mutig, sagte ich mir, doch ich wusste, dass es nicht stimmte. Ich konnte noch nicht mal in meiner eigenen Wohnung ohne Licht im Dunkeln aufs Klo gehen, so viel Schiss hatte ich. Wenn das nun ein Typ war, der nur darauf wartete, dass ein kleines Mädchen, deren einzige Waffe ihr Föhn war, den Raum betrat, um sich an ihr zu vergreifen? Ich wusste nicht mal, ob ich den Mut besaß, jemanden ins Gesicht zu schlagen, wenn ich spüren konnte, dass ihm die Nase brach.

    Eigentlich war ich fest davon überzeugt, rückwärts wieder den Raum zu verlassen, doch ich hörte plötzlich wieder dieses Geräusch. Es war nicht mehr als ein kleiner Schluchzer, aber immerhin, ich hörte es.

    Langsam schlich ich um die Ecke und drückte mich an die Wand um nicht gesehen zu werden. Man, hatte ich vielleicht Angst.

    Vorsichtig lugte ich hinter der Ecke hervor. Dort stand ein Mädchen im Bad mit dem Rücken zu mir gewandt. Ich sah ihr Gesicht im Spiegel, es war schmerzverzerrt. Sie hatte schwarze lange gewellte Haare und helle Haut. Ich hatte sie noch nie gesehen.

    Aufgrund ihres Schluchzens wollte ich zu ihr gehen, doch dann fiel mir wieder ihr Gesicht auf. Sie blickte auf etwas, dass sie in der Hand hielt und ihr offensichtlich diese Schmerzen zuzog, doch ich konnte nicht erkennen was es war. Um besser sehen zu können, machte ich einen Schritt nach vorne, was ein Fehler gewesen war. Das Mädchen wirbelte herum und sah mir direkt in die Augen. Mein Atem stockte. Ein Auge war blau und eines war dunkelbraun, zwar nichts schlimmes, aber es war seltsam und irgendwie machte mir das noch mehr Angst. Sie durchbohrte mich mit ihrem Blick. Feindselig starrte sie mich an. Nur mühsam konnte ich mich von ihrem fesselnden Blick losreisen, um einen Moment später auf ihre Hände zu starren. In der rechten Hand hielt sie ein kleines Messer, das nun auf mich gerichtet war.

    Ich hatte keine Ahnung, was sie machte, dann sah ich die Wunde. Doch bevor ich zu ihr gehen konnte, würgte ich und mir wurde schlecht. Ich konnte kein Blut sehen.

    Wie perplex stand ich da, als sie auf mich zustürmte und mich zu Boden schmiss. Sie drückte mir das Messer an den Hals. Ich riss erschrocken die Augen auf und wollte schreien, doch meiner Kehle entwich nur ein klägliches Gurren. Ich merkte schlagartig, dass das auch besser so war.

    „Einen Mucks und ich schneide dir die Kehle durch."

    Das Mädchen sah bei diesen Worten sehr ernst aus. Doch ich musste etwas sagen.

    „Ich tu dir doch nichts", versuchte ich und die kalte Klinge an meinem Hals wurde fester in meine Haut gedrückt. An der Stelle, wo das Messer meine Haut berührte wurde es nun warm und etwas rann an meinem Hals hinunter. Ich würgte, als ich den leicht salzigen Geruch vernahm und langsam konnte ich spüren, wie mein Geist meinen Körper verließ.

    „Was willst du dann hier?"

    „Kannst du bitte das Messer von meinem Hals wegnehmen? Du kannst mich ja weiter bedrohen, wenn's dir so viel Spaß macht, aber die einzige Waffe ich deutete auf meinen Föhn, der nutzlos einige Meter weit weg lag und an den ich niemals kommen würde, habe ich leider fallen gelassen und kann so keine Gefahr für dich darstellen."

    Ich sprach schnell und der Druck auf meinem Hals verstärkte sich. Das Blut rann nun warm über meinen Hals und meine Augenlider flackerten.

