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Rückspiegelungen Episode 1 - Vom Verlieren der Liebe
Rückspiegelungen Episode 1 - Vom Verlieren der Liebe
Rückspiegelungen Episode 1 - Vom Verlieren der Liebe
eBook288 Seiten4 Stunden

Rückspiegelungen Episode 1 - Vom Verlieren der Liebe

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Über dieses E-Book

Robert ist gerade 10 Jahre alt. Da hat er einen Anfall von Hellsichtigkeit. Die 4jährige Annemarie, die er beim Spielen im Sandkasten beobachtet, wird ihm als Mutter seiner zukünftigen Kinder "offenbart". Sie erscheint ihm aber viel zu jung. Da taucht die im Alter zu ihm passende Evelyn auf, die ihn nach einem Kuss als ihren Bräutigam betrachtet. Kurz darauf tauscht R. versehentlich auch mit A. einen Kuss, die ihn daraufhin ebenfalls als ihren zukünftigen Ehemann reklamiert. E. und R. sind drei Sommer lang miteinander befreundet. Als ihre Sexualität erwacht und bedrängt, trennen sie sich einvernehmlich mit dem Versprechen, ihre Beziehung fortzusetzen, wenn die Zeit für die Tanzstunde gekommen ist. Beide erinnern sich rechtzeitig an ihr Versprechen. Sie finden wieder zusammen. In den folgenden Jahren wird ihre Liebe nicht nur einmal in Frage gestellt, setzt sich aber am Ende durch. Ein befreundeter Pater, seit ihrer Kindheit ihr geistlicher Mentor, traut sie heimlich. Nach weiteren Komplikationen, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Das Paar steht kurz vor der standesamtlichen Hochzeit. Da wird E. Opfer eines mysteriösen Unfalls. R. spürt, dass sie in Lebensgefahr schwebt. Plötzlich steht die Welt auf dem Kopf. Die Personen, die E. und R. am nächsten stehen, verwandeln sich in ihre unerbittlichsten Feinde. R. kämpft für die Liebe, doch er hat keine Chance. In einem Netz aus Eitelkeit, Täuschung und Lüge geht sie verloren. Dabei spielt der Vater von R., der sich von E. angezogen fühlt, eine Schlüsselrolle. Jahre später, R. ist inzwischen mit A. verheiratet, erscheint E. gänzlich unerwartet in seiner Welt, und das nicht nur einmal. Schließlich begibt sich R. auf die Suche nach ihr. Seine Mutter, seine Frau und die Schwester von E. behaupten, seine Erinnerungen an E. seien größtenteils Einbildungen oder Wunschträume. Die E., die R. im Verlauf seiner Suche findet, hat keine Ähnlichkeit mit der E. seiner Jugend. Was war wirklich? Was ist wirklich?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum3. Juni 2018
ISBN9783746730189
Rückspiegelungen Episode 1 - Vom Verlieren der Liebe

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    Buchvorschau

    Rückspiegelungen Episode 1 - Vom Verlieren der Liebe - Christoph Klesse

    Erschienen 2018

    Stand 30.4.2019

    Alle Rechte vorbehalten

    Druck und Bindung epubli

    (Holzbrinck Digital Content Group)

    Printed in Germany

    Christoph Klesse

    RÜCKSPIEGELUNGEN

    Episode 1

    Vom Verlieren der Liebe

    Vorwort

    Evelyn und Robert lernen sich als Kinder kennen und lieben. Ihre Beziehung –immer wieder unterbrochen- dauert ein volles Jahrzehnt. Dann wird Evelyn Opfer eines mysteriösen Unfalls. Plötzlich scheint die Welt auf dem Kopf zu stehen. Die Personen, die Evelyn und Robert am nächsten stehen, verwandeln sich in ihre unerbittlichsten Feinde. Im Netz von Täuschungen und Lügen geht die Liebe verloren, aber immer wieder erscheint Evelyn unerwartet in Roberts Welt. Jahrzehnte später begibt sich Robert auf die Suche: Was war wirklich? Was ist wirklich?