    Dann wurde der Druck schwächer und ließ nach, als das Mädchen bemerkte, dass ich Recht hatte. Ich war keine Bedrohung für sie. Gottseidank. Ich konnte mich aufsetzen und meinen Hals berühren. Ein Schmerz durchzuckte mich und als ich die Hand vors Gesicht hob, sah ich daran rotes Blut kleben.

    Das Mädchen reichte mir ein Tuch. Ich drückte es dankbar auf meinen Hals um die Blutung zu stoppen. Mit einer Hand versuchte ich aufzustehen, doch das Mädchen drückte mich mit beiden Händen erneut auf den Boden. Ich sah sie an. Sie hielt immer noch das Messer in meine Richtung, an dem mein und der Wunde an ihrem Arm nach zu urteilen, auch ihr Blut klebte. Ihgitt, hoffentlich bekam ich kein AIDS oder sowas!

    „Es hat bei mir geklingelt, und als ich nachgesehen hatte, hab ich dich gehört. Ich wollte dir nur helfen!"

    Und plötzlich lachte das Mädchen laut auf. Es war kein fröhliches Lachen, sondern ein gequältes, ein bisschen hysterisches, schrilles Lachen.

    „Mir helfen?", lachte das Mädchen mich aus.

    War sie verrückt? Na toll. Ausgerechnet ich steh hier mit einem psychopathischen Mädchen im Bad, war ja klar.

    „Wer hat dir das angetan?" Ich zeigte auf ihren Arm.

    Sie wandte den Blick ab.

    Schon gut. Ich bekam unwillkürlich Mitleid mit dem Mädchen, das nun die Tränen zurückhalten musste, was allerdings ein bisschen unecht aussah, irgendwie gespielt.

    Brauchst du Hilfe? Ich kenn ein paar Polizisten, zu denen kann ich dich bringen?

    Sie schüttelte den Kopf. Nein, damit kannst du mir nicht helfen, das muss ich allein durchstehen.

    Aber…

    Lass es stecken.

    Das Mädchen schien die Verwirrung von meinem Gesicht ablesen zu können. Denn sie lächelte. Diesmal war es jedoch ein freundliches Lächeln.

    „Danke."

    Ich zuckte mit den Schultern und nickte ihr zu.

    Das Mädchen blickte mir in die Augen. Sie ließ das Messer sinken und stand auf. Ich erhob mich ebenfalls. Sie ging zum Spiegel und legte das Messer in das Waschbecken.

    „Tut mir leid, dass ich dich bedroht hab. Ich dachte, sie kommen zurück… Und frag lieber nicht, wer sie sind, denn ich sag's dir nicht."

    "Okay, schon gut. Lass mal deinen Arm sehen.

    Oh, ich glaub das muss genäht werden. Du solltest in ein Krankenhaus gehen, sonst bekommst du eine hässliche Narbe. Würde zwar eh nichts an deinem Aussehen ändern, aber ich find Narben einfach nur hässlich..."

    Ich ignorierte den Würgereiz und nahm ein Handtuch. Vorsichtig tupfte ich ihr den Arm ab und spülte das Blut weg. Der Schnitt war zwar nicht sehr tief, doch ziemlich lang und es sah echt übel aus.

    Nein, ich will keinen Arzt. Kannst du mir einfach nur einen Verband rummachen, dann geht’s schon wieder.

    Sie ging zum kleinen Schrank und holte einen Verband hervor. Ohne mir in die Augen zu blicken, reichte sie mir den Verband und hielt mir ihren Arm hin.

    Na gut. Aber du versprichst mir, dass du morgen zum Arzt gehst?, versuchte ich erneut, während ich ihr den Arm verband.

    Ich…, sie seufzte und gab auf. … okay, ich versprech´s.

    Sehr gut!, sagte ich erfreut.

    So, das wärs. Also, willst du wirklich nicht reden? Vielleicht kann ich dir helfen? Woow, Ave, heute bist du aber mal wieder sozial.

    Sie riss ihren Arm von mir weg und durchwühlte den Schrank.

    Ach, du hast überhaupt keine Ahnung, also lass es einfach und geh wieder dahin zurück wo du hergekommen bist.

    Geschockt über ihren patzigen Ton wurde ich sofort wütend. Da ist man mal einmal nett und dann sowas?

    "Na gut, ist mir

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