    „Es fällt mir schwer, diese Geschichte aufzuschreiben. Nicht, dass ich Mühe hätte, mich zu erinnern, nein, meine Erinnerungen sind weder unscharf noch unvollständig, noch zweifelhaft. Sie sind wie viele kurze Filme, die ich vor meinem inneren Auge beliebig aufrufen und abspulen kann. Aber aus heutiger Sicht erscheint mir diese Geschichte sinnlos, wie ein Gegenstand, der mit viel Mühe aus Eis geschnitzt wurde, um bereits vor seiner Fertigstellung wieder zu schmelzen. So viel Anstrengung für nichts!

    Zwei Küsse, zwei Frauen

    Diese Geschichte beginnt im frühen Sommer des Jahres 1957 in Kronstadt an der Donau. Zu Ostern war ich von der Grundschule in die Oberschule übergetreten und fuhr seither morgens mit dem Schulbus zum Edwald-König-Gymnasium in der Innenstadt. Der Bus fuhr auch das Mädchengymnasium an und war ganz überwiegend mit Mädchen besetzt, die sich erstaunlich viel zu sagen hatten. Bald hatte ich ein paar ausgemacht, die interessanter erzählten als die anderen und mir deshalb besonders attraktiv vorkamen. Leider beachteten mich diese, ausnahmslos deutlich älter als ich, überhaupt nicht. Ich war Luft für sie. Einige schüchterne Versuche, ein Gespräch zu beginnen, endeten kläglich: „Was weißt du denn schon, Kleiner", war eine der netteren Antworten auf meine Annäherungsversuche.

    Das Viertel, in dem meine Familie wohnte bestand im Kern aus Einfamilienhäusern. Am äußeren Rand entlang der Mondstraße, wo sich auch die Bushaltestelle befand, war es mit Wohnblocks bebaut. Inmitten dieser Blocks war ein großer Sandkasten eingerichtet, in dem die Kinder des Viertels bei trockenem Wetter spielten, vor allem die Mädchen.

    Eines frühen Abends,auf dem Weg von einem Freund nach Hause zum Abendessen, kam ich wie oft an diesem Sandkasten vorbei. Es war ein sonniger Tag. In Sand tummelten sich heute besonders viele Kinder. Dass die älteren Mädchen im Bus mir keine Beachtung schenkten, so ging es mir durch den Kopf, war enttäuschend. Kurzentschlossen setzte ich mich auf eine Bank am Rand des Spielplatzes, um Lage und Aussichten zu überdenken.

    Damals machte ich mir ernsthaft Gedanken darüber, wie ich (sobald ich alt genug war) die Frau fürs Leben finden würde. Meine naive Vorstellung lief darauf hinaus, dass es in dieser Welt eine und nur eine Frau gab, die für mich bestimmt war. Aber wie sollte ich sie finden? Dabei fiel mir das Märchen von den zwei Königskindern ein, die nicht zusammenkommen konnten, weil sie durch tiefes Wasser getrennt waren. Mann und Frau konnten sich offenbar finden und am Ende immer noch verfehlen. Aber schon das Finden schien eine unlösbare Aufgabe. Was könnte ich beispielsweise tun, wenn die Frau, die darauf wartete, von mir gefunden zu werden, Chinesin war?

    Ich befragte meine Mutter, die mit meinem Vater sehr glücklich zu sein schien. Meine Mutter erklärte mir: „Du brauchst die richtige Partnerin nicht zu suchen. Im rechten Moment wird sie einfach da sein. Vielleicht ist sie schon (noch unerkannt) längst in deiner Nähe. Ich selber habe deinen Vater seit meinem vierten Lebensjahr gekannt, aber erst zwanzig Jahre später als den Richtigen erkannt. Du musst also einfach Geduld haben." Die meisten Mädchen im Sandkasten, den ich jetzt genauer in Augenschein nahm, schienen zwischen vier und fünf Jahre alt zu sein. Meine Mutter war sechs Jahre jünger als mein Vater, jedenfalls gab sie sich so aus. Sechs Jahre war offenbar der ideale Altersunterschied zwischen Mann und Frau.

    Mit einem Schlag realisierte ich, dass meine künftige Frau eines der kleinen Mädchen sein könnte, die im Sandkasten spielten, und die ich bisher praktisch nicht wahrgenommen hatte. Vom Alter her würde es passen. Ich fasste die Kinder jetzt genauer ins Auge. Ein Mädchen fiel mir auf, das einen kleinen, ziemlich ungezogenen Bruder dabeihatte. Der Kleine hatte nichts Konstruktives im Sinn. Er wollte nur kaputt machen, was die anderen Kinder gebaut hatten. Seine Schwester hinderte ihn daran, geduldig und konsequent, und ließ sich gleichzeitig von ihrem eigenen Bauwerk nicht ablenken. Und wenn es dem bösen Buben doch einmal gelang, ein Sandgebilde zu beschädigen, half sie beim Wiederaufbau. Mir fiel auf, dass ihre Hände sich sehr geschickt und zielbewusst bewegten. Diese Hände zogen mich in eine Art hypnotischen Bann. Konnte dieses Mädchen, das etwas Besonderes an sich hatte, für mich bestimmt sein? Ich musste es wissen. Das war mir ganz plötzlich äußerst wichtig. Unmöglich noch Jahre zu warten. Ich wandte mich bittend an Gott, forderte ihn auf, mir meine Lebenspartnerin zu offenbaren, bot ihm als Gegenleistung an, nie wieder an ihm zu zweifeln. Plötzlich senkte sich eine Art Kraftfeld auf mich nieder, durchdrang mich, und ich wusste ohne irgendeinen Zweifel, dieses Mädchen wird die Mutter deiner Kinder sein.

    Ich überlegte, welchen Nutzen ich von diesem Wissen hatte und stellte überrascht fest, dass dieses Kind ja viel zu jung für mich war. Ich konnte auf viele Jahre hinaus nichts mit ihm anfangen. In meinen Jugendjahren war ich damit von Liebesabenteuern ausgeschlossen. Ich musste warten, bis das kleine Mädchen volljährig war, bevor ich mich ihm nähern konnte und dann wäre ich schon vierundzwanzig Jahre alt. Meine Jugend wäre bereits vorüber. Ich versuchte, der göttliche oder engelhafte Präsenz, die ich noch immer spürte, zu überreden, eine andere ältere Gefährtin für mich auszusuchen, oder mir zumindest eine zweite Gefährtin zuzuweisen, mit der ich (als ihr Ritter) meine Jugendjahre teilen würde. Ich war damit einverstanden, die Partnerin zu wechseln, wenn ich für Beruf und kinderreiche Familie gereift war. Es entspann sich eine Diskussion mit und. gegen zwei Stimmen, von denen ich nicht sicher war, ob sie in meinem Kopf redeten oder außerhalb von mir. Für ein paar Momente hatte ich den Eindruck, dass die engelhafte Stimme dem Vater des Sandkastenmädchens gehörte, der -so stellte ich mir vor- von einem Balkon im fünften Stockwerk des nächsten Wohnblocks, auf mich herunterblickte. Etwas Weißes beugte sich über die Balkonbrüstung. Ein Hemd? Flügel? Die zweite Stimme schien aus einem Busch in der Nähe zu kommen. Ich hatte den Verdacht, dass sie meinem Vater gehörte, der mir einreden wollte, ich solle mich dem göttlichen Ratschluss verweigern.

    Ich erinnerte mich an die Lotterie der blinkenden Asse, ein Gewinnspiel, das ich vor ein paar Tagen auf der örtlichen Kirmes gespielt hatte. Ich hatte ungefähr fünfmal hintereinander auf das richtige Feld gesetzt, das Feld auf dem das blinkende Licht stehenblieb. Ich hatte dieses Feld mit einem Gefühl absoluter Sicherheit vorhergesehen. Aus dem Kreis der umstehenden Spieler und Zuschauer wurden Stimmen laut, hier sei Betrug im Spiel. Meine Gewinnserie komme durch falsches Spiel zustande. Ich wehrte mich gegen diese Anschuldigung. Wie um Gottes willen sollte ich das Spiel manipulieren? Ich hörte auf, selbst zu setzen, sagte aber noch ein paar Mal das Gewinnfeld korrekt voraus, bis mich der Betreiber des Standes verärgert aufforderte, mich zu entfernen.

    Jetzt suggerierte mir die Stimme aus dem Busch, sie kam mir vor wie die Stimme eines Teufels, ich solle die engelhafte Präsenz zu einer Runde blinkende Asse auffordern. Käme das Licht auf einem schwarzen Ass zu stehen, würde das dunkelhaarige Sandkastenmädchen die einzige Frau in meinem Leben sein. Bliebe das Licht auf einem roten Ass stehen, dann würde mir eine andere Frau, eine ältere, blondhaarige zugewiesen. Ich sollte das blinkende Licht so manipulieren, das es sich teilte und auf einem schwarzen und einem roten Ass gleichzeitig zum Stehen kam. Damit würde ich beide Frauen gewinnen. Der Vorschlag kam mir sündhaft vor, aber ich ließ mich überreden, und die engelhafte Präsenz ließ sich auf das Spiel ein. Tatsächlich blieb das Blinken auf einem roten und einem schwarzen Feld stehen. Ich nahm an, der Teufel höchst selbst habe das Spiel manipuliert. Der Engel schien das Ergebnis zu akzeptieren, obwohl es ihm nicht gefiel. Er wirkte verärgert und verschwand. Ich blieb allein auf der Bank zurück. Es dämmerte langsam, und das Mädchen im Sandkasten, die Mutter meiner Kinder, fing an von innen heraus heller zu werden. Ihr Kopf war umgeben von einem Leuchten, als werde sie von der Sonne direkt angestrahlt. Ich war ziemlich durcheinander und kam zu spät zum Abendessen.

    Am nächsten Tag vertraute ich mich meiner Mutter an, führte sie zum Sandkasten und zeigte ihr das Mädchen. Meine Mutter meinte „Behalte sie nur im Auge." Und sie tat mir einen großen Gefallen, indem sie Namen, der Vorname war Annemarie, und Adresse des Mädchens herausfand.

    Etwa vier Wochen nach diesem Ereignis, das mich stark beunruhigte, lernte ich Evelyn kennen. Sie war blond, anderthalb Jahre jünger als ich, und zweifellos die mir zugesprochene Gefährtin meiner Jugend, aber ein schwieriger Fall, der mich viele Jahre in Atem hielt. Erstaunlicherweise lernte mich am gleichen Abend das Sandkastenmädchen kennen und betrachtete mich fortan als ihren künftigen Ehemann.

    Diese „Offenbarung", so nannte ich mein Erlebnis, hatte mich ziemlich erschüttert. Hatte ich mich mit meiner Gier, in die Zukunft zu blicken, versündigt? War mir etwa tatsächlich ein kurzer Blick in mein Schicksal gewährt worden, oder war das Ganze nur eine verrückte Phantasie?

    Die Wochen danach schlief ich schlecht und träumte schwer. Tagsüber war ich auf der Hut. Wenn ich schon gestraft werden sollte, sollte es mich wenigstens nicht unvorbereitet treffen. Und schließlich war ich in Sorge, dass ich die für mich vorgesehene blonde Gefährtin, falls es eine solche geben sollte, verfehlen könnte. Der für meinen Fall zuständige Engel würde dann sagen: „Es tut mir ja wirklich leid, aber ich habe für dich getan, was ich konnte. Du hättest halt die Augen aufmachen müssen."

    Einige Wochen nach dem seltsamen Erlebnis am Sandkasten fuhren mein Vater, der ungewöhnlich früh nach Hause gekommen war, und ich mit dem Fahrrad zum Schwimmverein am Langen See. Nach der Arbeit war mein Vater zumeist schweigsam und taute erst im Laufe des Abends auf. Oft blieb er aber den ganzen Abend über streng und verschlossen. So umgänglich wie heute hatte ich ihn noch nie erlebt. Ich fragte ihn, ob er befördert worden sei, und nachdem er dies verneinte, ob er vielleicht im Lotto gewonnen hätte. Die Frage, nicht ganz ernst gemeint, denn mein Vater hatte sich immer strikt gegen Glücksspiele ausgesprochen, wurde von ihm gleichfalls verneint.

    Mein Vater wusste von meiner „Offenbarung und den daraus folgenden Besorgnissen. Meine Mutter, der ich mich mitgeteilt hatte, was das Mädchen mit den Zöpfen anging, war der Meinung, ihrem Mann alles erzählen zu müssen. Mein Vater und ich hatten dann ausführlich über das Erlebte gesprochen. Von meinem „Handel mit den höheren Mächten und einem zweiten Mädchen hatte ich aber niemandem erzählt. Mein Vater hatte mich beruhigt: „Auch wenn du jetzt vielleicht tatsächlich schon die Frau erkannt hast, die einmal die Mutter deiner Kinder sein wird, darfst du trotzdem vorher Freundinnen haben und kannst dich auch unbesorgt verlieben. Es wird sich schon alles fügen."

    In seiner guten Laune, die er jetzt im Schwimmbad versprühte, versprach er mir zu helfen, und zwar jetzt gleich. „Wenn du willst, kann ich eine Freundin für dich finden. Ich sagte ihm: „Aussuchen möchte ich sie schon lieber selbst, aber was soll ich dann tun? „Geh einfach zu ihr und sprich mit ihr, war die Antwort. „Aber was soll ich ihr sagen? fragte ich zweifelnd. „Sag ihr, dass sie dir gefällt, oder mach ihr irgendein anderes Kompliment und dann sag, dass du gern ihr Freund sein möchtest. „Ich bekomme bestimmt kein Wort heraus, erwiderte ich. „Dann gib ihr eben einfach einen Kuss, erklärte mein Vater gut gelaunt, dann wird sie dir nicht widerstehen können. „Ich glaube eher, dass ich mir damit eine Ohrfeige einhandle, antwortete ich bekümmert. „Wenn du hier trübselig herumsitzt, wirst du jedenfalls niemanden finden. Du musst dich unter die Leute mischen, mit ihnen reden. Pass auf, wie ich es mache.

    Mein Vater stand auf, ging leutselig umher, grüßte hier und da jemanden, sprach die eine oder andere Person, zuerst Männer, dann auch Frauen an, schien mit der einen oder anderen Frau geradezu zu flirten. Mir war das ziemlich peinlich. Und das sagte ich ihm auch, als er zurückkam und mich aufforderte, es ihm gleich zu tun. „Ein bisschen musst du schon mitarbeiten, wenn wir eine Freundin für dich finden sollen, sonst kann ich dir auch nicht helfen. Und du solltest schon gar nicht herumsitzen und grübeln. Das hilft dir nicht weiter. Komm wenigstens mit ins Wasser und schwimm eine Runde. Mit ein paar Muskeln hast du sowieso bessere Chancen." Ich hatte keine Lust zu schwimmen, erschöpft und übermüdet, wie ich war.

    Mein Vater fing wieder an herumzulaufen, und ich, um seine Peinlichkeiten nicht mit ansehen zu müssen, verzog mich in einen wenig frequentierten Teil des Bades. Hier waren im Wasser Schwimmbahnen abgeteilt für Wettkämpfe und am in Terrassen ansteigenden Ufer standen Sitzbänke für Zuschauer. Oberhalb der Sitzbänke befand sich eine freie sandige Fläche. Zwischen den Sitzbänken spielten ein kleines Mädchen und ein noch kleinerer Junge. Es waren, wie ich überrascht feststellte, das Mädchen aus meiner „Offenbarung" und ihr Bruder. Ich setzte mich auf eine Bank und beobachtete die beiden. Ihnen zuzuschauen, beruhigte mich. Die Kleine mit den langen braunen Zöpfen hatte tatsächlich etwas an sich. Sie spielte in einer ruhigen, zielgerichteten Weise. Geduldig aber bestimmt reagierte sie auf chaotische Anfälle ihres Bruders, der an ihrer systematischen Art des Spielens wenig Gefallen fand.

    Das Zuschauen machte mich noch müder. Ich ging deshalb zurück an den Strand, legte mich auf die mitgebrachte Decke und schloss die Augen. Mein Vater war nicht zu sehen, wahrscheinlich war er zum Schwimmen gegangen. Ich schlief ein. Als ich erwachte, näherte sich die Sonne dem Horizont. Es war kühler geworden. Mein Vater fasste mich am Arm und sagte, „Wir müssen jetzt gehen. Wir sind sonst zu spät zum Abendessen. Schlaftrunken setzte ich mich auf und erstarrte. Bevor ich eingeschlafen war, war der Platz vor mir leer gewesen. Jetzt saß dort, unmittelbar vor mir ein Mädchen mit blonden Haaren im Badeanzug. Es wandte mir den Rücken zu. Ich konnte sein Gesicht also nicht sehen. Das Mädchen war kleiner als ich, aber schätzungsweise gleichaltrig. Es saß ganz allein auf einem Handtuch, obwohl es zu jung war, um sich ohne Familienangehörige um diese abendliche Zeit im Schwimmverein aufzuhalten. Ich stellte mir vor, dass es hübsch war. War es sie? War dies etwa die Gefährtin, auf die ich gewartet hatte? Mein Vater drängte: „Wir müssen jetzt wirklich gehen. „Nein, antwortete ich flüsternd, „noch nicht, auf keinen Fall.

    Ich stand auf und ging zum Wasser, schaute eine kurze Weile auf den See hinaus, bevor ich mich unauffällig umdrehte, halb erwartend, das Mädchen würde dann verschwunden sein. Es war nicht verschwunden, saß vielmehr ganz ruhig da und schaute mich an. Sie schaute mich an. Ihr Blick, der meinem nicht auswich, schien nachdenklich und ein wenig abschätzend. Lag eine Aufforderung in diesem Blick? Und sie war hübsch. Sie sah tatsächlich genauso so aus, als wäre sie einem meiner Träume entsprungen, nur jünger.

    Ich setzte mich wieder auf die Decke und überlegte krampfhaft, wie ich sie ansprechen könnte. Leider fiel mir überhaupt nichts ein, jedenfalls traute ich mich nicht. Mein Vater sagte: „Nun mach schon und rede mir ihr. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, erwiderte ich flüsternd. „Sag ihr einfach, dass sie dir gefällt und dass du sie gern kennenlernen möchtest. „Das kann ich nicht, das hört sich doof an. „Dann gib ihr eben einfach einen Kuss. Dann brauchst du gar nichts zu sagen, schlug mein Vater vor, diesmal schon etwas lauter. Ich hatte Angst, das Mädchen könne die Unterhaltung mithören und bat ihn, doch bitte leiser zu sprechen. Plötzlich drehte sich das Mädchen halb um und sah mich von der Seite an. Ich vermochte den Blick nicht zu deuten, aber er lähmte mich. Mein Vater stand auf und sagte: „Vielleicht lasse ich dich jetzt besser allein." Um dem Blick des Mädchens auszuweichen und um mich zu beruhigen, mein Herz pochte und meine Kehle war wie zugeschnürt, legte ich mich wieder auf den Rücken, schloss die Augen, und stellte mir in den unterschiedlichsten Varianten vor, wie ich die Unbekannte anreden würde. Erst als ich spürte, dass mein Vater sich wieder neben mich setzte, machte ich die Augen auf.

    Das Mädchen war verschwunden. Ich war maßlos enttäuscht und schimpfte mit meinem Vater: „Du hättest mir Bescheid geben müssen, als du gemerkt hast, dass sie geht. Jetzt werde ich sie nie wiedersehen. Mein Vater lachte: „Guck dich mal richtig um. Das tat ich. Das Mädchen war nicht nach Hause gegangen. Es saß jetzt vielmehr zusammen mit einer Frau, die seine Mutter sein musste, und einem zweiten Mädchen, das in einem Buch las, offenbar eine Schwester, vielleicht zwanzig Meter entfernt zu meiner Linken. „Jetzt kann ich sie nicht mehr ansprechen, so etwas Blödes, ärgerte ich mich. Wie konnte ich bloß die Gelegenheit verstreichen lassen. „Du musst nur einfach hingehen, und wenn du dich nicht traust wegen der Mutter, dann mach zuerst der ein Kompliment und frag sie einfach, ob du mit ihren Töchtern sprechen kannst. „Das kann ich doch nicht machen. „Pass auf, sagte mein Vater, jetzt klang er schon leicht verärgert, „ich gehe jetzt hin, gebe deiner kleinen Freundin einen Kuss in deinem Namen und sage ihr, dass du sie kennenlernen möchtest. Sie hat dann bestimmt nichts dagegen. „Du spinnst wohl, erwiderte ich entsetzt, du kannst doch nicht einfach ein Mädchen küssen. Da bekämen wir ja richtig Ärger. „Das glaube ich zwar nicht, meinte mein Vater leichthin: „ich werde aber folgendes machen, wenn es dir recht ist. Ich gebe der Mutter einen Kuss und lege bei ihr ein gutes Wort für dich ein. Dann gehst du hin, küsst die Tochter, und dann können wir endlich nach Hause fahren. Wenn du es übrigens besonders galant machen willst, führst du dich erst bei der Mutter ein. Also bringen wir es hinter uns, sonst bekommen wir heute nichts mehr zum Abendessen. „Das kannst du doch nicht machen, rief ich verzweifelt. Heute war meinem Vater alles zu zutrauen, davon war ich nach allem, was schon vorgefallen war, überzeugt. „Der Ehemann dieser Frau ist sicher auch in der Nähe, das gibt am Ende noch eine Auseinandersetzung. Der Mann wird sich das doch nicht gefallen lassen, wenn du einfach seine Frau küsst. „Das lass mal meine Sorge sein. Mit dem werde ich schon fertig, erwiderte mein Vater und marschierte los.

    Ich blieb sitzen und dachte bei mir: „Er wird es doch auf keinen Fall tun. Er wird doch unmöglich einer anderen Frau als meiner Mutter einen Kuss geben. Das kann er doch nicht tun. Er will sich nur einen Scherz mit mir machen. Das ganze Gerede vom Küssen ist nur ein alberner Jux, auf den ich nicht hereinzufallen brauche. Aber mein Vater sprach die fremde Frau tatsächlich an, ja er scherzte mit ihr, wobei er ein-, zweimal zu mir herübersah. „Sie machen sich jetzt auch noch lustig über mich. Das ist die Höhe., dachte ich verbittert. „Jetzt stehe ich völlig blamiert da." Ich wollte mich schon abwenden, zumal mir war, als ob das Mädchen mich jetzt angrinste. Auch die Schwester hob den Kopf aus ihrem Buch und schien missbilligend in meine Richtung zu schauen. Da nahm mein Vater die fremde Frau in den Arm, flüsterte ihr etwas ins Ohr und küsste sie auf den Mund. Und die Frau ließ es sich gefallen. Ich glaubte zu träumen, rieb mir die Augen. Das bildete ich mir doch alles nur ein. Aber die Frau erwiderte den Kuss sogar und lachte dabei. Dann flüsterten sie noch miteinander, bevor mein Vater sie losließ und zu mir zurückkam.

    „Jetzt bist du dran, sagte er knapp. „Die Mutter ist einverstanden. Los jetzt gib deinem Herzen einen Stoß. Heute ist mein Glückstag, und ich gebe dir von meinem Glück ein Stück ab. Du hast nichts zu befürchten. Heute kann nichts schiefgehen. Mach der Mutter ein Kompliment und dann küss die Kleine oder sprich mit ihr. Sie scheint ja wirklich nett zu sein. Das Mädchen schaute mich weiter an, so kam es mir jedenfalls vor. Lachte es mich aus? Wenn ich jetzt nicht meinen Mut zusammennahm, würde ich als Feigling dastehen. Langsam und ganz unerwartet spürte ich eine unbekannte Kühnheit in mir hochsteigen. Ich fühlte mich leicht, und ich stand auf wie in Trance und ging erhobenen Hauptes zu der Familie hinüber. Ich blickte nicht auf das Mädchen, sondern nur auf die Mutter.

    Ich musste um die beiden Mädchen herumgehen, bevor ich mich zu ihrer Mutter beugen konnte, die sich wieder hingesetzt hatte. „Sie haben hübsche, und sicher auch sehr nette Töchter, hörte ich mich reden und fuhr gleich fort: „Wenn sie älter werden, werden sie sicherlich noch viel schöner. Denn sie gehen bestimmt nach Ihnen. „Du bist ja ein richtiger kleiner Kavalier, antwortete diese. „Das hast du wohl von deinem Vater. Möchtest du mir auch einen Kuss geben? „Sehr gern, sagte ich, und küsste sie schnell ganz leicht auf die Wange. „Dein Vater hat dir ja wirklich schon allerhand beigebracht, lachte die Frau, und ich flüsterte ihr schnell ins Ohr: „Ich möchte gern ihre jüngere Tochter kennenlernen. „Oh, wenn du magst, dann küss ruhig beide, lachte die Frau. „Lass mich aus dem Spiel", warf die ältere Tochter ein -ich hielt sie für ein oder zwei Jahre älter als ich selber war- ohne den Kopf aus ihrem Buch zu heben. „Ich glaube,

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